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Montag, 2. März 2020

Vollstreckung der Erteilung eines Buchauszugs und Erfüllungseinwand in der Zwangsvollstreckung


Der Gläubiger, der Handelsvertreter der Schuldnerinnen war, vollstreckte aus einem gegen die Schuldnerinnen titulierten Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs. Nach dem Titel hatten die Schuldnerinnen  ihm „Buchauszüge vorzulegen, aus denen sich ergibt, … welche Verträge“ zwischen der Beklagten und den Kunden in einem bestimmten Postleitzahlengebiet und bestimmten Zeiträumen zustandegekommen und abgewickelt wurden, § 87c Abs. 2 HGB. Nach Ermächtigung einer Ersatzvornahme durch den Gläubiger begehrte dieser einen vom Landgericht zugesprochenen und zugunsten des Gläubigers titulierten Vorschuss von € 23.800,00. Im Rahmen der erfolgreichen Beschwerde hatten die Schuldnerinnen geltend gemacht, sie hätten bereits im Rahmen des landgerichtlichen Verfahrens auf Vorschussleistung auf Papier ausgedruckte und in Dateien gespeicherte Aufstellungen dem Gläubiger übermittelt.

Das OLG stellte fest, dass ein recht auf Vorschuss nach § 887 Abs. 2 ZPO entfallen sei, da die Vollstreckung der Verpflichtung zur Erteilung eines Buchauszugs beendet sei. Dem Erfüllungseinwand sei auch im Zwangsvollstreckungsverfahren nachzugehen (BGH, Beschluss vom 05.06.2004 - IXa ZB 32/04 -; BGH, Beschluss vom 11.12.2014 - IX ZB 42/14 -).

Auch wenn, wie der Gläubiger ausführte, die Schuldnerinnen dem Buchprüfer (der im Rahmen der Vollstreckung beauftragt wurde, keinen Zugang zu den Geschäftsbüchern gewährt habe, sei Erfüllung eingetreten, da nach Angaben der Schuldnerinnen diese alle im Titel benannten Angaben mitgeteilt hätten. Der Umstand, dass hier der Gläubiger zur Ersatzvornahme berechtigt sei (§ 887 Abs. 2 ZPO) würde die Pflicht, eine vertretbare Handlung (Erteilung des Buchauszugs) vorzunehmen, nicht in eine Pflicht wandeln, statt dessen nur noch die Ersatzvornahme zu dulden. Beide Pflichten (und damit Rechte) würden nebeneinander bestehen mit der Folge, dass mit Erfüllung des Schuldners durch eigenes Handeln seine Duldungspflicht entfalle.

Bei Streit darüber, ob erfüllt wurde, könne der Gläubiger den Erfüllungseinwand nicht dadurch erschüttern, dass eine die Lückenhaftigkeit behaupte. Ob die Mitteilungen den zu Vollstreckungen Verpflichtungen entsprechen hänge von der Art, dem Umfang und der Reichweite der titulierten Mitteilungspflicht ab. Die Handlungsvollstreckung sei in die Zuständigkeit des Prozessgerichts, nicht des Vollstreckungsgerichts gelegt worden (§§ 887 Abs. 1, 888 Abs. 1und 890 Abs. 1 S. 1 ZPO), was zeige, dass die Kenntnis der Rechtsgrundlage und der sie erfüllenden tatsächlichen Umstände für das Verständnis des Inhalts und Umfangs der titulierten Verpflichtung von Bedeutung sein dürfe. Damit sei die Sphäre des Erkenntnisverfahrens einerseits und des Zwangsvollstreckungsverfahrens andererseits nicht so streng voneinander getrennt wie bei einer zahlungs- oder Herausgabevollstreckung. Allerdings könne und dürfe der titulierte Anspruch auch hier nicht geprüft und damit auch weder erweitert oder eingeschränkt werden. Bei Uneinigkeit über die Erfüllung trage aber der Schuldner die Darlegungs- und Beweislast (vgl. § 362 BGB). Er müsse also, schulde e einen Buchauszug, darlegen, dass es über das Mitgeteilte hinaus keine weiteren Geschäfte gegeben habe, aus denen ein Provisionsanspruch folgen könne. Im Hinblick auf die Unmöglichkeit des Nachweises negativer Tatsachen obliege es dem Gläubiger, bei der Behauptung, weiteres Mitteilenswertes gebe es nicht, diese negative Tatsache substantiiert zu bestreiten, indem er für das das Bestehen solcher Tatsachen Umstände darlege (BGH, Beschluss vom 26.04.2007 – I ZB 82/06 -).

Zwar habe hier der Gläubiger korrekt darauf verwiesen, der vorgelegte Buchauszug eigne sich weniger gut zur Prüfung, da er in Bezug auf nicht eine Provision auslösende Geschäfte keine Angaben enthalte. Zwar könne ein Anspruch nach § 87y Abs. 2 HGB darauf gerichtet werden, alle Geschäfte in den Buchauszug aufzunehmen, aus denen sich möglicherweise Provisionsansprüche ableiten ließen; dieser Funktion würde aber der vorliegende Titel nicht entsprechen, da er gerade eine Differenzierung zwischen aufzunehmenden und nicht aufzunehmenden Geschäften enthalte („aufgrund der Tätigkeit des Klägers“).

OLG Brandenburg, Beschluss vom 24.02.2020 - 7 W 38/19 -

Dienstag, 26. November 2019

Handelsvertreter: Buchauszug und Datenschutz


Das OLG München musste sich in einem Berufungsverfahren u.a. mit der Frage befassen, ob die Erteilung eines Buchauszugs an den Handelsvertreter (bzw. Versicherungsvertreter) überhaupt (noch) zulässig ist. Die Betrachtung erfolgte unter Berücksichtigung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).

§ 87c Abs. 2 HGB normiert einen Rechtsanspruch des Handels- bzw. Versicherungsvertreters gegen den Geschäftsherrn auf Erteilung eines Buchauszugs. Damit könnte diese Norm mit dem Datenschutz im Widerspruch stehen. So verwies das OLG darauf, dass weder der Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 S. 1 Buchst. b DSGVO nicht erfüllt sei, da die Übermittlung des Buchauszugs gemäß Art. 4 Nr. 2 DSGVO eine „Verarbeitung“ von Daten iSv. Art. 6 Abs. 1 S. 1 DSGVO darstelle. Die Übermittlung sei nicht zur Erfüllung eines Vertrages erforderlich, dessen Vertragspartner die betroffene Person sei. Betroffen sei nur der Kunde  des Versicherungs- oder Handelsdienstleisters, und  der Handels- bzw. Versicherungsvertreter sei nur für den Geschäftsherrn tätig, ohne selbst in den Vertrag eingebunden zu sein. Die Erteilung des Buchauszugs nach § 87c Abs. 2 HGB zur Erfüllung des Vertrages zwischen dem Geschäftsherrn und dem Kunden erforderlich.

Ebensowenig könne hier eine Berechtigung aus Art. 6 Abs. 1 S. 1 Buchst. c) DSBVO hergeleitet werden. Unabhängig davon, ob es sich bei der Verpflichtung des Geschäftsherrn um eine „rechtliche Verpflichtung“ dem Handels- bzw. Versicherungsvertreter gegenüber handele, sei weiter erforderlich, dass die Erteilung im öffentlichen Interesse läge. Fies sei aber nicht der Fall; die Erteilung des Buchauszugs erfolge lediglich zur Realisierung des Vergütungsanspruchs des Handels-/Versicherungsvertreters und diene daher nur individuell-privaten Interessen. Diese aber seien von Art. 6 Abs. 3 S. 4 DSGVO gerade nicht umfasst.

Allerdings greife der Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 S. 1 Buchst. f DSGVO. Danach sei die Übermittlung der Daten an einen Dritten gestattet, wenn dies zur Wahrung der berechtigten Interessen des Dritten erforderlich sei, sofern nicht dagegen stehende Interessen oder Grundrechte der betroffenen Person (hier des Kunden) stünden. Die Übermittlung erfolge im Vergütungsinteresse des Handels-/Versicherungsvertreters und bei diesem handele es sich um ein berechtigtes Interesse eines Dritten, da es aus einer erlaubten unternehmerischen Tätigkeit des Vertreters folge und das Recht zur Gewinnerzielung umfasse. Dies sei auch ausdrücklich in Art. 16 EUGRCh anerkannt worden. Zudem sähe die europäische Rechtsordnung (auf der die DSGVO beruht) auch ausdrücklich in Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie des Rates vom 18.12.1986 zu Koordination der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten (86/653/EWG) betreffend selbständiger Warenhandelsvertreter auch ausdrücklich einen Anspruch desselben auf einen Buchauszug zur Prüfung seines Provisionsanspruchs vor, weshalb es sich hier um ein europarechtlich geschütztes Interesse iSv. Art. 6 Abs. 1 S. 1 Buchst. f DSBVO handele. Auch wenn sich die Regelung in der Richtlinie nur auf Warenhandelsvertreter beziehe, sei die gleichlaufende Interessenslage eines sonstigen Handels- bzw. Versicherungsvertreters nicht weniger schützenswert.
Der Buchauszug diene der Verfolgung und Realisierung (Prüfung) des Provisionsanspruchs des Handels-`/Versicherungsvertreters, dem ohne den Buchauszug eine Realisierung eines möglichen Anspruchs erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht würde. Es würde nicht verkannt, dass mit dem Buchauszug Daten betroffener Personen übermittelt würden, die höchst sensibel sein könnten, wie z.B. Gründe für die Stornierung eines Versicherungsvertrages (so u.a. Zahlungsunfähigkeit des Versicherungsnehmers wegen krankheitsbedingter Erwerbsunfähigkeit).

Bei der gebotenen Abwägung sei zunächst von den Erwägungsgründen in der DSGVO selbst auszugehen. In dem Erwägungsgrund 47 würde auf die Beziehung eingegangen sowie die Erwartbarkeit der Datenverarbeitung der betroffenen Person. Hier käme die Beziehung zwischen dem Geschäftsherrn und dem Kunden nur durch den Handels-/Versicherungsvertreter zustande, weshalb für den Kunden absehbar sei, dass der Geschäftsherr die Daten verarbeitet und an den Vertreter weitergäbe. Denn auch einem geschäftsunerfahrenen Kunden müsse klar sein, dass der Vertrag durch den Vertreter vermittelt würde und dieser dafür ein Entgelt erhält und der Abgleich einen Datenaustausch erforderlich mache. Diese hohe Erwartbarkeit spräche bereits für ein überwiegendes Interesse an der Offenlegung der Daten durch den Vertreter.

Zudem würde die DSGVO allgemein dem Zweck der Verfolgung von Rechtsansprüchen ein hohes Gewicht beimessen. So sei nach Art. 21 Abs. 1 S. 2 DSGVO ein Widerspruchsrecht der betroffenen Person gegen sie betreffende personenbezogene Daten ausschließen, wenn die Verarbeitung der Geltendmachung von Rechtsansprüchen des Verantwortlichen diene. (Anm.: Man stelle sich ein Versandgeschäft vor. Nach Versendung wird die Ware vom Kunden nicht gezahlt und er widerspricht der Nutzung seiner personenbezogenen Daten. Dies hindert Art. 21 Abs. 1 S. 2 DSFVO, damit der Händler noch die Daten zur Geltendmachung seines Anspruchs nutzen kann).  

Damit sei die Erteilung eines Buchauszugs nach § 87c Abs. 2 HGB nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 Bucht. f DSGVO zulässig.

OLG München, Urteil vom 31.07.2019 – 7 U 4012/17 -

Dienstag, 19. September 2017

Handelsvertreter: Zur Verjährung des Anspruchs auf einen Buchauszug

Der Kläger war bei der Beklagten als Handelsvertreter (HV) tätig gewesen. Die Beklagte rechnete die Provisionen monatlich ab. Nach Beendigung des Vertrages zum 31.12.2014 klagte er mit einer im Oktober 2015 erhobenen Klage im Rahmen einer Stufenklage zunächst auf Erteilung eines Buchauszugs in Bezug auf alle Geschäfte mit bestimmten Abnehmern für den Zeitraum vom 27.10.2008 bis 31.12.2014. Die Beklagte anerkannte den Anspruch für den Zeitraum vom 01.01.2012 bis 31.12.2014 und erhob im Übrigen die Einrede der Verjährung.

Das Landgericht hatte dem Anspruch des Klägers entsprochen, das OLG abgewiesen. Die Revision des Klägers blieb erfolglos.

Der BGH verweist darauf, dass der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs nach § 87c HGB selbständig innerhalb der Regelverjährungsfrist des § 195 BGB (3 Jahre) verjähre. Dieser Anspruch würde allerdings dann gegenstandslos, wenn der Provisionsanspruch, zu dessen Geltendmachung der Buchauszug diene, bereits verjährt oder nicht (mehr) durchsetzbar sei. Die Regelverjährung des § 195 BGB beginne nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen sowie der Person des Schuldners erlangt habe bzw. ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen können. In diesem Sinne ist der Anspruch entstanden zu dem Zeitpunkt, zu dem er erstmals geltend gemacht oder gerichtlich durchgesetzt werden könnte, was regelmäßig bei Fälligkeit nach § 271 BGB anzunehmen sei. Daraus folgert der BGH für den Buchauszug, dass die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres zu laufen beginne, in dem der Unternehmer dem Handelsvertreter eine abschließende Abrechnung über die ihm zustehende Provision erteilt habe.

Für die Entstehung des Anspruchs auf Erteilung des Buchauszugs sei nicht ausreichend, dass die Voraussetzungen für eine Abrechnung der Provision nach § 87c Abs. 1 HGB vorlägen. Zwar sei der Handelsvertreter berechtigt, verweigert der Unternehmer eine Abrechnung der Provisionen, die Vorlage eines Buchauszugs zusammen mit der Abrechnung über die Provisionen geltend zu machen; aber er sei dazu nicht verpflichtet. Er könne auch zunächst die Abrechnung fordern, danach den Buchauszug. Dadurch würde der Unternehmer nicht unbillig benachteiligt, da er es in der der Hand habe, durch Erteilung einer abschließenden Provisionsrechnung den Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs im Sinne des Verjährungsrechts fällig zu stellen.

Auch sei für die Entstehung des Anspruchs auf einen Buchauszug weder ein Zweifel an der Richtigkeit der erteilten Abrechnung erforderlich noch notwendig, dass die Abrechnung vollständig sei. Der Buchauszug soll es dem Handelsvertreter gerade ermöglichen, die Abrechnung zu prüfen.

Der Buchauszug könne vom Unternehmer auch bereits ohne gesonderte Anforderung zusammen mit der Abrechnung erteilt werden. Erfolgt dies nicht, könne der Anspruch ab Zugang einer abschließenden Provisionsabrechnung geltend gemacht werden und wäre ab diesem Zeitpunkt auch gerichtlich durchsetzbar (s. oben auch zur Verbindung mit der Klage auf Abrechnung).  Damit aber unterläge der gesamte Anspruch auf einen Buchauszug dem Verjährungslauf, nicht nur in bezug auf die abgerechneten Geschäfte.


BGH, Urteil vom 03.08.2017 - VII ZR 32/17 -

Dienstag, 8. November 2016

Handelsvertreterausgleichsanspruch und Neukundenbegriff

Die Klägerin machte gegenüber der Beklagten Handelsvertreterausgleichsansprüche geltend. Zwischen den Parteien war streitig, ob insoweit auch Kunden zu berücksichtigen sind, die zwar schon Kunden der Beklagten waren, aber erst von der Klägerin für die zu ihrem Vertriebsbereich gehörigen Brillenkollektionen zum Kauf veranlasst wurden.

Das Berufungsgericht hatte dies  bejaht. Neukunden seien grundsätzlich nur solche, die bisher noch keine Geschäfte mit dem Unternehmer getätigt hätten. Grundsätzlich sei der Begriff Neukunde branchenspezifisch zu verstehen. Dies käme allerdings vorliegend nicht in Betracht, da die Klägerin nicht die gesamte Produktpalette zum Vertrieb anvertraut wurde, sondern lediglich bestimmte Kollektionen. Damit habe die Klägerin die Optiker davon überzeugen müssen, als Neukunde für diese Kollektionen mit dem Unternehmer (Beklagte) Geschäfte zu tätigen. Damit sei die Klägerin in Konkurrenz zu anderen Handelsvertretern der Beklagten getreten. Dem Umstand, dass die Klägerin Kundenlisten von der Beklagten erhalten habe, sei durch einen Billigkeitsabschlag Rechnung zu tragen.

Dem folgt der BGH (so) nicht.

Er verweist darauf, dass nach § 89b HGB Neukunden diejenigen wären, mit denen der Unternehmer noch keine Geschäfte getätigt habe, sondern erstmals durch Vermittlung des Handelsvertreters solche tätige. So sei auch anerkannt, dass bei einer Produkterweiterung kein Neukundengeschäft vorläge, wenn der das gesamte Warensortiment bewerbende Handelsvertreter mit Bestandskunden Geschäfte über die neuen Produkte zum Abschluss bringe. Neben dem Neukunden käme als ausgleichspflichtiger Gesichtspunkt auch die wesentliche Erweiterung der Geschäftsverbindung mit einem vorhandenen Kunden in Betracht.

Nach der auf Vorlagebeschluss durch den BGH in diesem Rechtsstreit ergangenen Entscheidung des EuGH vom 07.04.2016 – C.315/14 - zur Auslegung von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 86/653/EWG ist als Neukunde auch derjenige anzusehen, der zwar wegen anderer Waren bereits Geschäftsverbindungen zum Unternehmer unterhielt, wenn der Verkauf durch den Handelsvertreter eine spezielle Geschäftsverbindung erfordert habe. Damit, so der BGH, habe die Beurteilung, ob es sich um einen Neukunden handele, an den Waren zu orientieren, mit deren Vertrieb der Handelsvertreter beauftragt wurde. Damit sei nicht ausgeschlossen, dass der Handelsvertreter in Bezug auf das ihm zugeteilte Warensortiment mit einem Bestandskunden durch seine Vermittlungsbemühungen und Verkaufsstrategie im Hinblick auf diese Waren eine spezielle Geschäftsverbindung begründet, weshalb dieser Kunde als Neukunde zu bewerten sei.

Entscheidend sei mithin, was vom Berufungsgericht bisher nicht geprüft wurde, ob  der Vertrieb der der Klägerin zugewiesenen Brillenmarken eine besondere Verkaufsstrategie im Hinblick auf die Begründung einer speziellen Geschäftsverbindung zu diesen Kunden erfordert. Vor diesem Hintergrund hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und zur anderweitigen Verhandlung an dieses zurückverwiesen.

Anmerkung: Hier hat der BGH den Parteien Steine statt Brot gegeben. Was soll eine „besondere Verkaufsstrategie“ sein und was versteht er unter einer „speziellen Geschäftsverbindung“ ?  Im vorliegenden Fall wurden vom Unternehmer Brillen vertrieben. Jeder Handelsvertreter erhielt bestimmte Marken zum Vertrieb. Geht nun der Handelsvertreter A zum Bestandkunden B um ihm vom Kauf „seiner“ Marke zu überzeugen, kann dies zur Konsequenz haben, dass der Bestandskunde B zwar über A die von diesem beworbene Marke kauft, dafür aber eine andere Marke des Unternehmers nicht mehr. Der Unternehmer hat dann durch diesen Verkauf keinen zusätzlichen Mehrwert. Das Kriterium der „wesentlichen Erweiterung der Geschäftsverbindung“, bisher für den Ausgleichsanspruch auch bei Bestandskunden anerkannt, würde entfallen.

BGH, Urteil vom 06.10.2016 – VII ZR 328/12 -

Montag, 30. November 2015

Handelsvertreter: Anspruch auf Bürokostenvorschuss auch bei Kündigung durch den Handelsvertreter

Bild: Pixabay
Der Kläger war bei der Beklagten  als Vermögensberater im Strukturvertrieb tätig. Er erhielt neben einer Provision einen Bürokosten- und Organisationsleistungszuschuss (nachfolgend Bürokostenzuschuss), dessen Höhe sich nach dem jeweiligen Umsatz des zurückliegenden Quartals orientierte und der zur zweckentsprechenden  Errichtung, Unterhaltung und den Betrieb eines Büros gezahlt wurde. Grundlage war eine im Intranet der beklagten bekanntgegebene Vertragsbedingung, der zufolge der Zuschuss nur freiwillig an die Vermögensberater gezahlt würde und sich die beklagte Veränderungen vorbehalte, ferner, dass Voraussetzung wäre, dass zum Zeitpunkt der Zahlung des Vertragsverhältnis ungekündigt sei.


Die Klage auf Zahlung des Bürokostenzuschusses hatte im Revisionsverfahren umfassend Erfolg.
Der BGH verwies darauf, dass es sich bei den Vertragsbedingungen um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 BGB handele. Diese wären nach ihren objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich auszulegen.

Dem Zahlungsanspruch stünde nicht entgegen, dass es sich um eine freiwillige Leistung handele. Die entsprechende Klausel im Intranet wäre nach der Unklarheitenregelung in § 305c Abs. 2 BGB dahingehend auszulegen, dass nicht der Rechtsanspruch auf Zahlung, sondern nur die Fortwirkung für die Zukunft ausgeschlossen werden sollte.

Vorliegend führte auch die Kündigung des Vertrages durch den Kläger den Rechtsanspruch nicht erlöschen lassen. Die entsprechende Klausel in den Bedingungen sei im Hinblick auf §§ 89 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz, 134 BGB nichtig. Nach § 89 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz BGB dürfe die für die Kündigung des Handelsvertretervertrags einzuhaltende Frist für den Unternehmer nicht kürzer sein darf als für den Handelsvertreter; es handele sich um eine Schutzvorschrift zu Gunsten des Handelsvertreters. Eine damit auszuschließende einseitige Beeinträchtigung des Handelsvertreters sei aber auch dann gegeben, wenn seine Kündigung von erschwerten Bedingungen, wie hier den Verzicht auf den Bürokostenzuschuss, abhängig gemacht würde. Der Handelsvertreter sei bis zum Ablauf der Kündigungsfrist verpflichtet, weiterhin tätig zu sein und damit sein Büro zu unterhalten. Jedenfalls dann, wenn wie hier der Handelsvertreter eine mehrjährige Kündigungsfrist einzuhalten habe, stelle die Klausel eine wesentliche Erschwerung dar; ausdrücklich gab der BGH die bisherige anderweitige Rechtsprechung des ehedem zuständigen 8. Zivilsenats (ergangen zum Vertragshändlervertrag) auf.


BGH, Urteil vom 05.11.2015 – VII ZR 59/14 -

Freitag, 18. September 2015

Handelsvertreterausgleichsanspruch vom übertragenden Rechtsträger bei nachfolgender Beendigung des Agenturverhältnisses

Gegenstand des Rechtsstreits waren Handelsvertreterausgleichsansprüche, die der Kläger  von der Beklagten begehrte. Mit dieser hatte er 1968 einen Generalagenturvertrag geschlossen.

Buchauszug
Bild: William Teutoburger (own works) auf: Wikimedia
Im Jahr 2007 hat die Beklagte mit der Streitverkündeten einen Ausgliederungs- und Übernahmevertrag geschlossen, mit dem die beklagte einen näher spezifizierten Teil ihres Vermögens mit allen Rechten und Pflichten auf die Streitverkündete übertrug; dazu gehörten auch die Versicherungsvertreterverhältnisse.

Der Beklagte lehnte einen nunmehr von der Streitverkündeten vorgelegten Vertrag ab, mit dem ein früherer Vertrag mit der beklagten aufgehoben werden sollte. Die Streitverkündete kündigte schließlich den Agenturvertrag im Juni 2009 zum 31.12.2009; im Oktober 2009 kündigte der Kläger gegenüber der Beklagten fristlos. Sowohl die Streitverkündete als auch die Beklagte wurden in der Folge vom Kläger zur Zahlung des Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB aufgefordert. Die Beklagte verwies den Kläger auf die Streitverkündete.

Die vom Kläger erhobene Klage wurde vom Landgericht abgewiesen. Das OLG hat auf die Berufung den Ausgleichsanspruch dem Grunde nach bestätigt, aber auch die Abweisung der Klage auf Zahlung von Schadensersatz bestätigt. Die (zugelassenen) Revisionen beider Parteien wurden zurückgewiesen (jene des Klägers als unzulässig).

Der BGH hat offen gelassen, ob der Übergang des Agenturverhältnisses auf die Streitverkündete einen wichtigen Grund für eine Kündigung durch den Kläger darstellen könne, da das Agenturverhältnis jedenfalls durch die Streitverkündete zum 31.12.2009 beendet worden sei. Der Ausgleichsanspruch wäre hier auch nicht nach § 89b Abs. 3 Nr. 1 HGB  erloschen, da die Streitverkündete vorliegend dem Kläger durch die ohne finanzielle Entschädigung erfolgte Freistellung begründeten Anlass zur fristlosen Kündigung gegeben hatte. Wird mithin die Kündigung des Handelsvertreters durch ein verhalten des Geschäftsherrn hervorgerufen, entfällt der Ausgleichsanspruch nicht.

Im übrigen folgte der BGH der Auffassung des OLG, dass es sich bei der Verbindlichkeit in Form des Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB um eine solche iSd. § 133 Abs. 1 S. 1 UmwG handelt, für die der übertragende Rechtsträger (die Beklagte) haftet. Ausreichend wäre für die Begründung einer Verbindlichkeit nach § 133 Abs. 1 S. 1 UmwG, wenn der Rechtsgrund für die Entstehung der Forderung vor dem Wirksamwerden der Ausgliederung gelegt wurde.


BGH, Urteil vom 13.08.2015 – VII ZR 90/14 -

Mittwoch, 17. Dezember 2014

Handelsvertreter: Selbständig und doch abhängig - Zuständigkeit der Arbeitsgerichte

Der Handelsvertreter ist seiner Natur nach selbständiger Kaufmann.  Allerdings sind die Grenzen zu einer Scheinselbständigkeit häufig verwaschen.  Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um einen sogenannten Einfirmenvertreter handelt, also einen Handelsvertreter, dem eine Tätigkeit für andere Unternehmen tätig zu werden, untersagt wird. Damit nähert sich seine Stellung der des Angestellten an. Dies gilt selbst dann, wenn seitens des Geschäftsherrn in dem Vertrag formuliert wird, dass der Handelsvertreter „hauptberuflich“ ausschließlich für ihn tätig werden müsse, da dies zwar eine „nebenberufliche“ Tätigkeit für Dritte (die nicht mit dem Geschäftsherrn konkurrieren) ermöglicht, aber doch den Handelsvertreter wie einen Angestellten zwingen, seine Arbeitskraft vollumfänglich de Geschäftsherrn zu widmen.

Vor diesem Hintergrund hat der BGH mit seinem Beschluss vom 16.10.2014 – VII ZB 16/14 -  auf die Rechtsbeschwerde entgegen der Vorinstanz in einem Vorabverfahren gem. § 17a GVG die Zuständigkeit des von der Klägerin (Geschäftsherrn) beschrittenen Rechtsweges zu den Gerichten der allgemeinen Zivilgerichtsbarkeit negiert und die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte angenommen.  Dabei ist Grundlage § 92a Abs. 1 S. 1 1. Alt. HGB. Da es auf die Vertragswirklichkeit ankäme, so der BGH, ist hier nicht mehr von der Selbständigkeit auszugehen, sondern bei notwendig typisierender Betrachtung von einer Abhängigkeit zu Unternehmen (Geschäftsherrn). 

BGH, Beschluss vom 16.10.2014 - VII ZB 16/14 -