Der Kläger erhob mit Klageschrift vom 19.10.2016 eine Beschlussanfechtungsklage gegen verschiedene Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) vom 17.10.2016. Den angeforderten Kostenvorschuss zahlte er am 16.11.2016. Am 17.11.2016 erweiterte der Kläger die Klage und das Amtsgericht setzte den Streitwert vorläufig fest. Dieser Beschluss wurde dem Kläger zusammen mit einer Kostenrechnung vom 24.11.2016 und dem Hinweis zugestellt, Rechtshängigkeit sei noch nicht eingetreten. Den weiteren Kostenvorschuss zahlte der Kläger nicht und erkundigte sich mit Schriftsatz vom 15.12.2020, wann das Amtsgericht entscheide. Die Klageschrift wurde nunmehr am 25.01.2021 zugestellt. Die Klage wurde abgewiesen; die Berufung war erfolglos. Das Berufungsgericht wies darauf hin, dass die Klagefrist nach § 46 Abs. 1 S. 2 WEG a.F. nicht gewahrt sei, da die Zustellung im Januar 2021 nicht mehr „demnächst“ iSv. § 167 ZPO erfolgt sei. Der Kläger habe nicht vier Jahre nach Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses für die zuerst erhobene Klage bis zur Sachstandsnachfrage zuwarten dürfen.
Die zulässige Revision blieb erfolglos. Die Klagefrist des hier noch nach § 48 Abs. 5 WEG anwendbaren § 46 Abs. 1 S. 2 WEG (jetzt § 45 Abs. 1 WEG) in der bis zum 30.11.2020 geltenden Fassung sei versäumt. Die Zustellung sei nicht innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung am 17.10.2016 erfolgt, da sie auch nicht „demnächst“ iSv. § 167 ZPO zugestellt worden sei, so dass die Zustellung nicht auf den Tag des Eingangs der Klageschrift bei Gericht, an dem die Klagefrist noch nicht abgelaufen gewesen wäre, zurückwirke.
„Demnächst“ erfolge eine Zustellung, wenn sich die der Partei zurechenbare Verzögerung in einem hinnehmbaren Rahmen halte. Das werde bei 14 Tagen regelmäßig angenommen, wobei darauf abgestellt werden, um wie viele Tage sich der ohnehin für die Zustellung erforderliche Zeitraum infolge der Nachlässigkeit der Partei verzögert habe. Nicht zuzurechnen seien allerdings Verzögerungen bei der Zustellung durch eine fehlerhafte Sachbehandlung durch das Gericht, auch wenn diese fehlerhafte Sachbehandlung durch eine der Partei zuzurechnende Verzögerung erfolgt sei (BGH, Urteil vom 21.07.2023 - V ZR 215/21 -). Unterbleibe allerdings eine Vorschussanforderung durch das Gericht, bestünde eine Nachfrageobliegenheit der Partei innerhalb angemessener Frist (BGH, Urteil vom 25.09.2015 - V ZR 203/14 -). Wenn die Partei allerdings ihre geforderten Mitwirkungshandlungen erbracht habe, also insbesondere auch den Gerichtskostenvorschuss zahlte, bestünde grundsätzlich keine Veranlassung mehr, das gerichtliche Vorgehen zu kontrollieren und durch Nachfrage auf eine Beschleunigung hinzuwirken (BGH, Beschluss vom 07.04.2022 - V ZR 165/21 -).
Im Hinblick auf die Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses könnten dem Kläger keine Vorwürfe gemacht werden. Auch hätte das Amtsgericht die Zustellung der ursprünglichen Klage nicht von der Einzahlung des weiteren Gerichtskostenvorschusses für die Klageerweiterung abhängig machen dürfen, da Klage und Klageerweiterung sich hier bei der Anfechtung von Wohnungseigentümerbeschlüssen hätten trennen lassen.
Allerdings sei der Kläger trotz der rechtzeitig und ausreichenden Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses gehalten gewesen, sich bei dem Amtsgericht nach dem Sachstand er Zustellung zu erkundigen; dieser seiner Obliegenheit sei er durch die erst am 15.12.2020 erfolgte Nachfrage nicht nachgekommen.
Den Kläger treffe in einem wohnungseigentumsrechtlichen Beschlussanfechtungsverfahren die Obliegenheit, bei Verzögerungen der Klagezustellung spätestens innerhalb eines Jahres nach Ablauf der Monatsfrist zur Erhebung der Anfechtungsklage bei Gericht den Sachstand zu erfragen, auch wenn er alle geforderten Mitwirkungspflichten (so die Zahlung des Gerichtsostenvorschusses) erbracht habe. Erfülle er diese Obliegenheit nicht, beginne im Rahme der Prüfung der Voraussetzungen des § 167 ZPO („demnächst“) zuzurechnende Zeitraum einer Zustellungsverzögerung.
Zwischen den Miteigentümern einer WEG bestünde ein gesetzliches Schuldverhältnis durch welches Verhaltenspflichten begründet würden (§ 14 WEG a.F., jetzt § 14 WEG), aus dem sich auch darüberhinausgehende Treue- und Rücksichtnahmepflichten iSv. § 241Abs. 2 BGB ergäben. Bei Beschlussanfechtungsklagen ergäben ich Treue- und Rücksichtnahmepflichten aus dem Sinn und Zweck der Ausschlussfristen (§ 46 Abs. 1 S. 2 WEG a.F., § 45 S. 1 WEG). Die Beschlussfassung nach § 23 Abs. 1 S. 1 WEG sei ein zentrales Element der Willensbildung der WEG zur Regelung ihrer Angelegenheiten und die Ausschlussfrist sei Ausdruck des gesetzgeberischen Anliegens, über die Herstellung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit die ordnungsgemäße Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zu gewährleisten. Wohnungseigentümer und Verwalter sollten In Kenntnis der Anfechtungsgründe alsbald Klarheit darüber haben, ob, in welchem Umfang und aufgrund welcher tatsächlichen Grundlagen gefasste Beschlüsse einer gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden sollen (BGH, Urteil vom 28.12.2012 - V ZR 251/11 -). Dazu gehöre auch die Frage, ob die Beschlüsse in Bestandkraft erwachsen sind und ab welchem Zeitpunkt nicht mehr mit einer Klage zu rechnen sei. Diesbezügliche Klarheit bestünde aber erst mit Zustellung der Klage. Die Fiktion des § 167 ZPO zur Rückwirkung der Zustellung auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung könnte dem zwar entgegenstehen, doch vertrat der BGH die Auffassung, dass das gesetzgeberische Ziel der alsbaldigen Klarheit verfehlt würde, wenn selbst nach längerer Zeit ein Klageverfahren über den Bestand gefasster Beschlüsse noch durchgeführt werden könne. Die Sicherstellung sei geboten, da die Bestandskraft eines Beschlusses für die Durchführung von Maßnahmen (so bauliche Veränderungen) oder Folgebeschlüsse relevant sein könnte.
Von daher ergäbe sich für jeden Wohnungseigentümer die Notwendigkeit, eine offensichtliche Untätigkeit des Gerichts nicht nur hinzunehmen, sondern ihr zumindest durch eine Sachstandsanfrage entgegenzuwirken.
Diesem Bedürfnis nach alsbaldiger Rechtssicherheit und -klarheit trage die materiell-rechtliche Ausschlussfrist zudem dadurch Rechnung, dass sie nicht disponibel und weder vom Gericht noch die Parteien verlängert werden könne (BGH, Urteil vom 23.06.2023 – V ZR 28/22 -).
Der BGH verkennt nicht, dass für den Rechtssuchenden in Ausnahmefällen wie hier für die Mitwirkungsobliegenheit klar erkennbar sein müsse, was er zu tun habe, um einen Rechtsverlust zu vermeiden (BVerfG, Beschluss vom 07.05.1991 – 2 BvR 215/90 -). Eine den Anforderungen an Fristenklarheit entsprechende Frist ergäbe sich aus § 46 Abs. 1 S. 3 WEG a.F. (§ 45 S. 2 WEG) iVm. § 234 Abs. 3 ZPO. Danach könne nach Ablauf von einem Jahre, vom Ende der versäumten Frist an gerechnet, die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nicht mehr beantragt werden. Diese Frist sei auch hier zu beachten und der klagende Wohnungseigentümer habe deshalb innerhalb dieser Frist den Sachstand zu erfragen.
Nicht tangiert wären von der Frist Gründe, die die Nichtigkeit von angefochtenen Beschlüssen begründen würden. Nichtigkeitsgründe hätten aber nicht vorgelegen.
BGH, Urteil vom 25.10.2024 -
V ZR 17/24 -
Aus den Gründen:
Tenor
Die Revision gegen das Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 4. Dezember 2023 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien
bilden eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE), wobei die Beklagten
zu 2 die Erben einer während des Rechtsstreits verstorbenen
Wohnungseigentümerin sind. Am 17. Oktober 2016 fand eine
Eigentümerversammlung statt, in der mehrere Beschlüsse gefasst wurden. Mit der
am 19. Oktober 2016 bei dem Amtsgericht eingegangenen
Beschlussanfechtungsklage wendet sich der Kläger gegen näher bezeichnete
Beschlüsse zu verschiedenen Tagesordnungspunkten. Den hierfür von dem
Amtsgericht angeforderten Kostenvorschuss nach Maßgabe einer vorläufigen
Streitwertfestsetzung auf 18.000 € zahlte der Kläger am 16. November
2016 ein. Mit Schriftsatz vom 17. November 2016 erweiterte er seine Klage
und kündigte den Antrag an, alle in der Eigentümerversammlung gefassten
Beschlüsse für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht setzte daraufhin den
Streitwert für den Zeitraum seit Eingang der Klageerweiterung vorläufig auf
33.500 € fest. Dieser Beschluss wurde dem Kläger zusammen mit einer
Kostenrechnung vom 24. November 2016 über 366 € (1.323 €
abzüglich bereits gezahlter 957 €) und dem Hinweis, dass eine
Rechtshängigkeit bislang nicht eingetreten sei, zugestellt. Den weiteren
Gerichtskostenvorschuss zahlte der Kläger nicht. Mit Schriftsatz vom 15.
Dezember 2020 erkundigte sich der Kläger, wann das Amtsgericht in der Sache
entscheiden werde. Die Klageschrift wurde daraufhin am 25. Januar 2021
zugestellt.
Das Amtsgericht
hat die Klage abgewiesen. Die Berufung vor dem Landgericht ist erfolglos
geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren
Zurückweisung die Beklagten zu 1 beantragen, verfolgt der Kläger seine
ursprünglichen Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das
Berufungsgericht meint, der Kläger habe die Anfechtungsfrist gemäß § 46
Abs. 1 Satz 2 WEG aF nicht gewahrt. Da die am 25. Januar 2021
erfolgte Zustellung der Klageschrift nicht mehr als "demnächst"
i.S.v. § 167 ZPO angesehen werden könne, wirke die Zustellung auf den Tag
der Einreichung der Klage am 19. Oktober 2016 nicht zurück. Zwar sei das
Amtsgericht verpflichtet gewesen, nach Einzahlung des auf die ursprüngliche
Klage bezogenen Gerichtskostenvorschusses die Klageschrift zuzustellen. Es sei
nur berechtigt gewesen, mangels Zahlung des zusätzlich angeforderten
Kostenvorschusses die Zustellung des die Klage erweiternden Schriftsatzes zu
verweigern. Der Kläger habe aber nicht vier Jahre nach Einzahlung des
Gerichtskostenvorschusses abwarten dürfen, bevor er bei dem Amtsgericht nach
dem Sachstand fragte. Insoweit seien die Besonderheiten der Anfechtungsklage
nach dem Wohnungseigentumsgesetz zu berücksichtigen. Durch die für die
Anfechtungsklage normierten Ausschlussfristen sollen die Wohnungseigentümer und
der Verwalter alsbald Rechtssicherheit über die Verbindlichkeit der gefassten
Beschlüsse erhalten. Nichtigkeitsgründe hinsichtlich der angegriffenen
Beschlüsse habe das Amtsgericht zutreffend verneint.
II.
Die zulässige
Revision bleibt ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Berufung zu Recht
zurückgewiesen. Zu entscheiden ist dabei insgesamt durch Endurteil. Zwar waren
nur die Beklagten zu 1 im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat
durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten. Da
die Beklagten zu 2 aber notwendige Streitgenossinnen der Beklagten
zu 1 sind, waren sie nach § 62 Abs. 1 ZPO im Termin zur
mündlichen Verhandlung als durch die Beklagten zu 1 vertreten anzusehen
(vgl. Senat, Urteil vom 19. Juli 2024 - V ZR 139/23, NZM 2024,
760 Rn. 9).
1. Das
Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass der Kläger die materielle
Klagefrist des hier gemäß § 48 Abs. 5 WEG noch anwendbaren § 46
Abs. 1 Satz 2 WEG (jetzt: § 45 Satz 1 WEG) in der bis zum
30. November 2020 geltenden Fassung versäumt hat; deshalb ist er mit der
Geltendmachung von Anfechtungsgründen ausgeschlossen. Denn die Zustellung der
Klageschrift am 25. Januar 2021 erfolgte nicht innerhalb eines Monats nach
der Beschlussfassung am 17. Oktober 2016. Zu Recht meint das
Berufungsgericht, die Klage sei auch nicht "demnächst" i.S.v.
§ 167 ZPO zugestellt worden, so dass die Zustellung nicht auf den Tag des
Eingangs der Klageschrift, an dem die Klagefrist noch nicht abgelaufen war,
zurückwirkt.
a) Nach
der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Merkmal
"demnächst" (nur) erfüllt, wenn sich die der Partei zuzurechnenden
Verzögerungen in einem hinnehmbaren Rahmen halten. Dabei wird eine der Partei
zuzurechnende Zustellungsverzögerung von bis zu 14 Tagen regelmäßig
hingenommen. Bei der Berechnung der noch hinnehmbaren Verzögerung von 14 Tagen
wird darauf abgestellt, um wie viele Tage sich der ohnehin für die Zustellung
erforderliche Zeitraum infolge der Nachlässigkeit der Partei verzögert hat.
Verzögerungen im Zustellungsverfahren, die durch eine fehlerhafte
Sachbehandlung des Gerichts verursacht sind, sind dem Zustellungsbetreiber
dagegen nicht zuzurechnen; das gilt auch dann, wenn der fehlerhaften
Sachbehandlung des Gerichts eine der Partei zuzurechnende Verzögerung
vorausgegangen ist (vgl. Senat, Urteil vom 21. Juli 2023 - V ZR
215/21, NJW 2023, 2945 Rn. 6). Unterbleibt allerdings eine Vorschussanforderung
durch das Gericht, besteht eine Nachfrageobliegenheit der Partei innerhalb
angemessener Zeit (vgl. Senat, Urteil vom 25. September 2015
- V ZR 203/14, NJW 2016, 568 Rn. 13 mwN). Hat die Partei aber alle
von ihr geforderten Mitwirkungshandlungen für eine ordnungsgemäße
Klagezustellung erbracht, insbesondere den Gerichtskostenvorschuss eingezahlt,
so sind sie und ihr Prozessbevollmächtigter im Weiteren grundsätzlich nicht
mehr gehalten, das gerichtliche Vorgehen zu kontrollieren und durch Nachfragen
auf die beschleunigte Zustellung hinzuwirken (vgl. Senat, Beschluss vom
7. April 2022 - V ZR 165/21, NJW-RR 2022, 1167 Rn. 6 f.
mwN).
b) Unter
Beachtung dieser Grundsätze können dem Kläger zunächst im Zusammenhang mit der
Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses keine Verzögerungen zugerechnet
werden, wie auch das Berufungsgericht richtig erkennt.
aa) Der
Kläger hat auf Anforderung des Gerichts umgehend den auf die Klage anfallenden
Gerichtskostenvorschuss eingezahlt. Die Verzögerung der Klagezustellung wurde
demnach durch eine fehlerhafte Sachbehandlung des Gerichts verursacht. Denn das
Amtsgericht war verpflichtet, nach der am 16. November 2016 erfolgten
Einzahlung des vollständigen auf die Klage anfallenden
Gerichtskostenvorschusses die Klage zuzustellen. Dies hat es nicht getan.
bb)
Hieran ändert nichts, dass der Kläger am 17. November 2016 eine
Klageerweiterung eingereicht hat. Insoweit durfte das Amtsgericht die
Zustellung der Klage nicht von der Einzahlung des für die Betreibung der
Klageerweiterung erforderlichen Gerichtskostenvorschusses abhängig machen. Nach
§ 12 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 GKG soll im Falle der
Klageerweiterung vor Zahlung der Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen zwar
keine gerichtliche Handlung vorgenommen werden. Soweit sich aber die
Gegenstände von Klage und Klageerweiterung - wie hier bei der Anfechtung
wohnungseigentumsrechtlicher Beschlüsse - trennen lassen, muss das
Verfahren in Bezug auf die Klage weiterbetrieben werden (vgl. OLG Düsseldorf,
BeckRS 2015, 17185; NK-GK/Volpert, 3. Aufl., § 21 GKG Rn. 31;
Toussaint/Elzer, Kostenrecht, 54. Aufl., § 12 GKG Rn. 31; BeckOK
KostR/Toussaint, GKG [1.7.2024], § 12 Rn. 17;
Binz/Dörndorfer/Zimmermann/Zimmerman, GKG, 5. Aufl., § 12 Rn. 10).
c) Der
Kläger war allerdings gehalten, trotz der rechtzeitigen und ausreichenden
Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses beim Amtsgericht sich nach dem
Sachstand der Zustellung zu erkundigen. Dieser Obliegenheit ist er durch die
erst am 15. Dezember 2020 erfolgte Nachfrage nicht nachgekommen.
aa) Der
Senat hat bislang offengelassen, ob sich aus der Treuepflicht der
Wohnungseigentümer in wohnungseigentumsrechtlichen
Beschlussanfechtungsverfahren eine Pflicht zur Sachstandsanfrage bei Gericht
ergibt, wenn es zu Verzögerungen im Zustellungsverfahren durch eine fehlerhafte
Sachbehandlung des Gerichts kommt (vgl. Senat, Beschluss vom 7. April 2022
- V ZR 165/21, NZM 2022, 512 Rn. 8; bejahend: OLG Düsseldorf, ZWE
2008, 142, 143; Bärmann/Göbel, WEG, 15. Aufl., § 45 Rn. 25; verneinend:
LG Frankfurt a.M., BeckRS 2021, 20341 Rn. 10).
bb) Der
Senat entscheidet die Frage nunmehr dahingehend, dass in
wohnungseigentumsrechtlichen Beschlussanfechtungsverfahren den Kläger die
Obliegenheit trifft, bei Verzögerungen der Klagezustellung spätestens innerhalb
eines Jahres nach Ablauf der Monatsfrist zur Erhebung der Anfechtungsklage bei
Gericht den Sachstand zu erfragen, selbst wenn er alle für eine ordnungsgemäße
Klagezustellung von ihm geforderten Mitwirkungshandlungen erbracht,
insbesondere den Gerichtskostenvorschuss ordnungsgemäß gezahlt hat. Erfüllt der
Kläger diese Obliegenheit nicht, beginnt der ihm im Rahmen der Prüfung der
Voraussetzungen des § 167 ZPO ("demnächst") zuzurechnende
Zeitraum einer Zustellungsverzögerung.
(1) Nach
der Rechtsprechung des Senats besteht zwischen den Mitgliedern einer
Wohnungseigentümergemeinschaft ein gesetzliches Schuldverhältnis, durch das die
Verhaltenspflichten des § 14 WEG aF (vgl. jetzt § 14 WEG) begründet
werden, aus dem aber auch darüberhinausgehende Treue- und
Rücksichtnahmepflichten i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB folgen können (vgl.
Senat, Urteil vom 8. Juli 2022 - V ZR 207/21, NZM 2022,
806, Rn. 15 mwN). Ob und inwieweit aus dem zwischen Wohnungseigentümern
bestehenden Schuldverhältnis - über § 14 WEG aF hinaus -
Pflichten zur gegenseitigen Rücksichtnahme herzuleiten sind, kann nur unter
Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und der Interessenlage der
Wohnungseigentümer bestimmt werden (vgl. Senat, Urteil vom 10. November
2006 - V ZR 62/06, ZWE 2007, 32, 33).
(2) Im
Hinblick auf Beschlussanfechtungsklagen ergeben sich Treue- und
Rücksichtnahmepflichten aus dem Sinn und Zweck der Ausschlussfrist des
§ 46 Abs. 1 Satz 2 WEG aF (§ 45 Satz 1 WEG). Bei der
Beschlussfassung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 WEG handelt es sich um
das zentrale Element der Willensbildung der Wohnungseigentümergemeinschaft zur
Regelung der Angelegenheiten der Gemeinschaft (vgl. BT-Drucks. 19/18791
S. 58; BeckOGK/Karkmann, WEG [1.3.2020], § 46 Rn. 2). Die
Ausschlussfrist ist Ausdruck des gesetzgeberischen Anliegens, über die
Herstellung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit die ordnungsmäßige
Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zu gewährleisten. Sie führt dazu,
dass für die Wohnungseigentümer und für den zur Ausführung von Beschlüssen
berufenen Verwalter zumindest im Hinblick auf Anfechtungsgründe alsbald
Klarheit darüber besteht, ob, in welchem Umfang und aufgrund welcher
tatsächlichen Grundlage gefasste Beschlüsse einer gerichtlichen Überprüfung
unterzogen werden (vgl. grundlegend Senat, Urteil vom 16. Januar 2009
- V ZR 74/08, NJW 2009, 999 Rn. 7; Urteil vom 28. September 2012
- V ZR 251/11, NJW 2012, 3719 Rn. 12 mwN; Urteil vom
25. September 2020 - V ZR 80/19, NZM 2020, 1114 Rn. 11; Urteil
vom 27. November 2020 - V ZR 71/20, NZM 2021, 478 Rn. 23).
Hierzu gehört insbesondere die Frage, ob die Beschlüsse in Bestandskraft
erwachsen sind und ab welchem Zeitpunkt mit einer möglichen Klage nicht mehr zu
rechnen ist. Diesbezügliche Klarheit besteht aber erst mit der Zustellung der
Klageschrift. Zwar würde aufgrund der Fiktion des § 167 ZPO die Klage
- rückwirkend - mit Einreichung der Klageschrift i.S.v. § 46
Abs. 1 Satz 2 WEG aF (§ 45 WEG) "erhoben". Das
gesetzgeberische Ziel alsbaldiger Klarheit über die Anfechtung würde aber
verfehlt, wenn selbst nach längerer Zeit - wie hier - ein
Klageverfahren über den Bestand von bereits gefassten Beschlüssen noch
durchgeführt werden könnte. Die Sicherstellung dieses Ziels ist in praktischer
Hinsicht auch deswegen von besonderer Bedeutung, weil die Bestandskraft eines
Beschlusses für die Durchführung von Maßnahmen (z.B. bauliche Veränderungen)
oder Folgebeschlüsse relevant sein kann.
(3) Aus
dem Bedürfnis nach alsbaldiger Rechtssicherheit ergibt sich für jeden
Wohnungseigentümer die Notwendigkeit, selbst dann, wenn er alle von ihm
geforderten Mitwirkungshandlungen für eine ordnungsgemäße Klagezustellung
erbracht hat, eine offensichtliche Untätigkeit des Gerichts nicht bloß
hinzunehmen, sondern ihr zumindest durch eine Sachstandsanfrage
entgegenzuwirken. Der Zweck des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG aF
- für die Anfechtungsfrist des § 45 WEG gilt Entsprechendes - würde
verfehlt, wenn der klagende Wohnungseigentümer das in die Bestandskraft des
angefochtenen Beschlusses wachsende Vertrauen der übrigen Wohnungseigentümer
unberücksichtigt lassen könnte.
(4) Dem
Bedürfnis nach alsbaldiger Rechtssicherheit und Rechtsklarheit trägt die
materiell-rechtliche Ausschlussfrist zudem dadurch Rechnung, dass die
Anfechtungsfrist nicht disponibel ist und weder durch Vereinbarung der Parteien
noch durch eine Entscheidung des Gerichts verlängert werden kann (vgl. Senat,
Urteil vom 23. Juni 2023 - V ZR 28/22, ZWE 2023, 463 Rn. 14).
Schon insoweit ist die von der Revision in Bezug genommene Entscheidung des IV.
Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 12. Juli 2006 - IV ZR 23/05
(NJW 2006, 3206) nicht vergleichbar. Die Berufung auf den Fristablauf nach
§ 12 Abs. 3 VVG aF steht zur Disposition des Versicherers, und das
Gericht hat den Fristablauf nur dann zu beachten, wenn sich der Versicherer im
Prozess ausdrücklich darauf beruft (vgl. BGH, Urteil vom 19. Oktober 2005
- IV ZR 89/05, juris Rn. 17). Mit den spezifischen Pflichten in einer
GdWE und den Treuepflichten der Wohnungseigentümer untereinander, die aus den
vorstehend genannten Gründen auch nicht mit denjenigen aus dem Versicherungsvertragsverhältnis
vergleichbar sind, befasst sich die Entscheidung nicht.
(5)
Besteht für den Rechtsuchenden in besonderen Ausnahmefällen - wie
hier - eine Mitwirkungsobliegenheit, muss für ihn klar erkennbar sein, was
er zu tun hat, um einen Rechtsverlust zu vermeiden (vgl. BVerfG, NJW 1986, 244;
NJW 1991, 2076; NJW 1994, 1853; NJW 2005, 3346, 3347; Senat Beschluss vom
7. April 2022 - V ZR 165/21, NJW-RR 2022, 1167 Rn. 7). Deshalb
bedarf es einer für den Rechtsuchenden erkennbaren und bestimmten Frist,
innerhalb derer er seiner Mitwirkungsobliegenheit nachzukommen hat.
(aa)
Eine den Anforderungen an die Fristenklarheit entsprechende Frist ergibt sich
aus § 46 Abs. 1 Satz 3 WEG aF (§ 45 Satz 2 WEG) i.V.m.
§ 234 Abs. 3 ZPO. Danach kann nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende
der versäumten Frist gerechnet, die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt
werden. Für die Anfechtungsklage ist deshalb der Ablauf eines Jahres seit dem
Ende der Monatsfrist maßgeblich. Innerhalb dieses Zeitraums obliegt es dem
klagenden Wohnungseigentümer, bei Gericht nach dem Sachstand zu fragen, wenn
eine Zustellung der Klage trotz sämtlicher von ihm vorgenommener erforderlicher
Mitwirkungshandlungen unterbleibt. Der Gesetzgeber hat diese Frist als äußerste
zeitliche Grenze zur Erhebung der Anfechtungsklage auch unter Berücksichtigung
von die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründenden Umständen
ausgestaltet. Dieser Umstand rechtfertigt es, dem klagenden Wohnungseigentümer
aufzuerlegen, innerhalb dieser Frist bei Gericht den Sachstand zu erfragen.
Denn jedenfalls nach Ablauf dieser Frist dürfen die Wohnungseigentümer davon
ausgehen, dass die von ihnen gefassten Beschlüsse nicht mehr mit der
Anfechtungsklage angefochten werden können. Da der klagende Wohnungseigentümer
jedoch Kenntnis von der anhängigen Klage und der möglichen Rückwirkung gemäß § 167
ZPO hat, entspricht es der Treue- und Rücksichtnahmepflicht, dass er spätestens
bis zu diesem Zeitpunkt auf die Zustellung der Klage hinwirkt.
(bb)
Daran gemessen ist seit dem 18. November 2017 eine dem Kläger
zuzurechnende Verzögerung der Zustellung eingetreten. Denn nach den obigen
Maßstäben ist für die Berechnung der auf der unterlassenen Nachfrage nach dem
Sachstand beruhenden Verzögerung der Ablauf der Höchstfrist für die
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Klagefrist nach
§ 46 Abs. 1 Satz 3 WEG aF (§ 45 Satz 2 WEG) i.V.m.
§ 234 Abs. 3 ZPO maßgeblich. Da die Eigentümerversammlung am 17.
Oktober 2016 stattgefunden hat, endete die Frist am 17. November 2017.
Eine dem Kläger zuzurechnende Zustellungsverzögerung trat deshalb am
18. November 2017 ein. Auch unter Hinzurechnung einer grundsätzlich
hinnehmbaren - der Partei zuzurechnenden - Zustellungsverzögerung von
bis zu 14 Tagen (s.o. Rn. 6) war die Nachfrage des Klägers beim
Amtsgericht am 15. Dezember 2020 verspätet.
d) Der
Einwand der Revision, eine frühere Nachfrage durch den Kläger bei dem
Amtsgericht hätte aufgrund dessen fehlerhafter Rechtsaufassung über das
Erfordernis einer weiteren Gerichtkostenvorschusseinzahlung nicht zu einer
früheren Zustellung der Klage geführt, greift nicht durch. Auf die Nachfrage
des Klägers vom 15. Dezember 2020 ist die Zustellung der Klage von dem
Amtsgericht veranlasst und am 25. Januar 2021 bewirkt worden.
Anhaltspunkte dafür, dass eine frühere Nachfrage nicht auch zu einer
entsprechend früheren Zustellung der Klage geführt hätte, sind weder
festgestellt noch ersichtlich.
2. Das
Berufungsgericht sieht auch richtig, dass trotz Versäumung der Klagefrist des
§ 46 Abs. 1 Satz 2 WEG aF (§ 45 Satz 1 WEG) auf der
Grundlage des vorgetragenen Sachverhalts Nichtigkeitsgründe (§ 23
Abs. 4 Satz 1 WEG) von Amts wegen zu prüfen sind (vgl. Senat, Urteil
vom 13. Januar 2023 - V ZR 43/22, ZWE 2023, 186 Rn. 14; Urteil vom
27. November 2020 - V ZR 71/20, NJW-RR 2021, 557 Rn. 31
- jeweils zu § 45 Satz 1 WEG). Solche Nichtigkeitsgründe sind
jedoch nicht ersichtlich und werden auch von dem Kläger nicht geltend gemacht.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
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