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Donnerstag, 10. Oktober 2019

Höhere Gewalt iSv. § 7 Abs. 2 StVG und Haftung des Entgegenkommenden bei Verletzung des schadenverursachenden Beifahrers


Die Klägerin verlangt vom Beklagten Erstattung von von ihr aufgewandten Behandlungskosten für ihre bei einem Verkehrsunfall verletzten und in der Folge daran verstorbene  Versicherte. Dieser war Beifahrer im PKW des Zeugen. Während der Fahrt kippte der Versicherte plötzlich mit vollem Gewicht auf die Fahrerseite, weshalb der Zeuge die Kontrolle über den PKW verlor, gegen eine Mauer fuhr und in der weiteren Folge in den Gegenverkehr geriet, wo er gegen das vom Beklagten geführte Fahrzeug prallte. Die Beklagtenseite vertrat die Ansicht, der Verkehrsunfall sei von ihr weder verursacht noch verschuldet worden und die einfache Betriebsgefahr des eigenen Fahrzeugs trete vollständig hinter einer grob verkehrswidrigen Fahrweise des Fahrzeuges des Zeugen zurück.

Das Landgericht gab der Klage umfassend statt. Das Landgericht vertrat die Ansicht, dass die Berufung der Beklagtenseite gegen das Urteil keinen Erfolg haben könne. Dabei stellte das OLG darauf ab, dass die Versicherte als Beifahrerin in den Verkehrsunfall verwickelt worden sei, weshalb sie ihre Ansprüche aus § 7 Abs. 1 StVG ableiten könnte (die gem. § 86 VVG auf die Klägerin übergehen). Damit müsste die Beklagtenseite entweder darlegen und nachweisen, dass es sich bei dem Verkehrsunfall um einen Fall höherer Gewalt iSv. § 7 Abs. 2 StVG handelt oder ein Mitverschulden der Beifahrerin nach § 9 StVG / § 254 BGB vorläge.

Der Gesetzgeber habe durch die Beschränkung des Haftungsausschlusses auf Fälle höherer Gewalt bewusst  eine Erweiterung der Halterhaftung herbeiführen wollen. Höhere Gewalt setze ein betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis voraus, welches nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar sei und mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch äußerste, nach der Sachlage zu erwartende Sorgfalt nicht verhindert werden kann auch nicht wegen einer Häufigkeit von Betriebsunternehmen in Kauf zu nehmen sei (BGH, Urteil vom 16.10.2007 - VI ZR 173/06 -).

Es gehöre, so das OLG, zu den typischen Gefahren des Straßenverkehrs, dass ein Beifahrer den Fahrer ablenkt oder durch handeln tatsächlich in das Fahrverhalten derart eingreift, dass das Fahrzeug außer Kontrolle gerate. Der Fall sei nicht vergleichbar mit jenem, bei dem Dritte gezielt auf der Straße ein für den Verkehr nicht oder zu spät sichtbares Hindernis aufstellen, um einen Unfall auszulösen oder sich in suizidaler Absicht selbst zum Hindernis machen würden. Dies sei im Hinblick auf die Unvorhergesehenheit nicht mit einem außer Kontrolle geratenen Fahrzeug vergleichbar und es würde auch der Intention des Gesetzgebers widersprechen, ein plötzliches geistiges oder körperliches Versagen des Fahrzeugführers (und damit wohl  nach Ansicht des OLG auch seines mittelbaren Versagens durch das körperliche Versagen des Beifahrers) als höhere Gewalt genügen zu lassen (BGH, Urteil vom 15.01.1957 - V ZR 135/56 -).

Für ein fahrlässiges oder gar vorsätzliches Verschulden der Versicherten (§§ 9 StVG, 254 BGB) sei nichts ersichtlich. Ob der Beklagte (und sein Haftpflichtversicherer) Ausgleichsansprüche gegen den Zeugen und dessen Kfz-Haftpflichtversicherer haben, könne hier auf sich beruhen.

OLG Koblenz, Beschluss vom 03.06.2019 - 12 U 1071/18 -

Samstag, 13. April 2019

Kfz-Haftpflichtversicherung: Direktanspruch aus § 115 VVG versus Haftungsprivilegierung nach SGB VII


Der Antragsteller, begehrte für die Klage gegen den Haftpflichtversicherer des Fahrzeuges seines Arbeitsgebers Prozesskostenhilfe nach einem Verkehrsunfall, bei dem er als Beifahrer des bei diesem versicherten Fahrzeuges verletzt wurde. Sein Antrag wurde vom Landgericht ebenso zurückgewiesen, wie seine dagegen beim OLG Celle eingelegte Beschwerde. Sowohl das Landgericht wie auch das Oberlandesgericht gingen davon, aus, dass die Voraussetzung, dass die Klage hinreichend Aussicht auf Erfolg haben müsse, nicht vorläge (§ 114 Abs. 1 ZPO).

Dies wird auf § 104f SGB VII gestützt. Diese Norm enthält eine Haftungsprivilegierung für den Arbeitgeber, demzufolge dieser bei einem Schaden des Arbeitnehmers nur haftet, wenn er vorsätzlich gehandelt hat oder es sich um einen sogen. Wegeunfall iSv. § 8 SGB VII handelt, § 104 Abs. 1 SGB VII. Die Haftungsprivilegierung wirke für den Direktanspruch gem. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG akzessorisch.  Damit könne der Versicherer dem Antragsteller auch die Ausschlusstatbestände des SGB VII entgegenhalten, die dem unmittelbar haftenden Versicherten oder Mitversicherten zustehen würden, auch wenn dieser ohne das Haftungsprivileg als Fahrzeughalter aus Gefährdungshaftung einstandspflichtig wäre.

Die Voraussetzungen für den Haftungsausschluss gem. § 104 SGB VII lägen vor.

So habe sich bei dem Verkehrsunfall bei dem der Antragsteller verletzt wurde, um einen nicht vorsätzlich verursachten Betriebswegeunfall gehandelt, also nicht um einen Wegeunfall iSv. § 8 Abs. 2 Nr. 1 - 4 SGB VII. Als betriebliche Tätigkeit sei grundsätzlich jede gegen Arbeitsunfall (im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung) versicherte Tätigkeit zu verstehen. Entscheidend dabei sei, ob die Tätigkeit betriebsbezogen gewesen sei, die dem unmittelbaren Schädiger (hier zunächst der Fahrer des Fahrzeuges) von oder für den Betrieb übertragen worden sei oder von diesem im im Betriebsinteresse ausgeführt worden sei. Bei dieser Beurteilung sei nicht entscheidend, ob der Schädiger selbst Betriebsangehöriger war, da der Begriff der betrieblichen Tätigkeit weit auszulegen sei. Erforderlich sei eine unmittelbare mit dem Zweck der betrieblichen Beschäftigung zusammenhängende und dem Betrieb dienliche Tätigkeit, wobei der Schaden in Ausführung der betrieblichen Tätigkeit und lediglich bei Belegenheit einer solchen entstanden sein müsse. Dies sei vorliegend zu bejahen. Die Fahrt erfolgte auf Anordnung des Arbeitgebers zu einem Kundenbesuch und das Fahrzeug, geführt von einem Arbeitskollegen des Antragstellers, sei von dem Arbeitgeber zur Verfügung gestellt worden. Private Zwecke hätten darüber hinaus für die Fahrt nicht vorgelegen.

Auch läge kein Wegeunfall vor. Insoweit sei eine Angrenzung vorzunehmen. Es sei zu prüfen, ob nach dem Sinn und Zweck der §§ 104f SGB VII eine Haftungsbeschränkung geboten sei, da sich aufgrund der betrieblichen Gefahrengemeinschaft ein betriebsbezogenes Risiko verwirklicht habe, von dem der Arbeitgeber grundsätzlich freigestellt sein soll. Maßgeblich sei das Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger; insoweit müsse sich im Unfall das betriebliche Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigten manifestiert haben. Damit scheide eine Haftungsprivilegierung dann aus, wenn der Unfall in keinem oder einem nur losen Zusammenhang mit dem Betrieb und der Tätigkeit des Antragstellers gestanden hätte. Es sei von einem Unfall auf einem Betriebsweg nur dann auszugehen, wenn die gemeinsame Fahrt selbst als Teil des innerbetrieblichen Organisations- und Funktionsbereichs erscheine (BGH, Urteil vom 01.12.2003 - VI ZR 349/02 -). Im Gegensatz dazu sei der Weg nach und von der Tätigkeit (Weg zum Arbeitsplatz) ein unter § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII fallender Wegeunfall und kein Betriebsweg iSv. § 8 Abs. 1 SGB VII, wenn er nicht vom Arbeitgeber (z.B. durch Sammeltransporte) organisiert würde.

Vorliegend habe es sich um eine Betriebsfahrt gehandelt. An die Voraussetzungen einer solchen würden keine übersteigerten Voraussetzungen verlangt. Ausreichend sei die Zurverfügungstellung eines betriebseigenen Fahrzeuges als Teil der betrieblichen Organisatin. Die Kriterien, die einen Betriebswegeunfall begründen bzw. einen Wegeunfall ausschließen, seien schon nach den Vorgaben des Antragstellers erfüllt: Die Fahrt habe auf Anordnung des Arbeitsgebers mit mehreren Personen gemeinsam in einem vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Fahrzeug stattgefunden, um im Betriebsinteresse einen Kunden aufzusuchen, ohne dass die Fahrt zu privaten Zwecken unterbrochen worden sei oder aus sonstigen Gründen das Gepräge einer Arbeits- und Betriebsfahrt verloren habe.

OLG Celle, Beschluss vom 25.09.2018 - 14 W 34/18 -