Klagen aufgrund von
Schadensfällen in Alten- und Pflegeheimen sind nicht selten und werden meist
von dem Krankenversicherer des Geschädigten geführt. Grundlage sind auf den
Krankenversicherer übergegangene
Ansprüche, § 116 SGB X. Während der Krankenversicherer regelmäßig eine
unzureichende Überwachung geltend macht, berufen sich die Betreiber auf eine –
noch im Rahmen der Leistungen insbesondere der Pflegekassen – hinnehmbare
Versorgung wie auch auf die Bedeutung der Privat- sowie Intimsphäre des
Versicherten.
Im Zusammenhang mit der Klage des
Krankenversicherers eines geschädigten Mitgliedes sah sich das OLG veranlasst,
die vom Krankenversicherer als notwendig angesehene Beaufsichtigung des
Mitgliedes vor dem Hintergrund dessen
Intimsphäre zu beleuchten. Der Heimvertrag würde dem Betreiber des Pflegeheims
(der Beklagten) nach § 11 Abs. 1 S. 1 SGB XI Obhutspflichten zum Schutz der
körperlichen Unversehrtheit des Versicherten auferlegen, die sich auf die in
Pflegeheimen üblichen Maßnahmen beziehen würden, die mit vernünftigen finanziellen
und personellen Aufwand realisierbar seien. Maßstab seien Erforderlichkeit und
Zumutbarkeit. In diesem Zusammenhang wies das OLG aber auch darauf hin, dass im
Rahmen dieser Abwägung zu beachten sei, dass „beim Wohnen in einem Heim die Würde sowie die Interessen und
Bedürfnisse der Bewohner vor Beeinträchtigungen zu schützen und die
Selbständigkeit, die Selbstbestimmung und die Selbstverantwortung der Bewohner
zu wahren und zu fördern“ seien (BGH, Urteil vom 28.04.2005 - III ZR 3994
-). Da es sich um teilweise schwierige Entscheidungen handele, sei den Pflegenden
ein Beurteilungsspielraum einzuräumen. Zu prüfen sei danach, ob die Entscheidung
in der konkreten Situation vertretbar sei.
Damit begründete das OLG seine
Ansicht, dass es nicht darum gehen würde und könne, jeden Unfall durch
umfassende Sicherungsmaßnahmen zu verhindern (OLG Koblenz, Urteil vom
21.03.2002 - 5 U 1648/01 -). Es seien hier nicht die für Krankenhäuser
entwickelten Grundsätze anzuwenden. Speziell eine Beaufsichtigung beim Toilettengang
sei immer von der konkreten Hilfsbedürftigkeit des Patienten abhängig. Hier
wäre insbesondere die Intimsphäre des Patienten (Versicherten) zu berücksichtigen.
Eine weitgehend restriktive Handhabung im Umgang mit dem Patienten aus dem
Gesichtspunkt der Sicherungsfunktion heraus würde auf Kosten eines
menschenwürdigen Daseins und Alltagsleben dieser Menschen gesehen. Es müssten
damit besondere Umstände vorliegen, die diesen Eingriff in die Intimsphäre rechtfertigen
könnten. Hier sei - bestätigt von einem
Pflegegutachten - vom Betreiber korrekt
eingestuft worden, dass aufgrund bisheriger Erfahrungen und Verhaltensweisen
der Patientin, auch wenn diese an Demenz erkrankt sei (deren Grad nicht
festgestellt wurde), nicht damit gerechnet werden musste, diese würde alleine
von dem WC-Sitz aufstehen oder im Sitz den Halt verlieren. Deshalb sei unter
Beachtung der zu wahrenden Intimsphäre die
Entscheidung der fehlenden Sicherung bei diesen Verrichtungen der Patienten nicht
zu beanstanden.
Der weitere Versuch des
Krankenversicherers, eine Pflichtwidrigkeit des Betreibers daraus ableiten zu
wollen, dass es an einem generellen Pflegeplan ermangelte, wurde auch vom OLG zurückgewiesen.
Es käme, wie vom Sachverständigen geäußert, auf die Tagesverfassung des Patienten
an, weshalb eine einheitliche Pflegeplanung nicht möglich sei und die die
fachliche geeigneten Pflegekräfte könnten hier eine eigene Einschätzung
vornehmen und ihr Verhalten danach ausrichten.
OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.09.2019 - 7 U 21/18 -