Montag, 1. April 2019

Kündigung durch den verbliebenen Mieteigentümer-Vermieter alleine ist unwirksam (keine Analogie zu § 566 Abs. 1 BGB)


Die Klägerin und ihr Ehemann waren Mieteigentümer eines Zweifamilienhauses. Sie vermieteten eine der Wohnungen an den Beklagten zu 1. (der dort dann mit seinem Sohn, den Beklagten zu 2. wohnte); in der weiteren Wohnung wohnte die Klägerin selbst. Zeitlich nach Begründung des Mietverhältnisses wurde die Klägerin durch Übertragung des Mieteigentumsanteils ihres Ehemanns Alleineigentümerin. Als solche kündigte sie das Mietverhältnis gegenüber dem Beklagten zu 1. und verlangte die Räumung und Herausgabe von den Beklagten.  Im Laufe des Rechtsstreits zogen die Beklagten aus und das Amtsgericht erlegte nach beidseitiger Hauptsacheerledigungserklärung den Beklagten die Kosten auf. Die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Dagegen legten die Beklagten die vom Landgericht zugelassene Rechtsbeschwerde zum BGH ein. Dieser hob den Beschluss des Landgerichts auf und erlegte der Klägerin die Kosten des Verfahrens auf.

Entgegen der Annahme des Landgerichts ging der BGH davon aus, dass ohne Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache die Klage abzuweisen gewesen wäre, weshalb eine Kostenentscheidung zugunsten der Beklagten hätte erfolgen müssen, § 91a ZPO. Fehlerhaft sei die Annahme des Landgerichts, wonach vorliegend § 566 Abs. 1 BGB analog anzuwenden sei.

§ 566 Abs. 1 BGB regelt den Fall der Veräußerung des Eigentums an der Mietsache an einen Dritten, wodurch der Dritte in das bestehende Mietverhältnis zwischen dem bisherigen Eigentümer und dem Mieter eintritt. Der BGH verwies darauf, dass nach dem Wortlaut des § 566 Abs. 1 BGB die Veräußerung an einen Dritten erfolgen müsse, was eine Personenverschiedenheit zwischen Eigentümer und Erwerber bedeute. Der Erwerber dürfe bis zum Erwerb nicht bereits Vermieter gewesen sein (BGH, Rechtsentscheid vom 06.07.1994 - VIII AZR 2/94 – zu der Vorgängerregelung in § 571 BGB a.F.). Eine Analogie, wie vom Landgericht angenommen, setze eine planwidrige Regelungslücke des Gesetzes und eine Vergleichbarkeit des zu beurteilenden Sachverhalts in rechtlicher Hinsicht mit dem Tatbestand, der vom Gesetzgeber geregelt worden sei, voraus, nach dem angenommen werden könne, dass der Gesetzgeber hätte bei einer Interessensabwägung unter Berücksichtigung der Grundsätze, die ihn zur Gesetzessvorschrift geleitet hätten, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen. Es müsste sich also um ein unbeabsichtigtes Abweichen vom Regelungsplan handeln. Dies wurde vom BGH negiert.

Sinn und Zweck des § 566 BGB sei der Schutz des Mieters vor einem Verlust des Besitzes an der Wohnung im Falle der Veräußerung gegenüber einem neuen Erwerber. Dieser Schutzzweck sei aber von vornherein nicht tangiert, wenn nur einer von (hier) zwei Miteigentümern seinen Eigentumsanteil auf den anderen übertrage mit der Folge, dass dieser Alleineigentümer werde. Dieser sei weiterhin an den Mietvertrag gebunden, weshalb eine Gefährdung des Mieters von vornherein nicht bestünde.

Daraus schlussfolgert der BGH folgerichtig, dass hier das Mietverhältnis insgesamt durch die Übertragung des Mieteigentums an einen Miteigentümer nicht das Mietverhältnis tangiert und mithin auch nach der Übertragung der ehemalige Miteigentümer Mietvertragspartei bleibe. Da aber die Kündigung nur von der verbliebenen Eigentümerin (Klägerin) ausgesprochen wurde, war diese unwirksam, da die Kündigung von dem Vermieter auszusprechen ist, was bei einer Mehrzahl von Vermietern bedeutet, dass alle Vermieter die Kündigung aussprechen müssen.

BGH, Beschluss vom 09.01.2019 - VIII ZB 26/17 -


Aus den Gründen:


Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth - 7. Zivilkammer - vom 20. März 2017 aufgehoben.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.800 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin und ihr Ehemann waren Miteigentümer eines Zweifamilienhauses. Mit Vertrag vom 1. Oktober 2013 vermieteten sie eine der beiden Wohnungen an den Beklagten zu 1. Später wurde die Klägerin, welche die andere Wohnung im Haus bewohnt, durch Übertragung des Miteigentumsanteils ihres Ehemanns Alleineigentümerin des Anwesens. Sie kündigte das Mietverhältnis mit Schreiben vom 18. Februar 2016 gemäß § 573a Abs. 1 BGB und nahm den Beklagten zu 1 sowie seinen volljährigen Sohn, den Beklagten zu 2, auf Räumung und Herausgabe der Wohnung in Anspruch.
Nach dem Auszug der Beklagten aus der streitgegenständlichen Wohnung haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Amtsgericht hat die Kosten des Rechtsstreits den Beklagten auferlegt. Deren hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehren die Beklagten, der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
II.
Das Rechtsbeschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 a ZPO den Beklagten aufzuerlegen gewesen seien, da sie ohne die übereinstimmende Erledigungsklärung voraussichtlich unterlegen wären. Zwar habe eine Kündigung bei mehreren Vermietern grundsätzlich durch alle Vermieter zu erfolgen. Auch greife § 566 Abs. 1 BGB, nach dessen Wortlaut eine Veräußerung an einen Dritten zu erfolgen habe, nicht ein, da die Veräußerung hier an einen der bisherigen Eigentümer und Vermieter erfolgt sei. Allerdings komme § 566 Abs. 1 BGB analog zur Anwendung, da der Vermieter, der den (hälftigen) Miteigentumsanteil des anderen Vermieters erworben habe, dergestalt in den Mietvertrag eintrete, dass die Kündigung allein durch den Erwerber des hälftigen Miteigentums wirksam sei. Zwar verliere der Mieter dadurch mit der Veräußerung einen seiner Schuldner. Einen Ausgleich hierfür sehe jedoch die Regelung in § 566 Abs. 2 BGB vor.
Die Rechtsbeschwerde sei gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen, da die Frage der analogen Anwendung von § 566 Abs. 1 BGB auf den Fall des Erwerbs eines Miteigentumsanteils bislang höchstrichterlich nicht entschieden sei.
III.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Die von dem Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Die Entscheidung des Beschwerdegerichts, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, ist für den Senat nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO unabhängig davon bindend, ob es die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO zutreffend beurteilt hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. Januar 2018 - VIII ZB 74/16, WuM 2018, 151 Rn. 6; vom 8. Mai 2012 - VIII ZB 91/11, WuM 2012, 332 Rn. 3 mwN; vom 7. Oktober 2008 - XI ZB 24/07, NJW-RR 2009, 425 Rn. 9 mwN). Es ist daher unschädlich, dass - was das Beschwerdegericht verkannt hat - gegen eine Kostenentscheidung die Rechtsbeschwerde nicht aus materiell-rechtlichen Gründen zugelassen werden darf, da es nicht Zweck des Kostenverfahrens ist, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären oder das Recht fortzubilden, soweit es - wie im Streitfall - um Fragen des materiellen Rechts geht (st. Rspr.; vgl. Senatsbeschlüsse vom 30. Januar 2018 - VIII ZB 74/16, aaO; vom 8. März 2011 - VIII ZB 65/10, WuM 2011, 242 Rn. 7; vom 8. Mai 2012 - VIII ZB 91/11, aaO Rn. 7; jeweils mwN). Ebenso ist es für die Wirksamkeit der Zulassung der Rechtsbeschwerde ohne Bedeutung, dass das Berufungsgericht irrig das Vorliegen eines Zulassungsgrundes angenommen hat, obwohl die von ihm als Grund für die Zulassung genannte Frage sich in der vorliegenden Fallgestaltung ohne weiteres anhand der - von ihm allerdings nicht berücksichtigten - Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beantwortet und eine vereinzelte entgegenstehende Literaturmeinung kein Bedürfnis zu einer höchstrichterlichen Klärung zu begründen vermag.
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
Nach der übereinstimmenden Erledigterklärung der Parteien waren die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO der Klägerin aufzuerlegen. Denn die Klägerin wäre bei Fortführung des Rechtsstreits voraussichtlich in der Sache unterlegen, weil das Mietverhältnis durch die allein von ihr ausgesprochene Kündigung vom 18. Februar 2016 nicht wirksam beendet worden ist und ihr deshalb der von ihr geltend gemachte Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung nicht zustand. Die Kündigung hätte vielmehr auch von dem früheren Ehemann der Klägerin erklärt werden müssen, der die Wohnung zusammen mit ihr an den Beklagten zu 1 vermietet hatte. Die vom Beschwerdegericht vorgenommene analoge Anwendung des § 566 Abs. 1 BGB kommt in der vorliegenden Konstellation, dass einer von zwei Miteigentümern, die eine Wohnung vermietet haben, später Alleineigentümer wird, nicht in Betracht.
a) Gemäß § 566 Abs. 1 BGB tritt bei einer Veräußerung des vermieteten Wohnraums nach der Überlassung an den Mieter von dem Vermieter an einen Dritten der Erwerber anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein. Nach dem Wortlaut des § 566 Abs. 1 BGB muss die Veräußerung an einen Dritten erfolgen, das heißt, der veräußernde Eigentümer und der Erwerber müssen personenverschieden sein, der Erwerber darf bis zum Erwerb nicht Vermieter gewesen sein (vgl. Senatsbeschluss [Rechtsentscheid] vom 6. Juli 1994 - VIII ARZ 2/94, BGHZ 126, 357, 363 f. - noch zu der Vorgängerregelung in § 571 BGB aF). Eine direkte Anwendung des § 566 BGB kommt damit, wie das Beschwerdegericht im Ansatz noch zutreffend gesehen hat, nicht in Betracht.
b) Eine Analogie ist - was das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft nicht geprüft hat - zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke aufweist und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen. Die Lücke muss sich also aus einem unbeabsichtigten Abweichen des Gesetzgebers von seinem - dem konkreten Gesetzgebungsvorhaben zugrundeliegenden - Regelungsplan ergeben (st. Rspr.; siehe nur Senatsurteil vom 14. Dezember 2016 - VIII ZR 232/15, BGHZ 213, 136 Rn. 33 mwN). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.
Sinn und Zweck des § 566 BGB ist der Schutz des Mieters vor einem Verlust des Besitzes an der Wohnung gegenüber einem neuem Erwerber im Falle der Veräußerung der Mietsache (BGH, Urteil vom 12. Juli 2017 - XII ZR 26/16, NZM 2017, 847 Rn. 29 mwN). Dieser Schutzzweck ist von vornherein nicht berührt, wenn - wie hier - einer von zwei vermietenden Miteigentümern seinen Eigentumsanteil auf den anderen überträgt, so dass dieser Alleineigentümer der Mietsache wird. Denn der nunmehrige Alleineigentümer ist (weiter) an den Mietvertrag gebunden und ein Verlust des Besitzes auf Seiten des Mieters infolge des Veräußerungsvorgangs ist somit nicht zu besorgen. Damit scheidet eine analoge Anwendung des § 566 BGB auf einen solchen Fall aus
Soweit in der vom Berufungsgericht herangezogenen Kommentarstelle allgemeine Erwägungen dazu angestellt werden, es sei auch im Hinblick auf mögliche weitere Veräußerungsvorgänge "praktikabler, das Ausscheiden des veräußernden Miteigentümers aus der Vermieterstellung sogleich zu vollziehen" (so Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 13. Aufl., § 566 BGB Rn. 77; dagegen zutreffend MünchKommBGB/Häublein, 7. Aufl., § 566 Rn. 22), ergibt sich daraus offensichtlich keine tragfähige Grundlage für eine Analogie.

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