Der Fall ist beinahe alltäglich:
Das Gericht lädt zur mündlichen Verhandlung und ordnet das persönliche
Erscheinen der Parteien an. Da es sich bei der einen Partei um eine juristische
Person (hier: GmbH) handelt, wurde deren Geschäftsführer (der Beschwerdeführer
des vorliegenden Verfahrens) geladen. Dieser erschien allerdings zum Termin
nicht und der von dieser Partei beauftragte Anwalt hatte kein Mandat zum
Vergleichsschluss. Vor diesem Hintergrund erließ das Amtsgericht gegen den
Beschwerdeführer ein Ordnungsgeld von € 200,00, ersatzweise vier Tage
Ordnungshaft, und die Pflicht zur Übernahme der durch sein Nichterscheinen
entstandenen Mehrkosten. Das OLG änderte den Beschluss des Amtsgerichts auf die
Beschwerde insoweit ab, als es den Beschluss in Bezug auf die ersatzweise
Ordnungshaft und die Übernahme der durch das Nichterscheinen entstandenen
Kosten aufhob; im Übrigen würde die Beschwerde zurückgewiesen. Auf die
zugelassene Rechtsbeschwerde hob der BGH den Ordnungsgeldbeschluss insgesamt
auf.
Das OLG hatte die in
Rechtsprechung und Literatur teilweise vertretene Auffassung vertreten, dass das
Ordnungsgeld gem. § 141 Abs., 3 S. 1 ZPO im Hinblick auf den Zweck und die Strafähnlichkeit der Sanktion nicht
gegen die juristische Person (die Partei des Verfahrens), sondern gegen den
nicht erschienenen, aber geladenen gesetzlichen Vertreter ergeht.
Die herrschende Meinung, der sich
der BGH in seiner Entscheidung anschloss, geht allerdings vom Wortlaut des § 141
Abs. 3 S. 1 ZPO aus. Zweck des § 141 Abs. 3 S. 1 ZPO sei nicht, wie etwa §§
177, 178 GVG das Ergreifen sitzungspolizeilichere Maßnahmen wegen Missachtung
des Gerichts, die sich natürlich auch gegen den erschienenen (gesetzlichen)
Vertreter richten könnten, sondern die Förderung der Aufklärung des Sachverhalts.
Die Erwägung des OLG, der
Sanktionszweck des § 141 Abs. 3 S. 1 ZPO ließe sich nur durch Verhängung des
Ordnungsgeldes gegen den nicht erschienenen gesetzlichen Vertreter der Partei
erreichen, ist nach Auffassung des BGH auch falsch. Der BGH verweist darauf, dass
die juristische Person bei einem pflichtwidrigen Verhalten dem gesetzlichen Vertreters
diesen auch in Regress nehmen könne, so dass er doch ein Interesse daran habe,
die die juristische Person treffenden Pflichten zu erfüllen.
Kosten werden nicht erstattet; es
handelt sich nicht um ein kontradiktorische Verfahren.
Anmerkungen
1. Die Entscheidung ist in der Sache richtig. Gegen den klaren
Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung spricht nichts. Gerade auch die vom BGH
angesprochenen Regelungen zu sitzungspolizeilichen Maßnahmen verdeutlichen,
dass der Gesetzgeber sehr wohl einen Unterschied macht und kennt zwischen der
anwesenden Person und der Partei als solcher.
2. Bitter wird es hier dem Beschwerdeführer aufstoßen, dass außergerichtliche
Kosten nicht erstattet werden. Denn er benötigte schon für das Verfahren vor
dem BGH jedenfalls einen dort zugelassenen Anwalt. Und dessen Kosten sind bei
weitem höher als die nun ersparten € 200,00 für das Ordnungsgeld. Damit erweist
sich das Rechtssystem als löchrig und schief: Es kann nicht sein, dass hier der
Geschäftsführer zu einer berechtigten Beschwerde veranlasst wird, da ein Gericht
eine Mindermeinung propagiert, um für sein recht nachher mit erheblichen Kosten
belegt zu werden, die in keinem wirtschaftlich vernünftigen Verhältnis zur
Ursache stehen. Wenn auf diese Weise entsprechende Rechtsmittel (als Ausdruck
rechtsstaatlicher Ordnung und Verständnisses) verhindert werden sollen, ist
dies im Hinblick auf die Gewährung rechtlichen Gehörs und das Rechtsstaatsprinzip
wohl durch das Bundesverfassungsgericht (übrigens: kein Anwaltszwang) oder den
Gesetzgeber zu lösen.
3. Im Übrigen sollte jede geladene Partei prüfen, ob die Ladung in
der Sache überhaupt ordnungsgemäß ist. Wird z.B. die juristische Person
geladen, kann weder ihr gegenüber noch gegenüber dem Organ (gesetzlichen
Vertreter) ein Ordnungsgeld bei Nichterscheinen ergehen. Wird nicht angegeben,
weshalb geladen wird (zur Aufklärung des Sachverhalts und/oder zum Zwecke des Vergleichsschlusses),
darf auch kein Ordnungsgeld verhangen werden. Erklärt die geladene Partei von vornherein,
dass sie keinen Vergleich schließen wird, kann jedenfalls dann kein Ordnungsgeld
ergehen, wenn nur zu diesem Zweck die Ladung erfolgte. Wird zur Aufklärung des
Sachverhalts geladen, mag sich zwar der gesetzliche Vertreter bei seinen
Mitarbeitern informieren müssen; ist aber der Partei der Vorgang nicht selbst
bekannt, allenfalls aktenmäßig wie vorgetragen (z.B. bei dem Versicherer, der
einen Verkehrsunfall bearbeitet), dürfte regelmäßig auch eine
Sachverhaltsaufklärung nicht anzunehmen sein und kann dann mangels einer
Verzögerung des Rechtsstreits auch kein Ordnungsgeld verhangen werden.
BGH, Beschluss vom 30.03.2017 - BLw 3/16 -