Der Kläger litt zum Unfallzeitpunkt an Erkrankungen des arteriellen Systems. Durch den Bagatellunfall, auf dessen Grundlage er Ansprüche gegen seine private Unfallversicherung geltend machte, erlitt der Kläger eine Prellung mit Bluterguss (Bagatelltrauma). Der Sachverständige habe ausgeführt, dass in der weiteren Folge der zweite Zeh rechts amputiert werden musste.
Offen blieb, ob die bestehende Erkrankung des Klägers mitursächlich (oder alleine ursächlich) für doe Amputation war. Darauf würde es so das OLG - nicht ankommen. Der Sachverständige habe ausgeführt, dass bei einem normal gesunden Menschen die Unfallverletzung kein hinreichender Grund für einen Zehenverlust sei. Auf dieser Beurteilungsgrundlage habe das Landgericht bei seiner Entscheidung nach § 287 ZPO den Mitwirkungsanteil der Vorerkrankung mit 100% geschätzt, was nach Auffassung des OLG nicht zu beanstanden sei. Zwar könne es sein, dass der Unfall der Auslöser für den zur Amputation führenden Verlauf war, nicht aber die eigentliche Ursache. Damit sie von einer Vorerkrankung mit einem unfallfremden Mitwirkungsanteil von 100% auszugehen (LG Heilbronn, Urteil vom 24.09.2015 – 4 O 181/14 -; LG Dortmund, Urteil vom 13.09.2013 – 2 O 213/22 betreffend Vorerkrankung Diabetis mellitus).
Vor diesem Hintergrund wies das OLG den Kläger darauf hin, dass es beabsichtige seine Berufung gegen das klageabweisende Urteil im Beschlussweg zurückzuweisen, § 522 ZPO, woraufhin der Kläger die Berufung zurücknahm.
OLG Bamberg, Hinweisbeschluss vom
02.07.2024 - 1 U 19/24e -
Aus den Gründen:
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Bayreuth vom 2024, Az. 23 O 546/22, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, dem Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen und den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 2.000,00 € festzusetzen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis 25.07.2024.
Gründe
Der Senat ist
einstimmig der Auffassung, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf
Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und
weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern. Die
Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist ebenfalls nicht
geboten.
I.
Die zulässige
Berufung hat in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, da das
angefochtene Urteil richtig ist und nicht auf einer Rechtsverletzung beruht
(§ 546 ZPO). Auch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zu Grunde zu
legenden Tatsachen keine andere Entscheidung. Der Kläger hat wegen des Unfalls
vom xx.02.2020 keinen Anspruch auf Leistungen aus dem zwischen den Parteien
bestehenden Unfallversicherungsvertrag (vgl. § 178 Abs. 1 VVG).
Unabhängig von
der Frage der (Mit-)Ursächlichkeit des Unfallereignisses vom xx.02.2020 für die
Amputation der zweiten Zehe rechts am xx.07.2020 hat das Landgericht zu Recht
jedenfalls eine 100%ige Mitwirkung unfallunabhängiger Krankheiten i. S. d.
Ziffer 3 AUB 2000 angenommen.
1. Der
Kläger litt zum Unfallzeitpunkt bereits seit Jahren an Erkrankungen des
arteriellen Systems, insbesondere einer chronischen pAVK und einer
Aneurysmakrankheit der Knieschlagader beidseits. Die durch den Unfall vom
xx.02.2020 hervorgerufene Prellung mit Bluterguss - von dem gerichtlichen
Sachverständigen als Bagatelltrauma bezeichnet - ist nach den überzeugenden
Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen auf S. 24 des Gutachtens
vom 23.07.2023 und auf S. 6 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom
04.12.2023 bei einem normal gesunden Menschen kein hinreichender Grund für
einen Zehenverlust.
2. Auf
dieser medizinischen Beurteilungsgrundlage ist die vom Landgericht im Rahmen
einer Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO vorgenommene Bezifferung des
Mitwirkungsanteils der Vorerkrankung auf 100 % nicht zu beanstanden. Der Kläger
hat bei einem Bagatellunfall eine geringfügige Verletzung erlitten, die bei
einem gesunden Menschen folgenlos ausgeheilt wäre. Die Amputation der Zehe hat
mithin bei wertender Betrachtung allein wegen der Vorerkrankung stattgefunden.
Die Berufung argumentiert in diesem Zusammenhang selbst mit der von dem
gerichtlichen Sachverständigen verwendeten Figur des „Kipp-Punktes“, an dem die
chronische Ischämie dekompensiert sei (S. 23, 24 des Gutachtens vom
23.07.2023). Der Unfall war dementsprechend zwar möglicherweise der Auslöser, nicht
aber die eigentliche Ursache für den zur Amputation führenden weiteren Verlauf.
In einer solchen Konstellation ist von einem unfallfremden Mitwirkungsanteil
von 100 % auszugehen (vgl. zu einem ähnlichen Fall LG Heilbronn, Urteil vom
24.09.2015, Az. 4 O 181/14, BeckRS 2015, 122808; ferner LG Dortmund, Urteil vom
13.09.2013, Az. 2 O 213/11 (zur Vorerkrankung Diabetes mellitus); Kloth in
Grimm/Kloth, Unfallversicherung, 6. Auflage 2021, AUB 2014 Ziffer 3 Rn. 26).
II.
Die
Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 522 Abs. 2
Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO) sind nicht erfüllt. Der Sache kommt
keine grundsätzliche Bedeutung zu. Es handelt sich um eine im Rahmen
tatrichterlicher Würdigung getroffene Entscheidung unter Berücksichtigung der
Umstände und Besonderheiten des konkreten Einzelfalls. Soweit Rechtsfragen zu
beantworten sind, weicht der Senat nicht von der höchst- und obergerichtlichen
Rechtsprechung ab.
Eine mündliche
Verhandlung ist nicht geboten (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4
ZPO). Der Senat schließt aus, dass hierdurch neue, im Berufungsverfahren
zuzulassende Erkenntnisse gewonnen werden könnten, die in der Sache zu einer
anderen Beurteilung führen würden. Es sind auch keine besonderen Gründe
ersichtlich, die unter dem Aspekt der prozessualen Fairness die Durchführung
einer mündlichen Verhandlung erforderlich machen würden.
Die
Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren erfolgt gemäß § 47
Abs. 1 GKG i. V. m. §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.
Auf die im Fall
der Berufungsrücknahme in Betracht kommende Gebührenermäßigung (Nr. 1220,
1222 KV zum GKG) wird hingewiesen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen