Sonntag, 14. April 2024

Verletzung rechtlichen Gehörs bei Verzicht auf Einholung eines Sachverständigengutachtens

Vorliegend ging es um Schadensersatzansprüche der klagenden Dienstherrin  aus einem Verkehrsunfall, den diese durch Fortzahlung von Bezügen und Versorgungsleistungen an den Geschädigten (städtischer Feuerwehrbeamter) erlitten haben will. Das OLG hatte im Berufungsverfahren statt der für einen Zeitraum vom 01.04.2011 bis 31.12.2016 geltend gemachten Bezüge nur solche für einen Zeitraum vom 01.04.2011 bis 31.08.2012 zuerkannt. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hatte insoweit Erfolg und führte dazu, dass das Urteil des OLG aufgehoben und das Verfahren an dieses zurückverwiesen wurde.

Das OLG habe seine teilweise Klageabweisung darauf gestützt, dass der Geschädigte gegen seine Obliegenheit zur Schadensminderung (§ 254 Abs. 2 BGB) verstoßen habe (was relevant wäre, da ein Mitverschulden des Beschäftigten im Regress des Arbeitgebers zu Lasten des Arbeitgebers zu berücksichtigen wäre, vgl. z.B. § 6 Abs. 2 EntgFG). Voraussetzung für eine Kürzung der Schadensersatzansprüche des Geschädigten wegen unzureichender Anstrengungen zur Aufnahme einer erneuten Erwerbstätigkeit sei zunächst die Feststellung, dass der Geschädigte nach der Verletzung noch oder wieder arbeitsfähig sei. Diesbezüglich sei der Schädiger darlegungs- und beweisbelastet. Erst im zweiten Schritt, soweit die Frage der Möglichkeit des Einsatzes der festgestellten verbliebenen Arbeitskraft in Rede stünde, treffe den Geschädigten (bzw. bei auf den Arbeitgeber/Dienstherrn übergegangenen Ansprüchen diesen) die sekundäre Darlegungslast. Der Geschädigte habe sei er wieder (teil-) arbeitsfähig in der Regel den Schädiger über die für ihn zumutbaren Arbeitsmöglichkeiten ebenso wie zu seinen Bemühungen, einen angemessenen Arbeitsplatz zu finden, zu informieren. 

Vorliegend habe das OLG aus einer Bescheinigung des Hausarztes des Geschädigten sowie einem Befundbericht der den Geschädigten behandelnden Psychotherapeutin zwar die dort benannten gesundheitlichen Beeinträchtigungen als gegeben unterstellt, allerdings nicht die auf diesen Diagnosen beruhende Einschätzung der behandelnden Ärzte zur Arbeitsfähigkeit des Geschädigten. So habe der Hausarzt angegeben, dass für den Geschädigten aufgrund von Hand- und Rückensituation körperlich belastenden Tätigkeiten und administrative Tätigkeiten allenfalls drei Stunden/Tag möglich seien und ebenso Minijobs mit leichter körperlicher Belastung; die Psychotherapeutin sei zu dem Ergebnis gelangt, wegen vorhandener und nicht revisibler psychischer Beeinträchtigungen sei für den Zeitraum 2012 bis 31.12.2016 von einer anhaltenden Erwerbsunfähigkeit auszugehen. 

Das OLG habe sich damit bei der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit „medizinische Sachkunde angemaßt“, deren Voraussetzungen es den Parteien nicht offengelegt habe; es sei das rechtliche Gehör (Art. 103 GG) verletzt worden. Bei den vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen handele es sich auch nicht - wie vom OLG vertreten – um „bloße Behauptungen“ der Klägerin, sondern um einen qualifizierten Sachvortrag zur Arbeitsfähigkeit des Geschädigten, weshalb das OLG nicht eine Arbeitsfähigkeit nicht hätte bejahen dürfen, ohne sich auf das Gutachten eines hinsichtlich der berührten medizinischen Bereiche fachärztlich qualifizierten Sachverständigen zu stützen. Hier wäre der vom Gericht zu beauftragende medizinische Sachverständige zu befragen gewesen, ob die vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten aus medizinischer Sicht gegen die Annahme einer eingeschränkten Arbeitsfähigkeit des Geschädigten sprechen. Die Angaben des Geschädigten zu diesen Tätigkeiten, Vermietung einer Ferienwohnung zusammen mit seiner Frau bei einem wöchentlichen Zeitaufwand von zwei Stunden, die Öffnung einer vom Geschädigten betriebenen Galerie lediglich an Wochenenden, seien (was die Nichtzulassungsbeschwerde gerügt hatte) vom OLG übergangen worden und wären in dem vorgenannten Zusammenhang zu berücksichtigen. Der Schluss des OLG von der Ausübung einer geringfügigen Tätigkeit für die Caritas auf eine Arbeitsfähigkeit bis zum Umfang einer Vollbeschäftigung sei - unabhängig von der dem OLG fehlenden medizinischen Sachkunde -  auf der Grundlage der vom OLG getroffenen Feststellungen auch nicht nachvollziehbar, wobei auch hier das OLG nicht auf den Einwand der Klägerin eingegangen sei, der Geschädigte sei selbst von dieser Tätigkeit körperlich und psychisch überfordert gewesen. 

Zudem sei auch die Auffassung des OLG unzutreffend, dass im Falle der Feststellung unzureichender Erwerbsbemühungen durch den Geschädigten, sich dessen Anspruch (und damit der Anspruch der Dienstherrin aus übergegangenen Recht) nicht beziffern ließe. Es seien hier die erzielbaren (fiktiven) Einkünfte auf den (unter Beachtung der Darlegungs- und Beweislast des Anspruchsstellers festzustellenden) Verdienstausfallschaden anzurechnen. Entsprechend der Darlegungslast zum Obliegenheitsverstoß sei auch die Höhe der fiktiven Einkünfte bei hinreichenden Erwerbsbemühungen des Geschädigten grundsätzlich vom Schädiger darzulegen (BGH, Urteil vom 24.01.2023 - VI ZR 152/21 -). 

BGH, Beschluss vom 12.03.2023 - VI ZR 283/21 -


Aus den Gründen:

Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 5. August 2021 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens wird auf bis 95.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt als Dienstherrin des städtischen Feuerwehrbeamten B. (im Folgenden: Geschädigter) aus gemäß § 81 LBG NRW übergegangenem Recht von den Beklagten die Erstattung von Leistungen, die sie nach einem Verkehrsunfall am 1. August 2009 an den Geschädigten, der aufgrund des Unfalls unter anderem komplexe Frakturen des rechten Handgelenks und des rechten Unterarms erlitt und wegen Dienstunfähigkeit mit Wirkung zum 30. April 2012 in den Ruhestand versetzt wurde, erbracht hat. Streitgegenständlich sind die im Zeitraum vom 1. April 2011 bis zum 31. Dezember 2016 gezahlten Gehälter und Versorgungsbezüge in Höhe von 123.528,77 € abzüglich von den Beklagten gezahlter 11.000 €. Die volle Haftung der Beklagten gegenüber dem Geschädigten für das Unfallereignis ist dem Grunde nach unstreitig.

Das Landgericht hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und der Klage lediglich hinsichtlich der von der Klägerin im Zeitraum vom 1. April 2011 bis 31. August 2012 an den Geschädigten gezahlten Beträge in Höhe von 31.352,81 € stattgegeben. Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde, um die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils zu erreichen.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Klage sei gemäß §§ 7, 18 StVG bzw. § 823 Abs. 1, § 840 Abs. 1, § 842 BGB i.V.m. § 115 VVG nur begründet, soweit die Klägerin auf sie nach § 81 LBG NRW übergegangene Ansprüche auf Erstattung des Erwerbsschadens ihres Beamten aus dem Zeitraum vom 1. April 2011 bis zum 31. August 2012 in Höhe von 31.352,81 € geltend mache. Im Übrigen, d.h. bezüglich der vom 1. September 2012 bis zum 31. Dezember 2018 gezahlten Versorgungsbezüge, unterliege sie der Abweisung. Außer Streit stehe zwar die unfallbedingte Dienstunfähigkeit des Geschädigten als Feuerwehrbeamter. Für den Zeitraum ab dem 1. September 2012 lasse sich jedoch nicht feststellen, dass und in welcher Höhe Ansprüche des Geschädigten auf Erstattung seines Erwerbsschadens auf die Klägerin übergegangen seien, da die Beklagten der Klägerin insoweit eine Verletzung der dem Geschädigten obliegenden Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB) entgegenhalten könnten. Die Beklagten seien zur Erstattung der Aufwendungen der Klägerin als Dienstherrin insoweit nicht verpflichtet, als der Verletzte seinen Erwerbsschaden in zumutbarer Weise durch Verwertung der ihm verbliebenen Arbeitskraft gemindert habe oder hätte mindern können. Der ersatzfähige Schaden sei von der Entstehung an auf den Umfang begrenzt, auf den er sich bei pflichtgemäßem Verhalten des Geschädigten beschränken lasse; nur in diesem Umfang gehe der Anspruch auch auf den Dienstherrn über.

Im Ausgangspunkt stehe außer Frage, dass grundsätzlich die Beklagten darlegungs- und beweispflichtig für die Voraussetzungen des § 254 Abs. 2 BGB seien. Da es indes dem Verletzten im Verhältnis zum Schädiger obliege, seine verbliebene Arbeitskraft in den Grenzen des Zumutbaren so nutzbringend wie möglich zu verwerten und den Nachweis zu erbringen, zumutbare Arbeitsmöglichkeiten wahrzunehmen und Bemühungen um einen angemessenen Arbeitsplatz zu entfalten, treffe daneben den Geschädigten eine eigene Darlegungslast zu seinen diesbezüglichen Bemühungen. Dieser Darlegungslast sei die Klägerin nicht nachgekommen. Zwar sei aufgrund der vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen davon auszugehen, dass die psychische Disposition des Geschädigten der Aufnahme einer Bürotätigkeit, wie z.B. in seinem ersten Ausbildungsberuf als Bankkaufmann, entgegenstehe. Aufgrund des unstreitigen Sachverhalts müsse aber davon ausgegangen werden, dass der Geschädigte trotz der - als wahr zu unterstellenden - von der Klägerin behaupteten körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen jedenfalls ab dem 1. September 2012 die Möglichkeit gehabt habe, seine verbliebende Arbeitskraft zur Erzielung von Einkommen einzusetzen.

Für die Zeit vom 1. September 2012 bis zum 31. Dezember 2015 folge dies schon daraus, dass der Geschädigte in diesem Zeitraum tatsächlich einem Erwerb, wenn auch in geringfügigem Umfang, nachgegangen sei. Unstreitig habe er nämlich als Betreuer einer Wohngruppe bei der Caritas gearbeitet. Warum der Geschädigte sich nicht bemüht habe, diese oder eine vergleichbare, höher vergütete Tätigkeit, welche weder besondere Anforderung an den Gebrauch des bei dem Unfall verletzten rechten Arms gestellt habe noch nennenswerte Bürotätigkeiten beinhaltet haben dürfte, bis zum Umfang einer Vollbeschäftigung hin aufzunehmen, sei nicht ersichtlich und nicht dargetan.

Für diesen Zeitraum und erst recht die Folgezeit ab dem 1. Januar 2016 gelte überdies, dass der Geschädigte unstreitig zur Generierung von Einkünften aus privatwirtschaftlicher Tätigkeit in der Lage gewesen sei, sich aber zu keinem Zeitpunkt veranlasst gesehen habe, der Obliegenheit zu genügen, seine verbliebene Arbeitskraft zur Schadensminderung einzusetzen bzw. sich auch nur um die Erlangung einer für ihn passenden Erwerbstätigkeit zu bemühen. Werde als zutreffend unterstellt, dass bei dem Geschädigten die aus der Bescheinigung seines Hausarztes vom 25. April 2021 sowie dem ärztlichen Befundbericht der ihn behandelnden Psychotherapeutin vom 11. Mai 2021 hervorgehenden Beschwerden, nämlich eine "rezidivierend depressive Störung bei zugrundeliegender Dysthymia, Z.n. PTBS nach Rollerunfall 2009, chron. Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, Migräne", vorlägen, so hätten diese den Geschädigten ersichtlich nicht oder jedenfalls keineswegs vollständig seiner Arbeitskraft beraubt: Es sei unstreitig, dass der Geschädigte weiterhin als Vermieter seiner Ferienwohnung agiere. Zudem habe der Geschädigte nach 2012 ein weiteres Gebäude erworben, welches er in Eigenleistung restauriert und renoviert habe. In dem Gebäude betreibe er seitdem - zusammen mit seiner Ehefrau und einem Freund - eine Galerie. In dieser und im Übrigen online vertreibe er Fotos, die er selbst als Fotograf aufnehme. Der Geschädigte betätige sich überdies als Waldführer und habe jedenfalls ab 2012 jährlich mehrtägige Jugendfreizeiten im Nationalpark Eifel durchgeführt. Diese Betätigungen verdeutlichten, dass der Beamte weiterhin über Fähigkeiten und Fertigkeiten, Zeit und Kraft verfüge, welche ihm - trotz der attestierten Beeinträchtigungen - auch potentiell gewinnbringend Tätigkeiten ermöglichen würden. Es dürften, würde der Geschädigte seine verbliebene Arbeitskraft in andere als in die genannten Aktivitäten investieren, fraglos Kapazitäten vorhanden sein, eine umfangreichere Erwerbstätigkeit aufzunehmen, wenigstens aber, Bemühungen um eine solche aufzunehmen. Mit der bloßen Behauptung, infolge der behaupteten Defizite sei der Beamte "erwerbsunfähig", müsse sich mit anderen Worten um die Erzielung von Arbeitseinkommen noch nicht einmal bemühen, genüge die Klägerin in Ansehung der dem Beamten tatsächlich sehr wohl möglichen (Arbeits-)Leistungen ihrer Darlegungslast nicht, so dass mangels schlüssigen Vortrags auch nicht eine Sachaufklärung zu unternehmen sei.

2. Die Beschwerde rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht mit diesen Ausführungen in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat.

a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Dabei soll das Gebot des rechtlichen Gehörs als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben (vgl. BVerfGE 88, 366, 375 f. mwN).

Der Tatrichter darf, wenn es um die Beurteilung einer Fachwissen voraussetzenden Frage geht, auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur verzichten, wenn er entsprechende eigene besondere Sachkunde auszuweisen vermag. Zudem muss der Tatrichter, wenn er bei seiner Entscheidung eigene Sachkunde in Anspruch nehmen will, den Parteien zuvor einen entsprechenden Hinweis erteilen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14. November 2023 - VI ZR 244/21, MDR 2024, 227 Rn. 13, 17 f.; vom 9. April 2019 - VI ZR 377/17, VersR 2019, 1033 Rn. 9; vom 8. März 2016 - VI ZR 243/14, juris Rn. 12; vom 13. Januar 2015 - VI ZR 204/14, NJW 2015, 1311 Rn. 5 mwN).

b) Diesen Anforderungen genügt das Berufungsurteil nicht.

aa) Das Berufungsurteil stützt die teilweise Abweisung der Klage darauf, dass der Geschädigte gegen seine Obliegenheit zur Schadensminderung (§ 254 Abs. 2 BGB) verstoßen habe. Insoweit ist im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend, dass es im Falle einer die Arbeitskraft beeinträchtigenden Gesundheitsverletzung nach der ständigen Rechtsprechung des Senats als Ausfluss der Schadensminderungspflicht dem Verletzten im Verhältnis zum Schädiger obliegt, seine verbliebene Arbeitskraft in den Grenzen des Zumutbaren so nutzbringend wie möglich zu verwerten (vgl. nur Senatsurteil vom 24. Januar 2023 - VI ZR 152/21, VersR 2023, 519 Rn. 11 mwN). Voraussetzung für eine Kürzung der Schadensersatzansprüche des Geschädigten wegen unzureichender Anstrengungen zur Aufnahme einer erneuten Erwerbstätigkeit ist demnach zunächst die Feststellung, dass und in welchem Umfang der Geschädigte nach der erfolgten Gesundheitsverletzung noch oder wieder arbeitsfähig ist. Insoweit ist der den Einwand aus § 254 Abs. 2 BGB erhebende Schädiger darlegungs- und beweispflichtig. Nur soweit in einem zweiten Schritt die Frage der Möglichkeit des Einsatzes der festgestellten verbliebenen Arbeitskraft in Rede steht, trifft den Geschädigten - bzw. den aus übergegangenem Recht vorgehenden Kläger - eine sekundäre Darlegungslast, wenn er einen Verdienstausfall als Schaden geltend macht. Nach der Senatsrechtsprechung hat der Verletzte, wenn er wieder arbeitsfähig oder teilarbeitsfähig ist, den Schädiger in der Regel über die für ihn zumutbaren Arbeitsmöglichkeiten und seine Bemühungen um einen angemessenen Arbeitsplatz zu unterrichten (vgl. Senatsurteile vom 24. Januar 2023 - VI ZR 152/21, VersR 2023, 519 Rn. 13; vom 21. September 2021 - VI ZR 91/19, VersR 2021, 1583 Rn. 21; vom 9. Oktober 1990 - VI ZR 291/89, VersR 1991, 437, 438, juris Rn. 16; vom 23. Januar 1979 - VI ZR 103/78, VersR 1979, 424, 425, juris Rn. 13).

bb) Das Berufungsgericht hat aus den von ihm festgestellten Tätigkeiten des Geschädigten nach dem Unfallereignis den Schluss gezogen, dass dieser ab dem 1. September 2012 - bis zum Umfang einer Vollbeschäftigung hin - arbeitsfähig war. Dabei hat es die in der von der Klägerin vorgelegten Bescheinigung des Hausarztes des Geschädigten vom 25. April 2021 (Anlage K 23) sowie dem ärztlichen Befundbericht der ihn behandelnden Psychotherapeutin vom 11. Mai 2021 (Anlage K 24) aufgeführten gesundheitlichen Beeinträchtigungen (unter anderem Vorliegen einer rezidivierend depressiven Störung, Zustand nach posttraumatischem Belastungssyndrom, chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren) als tatsächlich vorliegend unterstellt. Es teilt aber nicht die auf diesen Diagnosen beruhende Einschätzung der behandelnden Ärzte hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit des Geschädigten. Der Hausarzt des Geschädigten war der Ansicht, dass aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen im Zeitraum vom 1. Mai 2012 bis 31. Dezember 2016 keine Arbeitsfähigkeit im erwerbsrelevanten Umfang bestanden habe. Körperlich belastende Tätigkeiten hätten aufgrund der Hand- und Rückensituation und administrative Tätigkeiten wegen der eskalierenden psychischen Wirkung jeweils nur unter drei Stunden täglich durchgeführt werden können. Zumutbar seien kurzfristige Tätigkeiten im Rahmen von Minijobs mit leichter körperlicher Belastung, idealerweise in wechselnden Körperpositionen (Anlage K 23). Die Psychotherapeutin gelangte zu dem Ergebnis, dass aufgrund vorhandener und nicht reversibler psychischer Beeinträchtigungen für den Zeitraum von 2012 bis 31. Dezember 2016 von einer anhaltenden Erwerbsunfähigkeit des Geschädigten auszugehen sei (Anlage K 24).

Damit hat sich das Berufungsgericht medizinische Sachkunde bei der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit des Geschädigten angemaßt, deren Voraussetzungen es den Parteien nicht offengelegt hat. Das Berufungsgericht hätte die Arbeitsfähigkeit im angenommenen Umfang angesichts der von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen - die entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht lediglich "bloße Behauptungen" der Klägerin, sondern qualifizierten Sachvortrag zur Frage der Arbeitsfähigkeit des Geschädigten darstellen - nicht bejahen dürfen, ohne sich auf das Gutachten eines hinsichtlich der berührten medizinischen Bereiche fachärztlich qualifizierten Sachverständigen zu stützen. Der gerichtliche Sachverständige wäre dann gegebenenfalls dazu zu befragen gewesen, ob die vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten aus medizinischer Sicht gegen die Annahme sprechen, dass die Arbeitsfähigkeit des Geschädigten aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkt ist. Dabei hätte sich das Berufungsgericht auch mit dem von der Beschwerde als übergangen gerügten Vortrag der Klägerin auseinandersetzen müssen, wonach die Vermietung der Ferienwohnung durch den Geschädigten zusammen mit seiner Frau erfolge und daher einen wöchentlichen Zeitaufwand von lediglich zwei Stunden erfordere und die vom Geschädigten geführte Galerie lediglich an Wochenenden geöffnet habe. Der Schluss des Berufungsgerichts von der Ausübung einer geringfügigen Tätigkeit für die Caritas auf eine Arbeitsfähigkeit des Geschädigten "bis zum Umfang einer Vollbeschäftigung" ist auch ungeachtet der hierfür fehlenden medizinischen Sachkunde auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht nachvollziehbar. Zudem geht das Berufungsgericht dabei - wie von der Beschwerde zutreffend gerügt - nicht auf den Einwand der Klägerin ein, der Geschädigte sei selbst von dieser Tätigkeit körperlich und psychisch überfordert gewesen.

c) Sollte auch nach dem Ergebnis der erneuten Verhandlung zur Überzeugung des Berufungsgerichts ein Verstoß des Geschädigten gegen die ihm obliegende Schadensminderungspflicht in Form unzureichender Erwerbsbemühungen feststehen, würde dies, anders als das Berufungsgerichts meint, nicht dazu führen, dass der Anspruch des Geschädigten - und in der Folge der Erstattungsanspruch aus übergegangenem Recht - nicht bezifferbar wäre. Vielmehr sind nach der Rechtsprechung des Senats die erzielbaren (fiktiven) Einkünfte auf den - zunächst unter Beachtung der insoweit beim Anspruchsteller liegenden Darlegungs- und Beweislast festzustellenden - Verdienstausfallschaden anzurechnen. Entsprechend der Darlegungslast hinsichtlich des Obliegenheitsverstoßes an sich ist auch die Höhe der fiktiven Einkünfte bei hinreichenden Erwerbsbemühungen des Geschädigten grundsätzlich vom Schädiger darzulegen (vgl. dazu näher Senatsurteil vom 24. Januar 2023 - VI ZR 152/21, VersR 2023, 519 Rn. 20 f.).


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