Sonntag, 25. Juni 2017

Gewährleistungsansprüche: Unwirksame AGB-Sicherungsklausel im Bauwerkvertrag

Streitgegenständlich war im Revisionsverfahren noch eine Forderung der Klägerin (Werkunternehmer) auf restwerklohn in Höhe von € 7.470,72. Es handelte sich hier um einen von der Beklagten nach dem Bauwerkvertrag einbehaltenen Sicherungseinbehalt. In der entsprechenden Klausel des Bauwerkvertrages hießt es:

22.1. Die Parteien vereinbaren - unabhängig von einer Ausführungsbürgschaft -, den Einbehalt einer unverzinslichen Sicherheitsleistung durch den AG in Höhe von 5% der Brutto-Abrechnungssumme für die Sicherstellung der Gewährleistung einschließlich Schadensersatz und Erstattung von Überzahlungen.
22.2. Der AN ist berechtigt, den Sicherheitseinbehalt gegen Vorlage einer unbefristeten, selbstschuldnerischen und unwiderruflichen Bürgschaft einer deutschen Großbank … abzulösen; frühestens allerdings nach vollständiger Beseitigung der im Abnahmeprotokoll festgestellter Mängel oder fehlender Leistungen…

Der BGH ging, mangels anderweitiger Feststellungen der Vorinstanzen im Revisionsverfahren davon aus, dass es sich bei dem Vertrag um von der Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Diese verweigerte die Zahlung des darauf gestützten Betrages, nachdem die Klägerin wegen fehlender Baufreiheit den Vertrag kündigte und die erbrachten Leistungen abrechnete. Sie hatte zusammen mit dem Architekten ein Mängelprotokoll erstellt, welches allerdings von der Klägerin nicht gegengezeichnet wurde.

In den Vorinstanzen wurde die Klage abgewiesen. Die Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung an das OLG.

Nach Auffassung des BGH verstößt die Regelung in 22.1. und 22.2. des AGB-Werkvertrages gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. In diesem Sinne sei eine Klausel unangemessen, nach der der Auftraggeber für die Dauer der Gewährleistungsfrist einen Einbehalt zur Sicherung seiner daraus resultierenden möglichen Ansprüche vornehmen darf, der Auftragnehmer dafür aber keinen angemessenen Ausgleich erhält und das Bonitätsrisiko für die Dauer der Gewährleistungsfrist trägt und ihm die Liquidität sowie die Verzinsung vorenthalten werden.

Allerdings sei unter diesem Gesichtspunkt eine Klausel, nach der der Auftraggeber 5% der Bausumme für die Dauer der fünfjährigen Gewährleistungsfrist durch eine selbstschuldnerische unbefristete ablösen kann, danach nicht unwirksam. Dies folge daraus, dass die in der Zinsbelastung und einer Einschränkung der Kreditlinie bei Bereitstellung einer Bürgschaft im Hinblick auf das berechtigte Sicherungsinteresse des Auftraggebers nicht so gewichtig sind, um daraus die Unwirksamkeit herzuleiten (Senat vom 26.02.2004 - VII ZR 247/02 -).

Allerdings sei diese Klausel dann unwirksam, wenn  - wie hier – die Ablösung des Einbehalts durch eine Bürgschaft davon abhängig gemacht würde, dass wesentliche Mängel nicht (mehr) vorhanden sind (Senat vom 13.11.2003 - VII ZR 57/02 -).

Die Regelungen unter 22.1. und 22.2. stellen sich nach Ansicht des BGH als Einheit dar und bedürften daher einer Gesamtbeurteilung. Da hier die Ablösemöglichkeit erst nach Beseitigung von im Abnahmeprotokoll  festgestellter Mängel oder fehlender Leistungen bestünde, handele es sich um eine so weitreichende Einschränkung, dass ein angemessener Ausgleich im Hinblick auf Nachteile des Auftragnehmers nicht mehr angenommen werden könne. Die Frage, ob Mängelrügen bei der Abnahme resp. die Rügen fehlender Leistungen berechtigt sind oder nicht, könne zu einer langjährigen Kontroverse führen, die sich über die Dauer der Mängelfrist für Gewährleistungsansprüche hinziehen könnte.

Die Zurückverweisung erfolgte, damit das OLG klärt, ob es sich bei den Regelungen um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt.


BGH, Urteil vom 30.03.2017 - VII ZR 170/16 -

Freitag, 23. Juni 2017

Eigentümers Herausgabeklage eines Fahrzeugs vom Kfz-Werkunternehmer und dessen Besitzrecht bei Werkstattauftrag durch einen Dritten

Der BGH hat in dieser Entscheidung, ausdrücklich bezogen auf das Werkvertragsrecht , festgehalten, dass
  1. der Besteller der Werkleistung bei einer Probefahrt nicht Besitzdiener des Werkunternehmers ist,
  2. die Übergabe des Fahrzeugschlüssels an den Besteller für die Probefahrt noch keine Aufgabe des eigenen Besitzwillens des Werkunternehmers darstellt,
  3.  das Werkunternehmerpfandrecht nicht entsteht, wenn der Besteller nicht Eigentümer ist,
  4. eine Haftung des Werkunternehmers nach § 990 BGB ausscheidet, wenn er bei Erwerb in gutem Glauben war und nicht später erfuhr, dass er zum Besitz nicht berechtigt war. 
Sachverhalt:  Die Klägerin überließ ihr Kfz  zur dauerhaften Nutzung OP. Nach einem Motorschaden brachte OP das Fahrzeug in die Kfz-Werkstatt des Beklagten. Der eingebaute Austauschmotor versagte nach wenigen Wochen, und der Beklagte übernahm die Gewährleistung. Nach durchgeführter Reparatur unternahmen OP und der als Mitarbeiter des  Beklagten arbeitende Sohn desselben (dieser als Beifahrer) eine Probefahrt, im Rahmen dessen es zum Streit über angeblich noch ausstehenden Werklohn kam. Der Sohn des Beklagten zog den Schlüssel und fuhr, nachdem OP ausgestiegen war, zur Werkstatt zurück; der Austauschmotor wurde ausgebaut. Die Klägerin begehrte mit ihrer Klage die Herausgabe des Fahrzeuges mit Austauschmotor sowie für den Fall des Ablaufs einer vom Gericht zu setzenden Frist Schadensersatz und darüber hinaus Nutzungsentschädigung Nutzungsausfallentschädigung für die Zeit der Vorenthaltung. Die Klage hatte lediglich mit dem Herausgabeverlangen, allerdings ohne den Austauschmotor, Erfolg.

Das Herausgabeverlangen war nach § 985 BGB begründet, allerdings ohne Austauschmotor. Die Klägerin hatte das Eigentum an dem Austauschmotor nicht durch Einbau erlangt (§§ §§ 947 Abs. 2 iVm. 93 BGB), da ein eingebauter Austauschmotor in einem Gebrauchtwagen kein wesentlicher Bestandteil desselben ist. Der Herausgabeanspruch lässt sich auch nicht aus § 861 BGB mangels verbotener Eigenmacht des Sohnes des Beklagten herleiten. Diese kann nach § 858 BGB nur gegenüber dem unmittelbaren Besitzer erfolgen. Da, so der BGH, jedenfalls bei einem Werkvertrag der Besteller bei einer Probefahrt nach einer Reparatur nicht Besitzdiener des Werkunternehmers ist, da er nicht die tatsächliche Gewalt für den Werkunternehmer ausübt und auch ein soziales Abhängigkeitsverhältnis zu diesem nicht besteht, der Werkunternehmer auch mögliche Anweisungen an ihn nicht durchsetzen könnte, verbleibt die tatsächliche Gewalt über die Sache bei ihm. Für die Begründung eines unmittelbaren Besitzes (des OP) wären eine erkennbare Zeitdauer des Besitzes und eine Verfestigung der Herrschaftsbeziehung erforderlich, die bei einer Probefahrt nicht begründet werden können. Zudem wäre auch bei lebensnaher Betrachtung anzunehmen, dass die Mitfahrt des Sohnes erfolgte um zu verhindern, dass sich OP mit dem Fahrzeug vor Entrichtung des Werklohnes entfernt.

Etwas anderes kann sich auch nicht daraus ergeben, dass der Beklagte mangels Eigentums des OP kein Unternehmerpfandrecht erwerben konnte. Einen gutgläubigen Erwerb des Unternehmerpfandrechts nach § 647 BGB gibt es nicht.

Nutzungsentschädigung kann die Klägerin für die Zeit der Vorenthaltung nicht begehren. Sie müsste nachweisen, dass der Beklagte bei  Erwerb des Besitzes nicht in gutem Glauben war oder später erfahren hätte, dass er zum Besitz nicht berechtigt ist. Der Beklagte war auf Grund des Werkvertrages berechtigter Besitzer. Deine positive Kenntnis vom Entfallen des Besitzrechts ist nicht nachgewiesen.

Zwar muss der Werkunternehmer die Voraussetzungen für ein Zurückbehaltungsrecht (hier: ausstehender Werklohn, der zwischen den Parteien streitig ist) nach § 986 BGB zu beweisen. Die Klägerin trägt aber die vorrangige Beweislast von der positiven Kenntnis des Beklagten von dessen fehlendem Besitzrecht nach § 900 Abs. 1 S. 2 BGB.   Das Berufungsgericht hat nach Auffassung des BGH korrekt angenommen, dass der Beklagte von einem Zurückbehaltungsrecht wegen eines weiteren Werklohnanspruchs ausging, und dieses lasse sich nicht ausschließen, da der Anspruch weder positiv noch negativ feststünde. Damit steht keine positive Kenntnis vom fehlenden Besitzrecht fest.

Damit kann der Eigentümer zwar die Herausgabe verlangen, die Rechte nach §§ 987ff BGB stehen ihm aber nicht zu.


BGH, Urteil  vom 17.03.2017 – V ZR 70/16 - 

Ordnungsgeld nicht gegen gesetzlichen Vertreter der Partei bei Nichterscheinen zur Verhandlung in Zivilsachen trotz Ladung

Der Fall ist beinahe alltäglich: Das Gericht lädt zur mündlichen Verhandlung und ordnet das persönliche Erscheinen der Parteien an. Da es sich bei der einen Partei um eine juristische Person (hier: GmbH) handelt, wurde deren Geschäftsführer (der Beschwerdeführer des vorliegenden Verfahrens) geladen. Dieser erschien allerdings zum Termin nicht und der von dieser Partei beauftragte Anwalt hatte kein Mandat zum Vergleichsschluss. Vor diesem Hintergrund erließ das Amtsgericht gegen den Beschwerdeführer ein Ordnungsgeld von € 200,00, ersatzweise vier Tage Ordnungshaft, und die Pflicht zur Übernahme der durch sein Nichterscheinen entstandenen Mehrkosten. Das OLG änderte den Beschluss des Amtsgerichts auf die Beschwerde insoweit ab, als es den Beschluss in Bezug auf die ersatzweise Ordnungshaft und die Übernahme der durch das Nichterscheinen entstandenen Kosten aufhob; im Übrigen würde die Beschwerde zurückgewiesen. Auf die zugelassene Rechtsbeschwerde hob der BGH den Ordnungsgeldbeschluss insgesamt auf.

Das OLG hatte die in Rechtsprechung und Literatur teilweise vertretene Auffassung vertreten, dass das Ordnungsgeld gem. § 141 Abs., 3 S. 1 ZPO im Hinblick auf den Zweck und die Strafähnlichkeit der Sanktion nicht gegen die juristische Person (die Partei des Verfahrens), sondern gegen den nicht erschienenen, aber geladenen gesetzlichen Vertreter ergeht.

Die herrschende Meinung, der sich der BGH in seiner Entscheidung anschloss, geht allerdings vom Wortlaut des § 141 Abs. 3 S. 1 ZPO aus. Zweck des § 141 Abs. 3 S. 1 ZPO sei nicht, wie etwa §§ 177, 178 GVG das Ergreifen sitzungspolizeilichere Maßnahmen wegen Missachtung des Gerichts, die sich natürlich auch gegen den erschienenen (gesetzlichen) Vertreter richten könnten, sondern die Förderung der Aufklärung des Sachverhalts.

Die Erwägung des OLG, der Sanktionszweck des § 141 Abs. 3 S. 1 ZPO ließe sich nur durch Verhängung des Ordnungsgeldes gegen den nicht erschienenen gesetzlichen Vertreter der Partei erreichen, ist nach Auffassung des BGH auch falsch. Der BGH verweist darauf, dass die juristische Person bei einem pflichtwidrigen Verhalten dem gesetzlichen Vertreters diesen auch in Regress nehmen könne, so dass er doch ein Interesse daran habe, die die juristische Person treffenden Pflichten zu erfüllen.   

Kosten werden nicht erstattet; es handelt sich nicht um ein kontradiktorische Verfahren.

Anmerkungen

1. Die Entscheidung ist in der Sache richtig. Gegen den klaren Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung spricht nichts. Gerade auch die vom BGH angesprochenen Regelungen zu sitzungspolizeilichen Maßnahmen verdeutlichen, dass der Gesetzgeber sehr wohl einen Unterschied macht und kennt zwischen der anwesenden Person und der Partei als solcher.

2. Bitter wird es hier dem Beschwerdeführer aufstoßen, dass außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden. Denn er benötigte schon für das Verfahren vor dem BGH jedenfalls einen dort zugelassenen Anwalt. Und dessen Kosten sind bei weitem höher als die nun ersparten € 200,00 für das Ordnungsgeld. Damit erweist sich das Rechtssystem als löchrig und schief: Es kann nicht sein, dass hier der Geschäftsführer zu einer berechtigten Beschwerde veranlasst wird, da ein Gericht eine Mindermeinung propagiert, um für sein recht nachher mit erheblichen Kosten belegt zu werden, die in keinem wirtschaftlich vernünftigen Verhältnis zur Ursache stehen. Wenn auf diese Weise entsprechende Rechtsmittel (als Ausdruck rechtsstaatlicher Ordnung und Verständnisses) verhindert werden sollen, ist dies im Hinblick auf die Gewährung rechtlichen Gehörs und das Rechtsstaatsprinzip wohl durch das Bundesverfassungsgericht (übrigens: kein Anwaltszwang) oder den Gesetzgeber zu lösen.

3. Im Übrigen sollte jede geladene Partei prüfen, ob die Ladung in der Sache überhaupt ordnungsgemäß ist. Wird z.B. die juristische Person geladen, kann weder ihr gegenüber noch gegenüber dem Organ (gesetzlichen Vertreter) ein Ordnungsgeld bei Nichterscheinen ergehen. Wird nicht angegeben, weshalb geladen wird (zur Aufklärung des Sachverhalts und/oder zum Zwecke des Vergleichsschlusses), darf auch kein Ordnungsgeld verhangen werden. Erklärt die geladene Partei von vornherein, dass sie keinen Vergleich schließen wird, kann jedenfalls dann kein Ordnungsgeld ergehen, wenn nur zu diesem Zweck die Ladung erfolgte. Wird zur Aufklärung des Sachverhalts geladen, mag sich zwar der gesetzliche Vertreter bei seinen Mitarbeitern informieren müssen; ist aber der Partei der Vorgang nicht selbst bekannt, allenfalls aktenmäßig wie vorgetragen (z.B. bei dem Versicherer, der einen Verkehrsunfall bearbeitet), dürfte regelmäßig auch eine Sachverhaltsaufklärung nicht anzunehmen sein und kann dann mangels einer Verzögerung des Rechtsstreits auch kein Ordnungsgeld verhangen werden.


BGH, Beschluss vom 30.03.2017 - BLw 3/16 -

Mittwoch, 21. Juni 2017

Führt eine Altersbegrenzungsregelung stets zur Beendigung des Arbeitsvertrages ?

Im Arbeitsvertrag der Klägerin aus 1996 war enthalten, dass das Arbeitsverhältnis spätestens mit Ablauf des Monat endet, in dem sie das 65. Lebensjahr vollendet. Ab 2003 wurde bei der beklagten  Arbeitgeberin  in die neuen Arbeitsverträge aufgenommen, dass die Beschäftigten einen Anspruch auf vorzeitige Altersleistung erwerben, allerdings auch vorgesehen wurde, dass das Arbeitsverhältnis mit Erreichen des 60. Lebensjahres endet. Im August 2003 überließ die Arbeitgeberin der Klägerin ein Angebot auf entsprechende Änderung ihres Vertrages und sah darin auch eine Altersversorgung ab Ausscheiden mit dem Monat des vollendeten 60. Lebensjahres vor. Im Dezember 2005 unterschrieb die Klägerin das Angebot.

Im Oktober 2013 erhob die Klägerin gegen die Beklagte vor dem Arbeitsgericht Klage mit dem Antrag, festzustellen, dass die Änderungsvereinbarung, zumindest die darin benannte Befristung zum Ablauf des Monats, in dem sie das 60. Lebensjahr vollendet, unwirksam sei bzw. dann, dass es nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung beendet sei , sowie dass sie zu unveränderten Bedingungen  weiter zu beschäftigen sei. Die Beklagte, die Klageabweisung beantragte, erhob hilfsweise Widerklage, mit der sie den gemäß der streitigen Vereinbarung gezahlten Betrag von der Klägerin zurückverlangte.

 Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Auf die Revision stellte das BAG fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht auf Grund der Befristung zum 60. Lebensjahr beendet wurde und hat den Rechtsstreit wegen der Hilfswiderklage an das LAG zurückverwiesen.

Das BAG wies darauf hin, dass der Änderungsvertrag unterliege einer Befristungskontrolle unterliege. Es handele sich bei dem Änderungsvertrag nicht um einen Aufhebungsvertrag, der regelmäßig auf eine alsbaldige Beendigung des Arbeitsverhältnisses abstellt, sondern um einen neuen Befristungsvertrag, was sich bereits daraus ergebe, dass mit der zeitlichen Komponente hier von acht Jahren die im Vertrag vereinbarte Kündigungsfrist von sechs Monaten um ein vielfaches überschritten worden wäre.

Die Befristung sei auch nicht durch in der Person der Klägerin liegende Gründe nach § 14  Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG gerechtfertigt. Auch wenn hier der Klägerin eine lange Überlegungszeit eingeräumt worden sei, beruhe die Befristung nicht auf einem Wunsch von ihr. Die Unterzeichnung der Klägerin dokumentiere zwar ihr Einverständnis, nicht aber einen entsprechenden eigenen Wunsch. Auch läge ein sachlicher Grund für die nachträgliche Befristung des bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht deshalb vor, da er günstigere Arbeitsbedingungen vorsieht und der Arbeitnehmer hätte frei wählen können, ob er davon Gebrauch macht oder bei dem alten Arbeitsvertrag bleibt.

Auch aus anderen Gründen erweise sich die Entscheidung des LAG nicht als richtig.

Zwar könne eine mit Erreichen des Regelrentenalters verknüpfte Altersgrenzenregelung  sowohl eine einzelvertragliche als auch kollektivrechtliche Regelung die Befristung nach § 14 Abs. 1 S. 1 TzBfG rechtfertigen. Abzuwägen wären hier die Individualinteresse des Arbeitnehmers zur Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenzgrundlage, doch werde er durch die entsprechende Regelung seines Arbeitgebers auch begünstigt, das durch ein altersbedingtes Ausscheiden auch seine Einstellungs- und Aufstiegschancen erhöhen würden. Auf Seiten des Arbeitgebers sei zu berücksichtigen, dass dieser eine sachgerechte und berechenbare Personalplanung haben müsse. Die Interessen des Arbeitgebers würden überwiegen, wenn der Arbeitnehmer durch den Bezug einer Regelaltersgrenze wirtschaftlich abgesichert sei.  Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine Altersgrenzenregelung sei verfassungsrechtlich auch unter Beachtung des Schutzzwecks des Art 12 Abs. 1 GG nur gerechtfertigt, wenn an Stelle der Arbeitsvergütung ein dauerhafter Bezug aus einer Altersversorgung trete, wobei allerdings nicht erforderlich sei, dass der Arbeitnehmer konkret bei Erreichen der Altersgrenze wirtschaftlich abgesichert ist. Voraussetzung sei nur, dass die Möglichkeit des Bezugs einer gesetzlichen Altersrente ab Erreichen der Altersgrenze besteht. Diese Absicherung könne nicht durch eine Ausgleichszahlung des Arbeitgebers oder eine betriebliche Altersversorgung ersetzt werden.

Nach diesen Grundsätzen war die Regelung im Vertrag aus dem Jahr 2003 /Vollendung des 65. Lebensjahres) nach § 14 Abs. 1 TzBfG gerechtfertigt. Die Regelung im Änderungsvertrag allerdings nicht, da nicht davon ausgegangen werden konnte, dass die Klägerin bei Vollendung des 60. Lebensjahres eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen könne.


BAG, Urteil vom 18.01.2017 - 7 AZR 236/15 -

Montag, 19. Juni 2017

WEG: Unzulässige unbestimmte Beschlussanfechtung versus Vorratsanfechtung

Die Entscheidung kreist um die Problematik der Verhaltensweise eines Eigentümers innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft, der zum Zeitpunkt des Ablaufs der Anfechtungsfrist (1 Monat nach Beschlussfassung) noch nicht weiß, ob er gegen alle oder nur einzelne Beschlüsse vorgehen will. Der Kläger des Ausgangsverfahrens hatte Klage „gegen Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung“ einer bestimmten Eigentümerversammlung erhoben, verbunden mit der Ankündigung, mit der Klagebegründung noch mitzuteilen, gegen welche Beschlüsse sich die Klage konkret richten soll. In der nach Ablauf der Anfechtungsfrist eingereichten Klagebegründung (die Frist für die Klagebegründung beträgt in WEG-Sachen zwei Monate nach der Beschlussfassung; die Frist für die Anfechtung beträgt einen Monat nach der Wohnungseigentümerversammlung) beschränkte der Kläger die Klage auf einige der Beschlüsse.

Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung wegen Versäumung der Anfechtungsfrist zurückgewiesen. Die Beschwerde des Klägers beim BGH gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Landgericht wurde vom BGH zurückgewiesen.

Der BGH wies in den Gründen seines Zurückweisungsbeschlusses darauf hin, dass alleine der Umstand, dass ohne nähere Präzisierung sich die Anfechtung „gegen Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft“ richten  würde, noch nicht die Unzulässigkeit wegen fehlender Bestimmtheit gefolgert werden könne. Die Auslegung dürfe bei der Beschlussanfechtung nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks haften, sondern es müsse der wirkliche Willen der klagenden Partei erforscht werden. Es ist die wohlverstandene Interessenslage des Klägers festzustellen. Dies würde in der Regel einer Auslegung entgegenstehen, die zu einer Unzulässigkeit der Prozesshandlung (hier: Klage) führt (Senat im Beschluss vom 10.10.2013 - V ZB 132/13 -). 

Eine Klage, die wie hier als Anfechtungsklage nach der Formulierung gegen alle Beschlüsse der Versammlung erhoben wird, könnte nach Auffassung des BGH von vornherein nur als sogen. Vorratsanfechtung zulässig sein. Im Rahmen der Auslegung wäre aber zu berücksichtigen, dass diese Klage von vornherein höhere Kosten verursacht als nur die Anfechtung einzelner Beschlüsse. Bei der Vorratsanfechtung ist der Wert nach allen Beschlüssen zu berechnen; selbst wenn der Kläger später die Klage auf einige Beschlüsse beschränkt und im Übrigen zurücknimmt, hat er die Kosten jedenfalls bezüglich des zurückgenommenen Teils zu tragen, was erheblich sein kann. Von daher besteht auch bei der grundsätzlich zulässigen Vorratsanfechtung die Möglichkeit, dass dies nicht dem Willen des Klägers entspricht, wobei er nach Auffassung des BGH für diesen Fall billigend in Kauf nähme, die Ausschlussfrist des § 46 Abs. 1 S. 2 WEG nicht zu wahren, zumal ihm (möglicherweise) noch die Möglichkeit bliebe, späterhin die Nichtigkeit der Beschlüsse geltend zu machen. Gegen den Willen des Klägers, tatsächlich alle Beschlüsse anzufechten, würde bereits sprechen, dass er bereits in der Klageschrift eine Einschränkung der Beschlussanfechtung ankündigte.

Vorliegend könne vom Kläger auch nicht geltend gemacht werden, dass er nur insoweit eine Teilrücknahme der Klage erklärt habe, als es sich um kostenmäßig nicht ins Gewicht fallende Beschlüsse gehandelt habe. Abzustellen sei nicht auf ein späteres Verhalten des Klägers, so der BGH; entscheidend sei, welche Beschlüsse als zum Zeitpunkt des Ablaufs der Anfechtungsfrist als angefochten anzusehen sind. Dies müsse erkennbar sein. Zu diesem Zeitpunkt sei aber nicht erkennbar, ob eine Auslegung der Klageschrift, die zu einer hohen Kostenschuld geführt hätte, seinem Willen entsprach.

Anmerkung: Entscheidend für die Unzulässigkeit war vorliegend nicht der Umstand, dass „alle Beschlüsse“ angefochten wurden, da dies noch nicht zur Unbestimmtheit führte. Auch ist die Vorratsanfechtung vom Grundsatz her nicht unzulässig. Da aber die Klage nicht expressis verbis alle Beschlüsse benannte, die angefochten werden sollte, sich auf die Angabe „alle Beschlüsse“ beschränkte, kam der Angabe in der Klageschrift, es würde in der Klagebegründung mitgeteilt, auf welche Beschlüsse sich die Klage beschränken soll, entscheidende Bedeutung zu. Denn mit dieser Mitteilung machte der Kläger deutlich, dass er nicht beabsichtige, die Anfechtungsklage tatsächlich gegen alle Beschlüsse zu erheben. 


BGH, Beschluss vom 16.02.2017 - V ZR 204/16 -

Sonntag, 18. Juni 2017

Fitnessstudio: Umzug und fehlende Dusche begründen nicht notwendig eine Kündigung

Das Fitnessstudio hatte seine Räumlichkeiten um 150m verlegt. Der Nutzer kündigte daraufhin fristlos seinen Vertrag und führte u.a. diesen Umzug in Verbindung damit zur Begründung an, dass sich der Charakter des Studios geändert habe und eine Dusche nicht mehr vorhanden sei. Der Klage des Fitnessstudios auf Zahlung des Nutzungsentgeltes wurde stattgegeben.

Vom Amtsgericht wurde darauf hingewiesen, dass ein Umzug nicht per se ein Kündigungsrecht begründe. Es bezog sich dabei auf eine Entscheidung des OLG Hamm vom 16.12.1991 - 17 U 109/91 -, wonach eine Klausel, die die Kündigung für den Fall des Umzugs des Studios ausgeschlossen wurde, unzulässig sei. In dieser Entscheidung hatte das OLG drauf hingewiesen, dass der Umzug für den Nutzer „zumutbar“ sein könne oder nicht. Damit wurde auf den Einzelfall abgestellt. Da hier lediglich eine Distanz von 150m zwischen altem und neuem Studio bestünde, würde der Umzug als solcher keinen Kündigungsgrund darstellen.

Der Nutzer hatte zum Charakter geltend gemacht, es würde sich jetzt nicht mehr um ein Fitnessstudio handeln, sondern eher um ein Reha-Zentrum. Unabhängig davon, dass er selbst einen Reha-Kombi-Tarif gebucht hatte, sah das Amtsgericht darin allerdings keine Beeinträchtigung der Nutzung. Etwas anderes könnte nach dem Urteil wohl dann gelten, wenn der Nutzer nunmehr nicht mehr seine Übungen machte könnte, dies wurde aber vom Amtsgericht nicht festgestellt.

Das Amtsgericht hielt es für heute allgemein üblich, dass in Fitnessstudios Duschen vorhanden sind, so dass der Kunde nicht nach schweißtreibender Aktivität einen womöglich auch weiten Heimweg ungeduscht zurücklegen müsste. Die Duschmöglichkeit hatte es unstreitig im alten Gebäude gebeten (und wurde hier erst später wieder geschaffen). Allerdings könne der Umstand nicht zur Begründung einer Kündigung herangezogen werden, da seitens der Klägerin unter Beweisantritt vorgetragen wurde, dass der beklagte Nutzer die Dusche nie genutzt habe. Unabhängig von der Frage, ob hier dem Nutzer eine Überbrückung für einige Monate zumutbar gewesen wäre, habe er auch nicht konkret behauptet, die Dusche genutzt zu haben. In Ansehung einer Entfernung von 2,5km zwischen Studio und Wohnung des Nutzers sei die Angabe der Klägerin zudem glaubhaft, dass er nicht geduscht habe.


AG Plettenberg, Urteil vom 12.06.2017 – 1 C 171/16 -

Dienstag, 13. Juni 2017

Gewährleistungsausschluss und Rechtsmängelfreiheit bei Kaufvertrag über gebrauchtes Fahrzeug

Der Kläger kaufte vom Beklagten einen  gebrauchten PKW zum Preis von € 30.000,00. Im Vertrag wurde aufgenommen, dass der Verkauf unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung erfolge.  Gleichzeitig hieß es in dem Vertrag, dass der Verkäufer versichere, dass das Fahrzeug und dessen Zubehörteile sein Eigentum sind; Rechte Dritter daran würden nicht bestehen. Knapp fünf Monate nach Abschluss des Kaufvertrages erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag und focht diesen wegen arglistiger Täuschung an, da das Fahrzeug nach Auskunft der Polizei im Schengener Informationssystem als gestohlen verzeichnet sie und jederzeit mit einer Beschlagnahme durch die Staatsanwaltschaft zu rechnen sei. Er verlangte mit der Klage Rückzahlung des Kaufpreises unter Abzug der Gebrauchsvorteile.

Die Klage wurde erst- und zweitinstanzlich abgewiesen. Der BGH hob auf und verwies zur weiteren Sachprüfung an das OLG zurück. Inwieweit eine Kenntnis des Beklagten von dem möglichen Recht eines Dritten bestand blieb in den Entscheidungen unklar; lehnte man danach eine arglistige Täuschung ab, kam es darauf an, ob trotz des umfassenden Gewährleistungsausschlusses (der Sach- und Rechtsmängel umfasst) ein Rechtsanspruch des Klägers gegen ihn bestehen konnte.

1. Anders als in der Vorinstanz angenommen ging der BGH nicht davon aus, dass sich der Gewährleistungsausschluss auch auf Rechtsmängel iSv. § 435 S. 1 BGB beziehe. Nach § 435 S. 1 BGB ist eine Sache von Rechtsmängeln frei, wenn Dritte keine oder nur vereinbarte Rechte an dieser geltend machen können. Zwar sei vorliegend nicht geklärt worden, ob es sich bei den Regelungen im Kaufvertrag um AGB-Bestimmungen oder eine Individualvereinbarung handele. Während eine AGB-Klausel vom Revisionsgericht umfassend geprüft werden könne, könne eine Individualvereinbarung im Revisionsverfahren nur eingeschränkt geprüft werden. Vorliegend hätten die Vorinstanzen aber prüfbare Denksätze und anerkannte Auslegungsregeln nicht beachtet. Zwar sei ein vollkommener Gewährleistungsausschluss vereinbart worden, aber direkt danach Angabe des Beklagten, dass Rechte Dritter nicht bestünden. Dabei handele es sich auch nicht lediglich um eine Versicherung des Eigentums des Beklagten, da diese selbst noch vorangestellt wurde.

Es standen sich mithin hier der vereinbarte Gewährleistungsausschluss und die Darlegung einer Rechtsmängelfreiheit  gegenüber und bedürften einer Auslegung. Gerade beim Gebrauchtwagenkauf bestünde ein nachvollziehbares Bedürfnis des Käufers, den alleine im Interesse des Verkäufers aufgenommenen Gewährleistungsausschluss nach § 434 BGB auf Sachmängel zu begrenzen und die gesetzliche Rechtsmängelhaftung fortgelten zu lassen.

2. Zur arglistigen Täuschung durch den Verkäufer hielt der BGH fest, dass dieser mit seiner Begründung diese nicht hätte negieren dürfen. Ein Verschweigen der SIS-Eintragung sei verneint worden, da sich aus der Ermittlungsakte nicht ergeben hätte, dass er über die Eintragung im SIS-Fahndungssystem informiert wurde und einer Verwertung des Fahrzeugs nicht im Wege stünde. Außer Acht habe das Berufungsgericht gelassen, dass zunächst ein behördliches Veräußerungsverbot ausgesprochen wurde. Nach den Umständen sei nur eine SIS-Fahndung in Betracht gekommen. Der Beklagte habe auch einen Anwalt eingeschaltet gehabt. Er hätte hier nachfragen können. Indem er dies unterlassen habe, hätte er den Rechtsmangel zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen, dass der Kläger ihn nicht kannte und bei Kenntnis den Kaufvertrag nicht oder nicht mit diesem Inhalt abgeschlossen hätte.

3. Da in den Vorinstanzen nicht geklärt wurde, ob das Fahrzeug tatsächlich (was vom beklagten bestritten war) im SIS-Fahndungssystem ausgeschrieben war, kam es zur Zurückverweisung.


BGH, Urteil vom 26.04.2017 – VIII ZR 233/15 -