Montag, 19. März 2018

Haftung des gerichtlich bestellten Sachverständigen bei Bauteilöffnung (hier: Wasseraustritt)


Der Beklagte wurde als vom Gericht bestellter Sachverständiger im Rahmen eines Rechtsstreits tätig, in dem die Parteien über die Frage der Verlegereife für Teppichböden nach einem Wasserschaden im Jahre 2008 stritten. Im Rahmen seiner Tätigkeit fanden zwei Ortstermine statt. Bei dem zweiten Ortstermin ereignete sich ein weiterer Wasserschaden, der im Rahmen einer von dem Beklagten angeordneten Bauteilöffnung, mit der er einen Dritten beauftragt hatte, eintrat.

Die Klägerin war im Zusammenhang mit dem 1. Wasserschaden aus dem Jahr 2008 als auf die Sanierung von Brand- und Wasserschäden spezialisiertes Unternehmen beauftragt gewesen und Partei des Rechtsstreits gewesen, in welchem der Beklagte als Sachverständiger tätig wurde. Sie verlangte im vorliegenden Verfahren Ersatz ihrer Aufwendungen, die sie infolge der vom Beklagten veranlassten Bauteilöffnung und des eingetretenen Wasserschadens hatte.

Die Klage wurde vom Landgericht abgewiesen; das OLG wies die Berufung zurück.   

Eine Haftung des Beklagten nach § 839 BGB iVm. Art. 34 GG verneinte das OLG. Der daraus abzuleitende Amtshaftungsanspruch sei nur dann gegeben bei Schäden, die aus dem Gutachten selbst resultieren würden.  Schäden, die vom gerichtlich bestellten Sachverständigen aber anlässlich der Begutachtung verursacht würden, würden sich nicht als Amtspflichtverletzung darstellen (BGH, Urteil vom 05.10.1972 - III ZR 168/70 -).  

Zu prüfen war danach vom OLG ein Anspruch aus Aufwendungsersatz nach §§ 683, 670 BGB. Dies negierte das OLG. Damit kam es darauf an, ob der Beklagte Geschäftsherr war, was dann angenommen werden könne, wenn die Tätigkeit der Klägerin in die Rechts- und Interessenssphäre des Beklagten fiele. Entscheidend sei dabei, ob die Schädigung der Wasserleitung bei der Bauteilöffnung von ihm vorsätzlich oder fahrlässig verursacht wurde und er sich deshalb gegenüber dem Eigentümer der geschädigten Sache schadenersatzpflichtig gemacht habe. Nur in diesem Fall hätte die Klägerin ein Geschäft für des Beklagten in dessen Intereses  durchgeführt und ihn von Regressanspruch mit dem Anspruch auf eigenen Aufwendungsersatz befreit.

Da die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin allerdings nicht nachweisen könnte (was weiter ausgeführt wurde), dass der Beklagte die Rechtsgutsverletzung bei der Eigentümerin zu vertreten habe, wies das OLG die Berufung gegen das klageabweisende Urteil zurück.

OLG München, Urteil vom 20.12.2017 - 20 U 1102/17 -

Donnerstag, 15. März 2018

Mietminderung nach Beendigung des Mietverhältnisses in Bezug auf zu zahlende Nutzungsentschädigung


Die Kläger erhoben gegen die Beklagten Klage auf Zahlung von Nutzungsentschädigung für ein spätestens durch fristlose Kündigung zum 22.10.2013 beendeten Mietverhältnis für den Zeitraum Januar bis September 2014; die Räumung erfolgte am 10.09.2014. Dabei vertreten die Beklagten die Ansicht, es dürfte nicht  - wie vom Amtsgericht angenommen - der volle Mietzins zu Grund gelegt werden, sondern ein wegen Mängeln geminderter Mietzins.

Gegen das der Klage vollumfänglich stattgebende Urteil legten die Beklagten Berufung ein. Diese wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Der Anspruch der Kläger sei nach §§ 546a Abs. 1, Abs. 2, 280 Abs. 2, 286 BGB begründet. Die Räumung am 10.09.2014 würde den Anspruch nach der Kläger nach §§ 546a Abs. 1 BGB, für die Zeit danach bis Ende September 2014 nach §§ 546a Abs. 2, 280 Abs. 2, 286 BGB begründet sein.

Gemäß § 546a BGB könne der Vermieter für die Zeit der Vorenthaltung der Mietsache die vereinbarte Miete verlangen. War die Mietsache bei Mietende mangelhaft und könne daher die Miete gemindert werden, stelle die geminderte Miete die „vereinbarte Miete“ dar. Vorliegend sei die Miete zum Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses nicht nach § 536 BGB gemindert gewesen.

Für bestimmte von den Beklagten gerügte Mängel (u.a. großflächige Schimmelbildung in Räumen im 1. OG, abblätternde Farnbe an bestimmten Rollläden, Scheiben im Keller seien gesprungen) würde es an einer einer Mietminderung vorherzugehenden Mängelanzeige ermangeln. Diese sei erst nach der Beendigung des Mietverhältnisses erfolgt (hier im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens). Die Beklagten könnten die Mängelanzeige nach Beendigung des Mietverhältnisses für vorher entstandene Mängel nicht mehr wirksam nachholen. Mit Beendigung des Mietverhältnisses bestünde kein vertraglicher Erfüllungsanspruch mehr. Selbst Mängel, die während der Zeit entstehen, für die Nutzungsentschädigung zu zahlen sei, würden nach der Entscheidung des BGH vom 27.05.2015 - XII ZR 66/13 - nicht eine Minderung begründen können.

Auch soweit die Beklagten äußere Mängel vorgetragen hätten (so eine Schädigung von Putz und Mauerwerk auf der Rückseite des Hauses, teilweises wegfaulen der Kellertür durch Regenwasser und Unansehnlichkeit der Klingel- und Briefkastenanlage) könne eine Minderung nicht geltend gemacht werden. Es würde sich um Zustände handeln, die den Gebrauchswert der Wohnung nicht unmittelbar beeinträchtigen würden, sondern um Äußerlichkeiten bzw. Unansehnlichkeiten und damit nur um unerhebliche Mängel, die eine Mietminderung gem. § 536 Abs. 1 S. 3 BGB nicht rechtfertigen würden.  

Für September könnte die Kläger auch Schadensersatz für die Zeit nach der Räumung bis zum Monatsende begehren. Zwar ende der Anspruch auf Nutzungsentschädigung taggenau mit der Räumung. Für den restlichen Zeitraum würde aber den Klägern ein Schadensersatzanspruch zustehen, da sie die das Objekt nicht sofort hätten weitervermieten können; angesichts des ungewissen Übergabetermins hätten sich die Kläger nicht um einen Nachmieter bemühen können..

LG Krefeld, Urteil vom 20.12.2017 - 2 S 65/16 -

Montag, 12. März 2018

Zwangsvollstreckung: Tritt mit Zahlung an den Gerichtsvollzieher Erfüllung ein ?


Es ist der alltägliche Fall einer Prozesskanzlei: Die Vollstreckung aus Titeln. Hier kommt es häufig zu Verzögerungen durch eine lange Bearbeitungsdauer bei einem beauftragten Gerichtsvollzieher. Und auch nicht selten werden (auch höhere) Beträge nicht unverzüglich nach Geldeingang beim Gerichtsvollzieher von diesem ausgezahlt, wie auch möglicherweise der Gerichtsvollzieher die Vollstreckungsunterlagen mit dem Vermögensverzeichnis zurückgibt, danach z.B. vom Gläubiger (-Vertreter) ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beantragt wird, aber zwischenzeitlich der ursprünglich von Gerichtsvollzieher einzutreibende Betrag bei diesem eingeht und dann nach Beantragung des Pfändungs. Und Überweisungsbeschlusses von dem eingehend bei dem Gläubiger (-Vertreter) gezahlt wird. Es stellt sich stets die Frage, ob die Erfüllung der Zahlungspflicht des Schuldners aus dem Titel bereits mit Eingang des Betrages bei dem Gerichtsvollzieher oder erst bei dem /Gläubiger-) Vertreter eintritt. Gerichtsvollzieher, die bei sich eingehende Beträge nicht umgehend weiterleiten, wollen wegen offener Zinsdifferenzen häufig nicht (weiter) vollstrecken mit der Begründung, durch Zahlung an sie sei erfüllt, wie auch Schuldner weitere bei dem Gläubiger entstehende Kosten für ergänzende Vollstreckungsmaßnahmen mit dem Hinweis der Erfüllung durch Zahlung eingehend bei dem Gerichtsvollzieher nicht leisten wollen.  

In seinem Beschluss vom 29.01.2009 – III ZR 105/08 – hat der BGH darauf verwiesen, § 815 Abs. 3 ZPO sehe vor, dass die Wegnahme des Geldes durch den Gerichtsvollzieher als Zahlung des Schuldners gelte. Daraus würde überwiegend eine Gefahrtragung nach § 270 BGB entnommen mit der Folge, dass, komme dem Gerichtsvollzieher vor einer Auszahlung desselben an den Gläubiger abhanden, dieser den Schuldner insoweit nicht mehr in Anspruch nehmen könne (so z.B. BGH, Urteil vom 30.01.1987 – V ZR 220/85 -).  In der Entscheidung vom 29.01.2009 konnte der BGH die Streitfrage offen lassen (a.A. z.B.  BGH in BGHZ 140, 391, 394).

Das LG Memmingen nimmt Bezug auf den Beschluss des BGH vom 29.02.2009 und führt aus, dass die Erfüllungswirkung der Zahlung des Schuldners erst mit Geldeingang bei dem Gläubiger eintrete. § 815 Ans. 3 ZPO stelle sich lediglich als eine Gefahrtragungsregelung dar. In seiner Entscheidung verweist das LG Memmingen darauf, dass der historische Gesetzgeber den Gerichtsvollzieher als privatrechtlichen Vertreter des Gläubigers behandelt habe, demgegenüber er nach den heutigen Regelungen hoheitlich tätig würde und von daher nicht als Vertreter des Gläubigers angesehen werden könne. Auch sei zu beachten, dass der Gerichtsvollzieher beauftragt werde, da der Schuldner nicht zeitgerecht geleistet habe. Käme es zu systemimmanenten Verzögerungen der Weiterleitung der Zahlung durch den Gerichtsvollzieher an den Gläubiger, sei der dadurch bedingte Verzögerungsschaden nicht dem Gläubiger, sondern dem Schuldner anzulasten.

LG Memmingen, Beschluss vom 27.10.2017 - 44 T 1289/17 -

Abzugsfähigkeit weiterer Schuldzinsen als Werbungskosten bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nach Veräußerung der Immobilie


Die Kläger (Eheleute) wenden sich gegen die Aberkennung von Schuldzinsen als Werbungskosten in den Veranlagungszeiträumen 2009 bis 2011. Hintergrund sind Immobilien der Klägerin. So besaß sie in den Streitjahren die Immobilie B, bei der sie Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung erzielte. Bis  2007 war die Klägerin auch Eigentümerin der Immobilie A, aus der sie auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt hatte; diese Immobilie veräußerte sich in 2007 innerhalb der Zehnjahresfrist des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG zu € 5.225.000,00 bei einem Veräußerungsgewinn von € 37.766,00.

Für die Jahre 2007 bis 2009 fielen für beide Objekte, bis 2011 dann nur noch für das Objekt A Schuldzinsen für die für diese Objekte ehedem aufgenommene Darlehen an. Zum Juli 2009 tilgte die Klägerin die Schulzinsen für das Objekt B für zwei der dafür aufgenommenen Darlehen unter Verwendung eines Teils der erlöse aus dem Verkauf des Objekts A. Einen anderen Teil des Veräußerungserlöses verwandte sie zur teilweisen Tilgung von Darlehen für das Objekt A. Im übrigen machte die Klägerin die Schuldzinsen aus den zwei Darlehen für das Objekt A als Schuldzinsen für das Objekt B mit € 211.455,00 geltend, was vom Finanzamt zeitanteilig für eines der (insoweit umgewidmeten) Darlehen (Nr. 578) akzeptiert, im übrigen (Nr. 586) abgelehnt wurde. Ebenso 2010 machte die Klägerin die Darlehen für das ehemalige Objekt A als Werbungskosten für das Objekt B geltend und wiederum anerkannte das Finanzamt die Umwidmung für das eine Darlehen (Nr. 578) und lehnte dies bei dem anderen ab (Nr. 586). Gleiches erfolgte dann auch in 2011.

Der BFH hielt, mit der finanzgerichtlichen Entscheidung, fest, dass die Schuldzinsen für die Darlehen Nr. 578 und 586 (betreffend das ehemalige Objekt A) nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend gemacht werden können. Zwar entfalle ein wirtschaftlicher Veranlassungszusammenhang eines Darlehens mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht alleine deshalb, da die Immobilie veräußert würde. Nach der Surrogationsbetrachtung setze sich der ursprüngliche Veranlassungszusammenhang zwischen Darlehen und Vermietung an dem Veräußerungspreis fort. Deshalb wären die nachträglichen Schuldzinsen nach einer Veräußerung weiterhin als nachträgliche Werbungskosten zu berücksichtigen, wenn und soweit die Verbindlichkeit nicht durch den Veräußerungserlös getilgt werden konnte. Die Surrogation erfordert mithin, dass der Ersatz (Kaufpreis) zur Tilgung der Verbindlichkeit genutzt wird und nur insoweit weiterhin als Werbungskosten Berücksichtigung finden kann, als dies nicht ausreichend wäre. Ersatzweise könne aber der Steuerpflichtige auch statt das Darlehen für die Altimmobilie zu tilgen, ein neues Objekt (eine neue Einkunftsquelle) mit dem Erlös anschaffen, für die dann das ursprüngliche Darlehen steht. Eine dritte Möglichkeit bestünde darin, eine Umschuldung vorzunehmen, insoweit das Darlehen für das Objekt A für das Objekt B genommen wird und dort das Darlehen mit dem Erlös aus dem Objekt A abgelöst wird.

Entscheidend sei für die Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen als Werbungskosten sei der wirtschaftliche Zusammenhang mit dem konkreten Vermietungsobjekt zum Zeitpunkt ihres jeweiligen Entstehens. Rein gedankliche Zuweisungen würden nicht ausreichen. Soweit nicht vom Finanzamt angenommen sei vorliegend weder eine Umfinanzierung erfolgt noch wäre der Kaufpreiserlös zu einer Ersatzbeschaffung verwandt worden.

BFH, Urteil vom 11.01.2018 - IX R 4/17 -


Sonntag, 11. März 2018

Werkvertrag: Selbstvornahmekosten nach § 634 BGB können grds. erst nach Abnahme verlangt werden


Mit der Klage wurde eine Forderung aus einer 3. Abschlagsrechnung geltend gemacht. Die Beklagte , die fehlende Fälligkeit einwandte, hatte Widerklage auf Kostenvorschuss von € 2 Mio. für bestehende Mängel  erhoben.  Nach der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht wurde über das Vermögen der Klägerin auf deren Eigenantrag hin das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Berufungsgericht hatte die Widerklage abgewiesen, wogegen sich die Beklagte mit der insoweit zugelassenen Revision wendet.

Die Revision wurde zurückgewiesen.

Bereits mit Urteil vom 19.01.2017 - VII ZR 301/13 - hat der BGH entschieden, dass der Besteller Mängelrechte aus § 634 BGB (wie hier den Kostenvorschuss) grundsätzlich erst nach Abnahme des Werkes geltend machen könne. Darauf verweist der Senat in seinem jetzigen Urteil. Allerdings könne der Besteller berechtigt sein, Mängelrechte nach § 634 Nr. 2 bis 4 BGB ohne Abnahme geltend zu machen, wenn er die (Nach-) Erfüllung des Vertrages nicht mehr verlangen könne und das Vertragsverhältnis in ein Abwicklungsverhältnis übergegangen sei. Das Verlangen eines Vorschusses für die Beseitigung eines Mangels im Wege der Selbstvornahme sei aber nicht ausreichend. In diesem Fall würde ausnahmsweise ein Abrechnungsverhältnis entstehen, wenn der Besteller konkludent zum Ausdruck bringen würde, unter keinen Umständen mehr mit dem Unternehmer zusammenarbeiten zu wollen, auch dann nicht, wenn die Selbstvornahme zu einer mangelfreien Herstellung des Werkes führe. Dies habe hier nicht vorgelegen.

Auch könne sich die Revision nicht erfolgreich darauf berufen, dass nach der letzten mündlichen Verhandlung mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die ehemalige Klägerin Umstände eingetreten wären, die zu einem Abrechnungsverhältnis führen würden. Mit dem Eigeninsolvenzantrag habe die ehemalige Klägerin einen wichtigen Grund für eine Kündigung gesetzt. Der BGH anerkennt zwar, dass ein Eigeninsolvenzantrag des Unternehmers einen wichtigen Grund zur Kündigung darstellen könne, § 311 BGB (BGH, Urteil vom 07.04.2016 - VII ZR 56/15 -); ob dies hier vorläge, könne aber auf sich beruhen, da es an einem revisionsrechtlich zu beurteilenden Sachverhalt an einer Kündigung der Beklagten ermangele. Im Revisionsverfahren könne dies nicht mehr eingeführt werden; der jetzige Vortrag der Beklagten, die Klägerin (Schuldnerin) könne und wolle nicht mehr nachbessern, sei nicht unstreitig, was Voraussetzung für eine Beachtung des neuen Vortrages im Revisionsverfahren sei.

Anmerkung: Es lässt sich nicht erkennen, ob hier die Beklagte nach dem Eigeninsolvenzantrag der Schuldnerin noch die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hätte beantragen können. Richtig ist, dass jedenfalls der neue Sachvortrag, da er nicht unstreitig war, im Revisionsverfahren aus prozessualen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte. Die Beklagte kann allerdings, da die Entscheidung insoweit nicht in materieller Rechtskraft erwächst, auf dieser Grundlage erneut Ansprüche (gegen den Insolvenzverwalter, der im revisionsverfahren die Parteirolle der Klägerin übernommen hatte) geltend machen. Allerdings verwundert die Entscheidung des BGH vor dem Hintergrund der Entscheidung desselben Senats vom 07.04.2016, hatte er doch dort pauschal den Eigeninsolvenzantrag als wichtigen Grund für eine Kündigung angesehen.

BGH, Urteil vom 09.11.2017 - VII ZR 116/15 -

Donnerstag, 8. März 2018

WEG: Fehlende Beschlusskompetenz des Verbandes zum Verlangen auf Zustimmung zur Änderung der Teilungserklärung


In einem Vorprozess wurde die Kostenverteilungsregelung der Gemeinschaftsordnung des Wohnungseigentümergemeinschaft, der die Parteien angehören, als unwirksam eingestuft. Einige Miteigentümer haben daraufhin eine Vereinbarung notariell beurkunden lassen, nach der Umlagenschlüssel als auch Regelungen zu Sondernutzungsrechten, Instandhaltungspflichten u.a. geändert wurden. Sie forderten die übrigen Miteigentümer zur notariellen Zustimmung auf. Mit Ausnahme des Klägers waren diese dem nachgekommen. Im Rahmen einer Wohnungseigentümerversammlung wurde dann der auf der Tagesordnung angekündigte Beschluss gefasst, die Hausverwaltung zu beauftragen und zu ermächtigen, außergerichtlich und nötigenfalls gerichtlich die noch fehlende Zustimmung des Klägers einzuholen und durchzusetzen. Gegen diesen Beschluss erhob der Kläger Anfechtungsklage.

Das Amtsgericht wies die Klage ab, das Landgericht gab ihr statt. Die zugelassene Revision der Beklagten wurde vom BGH zurückgewiesen.

Die Wohnungseigentümergemeinschaft habe keine Beschlusskompetenz gehabt. § 23 Abs. 1 WEG regele die Beschlussfassung zu Angelegenheiten, über die nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) oder der Vereinbarung (Teilungserklärung / Gemeinschaftsordnung) qua Beschluss entschieden werden könne. Es fehle daher an der Beschlusskompetenz, wenn diese Voraussetzung nicht gegeben sei mit der Folge, dass ein dennoch gefasster Beschluss wegen absoluter Unzuständigkeit nichtig sei.

Vorliegend sei die Hausverwaltung beauftragt und ermächtigt worden, von dem Kläger die Zustimmung zur Änderung der Teilungserklärung  einzuholen und auch ggf. gerichtlich durchzusetzen. Der Beschluss sei so zu verstehen, dass eine alleinige Ausübungsbefugnis des Verbandes für die Individualansprüche der Wohnungseigentümer aus § 10 Abs. 2 S. 3 WEG begründet werden sollte. Nach § 10 Abs. 2 S. 3 WEG kann jeder Wohnungseigentümer eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung (Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung) verlangen, wenn ein Festhalten an der bisherigen Regelung aus besonderen Gründen im Einzelfall unbillig erscheint. Die mögliche Kompetenzgrundlage des § 10 Abs. 6 S. 3 WEG käme aber vorliegend nicht zum Tragen, da es sich bei § 10 Abs. 2 S. 3 WEG um einen Individualanspruch handele und für einen solchen die Kompetenz des Verbandes nicht begründet werden könne.

Der BGH weist darauf hin, dass § 10 Abs. 6 S. 3 WEG sich nur auf Rechte und Pflichten aus der Verwaltung beziehe, nicht aber auf das Sondereigentum einzelner Wohnungseigentümer oder deren individuelle Mitgliedsrechte. Die Regelung in § 10 Abs. 2 S. 3 würde dem Einzelnen einen Anspruch im Einzelfall bei besonderen Umständen zuerkennen, der sich nicht auf das Gemeinschaftseigentum und dessen Veraltung bezöge, sondern ausschließlich auf die inhaltliche Ausgestaltung des Gemeinschaftsverhältnisses. Zudem beträfe § 10 Abs. 2 S. 3 WEG den Kernbereich des Mitgliedschaftsrechts, der generell der Vergemeinschaftung entzogen sei. Der Änderungsanspruch diene gerade dem individuellen Schutz des Einzelnen im Innerverhältnis der Wohnungseigentümer und dieser Schutz würde zur Disposition der Mehrheit gestellt, wenn die Wohnungseigentümer den Änderungsanspruch auf den Verband gem. § 10 Abs. 6 S. 3 WEG übertragen könnten.

Die eine Änderung der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung wünschenden  Wohnungseigentümer könnten hier zwecks Vermeidung widerstreitender Entscheidungen gemeinsam klagen oder sich darauf verständigen, dass nur einer klagt. Im übrigen bliebe offen, ob hier überhaupt (gar insgesamt) die beabsichtigten Änderungen Inhalt des Individualanspruchs nach § 20 Abs. 2 S. 3 WEG sein könnten.

BGH, Urteil vom 13.10.2017 - V ZR 305/16 -

Montag, 5. März 2018

Gewerbliche Weitervermietung: Zur Frage der Gewerblichkeit und des Übergangs des Mietverhältnisses vom Hauptmieter auf Vermieter


Die Rechtsvorgängerin der Beklagte mietete in großen Rahmen Wohnungen, um diese an ihre Arbeitnehmer weiterzuvermieten. Dies war der Rechtsvorgängerin der Klägerin bekannt. U.a. wurde die streitgegenständliche Wohnung von ihr angenietet und an die Beklagten zu 2. und zu 3. weitervermietet. Der Beklagte zu 2. ist nach dem Sozialplan der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1. berechtigt, die Wohnung auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Pensionär zu benutzen.

Die Klägerin, die die Liegenschaft erwarb, kündigte gegenüber der Beklagten zu 1. den Hauptmietvertrag und forderte die Beklagten zur Räumung und Herausgabe auf. Die Klage wurde in allen Instanzen abgewiesen und der Widerklage auf Feststellung eines Mietverhältnisses zwischen den Beklagten zu 2. und 3. und der Klägerin stattgegeben.

Der BGH stützt sich hier auf § 565 Abs. 1 S. 1 BGB, demzufolge der Mieter nach dem Mietvertrag eine von ihm angemietete Wohnung gewerblich einem Dritten zu Wohnzwecken weitervermieten solle. Die Bestimmung sähe vor, dass mit Beendigung des Hauptmietverhältnisses der Vermieter in dem zwischen dem Mieter und dem Dritten (Untermieter) abgeschlossenen Mietvertrag eintreten.  Diese gewerbliche Weitervermietung sei vorliegend gewahrt. Zwar habe vorliegend die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1. die Wohnungen nicht mit der an sich für die Gewerblichkeit notwendigen Gewinnerzielungsabsicht an ihre Arbeitnehmer weitervermietet. Ausreichend sei aber, wenn die Weitervermietung jedenfalls auch eigenen wirtschaftlichen Interessen diese. Dies sei bei der Weitervermietung an die eigenen Arbeitnehmer der Fall, da damit die Arbeitnehmer an das Unternehmen gebunden würden und dem Unternehmen gegenüber anderen, keine Werkswohnung zur Verfügung stellenden Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil hätten. Damit handele die Gesellschaft nicht gemeinnützig, karitativ oder zu ähnlichen sozialen Zwecken, die der Gewerblichkeit entgegen stehen würden.  

BGH, Urteil vom 17.01.2018 - VIII ZR 241/16 -

Donnerstag, 1. März 2018

Räumungsverfügung gegen Dritte im Gewerberaummietverhältnis


Der Verfügungskläger ist Eigentümer eines Grundstücks, welches er zum Betrieb eines Hotels und Restaurants nebst Wirtewohnung an eine Gesellschaft vermietet hatte. Die Gesellschaft und die in dem Objekt wohnenden natürlichen Personen (mit Ausnahme der Verfügungsbeklagten) wurden zur Räumung und Herausgabe an die Verfügungsklägerin verurteilt. Nach Ankündigung der Räumungsvollstreckung durch den Gerichtsvollzieher erhob die Verfügungsbeklagte Vollstreckungsgenklage, mit der sie geltend machte, sie halte sich dauerhaft in den Räumen mit ihren Kindern auf und habe keine Ersatzräume. Auf ihren Antrag stellte das Amtsgericht die Zwangsvollstreckung einstweilen ein.

Der Verfügungskläger beantragte beim Landgericht, der Beklagten im einstweiligen Verfügungsverfahren zu gebieten, die fragliche Fläche zu räumen und an ihn herauszugeben. Die Verfügungsbeklagte habe ihm gegenüber kein Besitzrecht. Das Landgericht bejahte den Anwendungsbereich des § 940a Abs. 2 ZPO und verurteilte die Beklagte antragsgemäß. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos.

Das OLG bejahte das Vorliegen von Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund und bejahte in diesme Zusammenhang die Anwendbarkeit des § 940a ZPO.  Nach dieser Norm kann der Vermieter, der gegen seinen Mieter und bekannte Dritte, die in dem Objekt wohnen bzw. dieses nutzen, ein Räumungsurteil erstritten hat, im Wege der einstweiligen Verfügung die Räumung auch von Dritten begehren, die das Objekt nutzen, wenn ihm dies erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung bekannt wird.  Es wich hier von anderen Entscheidungen ab, namentlich des OLG Celle vom 24.11.2014 - 2 W 237/14 -, des OLG München vom 10.04.20154 –-23 U 773/14 - und des KG vom 05.09.2013 - 8 W 64/13 -, die eine Anwendbarkeit des § 940a Abs. 2 ZPO auf gewerbliche Mietverhältnisse ablehnen. Nach dem Wortlaut bezieht sich § 940a ZPO nur auf Wohnraum.

Das OLG Dresden nimmt aber eine entsprechende Anwendbarkeit an. Es schließt sich der teilweise in Rechtsprechung (so LG Hamburg vom 27.06.2013 – 334 O 104/13 -, LG Krefeld vom 08.03.2016 – 2 S 60/15 – und in Teilen der Literatur vertretenen Rechtsansicht an, § 940a ZPO beinhalte eine Wertung auch hinsichtlich der Voraussetzungen für den Erlass einer Räumungsverfügung im Bereich der gewerblichen Miete. Auch wenn der Gesetzgeber mit der Norm des § 940a Abs. 2 ZPO nur den Erlass einer Räumungsverfügung bei Wohnraum habe erweitern wollen, habe dies Auswirkungen auf das Bestehen eines Verfügungsgrundes nach §§ 935, 940 ZPO bei Geschäftsräumen. Denn vom Ausgangspunkt her richte sich der Verfügungsgrund nach §§ 935, 940 ZPO. Im Wohnraummietrecht sei durch § 940a Abs. 2 ZPO dieser Verfügungsgrund dahingehend eingeschränkt, dass auch die weiteren Voraussetzungen dieser Norm vorliegen müssten.  Die Erweiterung des § 940a ZPO durch die Einfügung von Abs. 2 habe demzufolge nicht nur den Ausnahmetatbestand für eine Räumungsverfügung im Wohnraum erweitert, sondern zeige auch, dass der Gesetzgeber den dadurch geschaffenen Verfügungsgrund als von §§ 935, 940 ZPO umfasst ansähe. Der Gesetzgeber würde aufzeigen, dass der in § 940a Abs. 2 ZPO enthaltene Verfügungsgrund selbst dann eingreifen könne, wenn die für den Wohnraum aufgestellten strengeren Maßstäbe des §940a ZPO nicht vorliegen würden. Lassen aber §§ 935, 940 ZPO den Verfügungsgrund des § 940a Abs. 2 ZPO mit den strengen Maßstäben des § 940a ZPO für Wohnraum  zu, sei die Annahme gerechtfertigt, dass dies erst Recht im Rahmen der weniger strengen allgemeinen Maßstäbe der §§ 935, 940 ZPO auch § 940a Abs. 2 ZPO gelten müsse. Die Regelung des § 940 ZPO enthalte auch eine Öffnungsklausel, denn sie lasse eine Regelungsverfügung auch dann zu, wenn dies „aus anderen Gründen“ nötig erscheine, weshalb die Wertung des Gesetzgebers mit der Einführung des § 940a Abs. 2 ZPO im Bereich der gewerblichen Miete berücksichtigt werden könne.

Anmerkung: Eine Rechtssicherheit besteht hier weder für den Vermieter noch für den Nutzer.  Gleichwohl könnte es für den Vermieter bedeutsam sein, das schnellere Verfahren der einstweiligen Verfügung zu nutzen, als einen evtl. langwierigen Prozess gegen den Nutzer anstrengen zu müssen.

OLG Dresden, Urteil vom 29.11.2017 - 5 U 1337/17 -

Dienstag, 27. Februar 2018

Werbevertrag: Unwirksame automatische Verlängerungsklausel (fehlende Transparenz)

Die Parteien schlossen am 22.03.2010 einen Vertrag über eine Werbefläche auf einem Sozialmobil, dass einem Pflegestift überlassen werden sollte. Vereinbart wurde eine Basislaufzeit von fünf Jahren. In den Auftragsbedingungen hieß es u.a.: „Die Werbelaufzeit beginnt mit der Auslieferung des Fahrzeugs an den Vertragspartner. Der Vertrag verlängert sich automatisch ohne Neubeantragung um weitere 5 Jahre, wenn nicht 6 Monate vor Ablauf des Vertrages schriftlich gekündigt wird.“ Die Klägerin lud die Beklagte auf den 14.07.2010 zur Teilnahme an der „offiziellen Fahrzeugübergabe“ am das Pflegstift ein. Mit Schreiben vom 03.03.2015 wies die Klägerin darauf hin, dass sich das Vertragsverhältnis mangels Kündigung um fünf Jahre verlängert habe. Die Beklagte focht den vertrag unter dem 09.03.2015 wegen arglistiger Täuschung an, erklärte ferner den Rücktritt und die Kündigung von diesem.

Die auf Zahlung gerichtete Klage wurde vom Amtsgericht zurückgewiesen, ebenso wie deren Berufung. Die vom Landgericht zugelassene Revision wurde vom BGH zurückgewiesen.

Das Landgericht habe zu Recht angenommen, dass die Verlängerungsklausel einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht standhalten würde. Danach seien Klauseln unwirksam, die dem Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Der Verwender sei verpflichtet, seinem Vertragspartner dessen Rechte und Pflichten möglichst klar und durchschaubar darzustellen, wo zu auch gehöre, dass wirtschaftliche Belastungen und Nachteile deutlich , wie nach den Umständen möglich und zumutbar, erkennen ließen (Transparenzgebot). De Verstoß gegen das Transparenzgebot führe auch gegenüber einem Unternehmer zur Unwirksamkeit formularmäßiger Geschäftsbedingungen.

Die Regelung für die Kündigungsfrist knüpfe vorliegend an den Ablauf des Vertrages. Der Ablauf läge 5 Jahre nach Vertragsbeginn. Dieser Vertragsbeginn sei aber nicht eindeutig. Nach der Formularregelung beginne die Frist mit der Auslieferung des Fahrzeugs „an den Vertragspartner“. Allerdings sei das Pflegestift nicht der „Vertragspartner“ dieses Werbevertrages; unklar bleibe, ob die Auslieferung an die Klägerin oder die Übergabe an das Pflegestift maßgeblich sein solle. Für die Maßgeblichkeit der Auslieferung an die Klägerin spräche, dass diese die Kosten des Fahrzeuges trage und von daher ein Interesse an gleichzeitig beginnenden Einnahmen habe; für die Maßgeblichkeit der Übergabe an das Pflegestift spräche, dass erst ab diesem Zeitpunkt das Sponsoring qua Werbung seine Wirkung entfalte qua Einsatz im öffentlichen Verkehr.

Folge der Intransparenz sei, dass  - da die automatische Verlängerungsklausel eine vorherige effektive Kündigungsmöglichkeit voraussetze – sowohl Verlängerungs- als auch Kündigungsklausel unwirksam seien. Eine geltungserhaltende Reduktion scheide aus.


BGH, Urteil vom 25.10.2017 - XII ZR 1/17 -

Mittwoch, 21. Februar 2018

Kostenlast bei verfrühter Klage nach einem Verkehrsunfall

Nach einem Verkehrsunfall vom 05.01.2017 forderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers von der beklagten Haftpflichtversicherung  mit Schreiben vom 13.01.2017 einen vorläufig mit € 8.257,44 bezifferten Schadensersatz unter Fristsetzung bis zum 27.01.2017. Mit weiterem Schreiben vom 31.01.2017 überließ er den von der beklagten Versicherung erbetenen ausgefüllten Fragebogen für Anspruchsteller. Die Klageschrift vom 14.02.2017,  mit der € 9.384,67 zuzüglich vorgerichtlicher Anwaltskosten sowie Zinsen geltend gemacht wurden, ging bei dem Landgericht am 17.02.2017 ein; sie richtete sich gegen den Fahrer des haftpflichtversicherten Fahrzeuges und seine Versicherung.  Ausgehend von einer Haftungsquote zu 50% zahlte die Versicherung eingehend am 06.03.2017 € 4.650,69 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von € 492,54.  Die Klage wurde am 08.03.2017 zugestellt. Der Kläger nahm die Klage in Höhe der gezahlten Beträge zurück. In Ansehung des zurückgenommenen Teils der Klage hat das Landgericht die Kosten zu Lasten des Klägers festgestellt. Dagegen richtete sich die nach § 269 Abs. 5 S. 1 ZPO zulässige Beschwerde des Klägers. Das Landgericht half ihr nicht ab; das OLG Saarbrücken wies sie zurück.

Nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO hat das Gericht nach billigen Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes über die Kosten zu entscheiden, wird die Klage deshalb zurückgenommen, da der Anlass für die Klage vor Rechtshängig (d.h. Zustellung) weggefallen.  Der Kläger habe, so das OLG, darzulegen und zu beweisen, dass seine Belastung mit Kosten billigen Ermessen widerspräche (BGH vom 06.10.2005 - I ZB 37/05 -). 

Vorliegend sei zu berücksichtigen, dass dem Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer bei der Regulierung grundsätzlich eine Prüfpflicht zuzubilligen sei. Vor deren Ablauf würde Verzug nicht eintreten und sei eine Klage nicht veranlasst. Erhebe der Geschädigte vor Ablauf der Prüffrist Klage, könne der Versicherer noch ein sofortiges Anerkenntnis unter Verwahrung gegen die Kostenlast abgeben (§ 93 ZPO) oder bei fristgerechter Regulierung und anschließender Klagerücknahme oder übereinstimmender Erledigungserklärung auf eine ihm günstige Kostenentscheidung vertrauen. Die Prüffrist läge im Interesse aller pflichtversicherten Kraftfahrzeughalter, da diese mit ihrer Prämie die Unfallschäden im Ergebnis zu tragen hätten. Ein Anlass zur Klageerhebung fehle auch dann, wenn der Versicherer die Zahlung von der Einreichung von Schadensbelegen abhängig mache oder wegen nicht prüffähiger Belege verweigere, sofern er mitteilt, welche Angaben und Unterlagen er noch benötige. Ein dilatorisches Verhalten des Versicherers dürfe allerdings nicht vorliegen.

Die Prüffrist beginne mit dem Zugang eines spezifizierten Anspruchsschreibens. Die Dauer der Frist hänge von den Umständen des Einzelfalls ab. Bei durchschnittlichen Verkehrsunfällen würde gemeinhin eine Prüffrist von vier bis sechs Wochen angenommen.
  
Der gegnerische Haftpflichtversicherer benötige stets zur sachgerechten Prüfung seiner Eintrittspflicht und des Haftungsgrundes zumindest kurze Angaben zum Unfallgeschehen. Wird nicht von den Unfallbeteiligten vor Ort bereits ein Unfallprotokoll ausgefüllt und dem Haftpflichtversicherer überlassen, könne der Anspruchsteller nicht davon ausgehen, dass der Versicherer von dem Unfallgegner bereits informiert wurde.  Die entsprechenden Angaben seien hier erst mit dem Fragebogen für Anspruchsteller, der mit Schreiben vom 31.01.2017 überlassen wurde, erfolgt.  Das Schreiben vom 13.01.2017 habe sich auf Angaben zum Unfallort und die Unfallzeit beschränkt und nicht einmal eine grobe Darstellung des Unfallhergangs aus Sicht des Klägers enthalten. Mangels Hergangsschilderung zum Unfall sei daher eine Prüfung für den Versicherer nicht möglich gewesen.

Vor diesem Hintergrund habe der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen, die dem Wert der Teilrücknahme der  Klage entsprechen.


OLG Saarbrücken, Beschluss vom 10.11.2017 - 4 W 16/17 -

Freitag, 16. Februar 2018

Zur Überzeugungsbildung des Tatrichters nach § 286 ZPO alleine durch Anhörung der beweisbelasteten Partei

Die Beklagten hatten unter Fälschung der Unterschrift der Klägerin zwei Sparbücher derselben mit € 58.735,54 aufgelöst und das Geld in ein von ihnen zuvor angemieteten Schließfach eingelegt. Knapp ein Jahr später erstattete die Klägerin Strafanzeige gegen die Beklagten wegen Diebstahls der Sparbücher und Urkundenfälschung; es stellte sich heraus, dass die Klägerin die Auflösungs- und Auszahlungsanträge selbst unterzeichnet hatte.

Die Beklagten hatten unter Fälschung der Unterschrift der Klägerin zwei Sparbücher derselben mit € 58.735,54 aufgelöst und das Geld in ein von ihnen zuvor angemieteten Schließfach eingelegt. Knapp ein Jahr später erstattete die Klägerin Strafanzeige gegen die Beklagten wegen Diebstahls der Sparbücher und Urkundenfälschung; es stellte sich heraus, dass die Klägerin die Auflösungs- und Auszahlungsanträge selbst unterzeichnet hatte.

Die Klage auf Zahlung von  € 58.735,54 gegen die Beklagte wies das Landgericht zurück. Dabei stützte es sich auf die Behauptung der Beklagten, den Betrag zurückgezahlt zu haben. Gegenüber dieser Behauptung sei die Klägerin beweisfällig geblieben. Die Beklagten hätten in der mündlichen Verhandlung detailreich und frei von Widersprüchen die von der Klägerin bestrittene Rückgabe des Geldes geschildert; vor diesem Hintergrund sei es Sache der Klägerin gewesen, diese Darstellung zu widerlegen.  Auf die von der Klägerin eingelegte Berufung änderte das OLG dieses teilweise dahingehend ab, als es das Urteil insoweit änderte, als der Beklagte zu 1. Antragsgemäß verurteilt wurde. Die von diesem eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde führte zur Aufhebung des Urteils durch den BGH und Zurückverweisung an das OLG.

Das Berufungsgericht habe den Beklagten zu 1. Korrekt als Verwahrer angesehen und damit als verpflichtet, das Rückforderungsrecht der Klägerin gem. § 695 S. 1 BGB erfüllt zu haben. Rechtsfehlerhaft und entgegen Art. 103 Abs. 1 GG habe das Berufungsgericht nicht die informatorischen Angaben des Beklagten, die dieser vor dem Landgericht tätigte, berücksichtigt. Zwar sei die Parteianhörung nach § 141 ZPO kein Beweismittel, weshalb auf dieser Grundlage auch ein Beweisantrag der Gegenpartei nicht abgelehnt werden könne. Allerdings sei es dem Tatrichter nach § 286 ZPO erlaubt, alleine aufgrund des Vortrages einer Partei und ohne Beweiserhebung festzustellen, was für wahr und was für unwahr zu erachten sei.  Er kann den Angaben auch glauben, wenn die Partei ihre Angaben ansonsten (mangels einer erforderlichen Anfangswahrscheinlichkeit auch nicht im Rahmen der Parteivernehmung) beweisen könne, und ihr auch im Einzelfall sogar den Vorzug vor den Bekundungen eines Zeugen oder des als Partei vernommenen Prozessgegners geben. Eine von der Würdigung des erstinstanzlichen Gerichts abweichende Würdigung sei dem Berufungsgericht ohne Wiederholung der Vernehmung verwehrt. Das habe das Berufungsgericht verkannt, welches den Inhalt der (verwerteten) erstinstanzlichen Parteianhörung des Beklagten zu 1. Schlicht für unbeachtlich erklärte. Im Rahmen des § 286 ZPO hätte das Berufungsgericht sich ebenfalls mit den Angaben des Beklagten auseinandersetzen und ggf. eine informatorische Anhörung nach § 141 ZPO durchführen müssen, um sich im Rahmen der Beweislastverteilung eine eigene Überzeugung nach § 286 ZPO zu bilden. Der Umstand, dass eine Anhörung der Klägerin wegen Verhandlungsunfähigkeit nicht (mehr) erfolgen kann,. Steht der Anhörung des Beklagten im Hinblick auf den Gesichtspunkt der Waffengleichheit nicht entgegen, da dieses gebot eine Anhörung nicht für den Fall untersagt, dass aus tatsächlichen Gründen nur eine Partei angehört werden könne.

Die Zurückverweisung erfolgte, damit da Berufungsgericht die Anhörung nachholen kann.


BGH, Beschluss vom 27.09.2017 - XII ZR 48/17 -

Sonntag, 11. Februar 2018

Indexmiete: Zum Inhalt des Erhöhungsverlangens

In dem Mietvertrag der Parteien aus dem Jahr 2006 (mit Laufzeit bis zum 16.01.2015) war eine Indexierung der Miete vorgesehen. Danach sollte „der Mietzins durch den vom statistischen Bundesamt ermittelten Verbraucherpreisindex für Deutschland“ bestimmt werden. Ferner hieß es im Vertrag: „Zur Anpassung des Mietzinses bedarf es einer Erklärung in Textform, wobei die Änderung des Preisindex sowie die geänderte Miete oder die Erhöhung betragsmäßig in Geld anzugeben ist.“ Die Beklagten erhöhten die Miete mit Schreiben vom 23.10.2013 ab Dezember 2013 um € 85,00/Monat und führten aus:

„Der maßgebliche Verbraucherpreisindex ist seit August 2006 von 94,2 Punkten auf 106,1 Punkte (Stand September 20913) gestiegen… Dies nehmen wir zum Anlass, die bisherige Miete von 690,00 € um (abgerundet) 85,00 € auf 775,00 € zu erhöhen. …“

Die Erhöhung wurde vom dem klagenden Mieter nicht gezahlt. Bei Mietende zog die Beklagte die durch die Erhöhung bedingte offene Miete vom Kautionsguthaben ab. Die Klage des Mieters auf Zahlung der restlichen Kaution hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Die zugelassene Revision führte zur Klageabweisung.

Der BGH stützt seine Entscheidung auf § 557b Abs. 3 Satz 1 und 2 BGB. Danach müsse eine Änderung der Miete nach § 557b Abs. 1 BGB (Indexvereinbarung) in Textform geltend gemacht werden. Anzugeben seien die eingetretene Änderung des Preisindexes sowie die jeweilige Miete oder die Erhöhung in einem Geldbetrag. Dem genüge die Erklärung der Beklagten. Es seien in dem Schreiben der Index zum Stand des Mietbeginns, der aktuelle Index und der Betrag, um den sich die Miete erhöht sowie die künftig geschuldete Kaltmiete angegeben worden. Diese notwendigen Angaben seien zur rechnerischen und inhaltlichen Nachprüfung der geforderten Mieterhöhung ausreichend.

Entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Ansicht sei es nicht erforderlich, dass über den eindeutigen als auch abschließenden Wortlaut des § 557b Abs. 3 BGB hinaus angegeben werden,. Welche prozentuale Veränderung sich aus dem im Erhöhungsschreiben mitgeteilten Indexdaten ergäbe. Auch aus Sinn und Zweck der Norm würde sich nichts anderes ergeben. Es läge auf der Hand, dass sich (soweit vertraglich nichts anderes bestimmt wurde, worauf der BGH nicht verweist) eine Indexmiete im gleichen Verhältnis verändere wie der Index selbst. Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts verlange, dass der Vermieter dem Mieter die einzelnen einfachen Rechenschritte „vorrechnen“ müsse, wofür es im Gesetz (und der Gesetzesbegründung BT-Drucks. 14/4533, S. 53) keine Grundlage gäbe.

Auch habe die Beklagte nicht einen im Gesetz nicht vorgesehenen Index zugrunde gelegt. Der in § 557b Abs. 1 BGB genannte Index („Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in Deutschland“) würde lediglich vom Statistischen Bundesamt seit Januar 2003 als „Verbraucherpreisindex für Deutschland (VPI)" bezeichnet.


BGH, Urteil vom 22.11.2017 - VIII ZR 291/16 -

Freitag, 9. Februar 2018

Fitnessstudiorecht: Migräne ist kein Kündigungsgrund

Der Beklagte kündigte den Fitnessstudiovertrag aus krankheitsbedingten Gründen fristlos. Als Grund benannte der Beklagte Migräne sowie Spannungskopfschmerzen, die - seinen Angaben zufolge - beim Sport und damit beim Training im Fitnessstudio auftreten würden. Der Kläger bestritt die behauptete Erkrankung und insbesondere einen Zusammenhang mit einem Training in seinem Fitnessstudio und machte geltend, dass selbst bei Vorliegen der benannten Erkrankung der Beklagte trainieren könne. Darauf basierend forderte er das weitere Nutzungsentgelt.

Das Amtsgericht hat ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt. Auf der Grundlage dieses Gutachtens gab es der Klage statt. Zwar habe der Sachverständige bei dem Beklagten Migräne mit Aura und Spannungskopfschmerzen bejahrt, allerdings ausgeführt, die Ursache sei unklar. Alternativen seien denkbar und nach Angaben des Beklagten hätte die Migräne während der „Sportzeit“ des Beklagten über mehrere Jahre nicht zugenommen. Nach den vom Amtsgericht übernommenen Angaben des Sachverständigen anlässlich seiner Anhörung im Termin sei es medizinisch nicht möglich, konkrete Ursachen für eine Migräne und daraus resultierenden Kopfschmerzen festzustellen. Zwar seien bei Studien sogen. Tiggerfaktoren erstellt worden, die von Betroffenen als Ursache für eine Migräne angegeben worden seien, doch ließe sich daraus nichts ableiten, da es sich um rein subjektive und nicht objektivierbare Angaben der Patienten handele. Der Sachverständige könne zwar eine (Mit-) Ursache von Sport nicht ausschließen, doch sei eine Monokausalität nicht ermittelbar.

Der Beklagte aber sei für das Vorhandensein des Kündigungsgrundes darlegungs- und beweisbelastet. Ein zureichender Zusammenhang zwischen den Beschwerden des Beklagten und der Fitnessstudionutzung ließe sich aber nach den Darlegungen des medizinischen Sachverständigen nicht feststellen.

Hinzu käme vorliegend, dass der Beklagte nach eigenen Angaben gegenüber dem Sachverständigen angab, auch jetzt noch Sport in Form von Joggen zu betreiben. Da der Vertrag mit dem Kläger auch für Gerätetraining ausgelegt war, was mithin auch Laufbänder, Ergometer etc. einschließe und nicht nur eine Ausrichtung auf Kraftsport bedeute, sei dem Beklagten auch vor diesem Hintergrund eine Nutzung weiterhin möglich gewesen.


AG Geldern, Urteil vom 07.02.2018 - 17 C 205/16 -