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Dienstag, 29. November 2022

Erfüllungseinwand in Zwangsmittelverfahren und Erhebung Vollstreckungsabwehrklage ?

Die Beklagten hatten ein rechtskräftiges Urteil auf Auskunftserteilung durch Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses erwirkt. Sie stellten am 05.03.2018 einen Antrag auf Festsetzung von Zwangsmitteln zur Vollstreckung der Auskunftsverpflichtung (§ 888 ZPO), in dem der Kläger ein notarielles Nachlassverzeichnis vorlegte. Der Kläger ging davon aus, dass er damit den titulierten Anspruch erfüllt habe; die Beklagten sahen das Nachlassverzeichnis als lückenhaft an. Das zuständige Landgericht hatte zum Zeitpunkt der Entscheidung über die sodann vom Kläger erhobene Vollstreckungsabwehrklage noch nicht entschieden.  Die Beklagten erklärten in diesem neuen Verfahren, dass in älteren anhängigen Verfahren auf Zwangsmittel nach § 888 ZPO, dass sie für den Fall, dass dieser Antrag rechtskräftig mit der Begründung zurückgewiesen würde, dass der Auskunftsanspruch erfüllt sei, sie sich verpflichten würden, diese Entscheidung anzuerkennen. Das Landgericht wies die Vollstreckungsabwehrklage ab. Die Berufung des Klägers wurde zurückgewiesen. Im rahmen der vom OLG zugelassenen Revision wurde das klageabweisende Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit an das OLG zurückverwiesen.

Entgegen der Ansicht des OLG bejahte der BGH ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers.

Ein Rechtsschutzbedürfnis würde fehlen, wenn eine Klage oder ein Antrag objektiv schlechthin sinnlos sei. Für die Vollstreckungsabwehrklage würde solange ein Rechtsschutzbedürfnis bestehen, solange der Gläubiger den Titel in seinen Händen halte, selbst dann, wenn der Gläubiger auf seine Rechte aus dem Titel verzichte und/oder Einigkeit bestünde, dass Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nicht mehr in Betracht kommen. Dies basiere darauf, dass der Schuldner alleine durch Vorlage einer öffentlichen oder vom Gläubiger ausgestellten privaten Urkunde, aus der sich die Erfüllung der Forderung ergäbe, die Aufhebung von Vollstreckungsmaßnahmen nicht erreichen könne (§§ 775 Nr. 4, 776 ZPO) und ein Verzicht keine weitergehende Wirkung als die Erfüllung habe.  Dies entspräche der Norm des § 767 ZPO, die einem Vollstreckungstitel seine Vollstreckungsfähigkeit schlechthin nehmen würde. Die Zulässigkeit der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO würde grds. nicht davon abhängen, ob eine Vollstreckung drohe.

Damit bestünde hier das Rechtsschutzbedürfnis. Fehlerhaft habe das OLG darauf abgestellt, ob eine Zwangsvollstreckung gegen den Kläger drohe oder eine konkrete Vollstreckungsmaßnahme bevorstehe, da es darauf nicht ankäme. Zudem nähme das OLG unzutreffend an, es drohe keine Vollstreckungsmaßnahme, da die beklagten doch das Verfahren nach § 888 ZPO eingeleitet hätten.

Weiterhin negierte der BGH ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage nach § 767 ZPO vor dem Hintergrund, dass der Kläger den Erfüllungseinwand auch im Verfahren nach § 888 ZPO geltend machen könne und geltend gemacht habe. Es handele sich nicht um gleichwertige Rechtsschutzmöglichkeiten.

In beiden Verfahren (§§ 887, 888 ZPO und § 767 ZPO) sei der Schuldner mit dem Einwand der Erfüllung zu hören. Ein anhängiges Zwangsmittelverfahren wie hier sperre gleichwohl nicht die Erhebung der Vollstreckungsabwehrklage.

Dabei sei schon bedeutsam, dass die Entscheidung im Zwangsmittelverfahren, ob die Titelforderung erfüllt ist, nicht in Rechtskraft erwachse. Streitgegenstand sei hier nur die Festsetzung des Zwangsmittels. Die Feststellung der Erfüllung sei Teil der Entscheidung, würde aber nicht tituliert. Der Beschluss stünde zwar einem neuen Zwangsmittelantrag mit gleicher Begründung entgegen, könne aber aus Gründen der materiellen Rechtskraft nicht der Erhebung der Vollstreckungsabwehrklage entgegenstehen.

Weiterhin seien auch praktische Gründe zu beachten. Das Zwangsmittelverfahren würde nur auf Antrag des Gläubigers eingeleitet und dieser könne den Antrag auch jederzeit zurücknehmen.  Schon deshalb sei es für den Schuldner, der in diesem Verfahren den Erfüllungseinwand erhebt, nicht gesichert, dass das Gericht darüber auch entscheidet. Neben der Zurücknahme des Antrages durch den Gläubiger kämen auch Zurückweisungen durch das Gericht wegen Fehlens allgemeiner Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen in Betracht; dies würden einer neuen Antragstellung durch den Gläubiger nicht entgegenstehen. Hingegen könne der Schuldner mit der Vollstreckungsabwehrklage aktiv das Ziel verfolgen, laufende oder zukünftige Zwangsvollstreckungen den Boden entziehen, da ein dieser Klage rechtkräftig stattgegebenes Urteil die Vollstreckbarkeit des Titels beseitige.

Die Erklärung der Beklagten sei rechtlich belanglos. Der erklärte Verzicht auf die rechte aus dem Titel ließe das Rechtsschutzbedürfnis nach § 676 ZPO nicht entfallen, solange der Gläubiger den Titel noch habe. Zudem hätten hier die beklagten nicht einmal verzichtet, sondern dem Kläger nur einen schuldrechtlichen Herausgabeanspruch eingeräumt, zudem unter einer aufschiebenden Bedingung.

BGH, Beschluss vom 29.09.2022 - I ZR 180/21 -

Montag, 2. März 2020

Vollstreckung der Erteilung eines Buchauszugs und Erfüllungseinwand in der Zwangsvollstreckung


Der Gläubiger, der Handelsvertreter der Schuldnerinnen war, vollstreckte aus einem gegen die Schuldnerinnen titulierten Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs. Nach dem Titel hatten die Schuldnerinnen  ihm „Buchauszüge vorzulegen, aus denen sich ergibt, … welche Verträge“ zwischen der Beklagten und den Kunden in einem bestimmten Postleitzahlengebiet und bestimmten Zeiträumen zustandegekommen und abgewickelt wurden, § 87c Abs. 2 HGB. Nach Ermächtigung einer Ersatzvornahme durch den Gläubiger begehrte dieser einen vom Landgericht zugesprochenen und zugunsten des Gläubigers titulierten Vorschuss von € 23.800,00. Im Rahmen der erfolgreichen Beschwerde hatten die Schuldnerinnen geltend gemacht, sie hätten bereits im Rahmen des landgerichtlichen Verfahrens auf Vorschussleistung auf Papier ausgedruckte und in Dateien gespeicherte Aufstellungen dem Gläubiger übermittelt.

Das OLG stellte fest, dass ein recht auf Vorschuss nach § 887 Abs. 2 ZPO entfallen sei, da die Vollstreckung der Verpflichtung zur Erteilung eines Buchauszugs beendet sei. Dem Erfüllungseinwand sei auch im Zwangsvollstreckungsverfahren nachzugehen (BGH, Beschluss vom 05.06.2004 - IXa ZB 32/04 -; BGH, Beschluss vom 11.12.2014 - IX ZB 42/14 -).

Auch wenn, wie der Gläubiger ausführte, die Schuldnerinnen dem Buchprüfer (der im Rahmen der Vollstreckung beauftragt wurde, keinen Zugang zu den Geschäftsbüchern gewährt habe, sei Erfüllung eingetreten, da nach Angaben der Schuldnerinnen diese alle im Titel benannten Angaben mitgeteilt hätten. Der Umstand, dass hier der Gläubiger zur Ersatzvornahme berechtigt sei (§ 887 Abs. 2 ZPO) würde die Pflicht, eine vertretbare Handlung (Erteilung des Buchauszugs) vorzunehmen, nicht in eine Pflicht wandeln, statt dessen nur noch die Ersatzvornahme zu dulden. Beide Pflichten (und damit Rechte) würden nebeneinander bestehen mit der Folge, dass mit Erfüllung des Schuldners durch eigenes Handeln seine Duldungspflicht entfalle.

Bei Streit darüber, ob erfüllt wurde, könne der Gläubiger den Erfüllungseinwand nicht dadurch erschüttern, dass eine die Lückenhaftigkeit behaupte. Ob die Mitteilungen den zu Vollstreckungen Verpflichtungen entsprechen hänge von der Art, dem Umfang und der Reichweite der titulierten Mitteilungspflicht ab. Die Handlungsvollstreckung sei in die Zuständigkeit des Prozessgerichts, nicht des Vollstreckungsgerichts gelegt worden (§§ 887 Abs. 1, 888 Abs. 1und 890 Abs. 1 S. 1 ZPO), was zeige, dass die Kenntnis der Rechtsgrundlage und der sie erfüllenden tatsächlichen Umstände für das Verständnis des Inhalts und Umfangs der titulierten Verpflichtung von Bedeutung sein dürfe. Damit sei die Sphäre des Erkenntnisverfahrens einerseits und des Zwangsvollstreckungsverfahrens andererseits nicht so streng voneinander getrennt wie bei einer zahlungs- oder Herausgabevollstreckung. Allerdings könne und dürfe der titulierte Anspruch auch hier nicht geprüft und damit auch weder erweitert oder eingeschränkt werden. Bei Uneinigkeit über die Erfüllung trage aber der Schuldner die Darlegungs- und Beweislast (vgl. § 362 BGB). Er müsse also, schulde e einen Buchauszug, darlegen, dass es über das Mitgeteilte hinaus keine weiteren Geschäfte gegeben habe, aus denen ein Provisionsanspruch folgen könne. Im Hinblick auf die Unmöglichkeit des Nachweises negativer Tatsachen obliege es dem Gläubiger, bei der Behauptung, weiteres Mitteilenswertes gebe es nicht, diese negative Tatsache substantiiert zu bestreiten, indem er für das das Bestehen solcher Tatsachen Umstände darlege (BGH, Beschluss vom 26.04.2007 – I ZB 82/06 -).

Zwar habe hier der Gläubiger korrekt darauf verwiesen, der vorgelegte Buchauszug eigne sich weniger gut zur Prüfung, da er in Bezug auf nicht eine Provision auslösende Geschäfte keine Angaben enthalte. Zwar könne ein Anspruch nach § 87y Abs. 2 HGB darauf gerichtet werden, alle Geschäfte in den Buchauszug aufzunehmen, aus denen sich möglicherweise Provisionsansprüche ableiten ließen; dieser Funktion würde aber der vorliegende Titel nicht entsprechen, da er gerade eine Differenzierung zwischen aufzunehmenden und nicht aufzunehmenden Geschäften enthalte („aufgrund der Tätigkeit des Klägers“).

OLG Brandenburg, Beschluss vom 24.02.2020 - 7 W 38/19 -