Der Kläger beantragte bei dem OLG eine Gerichtsstandsbestimmung, § 36 Nr. 3 ZPO, bei sachlicher Zuständigkeit eines Landgerichts, § 1 ZPO, 71 Abs. 1, 23 GVG. Seine Lebensgefährtin befand sich zunächst im Krankenhaus 1 der Stadt 1, sodann im Krankenhaus 2 der Stadt 2, um dann wieder zurückverlegt zu werden in das Krankenhaus 1, wo sie verstarb. Der Kläger machte mit der Begründung eines Arztfehlers ein Hinterbliebenengeld geltend. Das eine Krankenhaus lag im Landgerichtsbezirk Limburg, das andere im Landgerichtsbezirk Koblenz.
Das OLG wies den Antrag zurück, da ein einheitlicher Gerichtsstand ohne gerichtliche Bestimmung vorläge. Für eine mögliche Gerichtsstandsbestimmung sei das angerufen OLG zuständig, auch wenn beide möglichen Gerichtstände in unterschiedlichen OLG-Bezirken lägen, bisher noch kein Gericht mit dem Streitfall befasst sei, ein möglicher Gerichtsstand (Limburg) im Bereich des OLG-Bezirks des ersuchen OLG läge. Allerdings negieret das OLG die Voraussetzungen für eine Entscheidung in der Sache. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO beruhe auf Zweckmäßigkeitserwägungen (BGH, Beschluss vom 16.02.1984 - I AZR 395/83 -), weshalb dann ein zuständiges Gericht zu bestimmen sei, wenn mehrere Personen mit allgemeinen Gerichtsständen bei unterschiedlichen Gerichten als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand nicht begründet sei. Grundlage sei der Sachvortrag des Antragstellers und es fände im Verfahren der Zuständigkeitsbestimmung keine Prüfung der Zulässigkeit oder Schlüssigkeit der Klage statt.
Vorliegend gäbe es einen gemeinsamen besonderen Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach § 32 ZPO, nämlich den Sterbeort. Der Kläger wolle Hinterbliebenengeld geltend machen, also eine angemessene Entschädigung des Hinterbliebenen für das ihm entstandene seelische Leid. Der Gesetzgeber habe den Anspruch in Titel 27 „Unerlaubte Handlung“ (§ 84 Abs. 3 BGB) als deliktischen Anspruch ausgestaltet, weshalb der Gerichtsstand nach § 32 ZPO eröffnet sei. Für diesen Gerichtsstand sie ausreichend, dass nur ein wesentliches Tatbestandsmerkmal an dem Ort verwirklicht wurde. Neben dem Handlungsort käme daher auch der Ort in Betracht, in dem in das geschützte Rechtsgut eingegriffen worden sei (sogen. Erfolgsort). § 844 Abs. 3 BGB knüpfe auch an eine eingetretene Verletzung des Rechtsguts Leben an, also an den Tod des Getöteten. In Arzthaftungsfällen sei Begehungsort iSv. § 32 ZPO neben den Orten, an denen der Behandlungsfehler begangen oder pflichtwidrig die Behandlung unterlassen worden sei, auch der Ort , an dem der Tod eintrat; damit sei bei mehreren Tätern stets ein gemeinsamer Gerichtsstand gegeben.
OLG Frankfurt, Beschluss
vom 25.07.2024 - 11 UH 18/24 -
Aus den Gründen:
Tenor
Der Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Bestimmungsverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der
Antragsteller beabsichtigt, die beiden Krankenhäuser betreibenden
Antragsgegnerinnen auf Hinterbliebenengeld gem. § 844 III BGB (und Ersatz
vorgerichtlicher Kosten) in Anspruch zu nehmen, nachdem seine Lebensgefährtin,
Frau X, nach einer Behandlung in den Krankenhäusern der Antragsgegnerinnen
verstorben sei. Frau X sei zunächst im Krankenhaus der Antragsgegnerin zu 1) in
Stadt1 behandelt und dann von dort in das Krankenhaus der Antragsgegnerin zu 2)
in Stadt2 verlegt worden, bevor sie nach Rückverlegung in das Krankenhaus der
Antragsgegnerin zu 1) nach L. dort in der Nacht vom XX. auf den XX.XX.2022
verstorben sei. Der Antragsteller hält ein Hinterbliebenengeld von etwa
20.000,00 Euro für angemessen.
Der
Antragsteller beantragt eine Gerichtsstandsbestimmung durch den Senat gem.
§ 36 Nr. 3 ZPO.
II.
1. Das
Oberlandesgericht Frankfurt am Main ist gem. § 36 I Nr. 3, II ZPO zur
Entscheidung über den Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung berufen. Für die
Klage sind gem. §§ 1 ZPO, 71 I, 23 GVG die Landgerichte sachlich
zuständig. Die Antragsgegnerinnen haben ihre allgemeinen Gerichtsstände gem.
§§ 12, 17 ZPO in den Landgerichtsbezirken Limburg an der Lahn und Koblenz,
von denen nur ersterer zum hiesigen OLG-Bezirk gehört. Zunächst höheres
gemeinschaftliches Gericht ist daher der Bundesgerichtshof, so dass nach § 36
II ZPO das Oberlandesgericht zuständig ist, zu dessen Bezirk das mit der Sache
zuerst befasste Gericht gehört. Ist wie vorliegend abgesehen vom
Zuständigkeitsbestimmungsverfahren noch keine Befassung eines Gerichts erfolgt,
ist das Oberlandesgericht zuständig, das (zuerst) mit dem Bestimmungsverfahren
befasst wird, sofern ein Anknüpfungspunkt für seine Zuständigkeit besteht (BGH,
Beschluss vom 21. August 2008 - X ARZ 105/08, juris, Rn. 10 = NJW 2008, 3789).
Ein solcher Anknüpfungspunkt liegt hier mit dem allgemeinen Gerichtsstand der
Antragsgegnerin zu 1) im hiesigen Bezirk vor.
2. Die
Voraussetzungen für eine Entscheidung nach § 36 I Nr. 3 ZPO sind
nicht gegeben.
Nach dieser -
auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhenden (BGH, Beschluss vom 16. Februar 1984 -
I ARZ 395/83, juris, Rn. 6) - Vorschrift ist ein zuständiges Gericht dann zu
bestimmen, wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren
allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen
Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein
gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist. Dabei ist der
Sachvortrag des Antragstellers zu Grunde zu legen und findet im Verfahren der
Zuständigkeitsbestimmung keine Prüfung der Zulässigkeit oder Schlüssigkeit der
Klage statt.
Vorliegend ist
der gemeinsame besondere Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gem. § 32
ZPO am Sterbeort Frau Xs gegeben.
Der Gesetzgeber
hat das sog. Hinterbliebenengeld - die angemessene Entschädigung des
Hinterbliebenen für das ihm entstandene seelische Leid - durch die Aufnahme der
diesbezüglichen Regelung in Titel 27 „Unerlaubte Handlungen“ (dort in
§ 844 III) des Bürgerlichen Gesetzbuchs als deliktischen Anspruch
ausgestaltet. Damit ist der besondere Gerichtsstand des § 32 ZPO eröffnet
(vgl. Schulze/Grziwotz/Lauda, BGB, 5. Aufl., § 844, Rn. 3;
Zöller/Schultzky, ZPO, 35. Auflage, § 32 Rn. 5; Wagner, NJW 2017, 2641,
2642) und ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen
worden ist. Dies ist jeder Ort, an dem auch nur eines der wesentlichen
Tatbestandsmerkmale verwirklicht worden ist und daher neben dem Handlungsort
auch der Ort, an dem in das geschützte Rechtsgut eingegriffen wurde (sog.
„Erfolgsort“; Zöller/Schultzky aaO Rn. 19 mwN). Der Anspruch auf
Hinterbliebenengeld des § 844 III BGB knüpft an eine eingetretene
Verletzung des Rechtsguts Leben - in Abgrenzung von den Rechtsgütern Körper und
Gesundheit, vgl. § 823 I Var. 1-3 BGB - an, also an den Tod des Getöteten.
Begehungsort im Sinne des § 32 ZPO ist insoweit in arzthaftungsrechtlichen
Fällen neben den Orten, an denen Behandlungsfehler begangen oder Behandlungen
pflichtwidrig unterlassen wurden, immer auch der Ort, an dem der Tod
eingetreten ist. Dies hat zur Folge, dass für mehrere Täter stets - und daher
auch vorliegend - ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand begründet ist.
Hinsichtlich des Anspruchs auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten kommen ebenfalls nur deliktische (Verzugs-) Ansprüche in Betracht; er ist daher ebenfalls am Gerichtsstand des § 32 ZPO geltend zu machen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I 1 ZPO (vgl. BGH, NJW-RR 1987, 757; 2014, 248 Rn. 19; BeckOK-ZPO/Toussaint, § 37, Rn. 12).
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