
Der Kläger erhob mit Klageschrift
vom 19.10.2016 eine Beschlussanfechtungsklage gegen verschiedene Beschlüsse der
Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) vom 17.10.2016. Den angeforderten
Kostenvorschuss zahlte er am 16.11.2016. Am 17.11.2016 erweiterte der Kläger
die Klage und das Amtsgericht setzte den Streitwert vorläufig fest. Dieser
Beschluss wurde dem Kläger zusammen mit einer Kostenrechnung vom 24.11.2016 und
dem Hinweis zugestellt, Rechtshängigkeit sei noch nicht eingetreten. Den
weiteren Kostenvorschuss zahlte der Kläger nicht und erkundigte sich mit
Schriftsatz vom 15.12.2020, wann das Amtsgericht entscheide. Die Klageschrift
wurde nunmehr am 25.01.2021 zugestellt. Die Klage wurde abgewiesen; die
Berufung war erfolglos. Das Berufungsgericht wies darauf hin, dass die
Klagefrist nach § 46 Abs. 1 S. 2 WEG a.F. nicht gewahrt sei, da die Zustellung
im Januar 2021 nicht mehr „demnächst“ iSv. § 167 ZPO erfolgt sei. Der Kläger
habe nicht vier Jahre nach Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses für die
zuerst erhobene Klage bis zur Sachstandsnachfrage zuwarten dürfen.
Die zulässige Revision blieb
erfolglos. Die Klagefrist des hier noch nach § 48 Abs. 5 WEG anwendbaren § 46
Abs. 1 S. 2 WEG (jetzt § 45 Abs. 1 WEG) in der bis zum 30.11.2020 geltenden
Fassung sei versäumt. Die Zustellung sei
nicht innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung am 17.10.2016 erfolgt,
da sie auch nicht „demnächst“ iSv. § 167 ZPO zugestellt worden sei, so dass die
Zustellung nicht auf den Tag des Eingangs der Klageschrift bei Gericht, an dem
die Klagefrist noch nicht abgelaufen gewesen wäre, zurückwirke.
„Demnächst“ erfolge eine
Zustellung, wenn sich die der Partei zurechenbare Verzögerung in einem
hinnehmbaren Rahmen halte. Das werde bei 14 Tagen regelmäßig angenommen, wobei
darauf abgestellt werden, um wie viele Tage sich der ohnehin für die Zustellung
erforderliche Zeitraum infolge der Nachlässigkeit der Partei verzögert habe.
Nicht zuzurechnen seien allerdings Verzögerungen bei der Zustellung durch eine
fehlerhafte Sachbehandlung durch das Gericht, auch wenn diese fehlerhafte
Sachbehandlung durch eine der Partei zuzurechnende Verzögerung erfolgt sei
(BGH, Urteil vom 21.07.2023 - V ZR 215/21 -). Unterbleibe allerdings eine
Vorschussanforderung durch das Gericht, bestünde eine Nachfrageobliegenheit der
Partei innerhalb angemessener Frist (BGH, Urteil vom 25.09.2015 - V ZR 203/14
-). Wenn die Partei allerdings ihre geforderten Mitwirkungshandlungen erbracht
habe, also insbesondere auch den Gerichtskostenvorschuss zahlte, bestünde
grundsätzlich keine Veranlassung mehr, das gerichtliche Vorgehen zu
kontrollieren und durch Nachfrage auf eine Beschleunigung hinzuwirken (BGH, Beschluss
vom 07.04.2022 - V ZR 165/21 -).
Im Hinblick auf die Einzahlung
des Gerichtskostenvorschusses könnten dem Kläger keine Vorwürfe gemacht werden.
Auch hätte das Amtsgericht die Zustellung der ursprünglichen Klage nicht von
der Einzahlung des weiteren Gerichtskostenvorschusses für die Klageerweiterung
abhängig machen dürfen, da Klage und Klageerweiterung sich hier bei der
Anfechtung von Wohnungseigentümerbeschlüssen hätten trennen lassen.
Allerdings sei der Kläger trotz
der rechtzeitig und ausreichenden Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses gehalten
gewesen, sich bei dem Amtsgericht nach dem Sachstand er Zustellung zu
erkundigen; dieser seiner Obliegenheit sei er durch die erst am 15.12.2020
erfolgte Nachfrage nicht nachgekommen.
Den Kläger treffe in einem
wohnungseigentumsrechtlichen Beschlussanfechtungsverfahren die Obliegenheit, bei
Verzögerungen der Klagezustellung spätestens innerhalb eines Jahres nach Ablauf
der Monatsfrist zur Erhebung der Anfechtungsklage bei Gericht den Sachstand zu
erfragen, auch wenn er alle geforderten Mitwirkungspflichten (so die Zahlung
des Gerichtsostenvorschusses) erbracht habe. Erfülle er diese Obliegenheit
nicht, beginne im Rahme der Prüfung der Voraussetzungen des § 167 ZPO („demnächst“)
zuzurechnende Zeitraum einer Zustellungsverzögerung.
Zwischen den Miteigentümern einer
WEG bestünde ein gesetzliches Schuldverhältnis durch welches
Verhaltenspflichten begründet würden (§ 14 WEG a.F., jetzt § 14 WEG), aus dem sich
auch darüberhinausgehende Treue- und Rücksichtnahmepflichten iSv. § 241Abs. 2
BGB ergäben. Bei Beschlussanfechtungsklagen ergäben ich Treue- und Rücksichtnahmepflichten
aus dem Sinn und Zweck der Ausschlussfristen (§ 46 Abs. 1 S. 2 WEG a.F., § 45
S. 1 WEG). Die Beschlussfassung nach § 23 Abs. 1 S. 1 WEG sei ein zentrales
Element der Willensbildung der WEG zur Regelung ihrer Angelegenheiten und die
Ausschlussfrist sei Ausdruck des gesetzgeberischen Anliegens, über die
Herstellung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit die ordnungsgemäße
Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zu gewährleisten. Wohnungseigentümer
und Verwalter sollten In Kenntnis der Anfechtungsgründe alsbald Klarheit
darüber haben, ob, in welchem Umfang und aufgrund welcher tatsächlichen
Grundlagen gefasste Beschlüsse einer gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden
sollen (BGH, Urteil vom 28.12.2012 - V ZR 251/11 -). Dazu gehöre auch die
Frage, ob die Beschlüsse in Bestandkraft erwachsen sind und ab welchem
Zeitpunkt nicht mehr mit einer Klage zu rechnen sei. Diesbezügliche Klarheit
bestünde aber erst mit Zustellung der Klage. Die Fiktion des § 167 ZPO zur
Rückwirkung der Zustellung auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung könnte dem
zwar entgegenstehen, doch vertrat der BGH die Auffassung, dass das gesetzgeberische
Ziel der alsbaldigen Klarheit verfehlt würde, wenn selbst nach längerer Zeit
ein Klageverfahren über den Bestand gefasster Beschlüsse noch durchgeführt
werden könne. Die Sicherstellung sei geboten, da die Bestandskraft eines Beschlusses
für die Durchführung von Maßnahmen (so bauliche Veränderungen) oder
Folgebeschlüsse relevant sein könnte.
Von daher ergäbe sich für jeden
Wohnungseigentümer die Notwendigkeit, eine offensichtliche Untätigkeit des Gerichts
nicht nur hinzunehmen, sondern ihr zumindest durch eine Sachstandsanfrage
entgegenzuwirken.
Diesem Bedürfnis nach alsbaldiger
Rechtssicherheit und -klarheit trage die materiell-rechtliche Ausschlussfrist
zudem dadurch Rechnung, dass sie nicht disponibel und weder vom Gericht noch
die Parteien verlängert werden könne (BGH, Urteil vom 23.06.2023 – V ZR 28/22
-).
Der BGH verkennt nicht, dass für
den Rechtssuchenden in Ausnahmefällen wie hier für die Mitwirkungsobliegenheit
klar erkennbar sein müsse, was er zu tun habe, um einen Rechtsverlust zu
vermeiden (BVerfG, Beschluss vom 07.05.1991 – 2 BvR 215/90 -). Eine den Anforderungen an Fristenklarheit
entsprechende Frist ergäbe sich aus § 46 Abs. 1 S. 3 WEG a.F. (§ 45 S. 2 WEG)
iVm. § 234 Abs. 3 ZPO. Danach könne nach Ablauf von einem Jahre, vom Ende der versäumten
Frist an gerechnet, die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nicht mehr
beantragt werden. Diese Frist sei auch hier zu beachten und der klagende Wohnungseigentümer
habe deshalb innerhalb dieser Frist den Sachstand zu erfragen.
Nicht tangiert wären von der
Frist Gründe, die die Nichtigkeit von angefochtenen Beschlüssen begründen
würden. Nichtigkeitsgründe hätten aber nicht
vorgelegen.
BGH, Urteil vom 25.10.2024 -
V ZR 17/24 -