Posts mit dem Label titel werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label titel werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Mittwoch, 24. Mai 2023

Vollstreckung des titulierten Anspruchs auf Heckenrückschnitt

Die Schuldnerin hatte sich in einem gerichtlichen Vergleich verpflichtet, „die sich über die Länger der überdachten Terrasse der der Beklagten ziehende Bepflanzung auf ihrer Seite auf einer Höhe von 2,50 m zu kürzen und auf dieser Höhe zu halten“. Dem kam sie aber nicht nach, weshalb der Gläubiger beantragte, gegen die Schuldnerin ein Zwangsgeld, für den Fall der Nichtzahlung desselben Zwangshaft festzusetzen. Den beantragten Beschluss erließ das Landgericht und setzte ein Zwangsgeld von € 500,00, ersatzweise Zwangshaft für je € 500,00 1 Tag, fest. Der dagegen von der Schuldnerin eingelegten Beschwerde half das Landgericht nicht nach; das Oberlandesgericht hob den angefochtenen Beschluss sodann auf und wies den Antrag des Gläubigers zurück.

Das Oberlandesgericht wie auf die Unterschiede in §§ 888 Abs. 1 und 887 ZPO hin. § 888 Abs. 1 ZPO ist für Zwangsvollstreckungen bei vertretbaren Handlungen, § 888 ZPO für Zwangsvollstreckungen bei nicht vertretbaren Handlungen anwendbar. Hier sei aber der Antrag nach § 888 ZPO (Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft) gestellt worden, obwohl ein Fall des § 887 ZPO vorgelegen habe.

Eine vertretbare Handlung liege vor, wenn das geschuldete Verhalten von einem Dritten anstelle der Schuldnerin vorgenommen werden könne, ohne dass es dem Gläubiger darauf ankäme, dass die Handlung gerade von der Schuldnerin vorgenommen wird (BGH, Beschluss vom 27.11.2008 - I ZB 46/08 -). Anderes könne nur angenommen werden, wenn die Vollstreckung von einer Mitwirkung eines Dritten abhänge, gegen den sich der titulierte Leistungsanspruch nicht richte.  Erteile der Dritte sein Einverständnis nicht, könne der Schuldner seiner Verpflichtung nicht nachkommen und wäre auch ein Dritter dazu nicht in der Lage; in diesem Fall läge eine nicht vertretbare Handlung iSv. § 888 Abs. 1 ZPO vor (BGH, Beschluss vom 27.11.2008 aaO.; BGH, Beschluss vom 09.10.2013 - I ZB 51/11 -).

Da der geschuldete Rückschnitt auch von einem Dritten vorgenommen werden könne (BGH, Beschluss vom 19.03.2004 - IXa ZB 328/03 - zur Beseitigung von Anpflanzungen; OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.03.2022 - 26 W 19/21 - zur Beseitigung von Zäunen) handele es sich grds. um eine vertretbare Handlung. Es sei für den Gläubiger rechtlich als auch wirtschaftlich gleichgültig, ob die Schuldnerin selbst oder ein Dritter für diese die Arbeiten durchführt. Dass hier der Rückschnitt noch von der Zustimmung eines Dritten abhängig wäre, sei auch nicht ersichtlich. Damit fehle es bereits an einem schlüssigen, das beantragte Zwangsmittel des § 888 ZPO begründenden Sachvortrag des Gläubigers.

Das OLG wies darauf hin, dass alleine der Umstand, dass die Schuldnerin als Eigentümerin des Grundstücks dessen betreten durch Dritte versagen könne, nicht dazu führe, die Handlung als unvertretbar iSv. § 887 ZPO anzusehen. Unter Beachtung der Grenzen aus § 38 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 BNatSchG sei sie zum Rückschnitt der Hecke auf eine Höhe von 2,50 m verpflichtet. Damit müsste das Landgericht ggf. auf Antrag des Gläubigers diesen ermächtigen, die erforderlichen Maßnahmen unter Beachtung der naturschutzrechtlichen Grenzen selbst (Anm.: oder durch einen Dritten) vorzunehmen und der Schuldnerin aufzugeben, das Betreten des Grundstücks zu diesem Zweck zu dulden (OLG Hamm, Beschluss vom 23.09.1983 - 14 W 121/93 -).

Eine Umdeutung des nach § 888 ZPO gestellten Antrages als einen solchen nach § 887 ZPO scheide aus. Die Zwangsmittel seien so wesensverschieden, dass eine solche Umdeutung allenfalls in Betracht käme, wenn der der Gläubiger seinen Antrag nach § 887 ZPO hilfsweise (notfalls) als einen solchen nach § 887 ZPO behandelt wissen will (OLG Hamm, Beschluss vom 23.09.1983 - 14 W 121/83 -). Diese Voraussetzung läge hier nicht vor.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.03.2023 - 26 W 1/23 -

Mittwoch, 16. Dezember 2020

Räumungsvollstreckung und COVID-19 im Licht von § 765a ZPO

 

Der Gläubiger betrieb aus einem vollstreckunbaren Zuschlagsbeschluss die Zwangsräumung des ehemals im Eigentum des Schuldners stehenden Grundstücks. Der Antrag des Schuldners auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung wurde vom Amtsgericht zurückgewiesen. Die dagegen vom Schuldner eingelegte Beschwerde des Schuldners blieb ohne Erfolg.

Das Landgericht wies in seiner Entscheidung über die Beschwerde darauf hin, dass nach § 765a ZPO eine Zwangsvollstreckung vom Vollstreckungsgericht ganz oder teilweise eingestellt werden müsste, wenn sie unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände für den Schuldner eine Härte darstellen würde, die nicht mehr mit den guten Sitten vereinbar wäre. Zu berücksichtigen sie, dass § 765a ZPO eine Ausnahmevorschrift sei und daher nur Anwendung finden könne, wenn nach Abwägung der Interessen die Vollstreckung durch den Gläubiger zu einem tragbaren Ergebnis führe (BGH, Beschluss vom 24.11.2005 - V ZB 99/05 -). Auf Gläubigerseite sei bei der Abwägung das grundrechtlich geschützte Vollstreckungsinteresse zu berücksichtigen, da dem Staat auch die Pflicht obliege, titulierte Ansprüche notfalls im Weger der Zwangsvollstreckung durchzusetzen. Eine sittenwidrige Härte wäre die Vollstreckung dann, wen sie den Schuldner schädige, ohne dem Gläubiger Nutzen zu bringen. Ebenso sei die Vollstreckung unzulässig, wenn sie das Leben oder die Gesundheit des Schuldners (so bei Suizidgefahr) oder eines seiner Angehörigen unmittelbar gefährde.

Diese Voraussetzungen für eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nahm das Landgericht hier nicht an. Dabei würden die mit einer Vollstreckung regelmäßig einhergehenden Belastungen des Schuldners nach der zugrundeliegenden Wertung nicht das Vollstreckungsinteresse des Gläubigers aufwiegen können.

Der Schuldner wies auf durch COVID-19 bedingte Kotaktbeschränkungen hin. Dies würden (zum Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses) derzeit nicht bestehen, doch würden diese auch die Vollstreckung nicht hindern können. Es sei nämlich zwischen dem Gerichtsvollzieher und dem Gläubiger kein physischer Kontakt bei der Räumung notwendig. Letztlich läge dies am Verhalten des Schuldners.

Ebenso sei bei der Zwangsräumung ein unmittelbarer Kontakt des Schuldners mit dem Gläubiger erforderlich, da der Gläubiger nicht anwesend sein müsse. Im Übrigen würde der Gerichtsvollzieher entscheiden, inwieweit und mit welchen Maßnahmen eine Vollstreckung durchführbar sei. Auch stehe es dem Schuldner fei. Jederzeit freiwillig vor Eintreffen des Gerichtsvollziehgers auszuziehen, wobei sich der Schuldner auch eines Umzugsunternehmens bedienen könne. Ebenso könne auch eine Ersatzwohnung mittels elektronischer Kommunikationsmittel kontaktlos erfolgen.

Soweit die Gefahr einer Beeinträchtigung des Grundrechts auf Leben du körperliche Unversehrtheit behauptet wurde, müsse der Eintritt dieser Gefahr anhand objektiv feststellbarer Umstände mit hinreichend er Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. So sei ein nicht substantiiertes ärztliches Attest aussagelos. Den entsprechenden AnfordeRungen sei der Vortrag des Schuldners nicht gerecht geworden.

Die Erhöhung eines Infektionsrisikos mit Corona könne durch geeignete Maßnahmen auf ein Minimum reduziert werden und läge insbesondere im Einflussbereich des Schuldners.

Einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wegen eines grippalen Infekts ließe sich keine Ursächlichkeit der Erkrankung durch die Räumung entnehmen, würde diese Erkrankung aber auch der Räumung nicht entgegenstehen. Sollte mit der Bescheinigung angedeutet werden, dass sich der Schuldner mit dem Corona-Virus infiziert habe, wäre dies fernliegend, da sei dem 01.04.2020 (vor Erstellung der Bescheinigung) der gesonderte Diagnoseschlüssel U07.1 ! und U07.2 ! gelten würden und auf der Bescheinigung der Schlüssel für eine „akute Infektion der oberen Atemwege, nicht näher bezeichnet“ stünde, ohne dass dies durch den Schuldner spezifiziert worden wäre.

Den Erwägungen des Schuldners würde das überwiegende Vollstreckungsinteresse des Gläubigers entgegenstehen.

LG Verden, Beschluss vom 08.05.2020 - 6 T 33/20 -

Montag, 12. März 2018

Zwangsvollstreckung: Tritt mit Zahlung an den Gerichtsvollzieher Erfüllung ein ?


Es ist der alltägliche Fall einer Prozesskanzlei: Die Vollstreckung aus Titeln. Hier kommt es häufig zu Verzögerungen durch eine lange Bearbeitungsdauer bei einem beauftragten Gerichtsvollzieher. Und auch nicht selten werden (auch höhere) Beträge nicht unverzüglich nach Geldeingang beim Gerichtsvollzieher von diesem ausgezahlt, wie auch möglicherweise der Gerichtsvollzieher die Vollstreckungsunterlagen mit dem Vermögensverzeichnis zurückgibt, danach z.B. vom Gläubiger (-Vertreter) ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beantragt wird, aber zwischenzeitlich der ursprünglich von Gerichtsvollzieher einzutreibende Betrag bei diesem eingeht und dann nach Beantragung des Pfändungs. Und Überweisungsbeschlusses von dem eingehend bei dem Gläubiger (-Vertreter) gezahlt wird. Es stellt sich stets die Frage, ob die Erfüllung der Zahlungspflicht des Schuldners aus dem Titel bereits mit Eingang des Betrages bei dem Gerichtsvollzieher oder erst bei dem /Gläubiger-) Vertreter eintritt. Gerichtsvollzieher, die bei sich eingehende Beträge nicht umgehend weiterleiten, wollen wegen offener Zinsdifferenzen häufig nicht (weiter) vollstrecken mit der Begründung, durch Zahlung an sie sei erfüllt, wie auch Schuldner weitere bei dem Gläubiger entstehende Kosten für ergänzende Vollstreckungsmaßnahmen mit dem Hinweis der Erfüllung durch Zahlung eingehend bei dem Gerichtsvollzieher nicht leisten wollen.  

In seinem Beschluss vom 29.01.2009 – III ZR 105/08 – hat der BGH darauf verwiesen, § 815 Abs. 3 ZPO sehe vor, dass die Wegnahme des Geldes durch den Gerichtsvollzieher als Zahlung des Schuldners gelte. Daraus würde überwiegend eine Gefahrtragung nach § 270 BGB entnommen mit der Folge, dass, komme dem Gerichtsvollzieher vor einer Auszahlung desselben an den Gläubiger abhanden, dieser den Schuldner insoweit nicht mehr in Anspruch nehmen könne (so z.B. BGH, Urteil vom 30.01.1987 – V ZR 220/85 -).  In der Entscheidung vom 29.01.2009 konnte der BGH die Streitfrage offen lassen (a.A. z.B.  BGH in BGHZ 140, 391, 394).

Das LG Memmingen nimmt Bezug auf den Beschluss des BGH vom 29.02.2009 und führt aus, dass die Erfüllungswirkung der Zahlung des Schuldners erst mit Geldeingang bei dem Gläubiger eintrete. § 815 Ans. 3 ZPO stelle sich lediglich als eine Gefahrtragungsregelung dar. In seiner Entscheidung verweist das LG Memmingen darauf, dass der historische Gesetzgeber den Gerichtsvollzieher als privatrechtlichen Vertreter des Gläubigers behandelt habe, demgegenüber er nach den heutigen Regelungen hoheitlich tätig würde und von daher nicht als Vertreter des Gläubigers angesehen werden könne. Auch sei zu beachten, dass der Gerichtsvollzieher beauftragt werde, da der Schuldner nicht zeitgerecht geleistet habe. Käme es zu systemimmanenten Verzögerungen der Weiterleitung der Zahlung durch den Gerichtsvollzieher an den Gläubiger, sei der dadurch bedingte Verzögerungsschaden nicht dem Gläubiger, sondern dem Schuldner anzulasten.

LG Memmingen, Beschluss vom 27.10.2017 - 44 T 1289/17 -

Dienstag, 17. September 2013

Prozess- und Vollstreckungsrecht: Titulierung 8% statt 8 Prozentpunkte

Der BGH (hier im Beschluss vom 07.02.2013 - VII ZB 2/12 -) muss sich (leider) auch mit Ungenauigkeiten der Instanzgerichte befassen.  So wurde auf den Antrag eines Gläubigers die titulierte Summe mit 8% über dem Basiszinssatz als verzinslich ausgesprochen. Der Gerichtsvollzieher verweigerte den mit 8 Prozentpunkten über den Basiszinssatz berechneten Vollstreckungsauftrag, da er mit dem Titel nicht übereinstimmen würde. Während das titulierende Gericht eine Berichtigung des Titels ablehnte und dann im Rahmen der  Erinnerung im Vollstreckungsverfahren Amtsgericht und Landgericht auch den Vollstreckungsauftrag als fehlerhaft ansahen, führte die (zugelassene) Rechtsbeschwerde beim BGH zum Erfolg: Der Titel müsse ausgelegt werden. Maßstab der Auslegung ist das Gesetz, welches in § 288 Abs. 2 BGB die Verzinsung mit 8 Prozentpunkten über den Basiszins vorsieht.
Die (häufig in anwaltlichen Schriftsätzen) zu findende Ungenauigkeit, die gar noch von den Gerichten übernommen wird, findet eine Parallele auch im Basiszinssatz selbst. Dieser ist in § 247 BGB bestimmt. Häufig wird aber formuliert, dass die Verzinsung über dem Zinssatz oder Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank liegen soll. Für den Zinssatz der Europäischen Zentralbank fehlt aber eine Rechtsgrundlage. Der Basiszins gem. § 247 BGB knüpft zwar an den von der Zentralbank  festgestellten Zinssatz an, ist aber nicht mit diesem identisch. Nicht nur wird der Basiszinssatz nur jeweils zum 1.1. und 1.7. eines jeden Jahres gem. § 247 Abs. 1 Satz 2 BGB neu festgestellt, unabhängig von zwischenzeitlichen Änderungen des Zinssatzes der Zentralbank, auch liegt er etwas niedriger (was damit zusammenhängt, dass bei Inkrafttreten der Norm der Zinssatz höher als der zur Zeit des Gesetzesbeschlusses in § 247 Abs. 1 Satz 1 BGB benannte und diesem Datum entsprechende Ausgangszinssatz von 3,62% lag).
Der Anwalt sollte schon diese Grundlagen berücksichtigen, insbesondere wenn er den Schuldner vertritt. Und vom Gericht sollte man an sich die ausreichende Rechtskenntnis auch erwarten; nur darf man sich darauf nicht verlassen, wie die Entscheidung des BGH dokumentiert.

BGH, Beschluss vom 07.02.2014 - VII B 2/12 -