Vorliegend ging es um
Schadensersatzansprüche der klagenden Dienstherrin aus einem Verkehrsunfall, den diese durch Fortzahlung
von Bezügen und Versorgungsleistungen an den Geschädigten (städtischer
Feuerwehrbeamter) erlitten haben will. Das OLG hatte im Berufungsverfahren statt
der für einen Zeitraum vom 01.04.2011 bis 31.12.2016 geltend gemachten Bezüge
nur solche für einen Zeitraum vom 01.04.2011 bis 31.08.2012 zuerkannt. Die
Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hatte insoweit Erfolg und führte dazu,
dass das Urteil des OLG aufgehoben und das Verfahren an dieses zurückverwiesen
wurde.
Das OLG habe seine teilweise Klageabweisung darauf gestützt, dass der Geschädigte gegen seine Obliegenheit zur Schadensminderung (§ 254 Abs. 2 BGB) verstoßen habe (was relevant wäre, da ein Mitverschulden des Beschäftigten im Regress des Arbeitgebers zu Lasten des Arbeitgebers zu berücksichtigen wäre, vgl. z.B. § 6 Abs. 2 EntgFG). Voraussetzung für eine Kürzung der Schadensersatzansprüche des Geschädigten wegen unzureichender Anstrengungen zur Aufnahme einer erneuten Erwerbstätigkeit sei zunächst die Feststellung, dass der Geschädigte nach der Verletzung noch oder wieder arbeitsfähig sei. Diesbezüglich sei der Schädiger darlegungs- und beweisbelastet. Erst im zweiten Schritt, soweit die Frage der Möglichkeit des Einsatzes der festgestellten verbliebenen Arbeitskraft in Rede stünde, treffe den Geschädigten (bzw. bei auf den Arbeitgeber/Dienstherrn übergegangenen Ansprüchen diesen) die sekundäre Darlegungslast. Der Geschädigte habe sei er wieder (teil-) arbeitsfähig in der Regel den Schädiger über die für ihn zumutbaren Arbeitsmöglichkeiten ebenso wie zu seinen Bemühungen, einen angemessenen Arbeitsplatz zu finden, zu informieren.
Vorliegend habe das OLG aus einer Bescheinigung des Hausarztes des Geschädigten sowie einem Befundbericht der den Geschädigten behandelnden Psychotherapeutin zwar die dort benannten gesundheitlichen Beeinträchtigungen als gegeben unterstellt, allerdings nicht die auf diesen Diagnosen beruhende Einschätzung der behandelnden Ärzte zur Arbeitsfähigkeit des Geschädigten. So habe der Hausarzt angegeben, dass für den Geschädigten aufgrund von Hand- und Rückensituation körperlich belastenden Tätigkeiten und administrative Tätigkeiten allenfalls drei Stunden/Tag möglich seien und ebenso Minijobs mit leichter körperlicher Belastung; die Psychotherapeutin sei zu dem Ergebnis gelangt, wegen vorhandener und nicht revisibler psychischer Beeinträchtigungen sei für den Zeitraum 2012 bis 31.12.2016 von einer anhaltenden Erwerbsunfähigkeit auszugehen.
Das OLG habe sich damit bei der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit „medizinische Sachkunde angemaßt“, deren Voraussetzungen es den Parteien nicht offengelegt habe; es sei das rechtliche Gehör (Art. 103 GG) verletzt worden. Bei den vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen handele es sich auch nicht - wie vom OLG vertreten – um „bloße Behauptungen“ der Klägerin, sondern um einen qualifizierten Sachvortrag zur Arbeitsfähigkeit des Geschädigten, weshalb das OLG nicht eine Arbeitsfähigkeit nicht hätte bejahen dürfen, ohne sich auf das Gutachten eines hinsichtlich der berührten medizinischen Bereiche fachärztlich qualifizierten Sachverständigen zu stützen. Hier wäre der vom Gericht zu beauftragende medizinische Sachverständige zu befragen gewesen, ob die vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten aus medizinischer Sicht gegen die Annahme einer eingeschränkten Arbeitsfähigkeit des Geschädigten sprechen. Die Angaben des Geschädigten zu diesen Tätigkeiten, Vermietung einer Ferienwohnung zusammen mit seiner Frau bei einem wöchentlichen Zeitaufwand von zwei Stunden, die Öffnung einer vom Geschädigten betriebenen Galerie lediglich an Wochenenden, seien (was die Nichtzulassungsbeschwerde gerügt hatte) vom OLG übergangen worden und wären in dem vorgenannten Zusammenhang zu berücksichtigen. Der Schluss des OLG von der Ausübung einer geringfügigen Tätigkeit für die Caritas auf eine Arbeitsfähigkeit bis zum Umfang einer Vollbeschäftigung sei - unabhängig von der dem OLG fehlenden medizinischen Sachkunde - auf der Grundlage der vom OLG getroffenen Feststellungen auch nicht nachvollziehbar, wobei auch hier das OLG nicht auf den Einwand der Klägerin eingegangen sei, der Geschädigte sei selbst von dieser Tätigkeit körperlich und psychisch überfordert gewesen.
Zudem sei auch die Auffassung des OLG unzutreffend, dass im Falle der Feststellung unzureichender Erwerbsbemühungen durch den Geschädigten, sich dessen Anspruch (und damit der Anspruch der Dienstherrin aus übergegangenen Recht) nicht beziffern ließe. Es seien hier die erzielbaren (fiktiven) Einkünfte auf den (unter Beachtung der Darlegungs- und Beweislast des Anspruchsstellers festzustellenden) Verdienstausfallschaden anzurechnen. Entsprechend der Darlegungslast zum Obliegenheitsverstoß sei auch die Höhe der fiktiven Einkünfte bei hinreichenden Erwerbsbemühungen des Geschädigten grundsätzlich vom Schädiger darzulegen (BGH, Urteil vom 24.01.2023 - VI ZR 152/21 -).
BGH, Beschluss vom 12.03.2023
- VI ZR 283/21 -
Aus den Gründen:
Tenor
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der
Klägerin wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 5.
August 2021 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens wird auf bis 95.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin
verlangt als Dienstherrin des städtischen Feuerwehrbeamten B. (im Folgenden:
Geschädigter) aus gemäß § 81 LBG NRW übergegangenem Recht von den
Beklagten die Erstattung von Leistungen, die sie nach einem Verkehrsunfall am
1. August 2009 an den Geschädigten, der aufgrund des Unfalls unter anderem
komplexe Frakturen des rechten Handgelenks und des rechten Unterarms erlitt und
wegen Dienstunfähigkeit mit Wirkung zum 30. April 2012 in den Ruhestand
versetzt wurde, erbracht hat. Streitgegenständlich sind die im Zeitraum vom 1.
April 2011 bis zum 31. Dezember 2016 gezahlten Gehälter und Versorgungsbezüge
in Höhe von 123.528,77 € abzüglich von den Beklagten gezahlter 11.000 €. Die
volle Haftung der Beklagten gegenüber dem Geschädigten für das Unfallereignis
ist dem Grunde nach unstreitig.
Das Landgericht
hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat
das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und der Klage
lediglich hinsichtlich der von der Klägerin im Zeitraum vom 1. April 2011 bis
31. August 2012 an den Geschädigten gezahlten Beträge in Höhe von 31.352,81 €
stattgegeben. Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Hiergegen
wendet sich die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde, um die
Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils zu erreichen.
II.
Die
Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO
zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits zur
neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht.
1. Das
Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Klage
sei gemäß §§ 7, 18 StVG bzw. § 823 Abs. 1, § 840
Abs. 1, § 842 BGB i.V.m. § 115 VVG nur begründet, soweit die
Klägerin auf sie nach § 81 LBG NRW übergegangene Ansprüche auf Erstattung
des Erwerbsschadens ihres Beamten aus dem Zeitraum vom 1. April 2011 bis zum
31. August 2012 in Höhe von 31.352,81 € geltend mache. Im Übrigen, d.h.
bezüglich der vom 1. September 2012 bis zum 31. Dezember 2018 gezahlten
Versorgungsbezüge, unterliege sie der Abweisung. Außer Streit stehe zwar die
unfallbedingte Dienstunfähigkeit des Geschädigten als Feuerwehrbeamter. Für den
Zeitraum ab dem 1. September 2012 lasse sich jedoch nicht feststellen, dass und
in welcher Höhe Ansprüche des Geschädigten auf Erstattung seines
Erwerbsschadens auf die Klägerin übergegangen seien, da die Beklagten der
Klägerin insoweit eine Verletzung der dem Geschädigten obliegenden
Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB) entgegenhalten könnten.
Die Beklagten seien zur Erstattung der Aufwendungen der Klägerin als
Dienstherrin insoweit nicht verpflichtet, als der Verletzte seinen
Erwerbsschaden in zumutbarer Weise durch Verwertung der ihm verbliebenen
Arbeitskraft gemindert habe oder hätte mindern können. Der ersatzfähige Schaden
sei von der Entstehung an auf den Umfang begrenzt, auf den er sich bei
pflichtgemäßem Verhalten des Geschädigten beschränken lasse; nur in diesem
Umfang gehe der Anspruch auch auf den Dienstherrn über.
Im
Ausgangspunkt stehe außer Frage, dass grundsätzlich die Beklagten darlegungs-
und beweispflichtig für die Voraussetzungen des § 254 Abs. 2 BGB
seien. Da es indes dem Verletzten im Verhältnis zum Schädiger obliege, seine
verbliebene Arbeitskraft in den Grenzen des Zumutbaren so nutzbringend wie
möglich zu verwerten und den Nachweis zu erbringen, zumutbare
Arbeitsmöglichkeiten wahrzunehmen und Bemühungen um einen angemessenen
Arbeitsplatz zu entfalten, treffe daneben den Geschädigten eine eigene
Darlegungslast zu seinen diesbezüglichen Bemühungen. Dieser Darlegungslast sei
die Klägerin nicht nachgekommen. Zwar sei aufgrund der vorliegenden ärztlichen
Stellungnahmen davon auszugehen, dass die psychische Disposition des
Geschädigten der Aufnahme einer Bürotätigkeit, wie z.B. in seinem ersten
Ausbildungsberuf als Bankkaufmann, entgegenstehe. Aufgrund des unstreitigen
Sachverhalts müsse aber davon ausgegangen werden, dass der Geschädigte trotz
der - als wahr zu unterstellenden - von der Klägerin behaupteten körperlichen
und psychischen Beeinträchtigungen jedenfalls ab dem 1. September 2012 die
Möglichkeit gehabt habe, seine verbliebende Arbeitskraft zur Erzielung von
Einkommen einzusetzen.
Für die Zeit
vom 1. September 2012 bis zum 31. Dezember 2015 folge dies schon daraus, dass
der Geschädigte in diesem Zeitraum tatsächlich einem Erwerb, wenn auch in
geringfügigem Umfang, nachgegangen sei. Unstreitig habe er nämlich als Betreuer
einer Wohngruppe bei der Caritas gearbeitet. Warum der Geschädigte sich nicht
bemüht habe, diese oder eine vergleichbare, höher vergütete Tätigkeit, welche
weder besondere Anforderung an den Gebrauch des bei dem Unfall verletzten
rechten Arms gestellt habe noch nennenswerte Bürotätigkeiten beinhaltet haben
dürfte, bis zum Umfang einer Vollbeschäftigung hin aufzunehmen, sei nicht
ersichtlich und nicht dargetan.
Für diesen
Zeitraum und erst recht die Folgezeit ab dem 1. Januar 2016 gelte überdies,
dass der Geschädigte unstreitig zur Generierung von Einkünften aus
privatwirtschaftlicher Tätigkeit in der Lage gewesen sei, sich aber zu keinem
Zeitpunkt veranlasst gesehen habe, der Obliegenheit zu genügen, seine
verbliebene Arbeitskraft zur Schadensminderung einzusetzen bzw. sich auch nur
um die Erlangung einer für ihn passenden Erwerbstätigkeit zu bemühen. Werde als
zutreffend unterstellt, dass bei dem Geschädigten die aus der Bescheinigung
seines Hausarztes vom 25. April 2021 sowie dem ärztlichen Befundbericht der ihn
behandelnden Psychotherapeutin vom 11. Mai 2021 hervorgehenden Beschwerden,
nämlich eine "rezidivierend depressive Störung bei zugrundeliegender Dysthymia,
Z.n. PTBS nach Rollerunfall 2009, chron. Schmerzstörung mit somatischen und
psychischen Faktoren, Migräne", vorlägen, so hätten diese den Geschädigten
ersichtlich nicht oder jedenfalls keineswegs vollständig seiner Arbeitskraft
beraubt: Es sei unstreitig, dass der Geschädigte weiterhin als Vermieter seiner
Ferienwohnung agiere. Zudem habe der Geschädigte nach 2012 ein weiteres Gebäude
erworben, welches er in Eigenleistung restauriert und renoviert habe. In dem
Gebäude betreibe er seitdem - zusammen mit seiner Ehefrau und einem Freund -
eine Galerie. In dieser und im Übrigen online vertreibe er Fotos, die er selbst
als Fotograf aufnehme. Der Geschädigte betätige sich überdies als Waldführer
und habe jedenfalls ab 2012 jährlich mehrtägige Jugendfreizeiten im
Nationalpark Eifel durchgeführt. Diese Betätigungen verdeutlichten, dass der
Beamte weiterhin über Fähigkeiten und Fertigkeiten, Zeit und Kraft verfüge,
welche ihm - trotz der attestierten Beeinträchtigungen - auch potentiell
gewinnbringend Tätigkeiten ermöglichen würden. Es dürften, würde der
Geschädigte seine verbliebene Arbeitskraft in andere als in die genannten
Aktivitäten investieren, fraglos Kapazitäten vorhanden sein, eine
umfangreichere Erwerbstätigkeit aufzunehmen, wenigstens aber, Bemühungen um
eine solche aufzunehmen. Mit der bloßen Behauptung, infolge der behaupteten
Defizite sei der Beamte "erwerbsunfähig", müsse sich mit anderen
Worten um die Erzielung von Arbeitseinkommen noch nicht einmal bemühen, genüge
die Klägerin in Ansehung der dem Beamten tatsächlich sehr wohl möglichen
(Arbeits-)Leistungen ihrer Darlegungslast nicht, so dass mangels schlüssigen
Vortrags auch nicht eine Sachaufklärung zu unternehmen sei.
2. Die
Beschwerde rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht mit diesen Ausführungen in
entscheidungserheblicher Weise den Anspruch der Klägerin auf Gewährung
rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat.
a)
Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der
Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in
Erwägung zu ziehen. Dabei soll das Gebot des rechtlichen Gehörs als
Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von
Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und
Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben (vgl. BVerfGE 88,
366, 375 f. mwN).
Der Tatrichter
darf, wenn es um die Beurteilung einer Fachwissen voraussetzenden Frage geht,
auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur verzichten, wenn er
entsprechende eigene besondere Sachkunde auszuweisen vermag. Zudem muss der
Tatrichter, wenn er bei seiner Entscheidung eigene Sachkunde in Anspruch nehmen
will, den Parteien zuvor einen entsprechenden Hinweis erteilen (vgl.
Senatsbeschlüsse vom 14. November 2023 - VI ZR 244/21, MDR 2024, 227 Rn. 13, 17
f.; vom 9. April 2019 - VI ZR 377/17, VersR 2019, 1033 Rn. 9; vom 8. März 2016
- VI ZR 243/14, juris Rn. 12; vom 13. Januar 2015 - VI ZR 204/14, NJW 2015,
1311 Rn. 5 mwN).
b)
Diesen Anforderungen genügt das Berufungsurteil nicht.
aa) Das
Berufungsurteil stützt die teilweise Abweisung der Klage darauf, dass der
Geschädigte gegen seine Obliegenheit zur Schadensminderung (§ 254
Abs. 2 BGB) verstoßen habe. Insoweit ist im rechtlichen Ausgangspunkt
zutreffend, dass es im Falle einer die Arbeitskraft beeinträchtigenden
Gesundheitsverletzung nach der ständigen Rechtsprechung des Senats als Ausfluss
der Schadensminderungspflicht dem Verletzten im Verhältnis zum Schädiger
obliegt, seine verbliebene Arbeitskraft in den Grenzen des Zumutbaren so nutzbringend
wie möglich zu verwerten (vgl. nur Senatsurteil vom 24. Januar 2023 - VI ZR
152/21, VersR 2023, 519 Rn. 11 mwN). Voraussetzung für eine Kürzung der
Schadensersatzansprüche des Geschädigten wegen unzureichender Anstrengungen zur
Aufnahme einer erneuten Erwerbstätigkeit ist demnach zunächst die Feststellung,
dass und in welchem Umfang der Geschädigte nach der erfolgten
Gesundheitsverletzung noch oder wieder arbeitsfähig ist. Insoweit ist der den
Einwand aus § 254 Abs. 2 BGB erhebende Schädiger darlegungs- und
beweispflichtig. Nur soweit in einem zweiten Schritt die Frage der Möglichkeit
des Einsatzes der festgestellten verbliebenen Arbeitskraft in Rede steht,
trifft den Geschädigten - bzw. den aus übergegangenem Recht vorgehenden Kläger
- eine sekundäre Darlegungslast, wenn er einen Verdienstausfall als Schaden
geltend macht. Nach der Senatsrechtsprechung hat der Verletzte, wenn er wieder
arbeitsfähig oder teilarbeitsfähig ist, den Schädiger in der Regel über die für
ihn zumutbaren Arbeitsmöglichkeiten und seine Bemühungen um einen angemessenen
Arbeitsplatz zu unterrichten (vgl. Senatsurteile vom 24. Januar 2023 - VI ZR
152/21, VersR 2023, 519 Rn. 13; vom 21. September 2021 - VI ZR 91/19, VersR
2021, 1583 Rn. 21; vom 9. Oktober 1990 - VI ZR 291/89, VersR 1991, 437, 438,
juris Rn. 16; vom 23. Januar 1979 - VI ZR 103/78, VersR 1979, 424, 425, juris
Rn. 13).
bb) Das
Berufungsgericht hat aus den von ihm festgestellten Tätigkeiten des
Geschädigten nach dem Unfallereignis den Schluss gezogen, dass dieser ab dem 1.
September 2012 - bis zum Umfang einer Vollbeschäftigung hin - arbeitsfähig war.
Dabei hat es die in der von der Klägerin vorgelegten Bescheinigung des
Hausarztes des Geschädigten vom 25. April 2021 (Anlage K 23) sowie dem
ärztlichen Befundbericht der ihn behandelnden Psychotherapeutin vom 11. Mai
2021 (Anlage K 24) aufgeführten gesundheitlichen Beeinträchtigungen (unter
anderem Vorliegen einer rezidivierend depressiven Störung, Zustand nach
posttraumatischem Belastungssyndrom, chronische Schmerzstörung mit somatischen
und psychischen Faktoren) als tatsächlich vorliegend unterstellt. Es teilt aber
nicht die auf diesen Diagnosen beruhende Einschätzung der behandelnden Ärzte
hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit des Geschädigten. Der Hausarzt des
Geschädigten war der Ansicht, dass aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen
im Zeitraum vom 1. Mai 2012 bis 31. Dezember 2016 keine Arbeitsfähigkeit im
erwerbsrelevanten Umfang bestanden habe. Körperlich belastende Tätigkeiten
hätten aufgrund der Hand- und Rückensituation und administrative Tätigkeiten
wegen der eskalierenden psychischen Wirkung jeweils nur unter drei Stunden
täglich durchgeführt werden können. Zumutbar seien kurzfristige Tätigkeiten im
Rahmen von Minijobs mit leichter körperlicher Belastung, idealerweise in
wechselnden Körperpositionen (Anlage K 23). Die Psychotherapeutin gelangte zu
dem Ergebnis, dass aufgrund vorhandener und nicht reversibler psychischer
Beeinträchtigungen für den Zeitraum von 2012 bis 31. Dezember 2016 von einer
anhaltenden Erwerbsunfähigkeit des Geschädigten auszugehen sei (Anlage K 24).
Damit hat sich
das Berufungsgericht medizinische Sachkunde bei der Beurteilung der
Arbeitsfähigkeit des Geschädigten angemaßt, deren Voraussetzungen es den
Parteien nicht offengelegt hat. Das Berufungsgericht hätte die Arbeitsfähigkeit
im angenommenen Umfang angesichts der von der Klägerin vorgelegten ärztlichen
Bescheinigungen - die entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht
lediglich "bloße Behauptungen" der Klägerin, sondern qualifizierten
Sachvortrag zur Frage der Arbeitsfähigkeit des Geschädigten darstellen - nicht
bejahen dürfen, ohne sich auf das Gutachten eines hinsichtlich der berührten
medizinischen Bereiche fachärztlich qualifizierten Sachverständigen zu stützen.
Der gerichtliche Sachverständige wäre dann gegebenenfalls dazu zu befragen gewesen,
ob die vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten aus medizinischer Sicht gegen die
Annahme sprechen, dass die Arbeitsfähigkeit des Geschädigten aus
gesundheitlichen Gründen eingeschränkt ist. Dabei hätte sich das
Berufungsgericht auch mit dem von der Beschwerde als übergangen gerügten
Vortrag der Klägerin auseinandersetzen müssen, wonach die Vermietung der
Ferienwohnung durch den Geschädigten zusammen mit seiner Frau erfolge und daher
einen wöchentlichen Zeitaufwand von lediglich zwei Stunden erfordere und die
vom Geschädigten geführte Galerie lediglich an Wochenenden geöffnet habe. Der
Schluss des Berufungsgerichts von der Ausübung einer geringfügigen Tätigkeit
für die Caritas auf eine Arbeitsfähigkeit des Geschädigten "bis zum Umfang
einer Vollbeschäftigung" ist auch ungeachtet der hierfür fehlenden
medizinischen Sachkunde auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht
nachvollziehbar. Zudem geht das Berufungsgericht dabei - wie von der Beschwerde
zutreffend gerügt - nicht auf den Einwand der Klägerin ein, der Geschädigte sei
selbst von dieser Tätigkeit körperlich und psychisch überfordert gewesen.
c) Sollte auch
nach dem Ergebnis der erneuten Verhandlung zur Überzeugung des
Berufungsgerichts ein Verstoß des Geschädigten gegen die ihm obliegende
Schadensminderungspflicht in Form unzureichender Erwerbsbemühungen feststehen,
würde dies, anders als das Berufungsgerichts meint, nicht dazu führen, dass der
Anspruch des Geschädigten - und in der Folge der Erstattungsanspruch aus
übergegangenem Recht - nicht bezifferbar wäre. Vielmehr sind nach der
Rechtsprechung des Senats die erzielbaren (fiktiven) Einkünfte auf den -
zunächst unter Beachtung der insoweit beim Anspruchsteller liegenden
Darlegungs- und Beweislast festzustellenden - Verdienstausfallschaden
anzurechnen. Entsprechend der Darlegungslast hinsichtlich des
Obliegenheitsverstoßes an sich ist auch die Höhe der fiktiven Einkünfte bei
hinreichenden Erwerbsbemühungen des Geschädigten grundsätzlich vom Schädiger
darzulegen (vgl. dazu näher Senatsurteil vom 24. Januar 2023 - VI ZR 152/21,
VersR 2023, 519 Rn. 20 f.).
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen