Mittwoch, 3. April 2019

Keine Klagezustellung bei fehlender Identifizierbarkeit der Beklagtenpartei


Der Kläger bestellte Ware in einem Online-Shop. Trotz Zahlung auf das Konto des vermeintlichen Betreibers (Mario Hummels) erhielt er die Ware nicht. Auf seine Strafanzeige erfuhr er, dass es sich bei Mario Hummels um einen Aliasnamen handele, allerdings auch die Staatsanwaltschaft bisher nicht ermitteln könne, wer tatsächlich dahinter stünde. Der Kläger, der nun Zahlungsklage gegen „Mario Hummels alias, unbekannten Aufenthalts“ erhob, beantragte die öffentliche Zustellung der Klage. Das Amtsgericht wies den Antrag zurück. Das Landgericht half der Beschwerde nicht ab. Mit einer (fehlerhaft) vom Einzelrichter beim Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde wandte sich der Kläger gegen die Entscheidung des Landgerichts. Diese führte zwar zur Aufhebung, aber nur als prozessualen Gründen, nicht aus materiellen Gründen. Denn auch der BGH hält eine (damit auch öffentliche) Zustellung der Klage für unzulässig.

Grundsätzlich sei in der Klageschrift die verklagte Partei namentlich aufzunehmen, § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Nur in Ausnahmefällen sei eine Abweichung davon denkbar, wenn nämlich ohne Angabe des Namens die Bezeichnung so klar wäre, dass keine Zweifel an der Identität und Stellung aufkommen könnten, sich also diese Person für jeden Dritten ermitteln ließe. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da selbst die Staatsanwaltschaft nicht wisse, wer hier dem Alias-Namen Mario Hummels stünde. Die Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO könnten auch in Ansehung eines Falles wie vorliegend nicht gelockert werden. Ein „Titel gegen Unbekannt“ oder „gegen den, den es angeht“ sei mit der geltenden Rechtslage nicht vereinbar. Einen Verzicht auf die identifzierbare Bezeichnung eines Schuldners im Vollstreckungstitel könne lediglich der Gesetzgeber regeln.

Daran würde auch der Umstand nichts ändern, dass im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ein  Konto als Vermögensgegenstand gesichert worden sei. Dies folge bereits daraus, da die Zulässigkeit einer Zahlungsklage unabhängig davon sei, ob und ggf. welches Vermögen späterhin für eine Zwangsvollstreckung zur Verfügung stünde, unabhängig davon, dass auch im Rahmen der Zwangsvollstreckung nach § 750 Abs. 1 ZPO der Schuldner aus dem Titel sicher identifizierbar sein müsse. Im Rahmen einer Einziehung nach §§ 459h ff StPO (auch einer selbständigen nach § 76a StGB) bedürfe es nicht notwendig eine zivilrechtlichen Titels.

Anmerkung: Die Verjährungsfrist auf (Rück-) Zahlung des entrichteten Kaufpreises, die hier u.a. nach §§ 823 Abs. 2 BGB iVm. 263 StGB geltend gemacht werden könnte, würde erst mit Kenntnis der Person des Schuldners zu laufen beginnen, § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB.

BGH, Beschluss vom 18.09.2018 - VI ZB 34/17 -

Aus den Gründen:



Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 30. Juni 2017 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Beschwerdewert beträgt bis zu 1.000 €.

Gründe

I.
Der Kläger hat beim Amtsgericht eine Klage gegen "den Herrn Mario Hummels (alias), dessen Aufenthaltsort unbekannt ist" eingereicht. Er beantragt darin, den Beklagten zur Zahlung von 679,99 € nebst Zinsen zu verurteilen und festzustellen, dass die Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung stammt. Zur Begründung der Klage führt der Kläger aus, er habe auf der angeblich von einer "Fa. Pewe24" betriebenen Website einen Grill bestellt und daraufhin neben der Bestellbestätigung eine Zahlungsaufforderung erhalten, derzufolge er den Kaufpreis auf das bei der P-Bank geführte Konto eines "Mario Hummels" habe überweisen sollen. Dies habe er getan. Der gekaufte Grill sei ihm aber niemals zugesandt geworden. Auf eine von ihm erstattete Strafanzeige habe er von der zuständigen Generalstaatsanwaltschaft die Mitteilung erhalten, dass die Strafverfolgungsbehörden im Zusammenhang mit der "Pewe24" und dem Hintermann mit dem Aliasnamen "Mario Hummels" ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt führten. Die zuletzt genannte Person habe nach derzeitigem Ermittlungsstand mit einem Aliasnamen bzw. möglicherweise einem falschen oder gefälschten Personalausweis ein Bankkonto eröffnet, auf das sie sich die Zahlungen/Rechnungsbeträge der Käufer habe überweisen lassen.
Der Kläger hat beantragt, die öffentliche Zustellung seiner Klage zu bewilligen. Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Mit dem angefochtenen Einzelrichterbeschluss hat das Landgericht die sofortige Beschwerde des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht wegen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter.
II.
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, eine öffentliche Zustellung der Klage sei nur dann möglich, wenn der Aufenthaltsort einer Person unbekannt sei, nicht aber dann, wenn die Identität einer Partei insgesamt unbekannt sei und Klage gegen eine nicht existierende Person erhoben werde. Die Parteien müssten gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO in der Klageschrift so genau bezeichnet werden, dass kein Zweifel an der Person bestehe. Daran fehle es vorliegend, weil die mutmaßlichen Gegner des Klägers auch aus Sicht der Ermittlungsbehörden derzeit unbekannt und damit nicht identifizierbar seien und es auch den Ermittlungsbehörden nicht gelungen sei, den Namen einer tatverdächtigen Person zuzuordnen. Ob die Voraussetzungen des § 185 ZPO im Übrigen vorlägen, insbesondere ob auch bei einer nicht identifizierten Person ein Zustellungsversuch stattgefunden haben müsse, könne dahinstehen.
2. Der angefochtene Beschluss unterliegt schon deshalb der Aufhebung, weil er unter Verletzung des verfassungsrechtlichen Gebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ergangen ist.
Der Einzelrichter hat bei Rechtssachen, die grundsätzliche Bedeutung haben oder besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweisen, das Verfahren gemäß § 568 Satz 2 ZPO zwingend dem Kollegium zu übertragen. Bejaht er - wie hier - mit seiner Entscheidung, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, entscheidet er aber zugleich in der Sache als Einzelrichter, so ist seine Entscheidung objektiv willkürlich und verstößt gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters, was vom Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu beachten ist (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 22. November 2011 - VIII ZB 81/11, NJW-RR 2012, 125 Rn. 9, mwN).
3. Für das weitere Verfahren weist der erkennende Senat darauf hin, dass die Bezeichnung des Beklagten in der Klageschrift nicht den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO genügt und die Klageschrift deshalb nicht zugestellt werden kann.
a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO muss eine Klageschrift unter anderem die Bezeichnung der beklagten Partei enthalten. Dies erfordert zwar in der Regel seine namentliche Bezeichnung (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 1977 - VII ZR 167/76, NJW 1977, 1686). Ausnahmen sind aber denkbar. Wird eine Partei ohne Angabe ihres Namens so klar bezeichnet, dass keine Zweifel an ihrer Identität und Stellung aufkommen können und sie sich aus der Parteibezeichnung für jeden Dritten ermitteln lässt, so reicht dies aus (BGH aaO; ferner BGH, Urteil vom 9. Dezember 1987 - IVb ZR 4/87, BGHZ 102, 332, 334; Kleffmann, Unbekannt als Parteibezeichnung, 1983, Seite 37; Mantz, NJW 2016, 2845, 2846).
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Wer sich hinter dem Aliasnamen "Mario Hummels" verbirgt, ist - sogar den Ermittlungsbehörden - unbekannt. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde lässt sich dem nicht entgegenhalten, es handle sich um die Person, die im Zeitpunkt der Einreichung der Klage Inhaber des genannten Kontos bei der P.-Bank war. Zwar mag es zutreffen, dass - wie die Rechtsbeschwerde meint - "nur eine - und keine andere - Person" dieses Konto unter dem Aliasnamen "Mario Hummels" eröffnet haben kann und sich hierbei eines gefälschten Postidentformulars bedient haben muss. Zur Identifikation dieser Person reicht die Kenntnis, dass sie unter falschem Namen ein bestimmtes Konto eröffnet hat, aber nicht. Wie die strafrechtlichen Ermittlungen gezeigt haben, lässt sich daraus für einen Dritten gerade nicht ersehen, um wen es sich beim (anonym gebliebenen) Kontoinhaber handelt. Ungewissheit besteht dabei nicht nur über den richtigen Namen dieser Person, sondern auch über ihre Identität.
b) Der erkennende Senat sieht keinen durchgreifenden Grund, das sich aus § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ergebende Erfordernis der Bezeichnung der Partei in Bezug auf die Besonderheiten des vorliegenden Falles (weiter) zu lockern.
aa) Ein solcher Grund ergibt sich zunächst nicht daraus, dass den Kläger an der fehlenden den Beklagten identifizierenden Parteibezeichnung kein Verschulden trifft, sondern er die Identität des Schädigers nicht ermitteln konnte (in diese Richtung aber LG Berlin BeckRS 9998, 16345; ebenso Roth in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 253 Rn. 16); dass die fehlende Identifizierbarkeit darauf beruht, dass derjenige, der in Anspruch genommen werden soll, seine Identität arglistig geheim hält, ist dabei ohne Belang (anders Assmann in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 253 Rn. 34; Raeschke-Kessler, NJW 1981, 663).
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Zulassung eines "Titels gegen Unbekannt" oder eines "Titels gegen den, den es angeht" mit der geltenden Rechtslage nicht vereinbar ist (BGH, Beschluss vom 13. Juli 2017 - I ZB 103/16, NJW 2018, 399 Rn. 18; zur Klage "gegen die Partei, die es angeht" vgl. auch OLG Oldenburg, NJW-RR 1995, 1164, 1165). Ein Verzicht auf die gesetzliche Vorgabe der namentlichen, das heißt identifizierenden, Bezeichnung des Schuldners im Vollstreckungstitel (oder in der Vollstreckungsklausel) kann allein der Gesetzgeber regeln (BGH aaO, Rn. 21). Muss die beklagte Partei aber unabhängig davon, ob dies möglich ist und welche Hinderungsgründe gegebenenfalls bestehen, im Titel identifizierbar bezeichnet sein, so gilt dies notwendigerweise auch für die Klageschrift. Denn durch sie wird festgelegt, wer am Prozessrechtsverhältnis beteiligt ist und gegen wen das spätere Urteil ergeht.
bb) Auch der Umstand, dass mit dem - im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gesicherten - Konto ein Vermögensgegenstand vorhanden ist, der dem Schädiger zuzurechnen ist, ändert am Erfordernis der identifizierenden Bezeichnung des Beklagten in der Klageschrift nichts. Dies folgt schon daraus, dass die Zulässigkeit einer auf Zahlung gerichteten Klage nach allgemeinen Grundsätzen davon unabhängig ist, ob und gegebenenfalls welches Vermögen für eine spätere Zwangsvollstreckung zur Verfügung steht. Im Übrigen setzt gemäß § 750 Abs. 1 ZPO auch die Zwangsvollstreckung voraus, dass der Vollstreckungsschuldner aus dem ihr zugrundeliegenden Titel heraus sicher identifizierbar ist (vgl. nur BGH, Beschluss vom 13. Juli 2017 - I ZB 103/16, NJW 2018, 399 Rn. 17 ff.). Für die im Falle einer - gegebenenfalls selbständigen (vgl. § 76a StGB) - Einziehung nach §§ 459h ff. StPO n.F. vorgesehenen Entschädigung des Klägers als Verletztem bedarf es nicht zwingend eines zivilrechtlichen Titels (vgl. § 459j StPO n.F.).
c) Ist die Partei, gegen die sich die Klage richten soll, in der Klageschrift nicht hinreichend bezeichnet, so scheidet mangels Identifizierbarkeit auch eine Zustellung der Klage an sie aus (vgl. Assmann in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 253 Rn. 191; Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 253 Rn. 23).

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