Dienstag, 9. November 2021

Dringlichkeit (hier: zeitliche Folge) für einstweilige Verfügung nach §§ 935, 940 ZPO (Meinungsäußerung, Schmähkritik im Internet)

Über die Antragstellerin (AS) wurde in den sozialen Medien seit ihrer Teilnahme an einer TV-Show berichtet, seit 2016 auf einer bestimmten Internetseite verschiedene, meist negative Berichte veröffentlicht. Nach Mutmaßung der AS wird die Internetseite von dem Antragsgegner (AG) betrieben. Die AS plante am 01.09.2020 die Veröffentlichung eines Buches. Im Vorfeld dazu schrieb der AG am 28.08.2020 den Verlag an und kündigte diesem für den Fall der Veröffentlichung Konsequenzen an. Darauf beendete der Verlag noch im August 2020 die Zusammenarbeit mit der AS; das Buch ist bisher nicht erschienen. In der Mail des AG an den Verlag hieß es, es sei nicht wahr dass ein B… D…. nicht ernstgenommen worden sei und die Polizei ihr (der AS) immer wieder sagen würde, es gäbe keinen Handlungsbedarf, es sei auch nicht wahr, dass die AAS von ihr bekannten Personen verfolgt, beleidigt und bedroht würde, vielmehr beschimpfe die AS ihn (den AG) mit faschistischen Äußerungen in den sozialen Medien mit Termine wie „Lügenpresse“ und habe gegen einen Moderator Morddrohungen geäußert. Auf Facebook teilte der AG mit, selbst ein Buch geschrieben zu haben.

Die AS behauptete, sie habe von den den Streitgegenstand des Verfügungsverfahrens bildendenden Ankündigungen des AG seit dem 13.04.2021 Kenntnis, da eine Teilnehmerin der Facebook-Gruppe ihr diese habe zukommen lassen.

Am 21.05.2021 beantragte die AS bei dem LG Frankfurt (Oder) den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der sie dem AG untersagen lassen wollte, insgesamt 5 Äußerungen zu verbreiten und ferner den AG untersagen lassen wollte, sich auf der Internetseite über sie zu äußern. Das LG wies den Antrag ab, da ein Teil der beanstandeten Äußerungen Meinungsäußerungen darstellen würden und noch nicht die Grenze der unzulässigen Schmähkritik erreicht hätten, i Übrigen es sich zwar um eine Tatsachenbehauptung handele, hier aber - da die Behauptung bereits 2020 aufgestellt worden sei - der Verfügungsgrund fehle.

Die zulässige Beschwerde der AS gegen den den Erlass der einstweiligen Verfügung ablehnenden Beschluss des LG wurde vom OLG zurückgewiesen.

Für eine einstweilige Verfügung sei eine Eildürftigkeit / Dringlichkeit erforderlich. Für drei der beanstandeten Äußerungen könne dies nicht angenommen werden. Damit würde es an einem Verfügungsgrund fehlen. Diese Äußerungen seien im August 2020 getätigt worden, mithin ca. neun Monate vor dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Eine für die Dringlichkeit sprechende Vermutung sei damit durch das Verhalten der AS widerlegt, da sie mit der Rechtsverfolgung zu lange zugewartet habe (BGH, Beschluss vom 01.07.1999 - IZB 7/99 -). Voraussetzung für die erforderliche Dringlichkeit sei, dass die objektiv begründete Gefahr bestünde, dass durch eine Veränderung des Status quo eine Rechtsverwirklichung der AS in einem möglichen Hauptsachverfahren vereitelt oder erschwert würde und die einstweilige Verfügung zur Abwendung einer Gefährdung der Gläubigerinteressen zur vorläufigen Sicherung im Eilverfahren dringlich geboten sei. Das lange Zuwarten manifestiere, dass die AS selbst die Angelegenheit nicht für eilbedürftig halte (KG, Urteil vom 09.02.2001 - 5 U 9667/00 -; OLG Hamburg, Beschluss vom 20.03.2008 – 7 W 19/08 -).  Es könne auf sich beruhen, ob entsprechend der Rechtsprechung zu Wettbewerbssachen eine Frist von einem Monat zwischen Verstoß und Antragstellung erforderlich sei (so auch teilweise angenommen für Verfügungen nach §§ 935, 940 ZPO) oder bei Anträgen (wie hier) nach §§ 935, 940 ZPO sechs bis acht Wochen der Dringlichkeit nicht entgegenstehen, könne auf sich beruhen, da die AS zeitnah von den Mails des AG vom 28.08.2020 Kenntnis erlangt habe, da sonst ihr Buch zum 01.09.2020 wie beabsichtigt erschienen wäre.

Gründe, die gegen die Annahme der fehlenden Dringlichkeit sprechen könnten (wie Verhandlungen der Parteien über die Verbreitung der Äußerungen mit der begründeten Hoffnung, dass damit der drohenden bzw. behaupteten Rechtsgutverletzung abgeholfen werden könne, OLG Nürnberg, Beschluss vom 13.11.2018 - 3 W 2064/18 -), wären von der AS vorzutragen und glaubhaft zu machen gewesen, was nicht erfolgt sei.

Die Dringlichkeit habe auch nicht dadurch wideraufleben können, dass der AG die ihm übersandte Unterlassungserklärung, in der die beanstandeten Behauptungen aufgenommen worden seien, auf der streitgegenständlichen Internetseite veröffentlicht habe. Es habe sich damit nur die seit August 2020 bestehende konkrete Gefahr der jederzeitigen Wiederholung verwirklicht. Es hätten sich hier auch nicht Umstände geändert, da der Text der gleiche gewesen sei, weshalb die AS auch nicht schwerer als 2020 betroffen gewesen sei (im Gegenteil, in 2020 habe dies die Veröffentlichung des Buches verhindert).

Soweit darüber hinaus der Antrag wegen Meinungsfreiheit abgewiesen worden sei, sei dies auch nicht zu beanstanden. Die Meinungsäußerung unterscheide sich von einer Tatsachenbehauptung dadurch, dass die subjektive Beziehung zwischen Äußerung und der Wirklichkeit im Vordergrund stünde, hingegen für die Tatsachenbehauptung die objektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Äußerung charakteristisch sei.  Ein Tatsachenbehauptung sei einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich, was bei Meinungsäußerungen nicht der Falls sei, die durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sei und sich von daher nicht als wahr oder unwahr erweisen könne. Für die Ermittlung des Aussagegehalts sei auf den allgemeinen Sprachgebrauch im betreffenden Kontext zurückzugreifen.

Enthalte eine Äußerung sowohl Tatsachenbehauptungen wie auch Meinungsäußerungen/Werturteile, sei ein Herausgreifen einzelner Elemente unzulässig. Entscheidend sei, ob die Tatsachenbehauptung so substanzarm ist, dass die Äußerung insgesamt durch die Elemente der Stellungnahm, des Dafürhaltens und Meinens geprägt sei. Bei Zweifel sei insgesamt von einer Meinungsäußerung auszugehen, wobei Wahrheit oder Unwahrheit dann im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung der schutzwürdigen Belange vorzunehmen sei (BGH, Urteil vom 17.11.2009 – VI ZR 226/08 -).

Die Meinungsäußerung sei durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG gewährleistet, unabhängig davon, ob sie wertlos oder wertvoll, richtig oder falsch, begründet oder grundlos, emotional oder rational sei. Auch scharfe und übersteigerte Äußerungen würden darunter fallen. Nur dann, wenn nicht die Auseinandersetzung mit der Sache, sondern die Herabsetzung einer Person im Vordergrund stünde, würde die als Schmähung anzusehende Äußerung hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurücktreten.

Für den Antrag, dem AG zu untersagen, sich überhaupt auf der Internetseite über sie zu äußern, sei kein Raum. Es könne ihm nicht untersagt werden, sich in öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzungen im Rahmen der rechtlichen Grenzen (wie aufgezeigt) wertend über die AS (auch der Internetseite) zu äußern. 

Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 19.07.2021 - 1 W 23/21 -

Samstag, 6. November 2021

Fahrgastunfall im Bahnhofsgebäude – wer haftet ?

Die Klägerin war nach ihrer Behauptung am 02.12.2016 gegen 07.15 Uhr als Fahrgast am Hauptbahnhof mit dem Personennahverkehr in A. angekommen und sei im Hauptbahnhof auf dem Weg vom Ankunftsbahnsteig zur U-Bahnstation in einer Personenunterführung wegen fehlender Verfliesung in einem Teilbereich zu Fall gekommen. Die Klage auf Schadensersatz wurde vom Landgericht wegen fehlender Passivlegitimation der Beklagten abgewiesen, da nicht die Beklagte (Deutsche Bahn AG) sondern die DB Regio AG den Beförderungsvertrag mit ihr geschlossen habe und Betreiberin des Bahnhofs die DB Station & Service AG sei. Mit seinem Hinweisbeschluss wies das OLG darauf hin, dass es gedenke die Berufung nach § 522 ZPO wegen offensichtlicher Unbegründetheit zurückzuweisen. Da die Berufung nicht zurückgenommen wurde, wies das OLG schließlich nach § 522 ZPO zurück.

Nach dem Hinweisbeschluss hat das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen.

Vertragliche Ansprüche der Klägerin würden daran scheitern, dass sie mit der Beklagten keinen Beförderungsvertrag abgeschlossen habe. Es käme nicht darauf an, wer Betreiberin des Schienennetzes sei (was auch nicht die Beklagte gewesen sei), sondern für einen vertraglichen Haftungsanspruch darauf, wer den Fahrkartenverkauf vornahm. Nur mit diesem Eisenbahnverkehrsunternehmen sei der Beförderungsvertrag abgeschlossen worden und ein Vertragsverhältnis begründet worden, nicht mit einem Eisenbahninfrastrukturunternehmen, denen sich die Eisenbahnverkehrsunternehmen zur Erfüllung der von ihnen übernommenen Beförderungspflicht als Erfüllungsgehilfen bedienen würden (wozu neben der DB Station & Service AG als Betreiberin des Bahnhofs auch der Schienennetzbetreiber gehöre.

Auch der Umstand, dass die DB Vertrieb GmbH später der Klägerin Beförderungsbedingungen der Deutschen Bahn AG zugesandt habe und ihr nach dem Unfall ein Hinweisblatt der DB Station & Service Banhofsmanagement A. ausgehändigt wurden, wonach bei Schadensfällen im Bahnhofsgebäude, im Bahnhof oder in Zügen des Regional- und Fernverkehrs die „Deutsche Bahn AG Haftungsangelegenheiten Personenverkehr“ als Ansprechpartner angegeben wurde, würde daran nichts ändern. Dies bereits deshalb nicht, da dies nach Vertragsabschluss erfolgt sei. Zudem ergäbe sich aus der im Abonnementvertrag der Klägerin durch die Angabe „Mit den Beförderungsbedingungen des Verbundes … bin ich einverstanden“, dass im Rahmen des Beförderungsvertrages zwischen der Klägerin und der DB Regio AG die Beförderungsbedingungen der Beklagten anerkannt würden. Auch habe die erst nach dem Unfall von der Bahnhofsbetreiberin DB Station & Service AG als Ansprechpartnerin angegebene Abteilung „Haftungsangelegenheiten“ der Beklagten sogleich klarstellend mitgeteilt, die Angelegenheit für die DB Station & Service AG zu bearbeiten. Auch danach scheide die Annahme eines Abschlusses eines Beförderungsvertrages mit der Beklagten aus; auch sei kein Raum für eine Haftung nach Anscheins- und Rechtscheinsgrundsätzen gegeben.

Anhaltspunkte für eine deliktische Haftung der Beklagten lägen nicht vor. Solche könnten sich nur gegen die Betreiberin des Bahnhofsgebäudes, der DB Station & Service AG richten.

OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 23.06.2021 - 11 U 38/21 -

Mittwoch, 3. November 2021

Zwangsversteigerung aus Zwangshypothek gegen einen Rechtsnachfolger

Das LG Hannover hatte den Schuldner verurteilt, an den Gläubiger € 8.665,34 zu zahlen; ferner erließ das Landgericht zwei Kostenfestsetzungsbeschlüsse gegen den Schuldner. Auf dieser Grundlage ließ der Gläubiger am 09.11.2011 eine Zwangshypothek zulasten des hälftigen Miteigentumsanteils des Schuldners im Grundbuch eintragen. Im Juni 2012 übertrug der Schuldner seinen hälftigen Miteigentumsanteil unter Wahrung dessen Eigentums im Grundbuch auf seinen Sohn (den Antragsgegner im vorliegenden Verfahren). Der Gläubiger (Antragsteller) beantragte nunmehr, die vollstreckbare Ausfertigung des Versäumnisurteils und der Kostenfestsetzungsbeschlüsse auf den Antragsgegner, beschränkt auf die Zwangsvollstreckung wegen der Zwangshypothek umzuschreiben. Das Landgericht wies den Antrag zurück wie auch das Beschwerdegericht die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde zurückwies. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgte der Antragsteller seinen Antrag weiter, die aber auch bei dem BGH nicht erfolgreich war.

Nach § 727 Abs. 1 ZPO könne eine vollstreckbare Ausfertigung für den Rechtsnachfolger des im Urteil benannten Gläubigers erteilt werden, ferner gegen den jeweiligen Rechtsnachfolger des dort benannten Schuldners, sofern die Rechtsnachfolge oder das Besitzverhältnis bei Gericht offenkundig oder durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde nachgewiesen würden. Diese Voraussetzungen lägen hier allerdings nicht vor.

Der Antragsgegner sei weder Schuldner der Forderungen in Urteil und Kostenfestsetzungsbeschlüssen. Das Urteil sei nur gegen den dort benannten Schuldner wirksam, § 325 ZPO. Erforderlich wäre ansonsten (unabhängig davon, dass diese Titel Grundlage der Zwangsvollstreckung in das Miteigentum des Schuldners seien), dass der Antragsgegner die titulierte Zahlungsverpflichtung übernommen hat, was nicht ersichtlich sei und sich auch nicht aus dem Grundstücksübertragungsvertrag ergäbe. Streitbefangen sei in dem Prozess nicht das Miteigentum des Schuldners gewesen, sondern ein Zahlungsanspruch des Antragstellers; der Miteigentumsanteil sei lediglich Gegenstand der auf der Grundlage der Vollstreckungstitel durchgeführten Zwangsvollstreckung. Eine auf die Zwangsvollstreckung aus einer Zwangshypothek in Form der Zwangsversteigerung begrenzte Rechtsnachfolge auf der Schuldnerseite sei dem Zwangsvollstreckungsrecht fremd.

Auch aus § 867 Abs. 3 ZPO ließe sich nicht ableiten, dass mit dem Vermerk über die Zwangshypothek auf den Titel (wie er bei entsprechenden Antrag auf Eintragung der Zwangshypothek auf dem Titel vermerkt wird) aus diesem ein dinglicher Titel entstünde (entgegen einer verbreiteten Literaturmeinung), der dann entsprechend § 727 Abs. 1 ZPO auf den Grundstückserwerber  umgeschrieben werden könne. § 867 Abs. 3 ZPO bietet nach dessen Wortlaut keine Anhaltspunkte für ein solche Annahme, ebenso wenig aus dem Gesetzeszweck. Nach § 867 Abs. 3 ZPO soll der auf dem Titel angebrachte Vermerk über die Eintragung der Zwangshypothek auf dem persönliche Titel entfalte keine dingliche Wirkung; vielmehr entfalle lediglich das Erfordernis eines besonderen dinglichen Duldungstitels als Voraussetzung einer Zwangsvollstreckung aus einer Zwangshypothek gegen den Schuldner (BT-Drs. 13/341, S. 38). Für die Zwangsvollstreckung gegen den mit der Zwangshypothek belasteten Grundstück sei daher im Hinblick auf § 17 Abs. 1 ZVG weiterhin ein Duldungstitel nach § 1147 BGB erforderlich (so auch die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 13/341, S. 38). Diese Auslegung würde auch in Übereinstimmung mit § 323 S. 1 AO stehen, wonach eine Sicherungshypothek, eine Schiffshypothek oder ein Registerpfandrecht an einem Luftfahrzeug nach § 322 AO nur dann eines Duldungsbescheides bedürfe, wenn nach der Eintragung dieses Rechts ein Eigentumswechsel stattfinde. Unbedeutend sei auch, ob ggf. der Eigentumsübergang im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erfolge.

BGH, Beschluss vom 23.06.2021 - VII ZB 37/20 -

Freitag, 29. Oktober 2021

WEG-Verwalter: Umwandlung in GmbH und Frage nach Alternativangeboten bei Wiederwahl

Die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) hatte S.P. für die Zeit von November 2014 bis zum 30.06.2018 zur Verwalterin bestellt, Am 31.08.2017 gliederte S.P. ihr als Einzelkaufmann im Handelsregister eingetragene Unternehmen zur Neugründung der K. GmbH aus, deren Geschäftsführerin S.P. neben einem weiteren Geschäftsführer wurde. Ein Beschluss der Eigentümerversammlung vom 18.05.2018, wonach der „bestehende Verwaltervertrag und die Verwalterbestellung der K. GmbH bis zum 30.06.2021 verlängert“ würde, wurde angefochten. Das Amtsgericht gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten (K. GmbH) blieb erfolglos. Auf die zugelassene Revision wurde das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Soweit das Berufungsgericht darauf verwiesen habe, dass bei der Neubestellung eines Verwalters jeweils Alternativangebote einzuholen seien, sei dies bei der Wiederbestellung eines Verwalters nur geboten, wenn sich seit seiner Erstbestellung der Sachverhalt geändert habe (BGH, Urteil vom 01.04.2011 - V ZR 96/10 -). Es sei davon auszugehen, dass im Rahmen der Ausgliederung das gesamte Hausverwaltungsunternehmen von S.P. erfasst worden sei: Ob das Verwalteramt und der Verwaltervertrag bei Umwandlungsvorgängen auf die übernehmende Gesellschaft übergehe sei nicht nach den Regelungen des BGB oder des Wohnungseigentumsgesetzes, sondern auf der Grundlage des Umwandlungsgesetzes zu beantworten. Hier würde die Ausgliederung des Einzelunternehmens auf die Kapitalgesellschaft in § 152 S. 1 UmwG geregelt, mit der Folge, dass mit der Eintragung im Handelsregister das gesamte Vermögen (Aktiva und Passiva) des Einzelunternehmens erfasst würden, zu dem auch die Veraltung des hier streitbefangenen Wohnungseigentums gehöre.

Damit käme es entscheidend darauf an, ob das Verwalteramt und der Verwaltervertrag höchstpersönliche Rechtsverhältnisse seien. Dies sei auch dann zu verneinen, wenn der Verwalter eine natürliche Person sei. Ebenso wenig würde die Rechtsstellung des Verwalters einer WEG die generelle Annahme eines höchstpersönlichen Rechtsverhältnisses rechtfertigen. Das Vertrauen in den Verwalter sei nicht darauf ausgerichtet, dass dieser alle Leistungen höchstpersönlich erbringe, weshalb es auch nicht enttäuscht würde, wenn er aus einer Kapitalgesellschaft heraus tätig würde. Zwar sei bei der Kapitalgesellschaft nun ein Organwechsel (Geschäftsführerwechsel) möglich, wie auch im Gesellschafterbestand und beides könne von einer WEG nicht verhindert werden. Allerdings würde dem in diesem Fall der Umwandlung des Einzelkaufmanns in eine Kapitalgesellschaft und nachfolgendem Auswechseln der Personen dadurch Rechnung getragen, dass das Recht der Abberufung und außerordentlichen Kündigung bestünde. Mithin könnten die Wohnungseigentümer (zumal nach § 26 Abs. 3 S.  1 WEG n.F.) ohnehin jederzeit den Verwalter abberufen können und der Verwaltervertrag dann nach 6 Monaten endet (§ 26 Abs. 3 S. 2 WEG n.F.).  

Zudem sei nicht davon auszugehen, dass, wie das Berufungsgericht meine, stets eine Höchstpersönlichkeit des Rechtsverhältnisses bei der Bestellung einer natürlichen Person vorliege. Allerdings könnte dies auch nicht den Übergang auf die Gesellschaft hindern, da ein Ausschluss nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG nicht möglich sei (§ 399 Alt. 2 BGB sei durch den Zwang zur Gesamtrechtsnachfolge in § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG ausgeschlossen). Auch käme keine ergänzende Vertragsauslegung wegen einer Regelungslücke im Verwaltervertrag nicht in Betracht, da es schon in Ansehung der Regelungen in § 158 iVm. §§ 153ff UmwG sowie §§ 123ff UmwG an einer Regelungslücke ermangele, da dort die Rechtsnachfolge geregelt sei.

Zudem würde es weder dem Interesse des Verwalters noch der WEG entsprechen, wenn mit der Ausgliederung des Einzelunternehmens auf die GmbH das Einzelunternehmen untergehen würde. Der Verwalter habe natürlich ein Interesse am Übergang auf die neue Gesellschaft. Die WEG habe aber ein Interesse an der weiteren Verwaltung, die – würde es nicht zum Übergang kommen – entfallen würde. Mit der Ausgliederung würde die WEG verwalterlos oder das Verwalteramt und der -vertrag verblieben bei dem bisherigen Verwalter (es würde nur die im Handelsregister eingetragene Firma erlöschen), doch deren bisheriger Rechtsträger (die natürliche Person) könnte nicht mehr tätig werden, da sein Geschäftsbetrieb auf die GmbH übergegangen wäre. In beiden Fällen würde die WEG schlechter dastehen, als wenn die Verwaltung nebst Vertrag übergehen würden.

Ebenso wenig könnten Haftungsgesichtspunkte gegen den Übergang sprechen, auch wenn die GmbH, anders als die natürliche Person / der eingetragene Kaufmann unbeschränkt persönlich haften: Der die Ausgliederung betreibende Kaufmann unterläge gemäß §§ 156f UmwG für fünf Jahre einer Nachhaftung für Verbindlichkeiten, die auf die juristische Person übergehen; während dieser Zeit könnten die Wohnungseigentümer einen anderen Verwalter bestellen.

Vorliegend hätte auch für die Wiederbestellung keine Alternativangebote eingeholt werden müssen, da sich der Sachverhalt geändert habe. Für die Notwendigkeit der Einholung von Alternativangeboten wäre bei einer Wiederwahl erforderlich, dass sich bei der Verwaltung relevante Veränderungen (wie Qualitätsdefizite oder eine Verschlechterung des Verhältnisses zwischen Verwaltung und Wohnungseigentümern) ergeben hätten (BGH, Urteil vom 01.04.2011 - V ZR 96/10 -). Der Wechsel des Rechtsträgers durch die Umwandlung vom Einzelkaufmann auf die GmbH bei weiterer Tätigkeit der bisher handelnden Personen würde Alternativangebote nicht bedingen (entgegen LG Frankfurt am Main, Hinweisbeschluss vom 26.03.2018 - 2-13 S 27/18 -).

Hinweis: Der Verwalter als natürliche Person kann in der Konsequenz im Wege der Umwandlung sein Unternehmen nur in die GmbH ausgliedern, wenn er eingetragener Kaufmann ist. Jeder Kaufmann kann sein Unternehmen als eingetragener Kaufmann weiterführen, wenn er eine Handelsregisteranmeldung vornimmt. Dies würde (ebenfalls) nicht den Bestand des Verwaltervertrages tangieren können, auch wenn dies in Vorbereitung der Ausgliederung durch Umwandlung in eine GmbH nach den Grundsätzen des Umwandlungsgesetzes (UmwG) erfolgt.

BGH, Urteil vom 02.07.2021 - V ZR 201/20 -

Donnerstag, 21. Oktober 2021

Zum Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten und den Voraussetzungen zur Belegeinsicht

Der Kläger als Pflichtteilsberechtigter begehrte mit seiner Klage von der Beklagten als Erbin Auskunft und Belegvorlage, um seine Pflichtteilsansprüche beziffern zu können. Die Beklagte vertrat die Ansicht, sie habe bereits einen Teil vorgelegt, aber der Kläger habe ohnehin keinen Anspruch auf Belegvorlage.

Das Landgericht hatte der Klage mit dem angefochtenen Teilurteil stattgegeben. Es sah die Beklagte ausnahmsweise als zur Belegvorlage verpflichtet an. Dem folgte das OLG im Berufungsverfahren nicht. Es legte seiner Entscheidung folgende Grundsätze zugrunde:

a) Die Auskunftspflicht des Erben nach § 2314 BGB erstrecke sich auf alle tatsächlich zum Erbfall vorhandenen Aktiv- und Passivposten.

b) Es bestünde kein allgemeiner Anspruch auf Belegvorlage im Rahmen der Auskunft (OLG Koblenz, Beschluss vom 20.02.2009 - 2 U 1386/08 -; OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.07.2018 - I-7 U 9/17 -).

(1) Ausnahmsweise seien Unterlagen vorzulegen, wenn zum Nachlass ein Unternehmen gehöre und zur Beurteilung von dessen Wert Bilanzen und ähnliche Unterlagen erforderlich seien (BGH, Urteil vom 02.06.1960 - V ZR 124/59 -).

(2) Ausnahmsweise seien Unterlagen auch dann vorzulegen, wenn der Wert einzelner Nachlassgegenstände ungewiss sei und die Vorlage erforderlich sei, damit der Pflichtteilsberechtigte den Wert selbst abschätzen könne.

Maßgeblich sei, dass § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB nur auf § 260 BGB verweise, nicht auch auf § 259 BGB. § 260 BGB enthalte keine allgemeine Pflicht zur Rechenschaftslegung und auch keine Pflicht zur Vorlage von Belegen.

Die Ausnahmen, nach denen hier Unterlagen im Rahmen der dem Pflichtteilsberechtigten erteilten Auskunft zur eigenen Feststellung desselben zum Wert des Nachlasses erforderlich seien, lägen hier nicht vor.

Zum Nachlass würden ehemalige landwirtschaftliche Flächen gehören, die allerdings alle verpachtet seien. Es sei sicherlich für die Beklagte einfach, die Pachtverträge vorzulegen und praktisch für den Kläger zur späteren Bezifferung eines Anspruchs nützlich, die Pachtverträge zur Erkenntnis der Erträge aus diesen zu sehen. Auch sei die Vorlage nicht erforderlich um festzustellen, ob die Pachtflächen ein Landgut iSv. § 2312 BGB seien, da bei einem Streit über die Eigenschaft als Landgut es besonderer Sachkunde bedürfe und ggf. ein Gutachten einzuholen sei (BGH, Beschluss vom 26.09.2007 - IV ZR 207/06 -).

Allerdings würde dies die Vorlagepflicht nicht rechtfertigen; der Bestand des Nachlasses würde feststehen. Der Kläger habe hier einen Auskunftsanspruch (wenn auch mit Belegvorlage) geltend gemacht, § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Belege würden gerade nicht für den Auskunftsanspruch benötigt, sondern nur für den (selbständig neben dem Auskunftsanspruch stehenden) Wertermittlungsanspruch nach § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB benötigt und könnten von daher auch nur in diesem Rahmen begehrt werden. Ein Wertermittlungsanspruch sei aber nicht geltend gemacht worden.

Von daher könne der Pflichtteilsberechtigte auch keine Auskunft dazu begehen, ob die Erblasserin eine Vollmacht zur Verfügung über ihre Konten erteilt habe. Der Auskunftsanspruch sei auf die Bekanntgabe von Aktiven und Passiven beschränkt, zu denen eine Vollmacht nicht zählt.   

Anmerkung: Das OLG hat in seiner Entscheidung fehlerhaft für den Auskunftsanspruch § 2314 Abs. 1 BGB statt § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB und für den Wertermittlungsanspruch § 2314 Abs. 2 BGB statt § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB benannt. § 2314 Abs. 2 BGB behandelt die Kosten für die Erstellung des Nachlassverzeichnisses, der Wertermittlung pp. 

OLG München, Urteil vom 23.08.2021 - 33 U 325/21 -

Mittwoch, 20. Oktober 2021

Unterlassener Abschluss einer Gebäudeversicherung durch (faktischen) Verwalter und Anfechtung der Wiederwahl

Die Klägerin hatte die Wiederwahl der Beklagten als Verwalterin der Wohnungseigentümer-gemeinschaft (WEG) vom März 2019 angefochten. Das Amtsgericht hatte der Klage stattgegeben. Da die Klägerin nach Einleitung des Berufungsverfahrens durch die Beklagte ihr Wohnungseigentum aufgab und auf einen Dritten übertrug und zudem auch die Bestellzeit der beklagten Verwalterin aus dem angefochtenen Beschluss ablief, wurde die Hauptsache für erledigt erklärt. Das Landgericht verneinte die Erfolgsaussichten der Beklagten und erlegte dieser die Kosten des Verfahrens auf.

Die Beklagte war bereits vormals Verwalterin gewesen. Der Bestellzeitraum endete zum 31.12.2017. Allerdings wurde kein anderer Verwalter von der WEG berufen und die Beklagte führte das Amt unstreitig faktisch weiter aus. So habe sie, so das Landgericht, die Abrechnungen erstellt, Eigentümerversammlungen einberufen und geleitet und die Beschluss-Sammlung geführt. Si sei damit faktische Verwalterin gewesen. Auch wenn zwischen den Parteien die Einzelheiten des Rechtsverhältnisses zwischen der beklagten als (faktische) Verwalterin und der WEG streitig seien, würden die Parteien doch darin übereinstimmen, dass das Pflichtenprogramm eines bestellten Verwalters (einschließlich seiner Haftung) hier zugrunde liegen würde, entweder da von einem Auftragsverhältnis gem. § 662 BGB auszugehen sei, oder da die Grundsätze der fehlerhaften Anstellung heranzuziehen seien.

Vor diesem Hintergrund könnten Fehler bei der Verwaltertätigkeit der Beklagten nach dem 31.12.2017 zur Prüfung der angefochtenen Verwalterwahl herangezogen werden wie in dem Fall, dass der wiederbestellte Verwalter bis zu seiner Wahl ordnungsgemäß bestellter Verwalter gewesen wäre.

Voraussetzung für die Anfechtung der Wiederwahl sei, dass ein wichtiger Grund vorliegen würde, der gegen die Bestellung der Beklagten als Verwalterin sprechen würde. Wie bei der Abberufung des Verwalters nach § 26 Abs. 1 S. 3 WEG a.F. könne ein wichtiger Grund nur bejaht werden, wenn unter Berücksichtigung aller (nicht einmal notwendigerweise vom Verwalter verschuldeter) Umstände nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Zusammenarbeit mit dem gewählten Verwalter unzumutbar wäre und das erforderliche Vertrauensverhältnis von vornherein nicht zu erwarten sei. Dies sei u.a. dann  anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die dafür sprächen, dass der Gewählte unfähig oder ungeeignet für das Amt erscheine. Ein solcher Grund würde aber die Wohnungseigentümer noch nicht ohne weiteres dazu verpflichten, den Verwalter abzuberufen (§ 26 Abs. 1 S. 3 WEG a.F.), vielmehr sei (auch im Rahmen einer Wiederwahl) eine Prognose vorzunehmen , ob er das Amt ordnungsgemäß ausüben wird, was einen Beurteilungsspielraum einräume. Erst bei Überschreitung dieses Beurteilungsspielraums würde nach altem Recht die Nichtabberufung und (auch nach geltendem Recht) die Wiederwahl den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung widersprechen. Erforderlich sei deshalb, dass es objektiv nicht mehr vertretbar erscheine, den Verwalter ungeachtet der gegen ihn sprechenden Umstände (hier) erneut zu bestellen. Dies sei dann der Fall, wenn die Mehrheit der (abstimmenden) Wohnungseigentümer aus der Sicht eines vernünftigen Dritten gegen ihre eigenen Interessen handele, weil sie – etwa aus Bequemlichkeit – massive Pflichtverletzungen tolerieren solle (BGH, Urteil vom 10.02.2012 - V ZR 105/11 -; LG Frankfurt am Main, Urteil vom 12.12.2019 - 2-12 S 143/18 -).

Das Amtsgericht hatte darauf abgestellt, dass das Gebäude über einen längeren Zeitraum ohne Gebäudeversicherung gewesen sei. Dies stelle, so das Landgericht, eine Lücke im Versicherungsschutz mit einem Totalverlustrisiko dar, welches die Eigentümer nicht hinnehmen müssten. Hinzu käme hier, das die Eigentümer auf der von der Beklagten geleiteten Eigentümerversammlung vom 22.10.2018 den Abschluss einer Gebäudeversicherung beschlossen hätten, wobei zu diesem Zeitpunkt bereits seit längerer Zeit eine solche nicht bestanden habe. Im März 2019, zum Zeitpunkt der Wiederwahl, sei immer noch keine Gebäudeversicherung abgeschlossen gewesen. Damit sei es von den Eigentümern objektiv nicht mehr hinnehmbar, diesem Verwalter weiterhin die Verwaltung eines erheblichen Teils ihres Vermögens anzuvertrauen. Kein Eigentümer müsse gegen seinen Willen hinnehmen, wenn gleichwohl die Mehrheit der Eigentümer unter diesen Umständen meinen, diesem Verwalter gleichwohl vertrauen zu können (LG Frankfurt am Main aaO.).

Der Verweis der Berufung darauf, dass eine Gebäudehaftpflichtversicherung bestanden habe, verkenne, dass § 21 Abs. 5 Nr. 3 WEG a.F. (§ 19 Abs. 2 Nr. 3 WEG n.F.) nicht nur eine Haftpflichtversicherung sondern auch die für die Eigentümer von besonderen Interesse Gebäudeversicherung erfordere, um das Risiko im Schadensfall abzuwenden (Anm.: Wird der Kauf einer Eigentumswohnung finanziert, sehen die Darlehensbedingungen der Finanzierungsinstitute in der Regel vor, dass eine Gebäudeversicherung bestehen muss).

LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 24.06.2021 - 2-13 S 25/20 -

Montag, 18. Oktober 2021

Wohnfläche – Zum Unterschied für die Annahme eines Mangels und bei Geltendmachung einer Mieterhöhung

Im Mietvertrag der Beklagten vom August 2006 über eine Wohnung in Bonn wurde in § 1 zum Mietgegenstand angegeben, dass eine Wohnung im Erd-, Unter- und Zwischengeschoss mit einer Größe von ca. 180qm vermietet werde. Anlässlich einer Mieterhöhung in 2010 legte der Rechtsvorgänger der Klägerin als Vermieter eine Wohnfläche von 177qm zugrunde. Im Rahmen der aktuell geltend gemachten Mieterhöhung legte die Klägerin auch 177qm Wohnfläche zugrunde und ferner Betriebskosten geltend gemacht und machte diesen Anspruch klageweise geltend. Die Beklagten erhoben mit der Behauptung, die Wohnfläche betrage nur 144,50qm Widerklage auf Rückzahlung von nach ihrer Ansicht dadurch bedingter Zuvielzahlung in Höhe von € 47.493,50 mit der Begründung, es liege ein Mangel der Mietsache vor..

Das Amtsgericht hat der Klage zu den Betriebskosten teilweise stattgegeben, ansonsten Klage und Widerklage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung beider Parteien zurückgewiesen. Im Rahmen der zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Widerklageantrag weiter.

Ein Rückzahlungsanspruch der Beklagten nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB wegen überzahlter Miete bestünde nicht. Die Zahlungen seien von den beklagten mit Rechtsgrund erfolgt, da ein von ihnen angenommener Mangel einer zu geringen Wohnfläche (die zur Mietminderung führen würde) nicht bestünde.

Die Wohnflächenangabe im Mietvertrag sei keine unverbindliche Beschreibung, sondern als Beschaffenheitsvereinbarung anzusehen mit der Folge, dass eine Abweichung von mehr als 10% einen Mangel der Mietsache darstelle (BGH, Urteil vom 24.03.2004 - VIII ZR 295/03 -). Dabei käme es nicht darauf an, ob die Wohnfläche (wie hier) mit „circa“ angegeben sei (BGH, Urteil vom 17.04.2019 - VIII ZR 33/18 -).

Der Begriff der Wohnfläche sei aber auslegungsbedürftig. Eine verbindliche Regelung zur Berechnung von Flächen bei preisfreiem Wohnraum fehle. Grundsätzlich könnten auch bei frei finanzierten Wohnraum (mangels anderweitiger Vereinbarung und mangels einer anderen ortsüblichen oder naheliegenden Berechnungsmethode) die für den preisgebundenen Wohnraum geltenden Bestimmungen herangezogen werden.

Danach sei ein Rechtfehler bei der Entscheidung des Landgerichts nicht zu erkennen. Dieses habe auch das Untergeschoss berücksichtigen dürfen. Der Umstand, dass dieser nach Behauptung der Beklagten wegen unterdurchschnittlicher Beleuchtung wegen der daraus folgenden eingeschränkten Nutzbarkeit nicht als Wohnraum genehmigungsfähig sei, würden die Beklagten verkennen, dass die öffentlich-rechtliche Nutzungsbeschränkung mangels Einschreitens der Behörde keine Mietminderung begründen könne (BGH, Urteil vom 16.09.20ß9 - VIII ZR 275/08 -). Es sei den Parteien unbenommen, Flächen als Wohnfläche zu vereinbaren, die nach der II. BVO oder der Wohnflächenverordnung an sich nicht oder nicht vollständig berücksichtigungsfähig seien.

Der Umstand, dass die Wohnfläche im Rahmen der Mieterhöhung anders behandelt würde als im Rahmen der Mietminderung wegen behaupteter Mängel, sei auch nicht widersprüchlich. Es sei der Unterschied zwischen einem Sachmangel, bei dem es für die Frage des Vorliegens eines solchen auf die Vereinbarung der Mietvertragsparteien über die Wohnfläche ankäme, und einer Mieterhöhung nach dem Vergleichsmietverfahren (§ 558 BGB) zu beachten. Die Beschaffenheitsvereinbarung der Parteien enthalte die Regelung, welche Flächen in die Wohnfläche einzubeziehen seien, während bei dem Mieterhöhungsbegehren nur die objektiv festgestellten Flächen einbezogen werden dürfen und eine davon abweichende Vereinbarung in diesem Fall unwirksam wäre, § 558 Abs. 6 BGB (vgl. auch BGH, Urteile vom 18.11.2015 - VIII ZR 266/14 - und vom 27.02.2019 - VIII ZR 255/17 -).

BGH, Beschluss vom 22.06.2021 - VIII ZR 26/20 -