Donnerstag, 5. März 2020

Feststellung des Schadensersatzanspruchs für künftige Schäden auch ohne Wahrscheinlichkeit des Schadeneintritts ?


Die grundsätzliche Schadensersatzpflicht der Beklagten stand fest. Der Antrag des Klägers auf Feststellung, dass der Kläger ihm auch künftigen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen habe, wurde vom Landgericht abgewiesen. Dabei stütze sich das Landgericht auf ein eingeholtes Sachverständigengutachten, wonach ein unfallbedingter Dauerschaden mit funktionellen Auswirkungen nicht eingetreten sei und ein unfallbedingter Zukunftsschaden mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten sei. Die Berufung war erfolgreich.

Ausreichend sei (wie der BGH in seinem Urteil vom 17.10.2017 – VI ZR 423/16 – festgehalten habe), dass ein haftungsrechtlich relevanter Eingriff gegeben sei, der zu möglichen künftigen Schäden führen könne. Eine „gewisse Wahrscheinlichkeit“ sei danach als zusätzliches Begründetheitselement jedenfalls in den Fällen nicht erforderlich, in denen die Verletzung eines Rechtsguts iSv. § 823 Abs. 1 BGB bzw. § 7 Abs. 1 StVG und darüber hinaus ein daraus resultierender Vermögensschaden bereits eingetreten sei.  Es gäbe nach der Rechtsprechung des BGH aaO. keinen Grund, die Feststellung für weitere (künftige) Schäden von der Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts abhängig zu mache. Materiellrechtlich käme der Anspruch ohnehin nur zum Tragen, wenn der Schaden eintreten würde, weshalb es unbedenklich sei, bereits hetzt für diesen Fall die Ersatzpflicht festzustellen. Es käme auch nicht darauf an, ob es wahrscheinlich ist, dass der Geschädigte im Falle eines Eintritts dieses weiteren Schadens einen Anspruch auf eine kongruente Sozialleistung habe.

Von Relevanz ist die Entscheidung für den Fall, dass der künftige Schaden erst nach Ablauf der Verjährungsfrist eintritt und der Geschädigte keinen Feststellungsantrag gestellt hatte. 

OLG München, Urteil vom 21.02.2020 - 10 U 2345/19 -

Mittwoch, 4. März 2020

Kein Schadensersatz des Wohnungseigentümers gegen die Gemeinschaft bei „Rechtsmissbrauch“


Die Entscheidung des BGH, mit der die Nichtzulassungsbeschwerde vom BGH zurückgewiesen wurde, ist kurz und in seiner Konsequenz nachhaltig.   

Der Sachverhalt stellt sich wie folgt dar: Im Bereich des Wohnungseigentums des klagenden Wohnungs- bzw. Teileigentümers bestand Feuchtigkeit. Er verlangte von der Gemeinschaft Schadensersatz. Dem war vorangegangen, dass er einige Jahre zuvor (im Rahmen der Eigentümerversammlung vom 14.04.2011) zwar keine konkrete Sanierungsmaßnahme, sondern eine Grundentscheidung der Gemeinschaft begehrte, dass sich diese mit der Feuchtigkeitssanierung seines Teileigentums befasst. Dieser Antrag in 2011 wurde abgewiesen und vom Kläger nicht angefochten.

Ob eine Anfechtungsklage Vorrang vor einem Schadensersatzanspruch habe (vgl. dazu auch Urteil des BGH vom 23.02.2018 - V ZR 101/16 -) könne dahinstehen.  Grundsätzlich zulässig sei es gewesen, dass der Kläger in 2011 keine bestimmte Sanierungsmaßnahme von der Gemeinschaft verlangt habe, sondern nur eine Grundentscheidung, sich mit der Sanierung des Feuchtigkeitsschadens zu befassen, § 21 Abs. 4 WEG. Ein Schadensersatzanspruch scheitere also nicht daran, dass der Kläger keine konkrete Sanierungsmaßnahme verlangt habe.

Entscheidend sei vorliegend, dass der Kläger den Negativbeschluss im Jahr 2011 nicht angefochten habe und darüber hinaus sechs Jahre lang seinen Anspruch auch nicht weiterverfolgt habe und auch keine Klage auf Ersetzung  des von ihm in 2011 angestrebten Grundsatzbeschlusses über die Sanierung seines Teileigentums gem. § 21 Abs. 8 WEG erhoben habe.

In seinem Urteil vom 23.02.2018 hatte der BGH festgehalten, dass grundsätzlich bei Ablehnung eines Beschlusses, eine Maßnahme am gemeinschaftlichen Eigentum vorzunehmen, die ein Wohnungseigentümer zur Behebung von Schäden an seinem Sondereigentum verlangt, Schadensersatzansprüche des betroffenen Wohnungseigentümers wegen einer verzögerten Sanierung des gemeinschaftlichen Eigentums nicht ausgeschlossen sind, wenn er Anfechtungsklage und gleichzeitig in Bezug auf die begehrte Maßnahme Beschlussersetzungsklage erhebt, auch wenn er nachfolgend nicht gegen Vertagungsbeschlüsse ebenfalls Anfechtungsklage erhebt.

In Ansehung auf die fehlende Anfechtung des ablehnenden Beschlusses in 2011 und dem Fehlen einer Beschlussersetzungsklage und dem langen zuwarten sei sein jetziges Begehren auf Schadensersatz rechtsmissbräuchlich.

Anm.: Rechtsmissbrauch wird angenommen, wenn zwar jemand formal ein einklagbares Recht hat, mit dessen Ausübung aber nur den Zweck verfolgt, einem anderen Schaden zuzufügen. Gleiches gilt nach der Entscheidung des BGH dann, wenn das Recht nicht ordnungsgemäß durchgesetzt wird, zu dem hier die Verpflichtung der übrigen Wohnungseigentümer zum Handeln gehört und die Verzögerung durch die Gemeinschaft nicht durch ihn durch Unterlassen der gebotenen Rechtsmittel (mit) zu vertreten ist. Der Kläger hätte also bereits den Beschluss von 2011 anfechten und Beschlussersetzungsklage erheben müssen, damit er einen durch die Verzögerung der notwendigen Sanierung entstehenden Schaden von den Eigentümern ersetzt verlangen kann, die an der positiven Beschlussfassung nicht mitwirkten.

BGH, Beschluss vom 14.11.2019 - V ZR 63/19 -

Montag, 2. März 2020

Vollstreckung der Erteilung eines Buchauszugs und Erfüllungseinwand in der Zwangsvollstreckung


Der Gläubiger, der Handelsvertreter der Schuldnerinnen war, vollstreckte aus einem gegen die Schuldnerinnen titulierten Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs. Nach dem Titel hatten die Schuldnerinnen  ihm „Buchauszüge vorzulegen, aus denen sich ergibt, … welche Verträge“ zwischen der Beklagten und den Kunden in einem bestimmten Postleitzahlengebiet und bestimmten Zeiträumen zustandegekommen und abgewickelt wurden, § 87c Abs. 2 HGB. Nach Ermächtigung einer Ersatzvornahme durch den Gläubiger begehrte dieser einen vom Landgericht zugesprochenen und zugunsten des Gläubigers titulierten Vorschuss von € 23.800,00. Im Rahmen der erfolgreichen Beschwerde hatten die Schuldnerinnen geltend gemacht, sie hätten bereits im Rahmen des landgerichtlichen Verfahrens auf Vorschussleistung auf Papier ausgedruckte und in Dateien gespeicherte Aufstellungen dem Gläubiger übermittelt.

Das OLG stellte fest, dass ein recht auf Vorschuss nach § 887 Abs. 2 ZPO entfallen sei, da die Vollstreckung der Verpflichtung zur Erteilung eines Buchauszugs beendet sei. Dem Erfüllungseinwand sei auch im Zwangsvollstreckungsverfahren nachzugehen (BGH, Beschluss vom 05.06.2004 - IXa ZB 32/04 -; BGH, Beschluss vom 11.12.2014 - IX ZB 42/14 -).

Auch wenn, wie der Gläubiger ausführte, die Schuldnerinnen dem Buchprüfer (der im Rahmen der Vollstreckung beauftragt wurde, keinen Zugang zu den Geschäftsbüchern gewährt habe, sei Erfüllung eingetreten, da nach Angaben der Schuldnerinnen diese alle im Titel benannten Angaben mitgeteilt hätten. Der Umstand, dass hier der Gläubiger zur Ersatzvornahme berechtigt sei (§ 887 Abs. 2 ZPO) würde die Pflicht, eine vertretbare Handlung (Erteilung des Buchauszugs) vorzunehmen, nicht in eine Pflicht wandeln, statt dessen nur noch die Ersatzvornahme zu dulden. Beide Pflichten (und damit Rechte) würden nebeneinander bestehen mit der Folge, dass mit Erfüllung des Schuldners durch eigenes Handeln seine Duldungspflicht entfalle.

Bei Streit darüber, ob erfüllt wurde, könne der Gläubiger den Erfüllungseinwand nicht dadurch erschüttern, dass eine die Lückenhaftigkeit behaupte. Ob die Mitteilungen den zu Vollstreckungen Verpflichtungen entsprechen hänge von der Art, dem Umfang und der Reichweite der titulierten Mitteilungspflicht ab. Die Handlungsvollstreckung sei in die Zuständigkeit des Prozessgerichts, nicht des Vollstreckungsgerichts gelegt worden (§§ 887 Abs. 1, 888 Abs. 1und 890 Abs. 1 S. 1 ZPO), was zeige, dass die Kenntnis der Rechtsgrundlage und der sie erfüllenden tatsächlichen Umstände für das Verständnis des Inhalts und Umfangs der titulierten Verpflichtung von Bedeutung sein dürfe. Damit sei die Sphäre des Erkenntnisverfahrens einerseits und des Zwangsvollstreckungsverfahrens andererseits nicht so streng voneinander getrennt wie bei einer zahlungs- oder Herausgabevollstreckung. Allerdings könne und dürfe der titulierte Anspruch auch hier nicht geprüft und damit auch weder erweitert oder eingeschränkt werden. Bei Uneinigkeit über die Erfüllung trage aber der Schuldner die Darlegungs- und Beweislast (vgl. § 362 BGB). Er müsse also, schulde e einen Buchauszug, darlegen, dass es über das Mitgeteilte hinaus keine weiteren Geschäfte gegeben habe, aus denen ein Provisionsanspruch folgen könne. Im Hinblick auf die Unmöglichkeit des Nachweises negativer Tatsachen obliege es dem Gläubiger, bei der Behauptung, weiteres Mitteilenswertes gebe es nicht, diese negative Tatsache substantiiert zu bestreiten, indem er für das das Bestehen solcher Tatsachen Umstände darlege (BGH, Beschluss vom 26.04.2007 – I ZB 82/06 -).

Zwar habe hier der Gläubiger korrekt darauf verwiesen, der vorgelegte Buchauszug eigne sich weniger gut zur Prüfung, da er in Bezug auf nicht eine Provision auslösende Geschäfte keine Angaben enthalte. Zwar könne ein Anspruch nach § 87y Abs. 2 HGB darauf gerichtet werden, alle Geschäfte in den Buchauszug aufzunehmen, aus denen sich möglicherweise Provisionsansprüche ableiten ließen; dieser Funktion würde aber der vorliegende Titel nicht entsprechen, da er gerade eine Differenzierung zwischen aufzunehmenden und nicht aufzunehmenden Geschäften enthalte („aufgrund der Tätigkeit des Klägers“).

OLG Brandenburg, Beschluss vom 24.02.2020 - 7 W 38/19 -

Donnerstag, 27. Februar 2020

Pflegeheim: Haftung für Sturz eines Demenzkranken (zum Kriterium Intimsphäre) ?


Klagen aufgrund von Schadensfällen in Alten- und Pflegeheimen sind nicht selten und werden meist von dem Krankenversicherer des Geschädigten geführt. Grundlage sind auf den Krankenversicherer  übergegangene Ansprüche, § 116 SGB X. Während der Krankenversicherer regelmäßig eine unzureichende Überwachung geltend macht, berufen sich die Betreiber auf eine – noch im Rahmen der Leistungen insbesondere der Pflegekassen – hinnehmbare Versorgung wie auch auf die Bedeutung der Privat- sowie Intimsphäre des Versicherten.

Im Zusammenhang mit der Klage des Krankenversicherers eines geschädigten Mitgliedes sah sich das OLG veranlasst, die vom Krankenversicherer als notwendig angesehene Beaufsichtigung des Mitgliedes  vor dem Hintergrund dessen Intimsphäre zu beleuchten. Der Heimvertrag würde dem Betreiber des Pflegeheims (der Beklagten) nach § 11 Abs. 1 S. 1 SGB XI Obhutspflichten zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit des Versicherten auferlegen, die sich auf die in Pflegeheimen üblichen Maßnahmen beziehen würden, die mit vernünftigen finanziellen und personellen Aufwand realisierbar seien. Maßstab seien Erforderlichkeit und Zumutbarkeit. In diesem Zusammenhang wies das OLG aber auch darauf hin, dass im Rahmen dieser Abwägung zu beachten sei, dass „beim Wohnen in einem Heim die Würde sowie die Interessen und Bedürfnisse der Bewohner vor Beeinträchtigungen zu schützen und die Selbständigkeit, die Selbstbestimmung und die Selbstverantwortung der Bewohner zu wahren und zu fördern“ seien (BGH, Urteil vom 28.04.2005 - III ZR 3994 -). Da es sich um teilweise schwierige Entscheidungen handele, sei den Pflegenden ein Beurteilungsspielraum einzuräumen. Zu prüfen sei danach, ob die Entscheidung in der konkreten Situation vertretbar sei.

Damit begründete das OLG seine Ansicht, dass es nicht darum gehen würde und könne, jeden Unfall durch umfassende Sicherungsmaßnahmen zu verhindern (OLG Koblenz, Urteil vom 21.03.2002 - 5 U 1648/01 -). Es seien hier nicht die für Krankenhäuser entwickelten Grundsätze anzuwenden. Speziell eine Beaufsichtigung beim Toilettengang sei immer von der konkreten Hilfsbedürftigkeit des Patienten abhängig. Hier wäre insbesondere die Intimsphäre des Patienten (Versicherten) zu berücksichtigen. Eine weitgehend restriktive Handhabung im Umgang mit dem Patienten aus dem Gesichtspunkt der Sicherungsfunktion heraus würde auf Kosten eines menschenwürdigen Daseins und Alltagsleben dieser Menschen gesehen. Es müssten damit besondere Umstände vorliegen, die diesen Eingriff in die Intimsphäre rechtfertigen könnten. Hier sei  - bestätigt von einem Pflegegutachten -  vom Betreiber korrekt eingestuft worden, dass aufgrund bisheriger Erfahrungen und Verhaltensweisen der Patientin, auch wenn diese an Demenz erkrankt sei (deren Grad nicht festgestellt wurde), nicht damit gerechnet werden musste, diese würde alleine von dem WC-Sitz aufstehen oder im Sitz den Halt verlieren. Deshalb sei unter Beachtung der zu wahrenden Intimsphäre  die Entscheidung der fehlenden Sicherung bei diesen Verrichtungen der Patienten nicht zu beanstanden.  

Der weitere Versuch des Krankenversicherers, eine Pflichtwidrigkeit des Betreibers daraus ableiten zu wollen, dass es an einem generellen Pflegeplan ermangelte, wurde auch vom OLG zurückgewiesen. Es käme, wie vom Sachverständigen geäußert, auf die Tagesverfassung des Patienten an, weshalb eine einheitliche Pflegeplanung nicht möglich sei und die die fachliche geeigneten Pflegekräfte könnten hier eine eigene Einschätzung vornehmen und ihr Verhalten danach ausrichten.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.09.2019 - 7 U 21/18 -

Mittwoch, 26. Februar 2020

Verwaltungsvollstreckung wegen eines privatrechtlichen Anspruchs durch eine Behörde und daraus resultierender Amtshaftungsanspruch


Es kommt in der Praxis immer wieder vor, dass Behörden den Versuch unternehmen, privatrechtliche Forderungen im Wege der Verwaltungsvollstreckung vorzunehmen. Im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung können Verwaltungsakte vollstreckt werden, die entweder bestandkräftig sind oder bei denen ein eingelegter Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat und diese auch nicht auf Antrag wiederhergestellt wurde (vgl. § 80 VwGO). Ansprüche privatrechtlicher Natur muss auch die Behörde im ordentlichen Rechtsweg titulieren lassen, um sodann im Rahmen der Zwangsvollstreckung daraus vorgehen zu können.

Dem Verfahren vor dem OLG Koblenz lag (verkürzt wiedergegeben) folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Verbandsgemeinde (Beklagte) erneuerte im Dezember 2013 eine Wasseranschlussleitung auf dem Grundstück des Klägers. Mit Rechnung vom 17.12.2013 forderte sie vom Beklagten dafür Zahlung in Höhe von € 3.116,22. Nachdem Zahlung nicht erfolgte, mahnte sie den Betrag mit zwei Schreiben (17.01.2014 und 18.02.2014) an und drohte im zweiten Schreiben mit einer Beitreibung in einem „Verwaltungszwangsverfahren“. Mit Schreiben vom 17.07.2014 teilte der Kläger mit, er habe eine Rechnung nicht erhalten und auch sonst keine Unterlagen zur Erneuerung einer Wasseranschlussleitung und bat um Information, was es damit auf sich habe.  Darauf wurde mit Schreiben vom 23.07.2014 „Erstaunen“ geäußert, da die Rechnung zugesandt worden sei und mitgeteilt, dass nunmehr eine Zwangssicherungshypothek im Grundbuch eingetragen würde. Noch am gleichen Tag wurde der entsprechende Antrag beim Grundbuchamt gestellt und die Eintragung erfolgte am 24.07.2014. Am 30.07.2014 schrieb der Kläger erneut und erklärte, er habe weder der Erneuerung der Leitung zugestimmt noch diese beauftragt und er widerspreche der Forderung; dies verband er mit der Aufforderung, die Zwangssicherungshypothek zu löschen. Mit Schreiben vom 04.08.2014 wurde ihm mitgeteilt, dass er zwar keinen Auftrag erteilt habe, die Erneuerung aber notwendig gewesen sei  und „Kostenträger außerhalb des öffentlichen Rechts … der Anschlussnehmer“ sei.

Im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens beglich der Kläger die geltend gemachte Forderung und der Antrag auf Zwangsversteigerung wurde zurückgenommen. Dem Kläger wurden von der Gerichtskasse die Kosten von € 1.156,83 berechnet. Diese wurden vom Kläger beglichen, die er mit seiner Klage von der Beklagten forderte. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung war erfolgreich.

Anspruchsgrundlage ist § 839 Abs. 1 BGB iVm. Art 34 GG (Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung).

Bei dem zuständigen Mitarbeiter der Beklagten (Verbandsgemeindekasse als Vollstreckungsbehörde) handele es sich um einen in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehenden Amtswalter, der im Rahmen seines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses tätig geworden sei und damit hoheitlich gehandelt habe, weshalb es sich um einen Beamten im haftungsrechtlichen Sinn des § 839 BGB gehandelt habe. Pflichtverletzungen desselben, die er in Ausübung des hoheitlichen Amtes begehe, gehen im Sinne einer befreienden Schuldübernahme auf den Staat (hier die Verbandsgemeinde) über.

Dem Mitarbeiter obliege die allgemeine Rechtspflicht zu rechtmäßigen Handeln. Er habe die Normen des Bundes- und Landesrechts zu beachten, unabhängig davon, ob sie dem öffentlichen oder dem privaten Recht zuzuordnen seien.

Vorliegend habe er die einschlägigen Normen des rheinland-pfälzischen Landesvollstreckungsgesetzes (LVwVG) nicht beachtet. Zwar stütze die Beklagte ihre Forderung auf ihre „Entgeltsatzung Wasserversorgung“ und ihre „Allgemeine Wasserversorgungssatzung“, weshalb es sich um eine öffentlich-rechtliche Forderung handele. Grundsätzlich sei dann aber ein Verwaltungsakt zu erlassen.  Zivilrechtliche Ansprüche seien demgegenüber durch Mahnbescheid oder Erwirkung eines gerichtlichen Vollstreckungstitels zu verfolgen, zu deren Durchsetzung dann regelmäßig der Gerichtsvollzieher zu beauftragen sei. Einzelne privatrechtliche Ansprüche würden allerdings nach Landesgesetzen auch im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung beigetrieben werden können (vgl. § 71 Abs. 2 LVwVG), wobei in diesem Fall die Zahlungsaufforderung an die Stelle des ansonsten notwendigen Verwaltungsaktes trete.

Vorliegend habe sich die Beklagte nur auf sie Zahlungsaufforderung gestützt. Bei der zugrunde liegenden Forderung handele es sich aber nicht um eine solche nach § 71 Abs. 1 LVwVG iVm. § 1 a), b) der Landesverordnung über die Vollstreckung privatrechtlicher Forderungen (RhpfLVwGpFVO), da es nicht um die Lieferung von Gas, Wasser, Wärme und elektrischer Energie gegangen sei (abschließende Aufzählung in der Verordnung). Von daher sei eine Beitreibung nach dem LVwVG unzulässig. Dessen ungeachtet sei aber auch dann, wenn die Verwaltungsvollstreckung zulässig gewesen wäre, diese jedenfalls einzustellen, wenn der Vollstreckungsschuldner, wie hier geschehen, schriftlich oder zu Protokoll der Behörde Widerspruch erhebe, wobei er (was nicht erfolgt sei) darüber auch zu belehren sei (§74 Abs. 1 S. 1 LVwVG). Im Falle des Widerspruchs müsse der Gläubiger binnen eines Monats nachweisen, dass er Zivilklage erhoben oder den Erlass eines Mahnbescheides beantragt habe; die Vollstreckung könne nur nah den Grundsätzen der Zivilprozessordnung fortgesetzt werden, § 74 Abs. 3 LVwVG.  Obwohl der Kläger nicht belehrt wurde, habe er sogar Widerspruch erhoben, da sich dieser aus seinem Schreiben vom 30.07.2014 ableiten ließe („… widerspreche ich Ihrer Forderung ausdrücklich…“). Hier nun hätte jedenfalls die Beklagte Zivilklage erheben müssen oder einen Mahnbescheid beantragen müssen.

Bedeutsam sei in diesem Zusammenhang, dass zwar grundsätzlich für die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek die Vorlage eines Titels mit Zustellungsnachweis erforderlich sei; allerdings genüge der Antrag der Vollstreckungsbehörde (hier der Verbandsgemeinde), der als Ersuchen nach § 38 GBO zu qualifizieren sei und dem Grundbuchamt das Vorliegen der Voraussetzungen bindend bescheinige. Daraus ergäbe sich die besondere Verantwortung des Mitarbeiters der Beklagten.

Eine weitere Amtspflichtverletzung des Mitarbeiters habe darin bestanden, dass er den Antrag auf Zwangsversteigerung stellte, obwohl die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen in Form der Zustellung nicht vorgelegen hätten. Die Beklagte habe den Zugang ihrer Rechnung bei dem Kläger nicht nachweisen können.

Die allgemeine Amtspflicht eines jeden beamten, rechtmäßig zu handeln, obliege gegenüber jedem als geschützten Dritten, der durch die Verletzung der Amtspflicht geschädigt werden könnte.

Der Mitarbeiter habe auch schuldhaft gehandelt. Der Amtsträger müsse die Kenntnisse und Einsichten besitzen oder sich verschaffen, die für die Führung des Amtes erforderlich seien. Er habe bei Gesetzesauslegung und Rechtsanwendung die Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel gewissenhaft und sorgfältig zu prüfen und danach seine Entscheidung auf Grund vernünftiger Überlegungen zu treffen (BGH, Urteil vom 09.12.2004 - II ZR 263/04 -). Die Normen des LVwVG müssten einem Mitarbeiter der kommunalen Vollstreckungsbehörde bekannt sein. Damit läge jedenfalls Fahrlässigkeit vor.

Eine Amtshaftung scheide nur dann aus, wenn der Geschädigte eine anderweitige Ersatzmöglichkeit habe. Dies sei hier nicht der Fall.

Das Landgericht nahm allerdings an, die Ersatzpflicht scheide hier nach § 839 Abs. 3 BGB aus, das es der Kläger vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen habe, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Dem folgte das OLG nicht.

Auch die Ankündigung im Schreiben vom 23.07.2014, zur Absicherung der Forderung eine Zwangssicherungshypothek eintragen zu lassen, reiche nicht aus, hier ein Verschulden des Klägers anzunehmen. Zwar hätte er nach § 59 Abs. 2 LVwVG Eilrechtsschutz bei dem zuständigen Verwaltungsgericht beantragen können. Doch sei § 59 Abs. 2 LVwVG hier nicht anwendbar. Die Norm beträfe ausschließlich Verwaltungsakte, mit denen Geldforderungen gefordert würden (§§ 1 – 60 LVwVG). Vorliegend war aber kein Verwaltungsakt erlassen worden. Im Übrigen habe der Kläger, trotz fehlender Belehrung, das zulässige Rechtsmittel des Widerspruchs iSv. § 74 Abs. 1 S. 1 LVwVG eingelegt (Schreiben vom 30.07.2014), der vom Mitarbeiter der Beklagten schlicht nicht beachtet worden sei. Davon, dass die Beklagte den Widerspruch nicht beachtet und gar die Zwangsgsversteigerung beantragte, erfuhr der Kläger erst mit Zustellung des Zwangsversteigerungsbeschlusses durch das Gericht. Damit aber war die hier streitige Gebühr bereits angefallen.

OLG Koblenz, Urteil vom 12.09.2019 - 1 U 135/19 -

Samstag, 22. Februar 2020

Räumungsverfügung gegen Dritte bei Geschäftsräumen bei gekündigten Mietverhältnis (§§ 940, 940a ZPO)


Es gibt bestimmte Rechtsfragen, zu denen bildet sich keine einheitliche Rechtsprechung, da diese Rechtsfragen leider dem Instanzenzug zum BGH entzogen sind. Dazu gehört die Frage, ob § 940a ZPO auch im Bereich von Geschäftsräumen entsprechend anwendbar ist oder im Rahmen des § 940 ZPO zu übertragen ist. Zuletzt nahm dazu jetzt das OLG Celle Stellung, mit der das OLG von den Entscheidungen des KG vom 09.05.2019 - 8 W 28/19 - (dieses wiederum unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung), des OLG Frankfurt vom 13.09.2019 - 2 U 61/19 - und des OLG München vom 12.12.2017 - 32 W 1939/17 - abweicht.  

Ausgangspunkt ist § 940a ZPO, welcher in Bezug auf Wohnräume die Regelung enthält, dass unter bestimmten Umständen eine auf Räumung gerichtete einstweilige Verfügung (die Räumungsverfügung) gegen Personen erwirkt werden kann, die neben dem (gekündigten) Mieter in den Wohnräumen leben:

"(1) Die Räumung von Wohnraum darf durch einstweilige Verfügung nur wegen verbotener Eigenmacht oder bei einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben angeordnet werden.
(2) Die Räumung von Wohnraum darf durch einstweilige Verfügung auch gegen einen Dritten angeordnet werden, der im Besitz der Mietsache ist, wenn gegen den Mieter ein vollstreckbarer Räumungstitel vorliegt und der Vermieter vom Besitzerwerb des Dritten erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung Kenntnis erlangt hat.
(3) Ist Räumungsklage wegen Zahlungsverzugs erhoben, darf die Räumung von Wohnraum durch einstweilige Verfügung auch angeordnet werden, wenn der Beklagte einer Sicherungsanordnung (§ 283a) im Hauptsacheverfahren nicht Folge leistet.
(4) In den Fällen der Absätze 2 und 3 hat das Gericht den Gegner vor Erlass einer Räumungsverfügung anzuhören."
Die Norm ist lediglich nach ihrem Wortlaut auf Wohnraum anwendbar, greift mithin nicht für Gewerberäume. Die Norm wurde vom Gesetzgeber eingefügt, da im Rahmen einer einstweiligen Verfügung nach § 940 ZPO grundsätzlich eine Räumung nicht durchsetzbar ist (es würde sich um eine im Verfügungsverfahren unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache handeln, da auf der Grundlage einer entsprechenden Räumungsverfügung das eventuell streitige Räumungsverlangen endgültig durchgesetzt werden könnte). Voraussetzung der Anwendbarkeit ist grundsätzlich, dass der Verfügungskläger (Vermieter) im Besitz eines vollstreckbaren Räumungstitels gegen den Mieter ist und zusätzlich erst nach dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor Erlass des Räumungsurteils erfährt, dass sich noch eine weitere Person (oder mehrere Personen) im (Mit-) Besitz der Wohnung befinden (sei es aufgrund eines vom bisherigen Mieter eingeräumten Nutzungsrechts oder nicht bekannten Untermietverhältnisses).

Obwohl in der Norm ausdrücklich nur auf Wohnraum abgestellt wird, besteht in Rechtsprechung und Literatur Streit darüber, ob die Norm nicht doch auch im Rahmen Nutzungsüberlassung von Geschäftsräumen durch den gekündigten Mieter (gegen den ein vollstreckbarer Räumungstitel vorliegt) entsprechend oder der Übertragung auf die Regelung in § 940 ZPO angewandt werden kann. Das OLG Celle verneint dies. Obwohl vom Landgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend ein Räumungs- und Herausgabeanspruch des Klägers angenommen worden sei, darf nach Auffassung des OLG keine darf gerichtete einstweilige Verfügung ergehen, da es dem Verfügungsgrund ermangele.

Der Verfügungsgrund des § 940a ZPO (vollstreckbarer Räumungstitel gegen den Mieter, Kenntnis des Besitzerwerbs durch einen Dritten erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil erging) greift nach Auffassung des OLG nicht. Überschrift und Wortlaut der Norm würden verdeutlichen, dass diese nur für Wohnraumanwendbar sei. Eine analoge Anwendung scheide aus (Anm.: eine Analogie einer Spezialnorm, wie hier § 940a ZPO zu § 940 ZPO, scheidet in der Regel aus, wenn nicht von einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen ist).

Auch könne § 940a ZPO nicht über § 940 ZPO als „Ankernorm“ auf Geschäftsraummietverhältnisse angewandt werden. Die Argumentation des KG sowie des OLG Frankfurt, die die Anwendbarkeit des § 940a ZPO über § 940 ZPO bejahen, würden dem Prinzip der Gewaltenteilung widersprechen und eine unstatthafte Korrektur des Gesetzgebers bedeuten. Für ein „wenn schon, dann erst recht“  sei bei Spezialnormen wie hier kein Raum. Dies gelte auch dann, wenn zwar die Norm nicht analog angewandt würde, deren Wertung aber bei § 940 ZPO herangezogen würde.

Auch der Argumentation des OLG München könne nicht gefolgt werden. § 940 ZPO erfordere ein Werturteil, da ein Sachverhalt erst nach einem zu konkretisierenden „ausfüllungsbedürftigen“ Maßstab beurteilt werden könne, weshalb zwar maßgeblich die Methode der Fallvergleichung und Typisierung Anwendung fände, wobei gleiche Fälle gleich zu behandeln seien. Es bedürfe aber der Herausarbeitung, welche Umstände in welchem Ausmaß für die geforderte Bewertung nach allgemeinem Maßstab von Bedeutung seien. Gerade daran fehle es aber hier: Der signifikante Unterschied bestehe in der rechtlichen Bewertung von Wohnraummietverhältnissen und Gewerberaummietverhältnissen, wie auch § 578 verdeutliche (die Norm überträgt nur einzelne Normen des Wohnraummietrechts auf die Gewerberaummiete). Darin käme bereits eine Wertentscheidung des Gesetzgebers zum Ausdruck, was dagegen spreche, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung der Norm des § 940a ZPO eine typisierende Bewertung für alle Arten von Mietverhältnissen vorgenommen hätte. Auch läge damit keine Regelungslücke vor, die nur angenommen werden könne, da es auf der Grundlage des maßgeblichen Wertungsprinzips des Gesetzgebers an einer behebungsbedürftigen Unvollständigkeit ermangele.

Mithin käme eine einstweilige Räumungsverfügung nach §§ 935, 940 ZPO nur in Ausnahmefällen Betracht.  Dazu würden die umgehende Rückgängigmachung verbotener Eigenmacht sowie die Fälle zählen, in denen der unberechtigte Besitzer die Sache in einer  vertragswidrigen Weise nutzt und der Sachsubstanz aus diesem Grund konkreter Schaden drohe. Nicht dazu würden die Nichtzahlung von Nutzungsentgelt trotz Nutzung gehören, da es auf die Dringlichkeit ankäme (offen gelassen und in der Rechtsprechung auch streitig für Fälle der wirtschaftlichen Notlage des Vermieters).

OLG Celle, Urteil vom 09.01.2020 - 2 U 116/19 -

Donnerstag, 20. Februar 2020

Voraussetzungen für Grundbuchberichtigung bei Erbnachfolge für einen verstorbenen Gesellschafter einer Eigentümer-GbR


Der privatschriftliche Gesellschaftsvertrag der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR, §§ 705ff BGB) sah in § 8 (1) für den Fall des Todes eines Gesellschafters vor, dass die Gesellschaft mit den Erben oder Vermächtnisnehmern des verstorbenen Gesellschafters fortgesetzt wird. Sie können den Eintritt binnen drei Monaten gegenüber der Gesellschaft ablehnen; in diesem Fall sind sie abzufinden und wird die Gesellschaft mit den verbliebenen Gesellschaftern fortgesetzt.

Ein Gesellschafter verstarb und zugunsten seiner Erben wurde ein Erbschein ausgestellt, der von einem der Erben dem Grundbuchamt mit dem Gesellschaftsertrag vom 17.11.2007 und dem Antrag auf Berichtigung des Grundbuchs dahingehend überlassen wurde, dass der verstorbene Gesellschafter aus der GbR als Eigentümerin ausgeschieden sei und die Erben an seiner Stelle Gesellschafter wurden. Das Grundbuchamt wies in seiner angefochtenen Zwischenverfügung darauf hin, dass der Eintragung das Fehlen Berechtigungsbewilligungen aller verbliebenen Gesellschafter und aller Erben sowie der Unrichtigkeitsnachweis nach § 22 GBO durch Vorlage des Gesellschaftsvertrages in Form des § 29 GBO (notarielle Errichtung desselben) entgegenstünden. Das Amtsgericht half der Beschwerde nicht ab.

Im Beschwerdeverfahren wurden nach Hinweis des OLG von dem Beschwerdeführer Erklärungen aller verbliebenen Gesellschafter und der erben vorgelegt, wonach § 8 (1) des Gesellschaftsvertrages vom 17.11.2007 unverändert sei und kein Erbe die Ablehnung des Eintritts in die GbR erklärt habe. Daraufhin wurde vom OLG die angefochtene Zwischenverfügung aufgehoben.

Die Aufhebung erfolgte aus formellen Gründen, da nach Auffassung des OLG die Voraussetzungen für eine Zwischenverfügung nach § 18 Abs. 1 GBO nicht vorlagen. Die Zwischenverfügung soll den Rang und die sonstigen Rechtswirkungen des Antrages erhalten, was bei einer (wirksamen) Zurückweisung nicht der Fall wäre. Eine solche Zwischenverfügung sie aber nur möglich, wenn der Mangel des Antrags mit rückwirkender Kraft geheilt werden könnte. Daher könne nicht – ie geschehen – die Vorlage einer Eintragungsbewilligung aufgegeben werden, die erst Grundlage für die vorzunehmende Eintragung sein soll. Für eine Berichtigungsbewilligung gelte nichts anderes. Mithin hätte das Grundbuchamt – nach  seiner Rechtsansicht zu den Voraussetzungen des Antrags – den Berichtigungsantrag sofort zurückweisen müssen.

Wohl in der Erkenntnis, dass bei einer Aufhebung der Zwischenverfügung nur aus diesen formellen Gründen heraus das Grundbuchamt sodann den Antrag sofort zurückgewiesen hätte und mithin eine Beschwerde dagegen erfolgt wäre, sah sich der Senat des OLG wohl veranlasst vorsorglich Hinweise (wenn auch nicht rechtsbindend) für das weitere Verfahren zu geben, in denen er die Rechtsauffassung des Grundbuchamtes als verfehlt darlegte. In Ansehung solcher (vorsorglichen) hinweise wird im Zweifel das erneut zur Entscheidung berufene Grundbuchamt sich kaum auf diese Gründe beziehen, da eine darauf beruhende Zurückweisung des Antrags mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vom Beschwerdegericht aufgehoben würde.

Für die Berichtigigungsbewilligung bedürfe es lediglich der schlüssigen Darlegung der Grundbuchunrichtigkeit (§§ 19, 22 Abs. 2, 29 Abs. 1 GBO) oder (§ 22 Abs. 1 GBO) aufgrund grundsätzlich lückenlosen, besonders formalisierten Nachweises der die Unrichtigkeit des Grundbuchs bedingenden Tatsachen. An der erbringung des Unrichtigkeitsnachweises seien strenge Anforderungen zu stellen, weshalb für eine Berichtigung ohne Bewilligung der Betroffenen eine bloße gewisse Wahrscheinlichkeit nicht ausreiche. Es sei grundsätzlich durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden (§ 29 GBO) lückenlos jede Möglichkeit auszuräumen, die der Richtigkeit der vorhandenen Eintragung entgegenstehen könnten. Lediglich ganz entfernte Möglichkeiten, welche der Richtigkeit der begehrten Eintragung entgegenstehen könnten, bräuchten nicht widerlegt zu werden. Dies gelte nach § 47 Abs. 2 S. 2 GBO auch für die Berichtigung der Gesellschafterzusammensetzung der als Eigentümer eingetragenen GbR. Im Falle der Fortsetzung der Gesellschaft mit den Erben bedürfe es der Vorlage des Gesellschaftsvertrages, aus dem sich die Nachfolgevereinbarung ergebe, sowie des Nachweises der Erbfolge, oder einer Fortsetzungsvereinbarung, wonach die Gesellschaft mit den übrigen (mindestens zwei) Gesellschaftern fortgesetzt würde.

Allerdings sei ein Abweichen von den strengen Formvorschriften des § 29 GBO dann möglich, wenn sich die  Beteiligten ansonsten in einer unüberwindbaren Beweisnot befänden. Es könne daher ein (wie hier) nur in privatschriftlicher Form errichteter Gesellschaftsvertrag als Unrichtigkeitsnachweis iSv. § 22 GBO genügen (nach dem Beschluss des KG vom 29.03.2016 - 1 W 907/15 - könne stattdessen auch die Zustimmung der Erben in Form des § 29 GBO ausreichen). Hintergrund sei, dass es für den Gesellschaftsvertrag der GbR keine Formvorschrift gebe.

Allerdings sei eine Berichtigung der Gesellschafter nach dem Tod eines Gesellschafters im Grundbuch auch über eine Berichtigungsbewilligung nach §§ 22, 18 GBO nicht ohne weiteres möglich, wenn der Nachweis der Berichtigungsberechtigung ebenfalls nur anhand des nicht formgerechten Gesellschaftsvertrages geführt werden könne. Bewilligen müssten danach außer den eingetragenen Gesellschaftern noch diejenigen, die aufgrund der Nachfolgeklausel neue Gesellschafter sind, deren Person jedoch entweder aus dem Gesellschaftsvertrag, ggf. in Verbindung mit einem Erbschein festzustellen seien.  Es sei allerdings widersprüchlich, hier nun erhöhte Anforderungen zu stellen, zumal auch der Gesetzgeber bei der Normierung des § 899a BGB wusste, dass es keine Formvorschrift für den Gesellschaftsvertrag einer GbR gibt und solches auch nicht geregelt habe. Da allgemein davon ausgegangen würde, dass es aufgrund von personellen und finanziellen Verhältnissen nach Ablauf von mehreren Jahren Änderungen am Gesellschaftsvertrag geben könne, sei zur Ausräumung von Zweifeln eine privatschriftliche Erklärung aller eingetragenen ursprünglichen Gesellschafter sowie der Erben (und Erbeserben) über den aktuellen Inhalt des Gesellschaftsvertrages ausreichend, aber auch notwendig. Diese Erklärungen lägen (jetzt, nach Anforderung durch den Senat) vor.

OLG München, Beschluss vom 08.01.2020 - 34 Wx 420/19 -