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Donnerstag, 24. März 2022

Das selbstständiges Beweisverfahren (§ 485 Abs. 2 ZPO) und die beschränkte Zulässigkeit nach Verkehrsunfall

Ist ein streitiges Verfahre noch nicht anhängig, kann bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 485 Abs. 2 ZPO die Durchführung eine selbständigen Beweisverfahren beantragt werden. Dieses dient (auch) dazu, einen beweis für ein mögliches späteres Hauptsacheverfahren zu sichern. Es wird häufig in Bausachen genutzt, da sich die Streitverfahren lange hinziehen und die die Sicherung eines Beweises im Hinblick z.B. auf einen Mangel der Bausache erforderlich ist vor dem Hintergrund, dass er beseitigt werden soll und das Bauwerk nutzen zu können. Mit der Beseitigung des Mangels könnte gegebenenfalls der Bauherr nicht mehr den Nachwies führen, dass ein vom Bauunternehmer zu vertretender Mangel vorliegt. Häufig besteht in solchen Fällen auch Übereinstimmung zwischen den Parteien auf Durchführung des Verfahrens, da - wird der behauptete Mangel nicht beseitigt - durch die Prozessdauer ein weitergehender Schaden des Bauherrn entstehen könnte, für den möglicherweise der Bauunternehmer aufzukommen hat.

Das selbständige Beweisverfahren bewirkt lediglich einen Beweisbeschluss zu dem vorgegebenen Beweisthema, die Einholung des Gutachtens und evtl. Ergänzung desselben oder auch Anhörung des bestellten Sachverständigen. Eine Entscheidung in der Sache ergeht in diesem Verfahren nicht.

Vorliegend musste sich das OLG mit einem Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens nach einem Verkehrsunfall auseinandersetzen, der vom Landgericht als unzulässig zurückgewiesen worden war.

Soweit anstelle eines privaten Sachverständigengutachtens über den Schadensumfang ein selbständiges Beweisverfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO angestrengt wird, wird dies in der Regel für zulässig angesehen. Nur vereinzelt wird die Auffassung vertreten, anstelle des selbständigen Beweisverfahrens könne der Antragsteller auch ein Privatgutachten einholen.

Vorliegend wollte der Antragsteller mittels der beantragten Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens die Verantwortlichkeit der Beteiligten an den Schäden geklärt wissen. Das Landgericht, und ihm folgen das OLG, haben aber die Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 485 Abs. 2 ZPO negiert.

§ 485 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO sieht vor, dass ein selbständiger Beweisantrag zur Feststellung der Ursache eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels zulässig ist. Damit, so das OLG, könnten grundsätzlich auch Verkehrsunfälle Gegenstand eines solchen Verfahrens sein. Allerdings würde dies nicht gelten, wenn von vornherein zu erwarten sei, dass das Unfallgeschehen selbst und damit auch die Verantwortlichkeit für die dabei entstandenen Schäden nur durch die Vernehmung von Zeugen und Anhörung der Parteien hinreichend geklärt werden könne. Wenn, wie hier, objektive Anknüpfungstatsachen (so Spuren auf der Fahrbahn) fehlen würden, die auf den Kollisionsort schließen ließen, und der Streit darum gehen würde, welcher Beteiligte seine Fahrspur verlassen habe, würde dies dem selbständigen Beweisverfahren entgegenstehen. Es würden Anknüpfungstatsachen für das Sachverständigengutachten fehlen, die erst durch die Vernehmung von Zeugen und Anhörung der Parteien geschaffen werden könnten. In einem selbständigen Beweisverfahren könnten aber Zeugen und Parteien nach § 485 Abs. 2 ZPO nicht angehört werden; § 485 Abs. 2 S. 1 ZPO sieht lediglich die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen vor. Damit käme es (nach Angabe des OLG schon angesichts der Einlassung der Antragsgegner in dem Verfahren) mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu einer (jedenfalls ergänzenden) Begutachtung in dem Hauptsacheverfahren (also dem Verfahren nach Klageerhebung) gem. § 412 ZPO mit Partei- und Zeugenbefragung, weshalb das selbständige Beweisverfahren weder zu einer Verfahrensbeschleunigung noch zu einer Kostenreduzierung führen würde. Da auch vom Antragsteller keine sonstigen Gründe für die isolierte Einholung eines unfallanalytischen Gutachtens benannt worden seien und solche auch nicht ersichtlich seien, sei der Antrag unzulässig und zurückzuweisen.

Instruktiv ist in diesem Zusammenhang ein Urteil des OLG Düsseldorf vom 07.04.2008 - I-1 U 212/07-), in dem der Kläger mit der Reparatur bis zum Abschluss eines selbständigen Beweisverfahrens zuwartete und von daher streitiger Nutzungsausfall bzw. Mietwagenkosten anfielen. Das OLG sah das Zuwarten in der besonderen Konstellation als zulässig an (also kein Verstoß gegen die Schadensgeringhaltungsverpflichtung), da der Kläger habe davon ausgehen dürfen, dass für die Unfallrekonstruktion eine Gegenüberstellung der Fahrzeuge beschädigten Fahrzeuge erforderlich sei, er dies aber mittels Privatgutachten - da er keinen Zugriff auf das gegnerische Fahrzeug nehmen kann - nicht habe ohne das Beweisverfahren bewerkstelligen können.

OLG Hamm, Beschluss vom 21.01.2022 - 9 W 5/22 -

Donnerstag, 25. April 2019

Steuerrecht: Prozessuale Pflichten des Steuerpflichtigen bei Zeugen im Ausland


Das Finanzgericht (FG) hatte die vom Beschwerdeführer (BF) benannten Zeugen A., B. und C. nicht von Amts wegen geladen, mit denen der BF beweisen wollte, dass er über ein bestimmtes Konto bei einer Schweizer Bank nicht habe verfügen dürfen. Das Unterlassen sah der BFH allerdings nicht als Verstoß des FG gegen das in § 76 Abs. 1 FGO statuierte Sachaufklärungsprinzip an.

Das FG har gemäß § 76 Abs. 1 FGO den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, wobei es sich um den Ausfluss der in der dem Steuerprozess immanenten Offizialmaxime handelt, welches zwingend auch dazu führt, wie vom BFH festgehalten, dass dabei die erforderlichen Beweise (§ 81 Abs. 1 S. 2 FGO) zu erheben seien. Die Offizialmaxime bedingt auch, dass das Gericht nicht an Vorbringen und Beweisanträge der Parteien gebunden ist (§ 76 Abs. 1 S. 5 FGO), was aber, so der BFH, nur dann gelte, wenn das FG von sich aus auch Beweise erheben könne, die von den Verfahrensbeteiligten nicht angeboten worden seien (BFH, Beschlüsse vom 22.06.2016 - III B 134/15 – und vom 14.03.2018 - IV B 46/17 -).  Nicht erforderlich sei, auch fernliegenden Erwägungen nachzugehen. Auch sei die Sachaufklärungspflicht grundsätzlich von einer Mitwirkungsverpflichtung der Beteiligten gem. § 76 Abs. 1 FGO unabhängig. §§ 76 Abs. 1 S. 4 FGO iVm. 90 Abs. 2 AO sähen vor, dass ein im Ausland ansässiger Zeuge, der auch zu einem „ausländischen Sachverhalt“ aussagen soll, grundsätzlich von den Verfahrensbeteiligten zu stellen sei und nicht vom FG zu laden sei. Insoweit besteht mithin nach der Rechtslage, wie vom BFH festgehalten, eine Mitwirkungspflicht der Beteiligten und mithin insbesondere desjenigen, der sich auf den oder die Zeugen zu seinen Gunsten beruft. Mit einer Rüge einer unterlassenen Sachaufklärung, wie sie hier vom BF in seiner Nichtzulassungsbeschwerde zum BFH nach Abweisung seiner Klage durch das FG geltend gemacht wurde, müsse daher dargelegt werden, dass der Mitwirkungsverpflichtung, den Zeugen zu stellen, entsprochen worden sei. Käme nämlich der Beteiligte dieser erhöhten Mitwirkungspflicht aus § 90 Abs. 2 AO nicht nach, dürfe das FG ohne Berücksichtigung des Auslandszeugen den Sachverhalt nach eigner Überzeugung würdigen.

Zu den Zeugen B. und C. sei das FG schon deshalb nicht zu einer weiteren Sachaufklärung von Amts wegen verpflichtet gewesen, da diese nach eigenen Angaben des BF verstorben seien. Darüber hinaus habe der BFH auch nicht vorgetragen, dass er Bemühungen entfaltet habe, seiner Mitwirkungspflicht aus § 90 Abs. 2 AO bei der Beschaffung von sonstigen Beweismitteln in diesem Zusammenhang zu genügen. Auch zu dem Zeugen A. (dem ehemaligen schweizerischen Bankbetreuer) hätte dieser zu einem Sachverhalt angehört werden sollen, der sich im Ausland (Schweiz) zugetragen habe (nämlich zu der Behauptung, der BF habe über das in der Schweiz auf seinem Namen lautende Koto nicht verfügen können); auch insoweit habe er nicht dargelegt, sich bemüht zu haben, seiner Mitwirkungspflicht zu entsprechen, um den Zeugen in der mündlichen Verhandlung zu stellen. Hier ist auch die Beweisvorsorgeverpflichtung des Beteiligten gem. § 90 Abs. 2 S. 4 AO zu berücksichtigen.

Anmerkung: Das Verfahren unterscheidet sich hier grundlegend von einem Prozess im Rahmen der ordentlichen Gerichtsbarkeit (Zivilgericht), da in dem zivilrechtlichen Verfahren auch ein ausländischer Zeuge selbst dann vom Gericht zu laden ist, wenn es sich um einen Auslandssachverhalt handelt. Erscheint dieser Zeuge nicht, kann zwar - da sich die Prozesshoheit der deutschen Gerichte nicht auf das Ausland bezieht – kein Ordnungsgeld festgesetzt werden, ist aber gleichwohl durch das Gericht der Versuch einer Vernehmung im Ausland (vor einem dortigen Gericht bei entsprechenden Übereinkommen, ansonsten durch ein deutsches Konsulat) zu versuchen und letztlich noch der Versuch zu unternehmen, eine schriftliche Zeugenaussage zu erreichen.

BFH, Beschluss vom 13.02.2019 - VIII B 83/18 -

Sonntag, 5. Februar 2017

Architektenvertrag: Zur Nichteinhaltung der Baukostenobergrenze und zum „Zeugen vom Hörensagen“

Der BGH hob das Urteil der Vorinstanz auf und verwies den Rechtsstreit an das OLG zurück, da es an einem wesentlichen Verfahrensmangel litt.

Die Beklagte wollte ein Gebäude zu einem Wohn- und Geschäftshaus umbauen lassen und beauftragte zunächst Leistungsphasen 1-4 des § 15 Abs. 1 HOAI a.F. die Klägerin mit schriftlichen Architektenvertrag; später kamen weitere Leistungsphasen hinzu. Als Honorar sollte der Mindestsatz der Honorarzone III gezahlt werden.  Streitig war zwischen den Parteien im Rechtsstreit, ob über Baukosten gesprochen wurde; die Beklagte behauptete, es sei eine Baukostenobergrenze vereinbart gewesen.

Zunächst setzte sich der BGH mit der Frage auseinander, welche Auswirkung die Vereinbarung einer Baukostenobergrenze hat. Diese wirkt sich auf die Höhe des Honorars aus, da bei Überschreitung und Berechnung des Honorars aus den höheren Baukosten dieses auch steigt. Die beauftragte Planleistung des Architekten entspräche auch nicht der vereinbarten Beschaffenheit, wenn sie ein Bauwerk mit höheren Baukosten vorsehen, als zwischen den Parteien vereinbart. Der Architekt habe die Planvorgaben des Auftraggebers, zu denen auch die Baukosten gehören, zu beachten. Der aus einer Nichteinhaltung herzuleitende Schadensersatzanspruch führe dazu, dass der Architekt nicht nach den Grundlagen der anrechenbaren Kosten gem. § 10 HOAI a.F. abrechnen könne, sondern fiktiv nur nach den Kosten, die sich aus der Baukostenobergrenze errechnen. Er könne auch nach § 242 BGB nicht zunächst das höhere Honorar verlangen, um dann den Schaden zurückzuerstatten.

Beruft sich der Architekt auf eine nachträgliche Erhöhung der Baukostenobergrenze, trägt er dafür die Darlegungs- und Beweislast. Ist die ursprüngliche Baukostenobergrenze streitig, hat dies der Auftraggeber zu beweisen.

Im Hinblick auf eine mögliche Beweislast der Klägerin hätte hier das OLG einen vom Architekten benannten Zeugen anhören müssen. Das erfolgte nicht mit der Begründung, dieser sei mangels persönlicher Anwesenheit bei dem fraglichen Gespräch nicht zugegen gewesen. Der Ausschluss durch das Berufungsgericht beruht auf Rechtsfehlern, da, worauf der BGH hinweist, die Aussage eines „Zeugen vom Hörensagen“  auf freier Beweiswürdigung gem. § 286 ZPO beruhe. Er sei auch Zeuge, da er seien Wahrnehmungen bekunden soll; zwar würden seiner Aussage besondere Unsicherheiten anlasten, die über eine allgemeine Unzuverlässigkeit von Zeugenaussagen hinausgehen, was aber nur besonders hohe Anforderungen an die Beweiswürdigung stellen würde.

Anmerkung:  Die  Ausführungen des BGH zum „Zeugen vom Hörensagen“ sind richtig. Leider wird dies in der Instanzrechtsprechung meist übersehen. Ob und inwieweit seine Angaben im Rahmen der Beweiswürdigung zum Tragen kommen können, hängt im Wesentlichen davon ab, mit wem er gegebenenfalls gesprochen hat oder ob es ein weiteres Indiz für die Richtigkeit einer behaupteten Tatsache darstellt.


BGH, Urteil vom 06.10.2016 – VII ZR 185/13 -