Die Klägerin erhob gegen eine Firma X Gesellschaft mit beschränkter Haftung, vertreten durch die Mehrheitsgesellschafterin VX Klage. Im Rahmen des schriftlichen Vorverfahrens erließ das Landgericht am 03.11.2023 ein Versäumnisurteil. Am 14.11.2023 teilte das Landgericht der Klägerin mit, dass sowohl das Versäumnisurteil als auch die Erstverfügung nicht hätten zugestellt werden können. Die Klägerin teile eine neue Anschrift der Gesellschaft mit. Nachdem dort die Erstverfügung und das Versäumnisurteil am 18.11.2023 zugestellt werden konnten, zeigte ein Rechtsanwalt die Vertretung von Frau YX an und teilte mit, diese habe „das Unternehmen veräußert“, was auch im Handelsregister vor Klageerhebung „vollzogen“ worden sei. Vorsorglich legte er Einspruch gegen das Versäumnisurteil ein, wobei er es ausdrücklich demjenigen vorbehielt, den Einspruch zu begründen, die die Gesellschaft/Beklagte tatsächlich vertritt. Das Landgericht beraumte Termin zur mündlichen Verhandlung an gewährte der Klägerin rechtliches <Gehör zur Frage der Passivlegitimation. Mit Beschluss vom 09.01.2023 hob das Landgericht den Termin auf und erteilte Hinweise zum Stand des Handelsregisters ab dem 04.07.2023 und dessen Folgen. Am 10.01.2024 teilte das Insolvenzgericht mit, dass am 04.01.2023 über das Vermögen der X GmbH des Insolvenzverfahren eröffnet worden sei, was das Landgericht der Klägerin und Frau YX zur Kenntnis brachte. Am 05.03.2024 nahm die Klägerin die Klage zurück. Auf den Kostenantrag von Frau YX erlegte das Landgericht der Klägerin mit Beschluss vom 20.03.2024 die Kosten des Rechtsstreits auf. Die Klägerin legte gegen den Beschluss vom 20.03.2024 sofortige Beschwerde ein und beantragte, die Kosten der X GmbH aufzuerlegen mit Hinweis darauf, dass der Insolvenzverwalter der X GmbH die Forderung der Klägerin zur Tabelle festgestellt habe. Der Beschwerde halb das Landgericht nicht ab und legte den Vorgang dem Oberlandegericht zur Entscheidung über die Beschwerde vor. Die Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht als unbegründet abgewiesen.
Würde wie hier nach Einreichung der Klage bei Gericht, aber noch vor Zustellung derselben an die Beklagte das Insolvenzverfahren über deren Vermögen eröffnet, finde eine Unterbrechung des Rechtsstreits nicht statt (BGH, Beschluss vom 11.12.2008 - IX ZB 232/08 -). Für das Beschwerdeverfahren könne nichts anderes gelten.
Rechtsgrundlage der Kostenentscheidung des Landgerichts sei § 269 Abs. 4 S. 1 ZPO. Den erforderlichen Kostenantrag nach § 269 Abs. 4 S. 1 ZPO könne auch eine Scheinbeklagte stellen, da auch eine solche Anlass zur Verteidigung habe und die Möglichkeit haben müsse, sich entsprechend § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO bei der Klägerin schadlos zu halten, die die falsche Zustellung veranlasst habe.
Nach § 269 Abs. 3 S. 3 Halbs. 1 ZPO bestimme sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen, wenn der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen und die Klage daraufhin zurückgenommen würde. Der „Anlass zur Klage“ iSv. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO könne nur angenommen werden, wenn die Klage bei ihrer Einreichung zulässig und begründet war oder jedenfalls zu irgendeinem Zeitpunkt vor ihrer Einreichung zulässig und begründet gewesen wäre. Auf eine aus objektiver Sicht zu keinem Zeitpunkt aussichtsreichen Klage sei die Bestimmung nicht anwendbar (BGH, Beschluss vom 17.12.2020 - I ZB 38/20 -).
Hier sei die Klage zu keinem Zeitpunkt aussichtsreich gewesen. Sei der gesetzliche Vertreter der Beklagten nicht nur irrtümlich falsch bezeichnet worden und die Klage an den vermeintlichen gesetzlichen Vertreter mit Willen der Klägerin zugestellt worden, sei die Klage unzulässig (BGH, Urteil vom 14.03.2017 - XI ZR 442/16 -). Zwar sei die Annahme des Landgerichts fehlerhaft, dass bereits über einen Monat vor Einreichung der Klage ein neuer Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen worden sei; bis zum heutigen Tag sei B als Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen, der allerdings bereits Ende 2022 verstorben sei.
(Anmerkung: Ist die GmbH „führungslos“, hat sie also keinen Geschäftsführer, greift § 35 Abs. 1 S. 2 GmbHG, wonach für den Fall, dass sich die Gesellschaft nicht in Liquidation oder im Insolvenzverfahren befindet, und ihr gegenüber Willenserklärungen abgegeben oder Schriftstücke zugestellt werden sollen, die Gesellschafter due Gesellschaft vertreten.)
Entscheidend sei vorliegend, dass eine Zustellung der Klageschrift an die dort benannte Frau YX nicht in Betracht gekommen sei, da diese bereits mit notariellen Vertrag vom 16.04.2019 alle ihre Gesellschaftsanteile an B veräußert habe, in dessen Hand ab diesem Zeitpunkt alle Gesellschaftsanteile der Gesellschaft gelegen hätten, was im Handelsregister aus der in den Registerordner am 04.07.2023 eingestellten Liste der Gesellschafter ersichtlich gewesen sei. Deshalb sei eine Zustellung der Klageschrift vom 03.08.2023 an Frau YX nach § 35 Abs. 1 S. 3 GmbHG nicht mehr in Betracht gekommen.
OLG Frankfurt, Beschluss
vom 30.09.2024 - 3 W 8/24
Aus den Gründen:
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin gegen den Beschluss der 16. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 20. März 2024 in Verbindung mit dem Beschluss über die Nichtabhilfe vom 4. April 2024 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Die sofortige
Beschwerde betrifft die Frage, wer nach Rücknahme der Klage durch die Klägerin
die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.
Am 3. August
2023 machte die Klägerin beim Landgericht Frankfurt am Main eine Klage gegen
die „Firma X Gesellschaft mit beschränkter Haftung, vertreten durch die
Mehrheitsgesellschafterin Frau YX, wh. S…………“ anhängig. Mit Verfügung vom 5.
Oktober 2023 ordnete das Landgericht das schriftliche Vorverfahren an und
erließ am 3. November 2023 ein Versäumnisurteil gegen die X Gesellschaft mit
beschränkter Haftung.
Durch Verfügung
vom 14. November 2023 teilte das Landgericht der Klägerin mit, dass sowohl das
Versäumnisurteil als auch bereits die Erstverfügung nicht hätten zugestellt
werden können (Bl. 69 d. E-Akte). Daraufhin übermittelt die Klägerin eine neue
Anschrift der X Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Bl. 76 d. E-Akte).
Nachdem die
Zustellung der Erstverfügung und des Versäumnisurteils am 18. November 2023
bewirkt worden war (Bl. 82 d. E-Akte), zeigte Rechtsanwalt A „die Vertretung
der Frau YX“ an und verwies darauf, dass diese schon seit geraumer Zeit nicht
mehr Mehrheitsgesellschafterin sei „und das Unternehmen veräußert“ habe, was
auch vor der Klageerhebung im Handelsregister „vollzogen“ gewesen sei. Zugleich
legte er vorsorglich Einspruch gegen das Versäumnisurteil ein, wobei er „die
Einspruchsbegründung demjenigen [vorbehielt], der die Gesellschaft/die Beklagte
tatsächlich vertritt“ (Bl. 85 d. E-Akte). Dem zugleich gestellten Antrag, die
Zwangsvollstreckung einstweilen einzustellen, entsprach das Landgericht am 5.
Dezember 2023 (Bl. 98 d. E-Akte).
Noch am selben
Tage beraumte das Landgericht Termin zur Verhandlung über den Einspruch und die
Hauptsache an und gewährte der Klägerin rechtliches Gehör zur Frage der
Passivlegitimation (Bl. 109 d. E-Akte). Die Klägerin nahm zu dieser Frage
Stellung (Bl. 126 d. E-Akte).
Mit Beschluss
vom 9. Januar 2024 hob das Landgericht den anberaumten Termin auf und erteilte
Hinweise u.a. zum Stand des Handelsregisters ab dem 4. Juli 2023 und dessen
Folgen (Bl. 127 ff. d. E-Akte).
Unter dem 10.
Januar 2024 teilte das Amtsgericht Frankfurt am Main - Insolvenzgericht - mit
(Bl. 197 d. E-Akte), dass am 4. Januar 2024 um 11:59 Uhr über das Vermögen der
X GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet worden war (Aktenzeichen: ...). Dies
brachte das Landgericht der Klägerin und Frau YX zur Kenntnis (Bl. 200 d.
E-Akte).
Mit Schriftsatz
vom 5. März 2024 nahm die Klägerin die Klage zurück (Bl. 236 d. E-Akte).
Nachdem Frau YX
Kostenantrag gestellt hatte, legte das Landgericht der Klägerin mit dem
angegriffenen Beschluss vom 20. März 2024 die Kosten des Rechtsstreits auf und
setzte zugleich den Streitwert fest (Bl. 243 d. E-Akte).
Mit Schriftsatz
vom 20. März 2024 beantragte Frau YX, die Kostenentscheidung zu ergänzen (Bl.
251 d. E-Akte). Diesen Antrag wies das Landgericht durch Beschluss vom 21. März
2024 zurück (Bl. 255 d. E-Akte).
Am 2. April
2024 legte die Klägerin sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 20. März
2024 ein und beantragte, die Kosten des Rechtsstreits der X GmbH aufzuerlegen.
Zur Begründung verwies die Klägerin u. a. darauf, dass der Insolvenzverwalter
der X GmbH die Forderung der Klägerin zur Tabelle festgestellt habe. Wegen der
weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Anwaltsschriftsatz vom 2.
April 2024 (Bl. 285 ff. d. E-Akte) Bezug genommen.
Das Landgericht
half der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 4. April 2024 (Bl. 293 ff. d.
E-Akte) nicht ab und legte die Akten dem Oberlandesgericht vor.
II.
Die sofortige
Beschwerde der Klägerin ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
1. Das
Beschwerdeverfahren ist nicht nach § 240 ZPO unterbrochen. Wird - wie hier
- nach Einreichung der Klage bei Gericht, aber noch vor Zustellung an die
Beklagte das Insolvenzverfahren über deren Vermögen eröffnet, findet eine
Unterbrechung des Rechtsstreits nicht statt (vgl. etwa BGH, Beschluss vom
11.12.2008 - IX ZB 232/08 -, NJW-RR 2009, 566, 567 f.; Stadler, in:
Musielak/Voit (Hrsg.), ZPO, 21. Aufl. 2024, § 240, Rdnr. 6). Für das
vorliegende Beschwerdeverfahren kann nichts anderes gelten.
2. Die
durch das Landgericht getroffene Kostenentscheidung ist nicht zu beanstanden.
Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
Den
erforderlichen Kostenantrag nach § 269 Abs. 4 Satz 1 ZPO kann
auch eine Scheinbeklagte stellen, da auch diejenige, die als Scheinbeklagte
Anlass zur Verteidigung hatte, sich entsprechend § 269 Abs. 3
Satz 2 ZPO bei der Klägerin schadlos halten können muss, welche die
falsche Zustellung veranlasst hatte (vgl. etwa Foerste, in: Musielak/Voit
(Hrsg.), ZPO, 21. Aufl. 2024, § 269, Rdnr. 12). Vor diesem Hintergrund
begegnet es keinen Bedenken, dass im Streitfall der Kostenantrag durch Frau YX
gestellt worden ist.
Entgegen der
Ansicht der Klägerin trägt im Streitfall auch § 269 Abs. 3
Satz 3 ZPO keine von der gesetzlichen Grundregel des § 269
Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 ZPO abweichende Kostenverteilung.
Nach § 269
Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 ZPO bestimmt sich die Kostentragungspflicht
unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem
Ermessen, wenn der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit
weggefallen und die Klage daraufhin zurückgenommen wird.
Ein „Anlass zur
Einreichung der Klage“ im Sinne des § 269 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz
1 ZPO kann nur angenommen werden, wenn die Klage bei ihrer Einreichung zulässig
und begründet war oder jedenfalls zu irgendeinem Zeitpunkt vor ihrer Einreichung
zulässig und begründet gewesen wäre. Auf den Fall einer aus objektiver Sicht zu
keinem Zeitpunkt aussichtsreichen Klage ist die Bestimmung hingegen nicht
anwendbar (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 17.12.2020 - I ZB 38/20 -, NJW 2021,
941, 942; Foerste, in: Musielak/Voit (Hrsg.), ZPO, 21. Aufl. 2024, § 269,
Rdnr. 13b; Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, 45. Aufl. 2024, § 269, Rdnr.
16).
Die hier
erhobene Klage war zu keinem Zeitpunkt aussichtsreich. Ist nämlich der
gesetzliche Vertreter der Beklagten nicht nur irrtümlich falsch bezeichnet und
die Klage an den vermeintlichen gesetzlichen Vertreter mit Willen der Klägerin
zugestellt worden, ist die Klage unzulässig (vgl. etwa BGH, Urteil vom
14.03.2017 - XI ZR 442/16 -, NJW-RR 2017, 812, 813; Weth, in: Musielak/Voit
(Hrsg.), ZPO, 21. Aufl. 2024, § 51, Rdnr. 3).
So liegt es
hier. Zwar trifft die Annahme des Landgerichts nicht zu, dass „bereits über
einen Monat vor der Einreichung der Klage im Handelsregister ein neuer
Geschäftsführer der [Insolvenzschuldnerin] eingetragen“ gewesen sei. Vielmehr
benennt das Handelsregister (HRB ...) bis zum heutigen Tage B als
Geschäftsführer. Dieser war jedoch bereits Ende 2022 verstorben.
Entscheidend
jedoch ist, dass eine Zustellung der Klageschrift an die darin benannte Person
- Frau YX - nicht in Betracht kam, da diese bereits mit notariellem Vertrag vom
16. April 2019 all ihre Gesellschaftsanteile an B veräußert hatte, in dessen
Hand ab dem damaligen Zeitpunkt alle Gesellschaftsanteile lagen. Ebendies war
im Handelsregister aus der in den Registerordner am 4. Juli 2023 eingestellten
Liste der Gesellschafter ersichtlich. Vor diesem Hintergrund kam eine
Zustellung der Klageschrift vom 3. August 2023 gemäß § 35 Abs. 1
Satz 2 GmbHG an Frau YX nicht in Betracht, da diese zum damaligen
Zeitpunkt schon keine Gesellschafterin mehr war. Die Klage war daher von Anfang
an unzulässig.
Wie bereits das
Landgericht in seiner Nichtabhilfeentscheidung zutreffend ausgeführt hat, ist
es in der Folgezeit auch nicht etwa zu einer Heilung des Zulässigkeitsmangels
gekommen.
3. Die
Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
4. Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht kein Anlass.
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