Mittwoch, 27. November 2024

Unterlassene Mitteilung über Veräußerung der Mietsache

Die Kläger hatten nach Mietende Klage auf Rückzahlung der Kaution erhoben. Doch war der Beklagte nicht mehr Vermieter; er hatte es unterlasen, den Klägern den Eigentumswechsel mitzuteilen. Da mit dem Eigentumswechsel der Rechtsnachfolger im Eigentum zur Rückzahlung der Kaution verpflichtet war, § 556a S. 1 BGB, wäre mithin – ohne übereinstimmende Erledigungserklärung – hier die Klage auf Kosten der Kläger abzuweisen gewesen. Das Amtsgericht erlegte den Klägern die Kosten auf, deren sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung erfolgreich war.

Das Landgericht verwies darauf, dass den Klägern ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch im Hinblick auf die angefallenen Prozesskosten zustünde, der im Rahmen einer Kostenentscheidung nach § 91a Abs. 1 ZPO zu berücksichtigen sei (BGH, Urteil vom 22.11.2001 – VII ZR 405/00 -).  Der Beklagte sei seiner Verpflichtung nicht nachgekommen, die Kläger (vor Klageerhebung) darauf hinzuweisen, dass eine Veräußerung des Grundstücks stattgefunden habe.  Dies leitete das Landgericht aus § 242 BGB (Treu und Glauben) und aus einer reziproken Anwendung des Rechtsgedankens des § 555e BGB (Kündigung nach Modernisierungsankündigung) ab. Die Kläger als Mieter hätten, ohne eine Prüfung im Grundbuch vorzunehmen, davon ausgehen dürfen, dass der Beklagte weiterhin Eigentümer ist und für die Rückzahlung der Kaution hafte.  

Anmerkung: Danach hätte der Beklagte auch im Falle einer Klagerücknahme der Kläger die Kosten zu tragen gehabt, § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO.  

LG Berlin, Beschluss vom 04.07.2024 - 67 T 37/24 -

Sonntag, 24. November 2024

(Kunst-) Urheberschutz, Panoramafreiheit und Drohnen

Die Klägerin klagte gegen die Beklagte wegen eines von ihr veröffentlichten Buches, welches mittels einer Drohne gefertigte Luftbildaufnahmen von Installationen von Künstlern enthielt mit dem Antrag, der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln, ohne ihre Einwilligung die Veröffentlichung von Abbildungen, Vervielfältigungen  und Verbreitung (selbst oder durch Dritte) von Werken bestimmter Künstler zu unterlassen und begehrte darüber hinaus Schadensersatz. Das Landgericht gab der Klage statt. Im Rahmen der Berufung wurde vom OLG lediglich der Schadenersatzanspruch heruntergesetzt. Die vom OLG zugelassene Revision des Beklagten wurde zurückgewiesen.

Die Aktivlegitimation der Klägerin (ein rechtsfähiger Verein kraft staatlicher Verleihung, dessen satzungsgemäßer Zweck die treuhänderische Wahrnehmung der Nutzungs- und Einwilligungsrechte sowie der Vergütungsansprüche von Urhebern und Leistungsberechtigten im visuellen Bereich war, stand fest (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 und 2 iVm. §§ 16, 17 UrhG). Die Beklagte, so der BGH, habe in die den Urhebern nach §§ 15 Abs. 1 Nr. 1 und 2 iVm. §§ 16, 17 UrhG zustehenden Rechte zur Vervielfältigung und Verbreitung der Werke eingegriffen.

Es handele sich um bildliche Widergaben von Installationen der Künstler gehandelt, die iSv. § 16 Abs. 1 UrhG vervielfältigt worden seien. Dazu würde jede körperliche Festlegung eines Werks zählen, die geeignet sei, das Werk den menschlichen Sinnen auf irgendeine Art mittelbar oder unmittelbar wahrnehmbar zu machen, einschließlich der bildlichen Wiedergabe von körperlicher Kunst (BGH, Urteil vom 23.02.2017 – I ZR 92/16 -). Die Beklagte habe durch den Vertrieb der Bücher mit Lichtbildern der Installationen, auch in das Verbreitungsrecht der Urheber eingegriffen (BGH aaO.).

Es habe sich nicht um erlaubte Nutzungen der dargestellten Werke nach § 59 Abs. 1 UrhG gehandelt. Danach sei es nur erlaubt, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befänden, mit Mitteln der Malereien oder Grafik, Lichtbild oder Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. De Aufstellung eines Kunstwerks an einem öffentlichen Ort bringe zum Ausdruck, dass das Werk der Allgemeinheit gewidmet sei und damit jedermann es abbilden und diese Abbildung verwerten dürfe.

Bei der Auslegung von § 59 Abs. 1 S. 1UrhG (Panoramafreiheit) sei zu berücksichtigen, dass diese Reglung der Umsetzung der Richtlinie 2001/29/EG diene. Danach könnten die Mitgliedstaaten für bleibend an öffentlichen Orten befindlichen Werken der Baukunst oder von Plastiken Ausnahmen von Beschränkungen des Vervielfältigungsrechts vorsehen. Wenn sie eine Ausnahme von der Beschränkung des Vervielfältigungsrechts vornehmen könnten, könnten sie auch eine Ausnahme von Beschränkungen vom Verbreitungsrecht vornehmen, soweit dies durch den Zweck der erlaubten Vervielfältigung gerechtfertigt sei.

Vorliegend handele es sich bei den Fotografien um Lichtbilder iSv. § 59 Abs. 1 S. 1 UrhG. Die Installationen hätten sich „an“ öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befunden, wenn sie von dort aus wahrnehmbar gewesen wären, unabhängig davon, ob das Werk selbst öffentlich zugänglich wäre. Wege, Straßen und Plätze seien „öffentlich“, wenn sie für jedermann frei zugänglich seien.

Hier seien die Installationen von öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen aus wahrgenommen werden.

Die Lichtbilder seien aber mittels Drohnen aus dem Luftraum gefertigt worden. Solche Lichtbilder seien von der durch § 59 Abs. 1 S. 1 UrhG gewährleisteten Panoramafreiheit nicht erfasst. § 59 Abs. 1 S. 1 UrhG stelle eine Schrankenbestimmung dar, die es dem Publikum ermöglichen soll, das, was es mit eigenen Augen von der öffentlich zugänglichen Straße, Weg oder Platz sehen kann, als Gemälde, Zeichnung, Fotografie oder Film zu betrachten. Diese Freiheit gelte aber nicht, wenn der Blick z.B. durch Fotografie von einem für das allgemeine Publikum unzugänglichen Ort aus fixiert werden soll (BGH, Urteil vom 05.06.2003 - I ZR 192/00 -, Hundertwasserhaus). Auch seien keine Aufnahmen des Werks erfasst, die unter Verwendung von Hilfsmitteln (wie Leitern) oder nach Beseitigung von bildschützenden Vorrichtungen (wie Hecken) angefertigt würden. Dies gelte auch für die Zuhilfenahme von Fluggeräten wie hier der Drohne.

BGH, Urteil vom 23.10.2024 - I ZR 67/23 -

Donnerstag, 21. November 2024

Sicherheitsleistung im Urteil bei „gemischter Vollstreckung“

Das Landgericht hatte der Klage auf Räumung des Pachtgegenstandes und auf Zahlung rückständiger Pacht stattgegeben. Das Urteil wurde gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 150.425,00 für vorläufig vollstreckbar erklärt. Die Beklagte legte gegen das Urteil Berufung ein. Vom Kläger wurde in Bezug auf den Räumungsausspruch gem. § 718 ZPO eine Vorabentscheidung über die Vollstreckbarkeit des Räumungsanspruchs begehrt, wonach der Räumungsanspruch ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar sein sollte. Diesen Antrag sah das OLG als zulässig, aber nur teilweise als begründet an.

Die Grundlage des Antrages, § 718 S. 1 ZPO, lässt eine Vorabentscheidung des Berufungsgerichts über die Vollstreckbarkeit zu, die ohne mündliche Verhandlung durch Teilurteil ergehen kann, § 718 S. 2 ZPO. Der Antrag kann auch von der Partei gestellt werden, die selbst keine eigene Berufung oder Anschlussberufung eingelegt hat.  

Vom OLG wird darauf verwiesen, dass § 718 Abs 1 ZPO anwendbar sei, wenn das Urteil in der Hauptsache angegriffen würde, und die Vollstreckbarkeitsentscheidung auf einer fehlerhaften Anwendung der §§ 708, 709 und 711 S. 1 ZPO beruhe. Diese Voraussetzungen sah das OLG allerdings hier nicht.

So sei die Annahme des Klägers fehlerhaft, § 708 Nr. 7 ZPO käme zur Anwendung, weshalb der Räumungsanspruch ohne Sicherheitsleistung zulässig sei. § 708 N. 7 ZPO greife ausschließlich für Mietverhältnisse (entspr. § 23 Nr. 2a GVG), nicht für Pachtverhältnisse. Dafür spreche der Ausnahmecharakter der Norm, der allein die besondere Eilbedürftigkeit bei Mietsachen im Auge habe (OLG Düsseldorf, Teilurteil vom 24.06.2008 - I-24 U 74/08 -). Die Gegenansicht des OLG Celle (16.05.2023 - 2 U 37/23 -) mit Verweis auf § 227 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO überzeuge nicht, zumal die benannte Norm wegen des unterschiedlichen Wortlauts der Normen nicht tragen würde.

Zu einem Hilfs-Hilfsantrag des Klägers verwies das OLG darauf, dass es auch danach bei der vorläufigen Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung nach § 709 ZPO verbleibe. Allerdings träfe die Auffassung des Klägers zu, dass bei einer „gemischten Vollstreckung“ (hier Geldforderung und Räumung, letztere als vertretbare Handlung) zu differenzieren sei und für den Räumungsanspruch und die Geldforderung gesonderte Sicherheitsleistungen festzusetzen seien. Dies berücksichtigend sei von den Werten der begehrten Ansprüche (Räumung € 75.000,00 und Geldforderung € 61.750) ein Zuschlag von jeweils 10% hinzuzurechnen, wobei sich das OLG insoweit an der Kommentierung von Herget in Zöller, ZPO, 25. Auf. Zu § 709 Rn. 6 orientierte, der den Zuschlag mit möglichen Schäden des Schuldners aus der Vollstreckung (im Falle seines Obsiegens im weiteren Verfahren) begründet. Das ergab rechnerisch  für den Räumungsanspruch eine Sicherheitsleistung in Höhe von € 82.500,00. Für die Geldforderung wurde gemäß § 709 ZPO die Sicherheitsleistung im Hinblick auch auf den Aufschlag von 10% auf 110% des zu vollstreckenden Betrages festgesetzt.

OLG Rostock, Teilurteil vom 26.09.2024 - 3 U 56/24 -

Sonntag, 17. November 2024

Private Unfallversicherung: Ablauf einer Frist wegen fehlender Invaliditätsfeststellung

Mancher wird froh sein, nach einem Unfall eine private Unfallversicherung zu haben. Doch auch hier sind „Spielregeln“ zu beachten, damit ein versicherungsvertraglicher Anspruch auch erfolgreich geltend gemacht werden kann, wie ein Hinweisbeschluss nach § 522 ZPO des OLG Dresden zeigt.

Der Entscheidung lag ein Antrag der versicherten Klägerin bei der beklagten privaten Unfallversicherung auf Feststellung des Invaliditätsgrades aufgrund eines Unfalls vom 24.05.2019 zugrunde. Dem wurde von der Beklagten wegen Fristversäumung nicht stattgegeben. Die Klage wurde vom LG Leipzig (LG) abgewiesen. Das OLG wies die Klägerin in seinem Beschluss darauf hin, dass es gedenke deren Berufung durch einstimmigen Beschluss wegen offensichtlicher Unbegründetheit der Berufung zurückzuweisen.

Das LG habe die Klage zutreffend abgewiesen, da die Frist zur Invaliditätsfeststellung nach Z. 2.1.1.1. AUB 2000, demzufolge die Invalidität binnen 15 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt werden müsse nicht eingehalten worden sei. Die Überlassung eines Krankenhausentlassungsberichts, der keine Angaben zur Invalidität enthalten habe, sei nicht ausreichend gewesen.

Es handele sich bei der fristgerechten Feststellung um eine Anspruchsvoraussetzung (BGH, Urteil vom 22.05.2019 - IV ZR 73/18 -), welche dem berechtigten Interesse des Versicherers an der baldigen Klärung seiner Einstandspflicht diene und selbst dann zum Ausschluss von Spätschäden führe, wenn dem Versicherten an der Nichteinhaltung der Frist keine Schuld träfe (BGH, Urteil vom 07.03.2007 – IV ZR 137/06 -). Die Beklagte könne sich auch auf die in ihren Versicherungsbedingungen berufen, da sie den Kläger gem. § 186 VVG auf die vertraglichen Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen hingewiesen habe. Dort wurde dem Versicherten mitgeteilt, dass ein Anspruch auf Invaliditätsleistung bestünde, wenn innerhalb von einem Jahr nach dem Unfall die Invalidität eingetreten sei und innerhalb von 15 Monaten von einem Arzt schriftlich festgestellt worden sei (Schreiben vom 27.05.2019), was sogar noch einmal mit Schreiben vom 11.06.2019 wiederholt worden sei mit der Aufforderung, die Fristen, die bis zum 24.06.2020 laufen würden, zu beachten und bei Nichteinhaltung derselben kein Leistungsanspruch bestünde. Mit einem weiteren Schreiben vom 25.05.2020 wurde der Kläger noch einmal entsprechend belehrt und diesem ein Formular (Ärztliche Bescheinigung zur Begründung eines Invaliditätsanspruchs) beigefügt, welches von einem Arzt ausgefüllt werden müsse, und es wurde aufgeführt, welche Unterlagen vorgelegt werden müssten. Das vom Arzt ausgefüllte Formular wurde der Beklagten nach Fristablauf überlassen.

Die Berufung der Beklagten auf den Fristablauf sei auch nicht treuwidrig. Treuwidrig könnte dies dann sein, wenn dem Versicherer ein Belehrungsbedarf des Versicherungsnehmers hinsichtlich der Rechtsfolgen der Fristversäumung deutlich würde, er aber eine Belehrung gleichwohl unterlasse, wovon auszugehen sei, wenn der Invaliditätsanspruch rechtzeitig geltend machen würde, seine Angaben bzw. vorgelegten ärztlichen Atteste den Eintritt eines Dauerschadens nahelegen, allerdings die ärztliche Feststellung der Invalidität noch fehlen würde (BGH, Urteil vom 30.11.2005 - IV ZR 154/04 -). Diese Voraussetzungen sah hier das OLG als nicht vorliegend an.

Die Klägerin könne sich auch nicht darauf berufen, ihr Schreiben vom 03.06.2020 sei nicht beantwortet worden. Darin habe sie der Beklagten einen OP-Termin am 08.06.2020 benannt und angefragt, ob diese Information ausreichend sei; mangels einer Beantwortung habe sie dann den Krankenhausentlassungsbericht am 09.06.2020 übersandt.  Allerdings habe die Beklagte mit dem Schreiben vom 08.06.2020 reagiert und die Klägerin darauf hingewiesen, dass der Invaliditätsanspruch unabhängig vom Behandlungsverlauf und dem Zeitpunkt der Operation geltend zu machen sei und zudem auf die Erläuterungen in den vorangegangenen Schreiben verwiesen. Damit aber habe die Klägerin nicht davon ausgehen könne, dass die Überlassung des Entlassungsberichts ausreichend sei. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, noch einmal auf die Notwendigkeit der ärztlichen Feststellung hinzuweisen, nachdem der Entlassungsbericht keine Angaben zu einer Invalidität enthielt.

Festzuhalten bleibt: Im Rahmen der privaten Unfallversicherung sind für die Feststellung von Invalidität und daraus möglichen Leistungen Fristen vorgegeben und ist eine bestimmte Form (nämlich die schriftliche Feststellung der Invalidität durch einen Arzt) vorgesehen. Zeigt der Versicherungsnehmer der Versicherung einen Unfall an und belehrt der Versicherer den Versicherungsnehmer gem. § 186 VVG über die Voraussetzungen und einzuhaltenden Fristen für einen möglichen Anspruch, geht ein Fristversäumung zu Lasten des Versicherungsnehmers. Nur ausnahmsweise kann sich der Versicherungsnehmer auf eine Treuwidrigkeit und Rechtsmissbrauch berufen, wenn dem Versicherer deutlich wird, dass der Versicherungsnehmer noch Belehrungsbedarf habe, so wenn er Unterlagen einreicht, die zwar auf eine Invalidität deuten, nicht aber die schriftliche Feststellung derselben durch einen Arzt beinhalten; in diesem Fall muss der Versicherer noch einmal belehren, da ansonsten die Berufung auf den Fristablauf rechtsmissbräuchlich ist. Zu beachten ist auch, dass eine erst nach Fristablauf festgestellte Invalidität keinen Anspruch gegen den Versicherer rechtfertigt.

OLG Dresden, Hinweisbeschluss vom 18.07.2024 - 4 U 266/24 -

Samstag, 16. November 2024

Abgrenzung zwischen Zusatz- und Folgeaufträgen im Werkvertragsrecht

Die Parteien hatten einen VOB-Vertrag geschlossen. In Ansehung des Vortrages des Beklagten, zu von ihm abgerechneten Preisen abgerechnet zu haben, mit denen er im Hinblick auf einen klägerischen Anspruch Aufrechnung erklärte, musste sich das OLG damit auseinandersetzen, ob der Beklagte zu den berechneten Preisen beauftragt wurde.

Der Beklagte hatte darauf abgestellt, dass es sich um zusätzliche Leistungen auf Anordnung des Klägers gemäß § 1 Abs. 4 S. 2 VOB/B handele und bei diesen der ortsübliche angemessene Werklohn zu zahlen sei. Dies sah das OLG anders.

Bei zusätzlichen Leistungen handelt es sich um solche, die „zur Ausführung der vertraglichen Leistung erforderlich werden“ (§ 1 Abs. 4 S. 2 VOB/B), andere Leistungen können dem Werkunterunternehmer nur mit seiner Zustimmung übertragen w erden (§ 1 Abs. 3 S. 3 VOB/B). Bei der Ausführung zusätzlicher Leistungen, so das OLG, läge hier eine Erweiterung des bisherigen Auftrages vor. In diesem Fall richte sich die Vergütung allerdings nach dem dem Werkvertrag zugrunde liegenden Preisgefüge, § 2 Abs. 5 oder Abs. 6 VOB/B. Nur wenn die Parteien einen gänzlich neuen Vertrag (Anschluss- oder Folgevertrag) schließen würden, würde sich der Preis mangels einer anderweitigen Vereinbarung nach § 632 Abs. 2 BGB (taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe nach der üblichen Vergütung) bestimmen. Würden die Parteien aber lediglich den bisherigen Vertrag um eine weitere, nicht erforderliche Leistung ergänzen, richte sich die Vergütung nach § 2 Abs. 6 VOB/B.

Die Abgrenzung zwischen einem selbständigen Folgeauftrag und einer Zustimmung des Werkunternehmers zu einer Leistungserweiterung, wäre daran auszurichten, ob eine typische Zusatzleistung in unmittelbarer Abhängigkeit der bisherigen Leistung oder ein ohne räumliche und stoffliche Verbindung eine selbständige Leistung als Vertragsleistung vorliege. Hier läge eindeutig eine Erweiterung des ursprünglichen Auftrags vor und sollten keine eigenständigen Folgeaufträge geschlossen werden. Die Annahme eigenständiger Folgeaufträge sah das OLG auch deshalb als fernliegend an, da dies zu zahlreichen Einzelabnahmen geführt hätte (demgegenüber die Erweiterung des bestehendes Auftrages eine Abnahme insgesamt bedingt). Damit läge der vorliegende Fall anders als jener im Urteil des OLG vom 05.03.1996 - 21 U 116/95 -, da dort für eine Musterfassade, die im ursprünglichen Bauvertrag nicht vorgesehen worden sei und nicht Teil des Bauwerks gewesen sei, ein Folgeauftrag angenommen wurde.

Entscheidend ist mithin, ob – sollten sonstige Vereinbarungen zwischen den Parteien nicht zur Zusatzleistung bestehen – die (nicht erforderliche) Zusatzleistung sich auf das Bauwerk selbst bezieht oder ein gesondertes Bauwerk darstellt. Im letzteren Fall kann der Werkunternehmer mangels gesonderter Vergütungsvereinbarung Vergütung nach §§ 631 iVm. 632 Abs. 2 BGB verlangen.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.07.2024 - 22 U 96/23 -

Dienstag, 12. November 2024

Umsatzsteuer bei fiktiver Berechnung nachbarschaftlichen Ausgleichsanspruchs ?

Hintergrund war der Streit der Nachbarn wegen eines Überwuchses eines Baumes sowie von Entschädigungsansprüchen wegen durch den Überwuchs entstandener Schäden. Im Hinblick auf den geltend gemachten Entschädigungsanspruch erkannte stellte das Landgericht auf ein eingeholtes Sachverständigengutachten ab, welches den Kostenaufwand mit netto € 7.600,00, brutto (d.h. einschließlich Umsatzsteuer) mit € 9.044,00 angab. Gegen das Urteil legten die Beklagten Berufung ein du monierten, dass auch die Umsatzsteuer zugesprochen worden sei.  

Das OLG gab der Berufung statt. Das Landgericht hätte die Umsatzsteuer nicht zusprechen dürfen, da der Kläger seinen Entschädigungsanspruch gem. § 906 Abs. 2 S. 2BGB lediglich fiktiv abgerechnet habe.

Vom Ausgangspunkt her sei der Ausgleichsanspruch aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung zu bemessen und die §§ 249 ff BGB nicht anzuwenden (BGH, Urteil vom 25.10.2013 - V ZR 230/12 -). Bei Substanzschäden könne die Enteignungsentschädigung den vollen Schaden (also auch die Beseitigungskosten) abdecken (BGH, Urteil vom 04.07.1997 - V ZR 48/96 -). Da bei einem Schadensersatzanspruch nach § 249 Abs. 2 S. 2 BGB die Umsatzsteuer nur ersetzt verlangt werden könne, wenn sie angefallen sei, der Anspruch auf Enteignungsentschädigung bereits vom Grundsatz auf eine Vermögenseinbuße abstelle, gäbe es keinen Grund, bei fiktiver Geltendmachung des Anspruchs ohne entsprechende Vermögenseinbuße die Umsatzsteuer zuzusprechen. Auch das OLG Koblenz (Urteil vom 24.02.2011 - 5 U 1146/10 -) habe zu $ 906 Abs. 2 S. 2 BGB bereits entschieden, dass die auf den Ausgleichbetrag entfallende Umsatzsteuer als Überkompensation eines Anspruchs außer Betracht bleiben müsse; erst wenn die Sanierung tatsächlich erfolgt sei, sei dies anders zu betrachten.  Entsprechend habe auch das OLG Hamm (Urteil vom 04.02.2022 – 11 U 96/21 -) entschieden, dass bei einem öffentlich-rechtlichen Entschädigungsanspruch die Umsatzsteuer nur ersetzt verlangt werden könne, wenn die Arbeiten auch tatsächlich durchgeführt worden seien.

OLG Zweibrücken, Urteil vom 20.08.2024 - 8 U 47/24 -

Samstag, 9. November 2024

Grundstückskaufvertrag und formunwirksame Vorauszahlungsabrede

Zunächst verkaufte der Erblasser des Beklagten mit einem notariellen Kaufvertrag einen hälftigen notariellen Miteigentumsanteil in März 2017 zum Preis von € 40.000,00 an eine GmbH, deren Geschäftsführer der Kläger war. Der Kläger zahlte unter Angabe der UR-Nummer des Notars an den Erblasser per Überweisung in April 2017 € 70.000,00, sodann im Mai mit derselben Angabe und unter Hinzufügung des Wortes „Restzahlung“ weitere € 10.000,00. Im März 2018 schlossen der Erblasser und der Kläger einen Vertrag über die weitere Miteigentumshälfte zum Kaufpreis von € 40.000,00. Daraufhin übertrug die GmbH ihren Miteigentumsanteil auf den Kläger. Dieser erhob Klage auf Übertragung des zweiten Miteigentumsanteils und begründete dies damit, der Kaufpreis für die zweite Miteigentumshälfte sei im Zusammenhang mit der Zahlung für die erste Miteigentumshälfte sei bereits als Vorauszahlung erfolgt. Der Klage gab das Landgericht statt; auf die Berufung wurde die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision beantragte der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Der BGH hob das Urteil des Oberlandesgerichts auf und verwies den Rechtstreit an dieses zurück.

Das Oberlandesgericht hatte die Klage abgewiesen, da eine vom Kläger behauptete Vorauszahlung nicht dem Formerfordernis entsprochen habe, § 311b Abs. 1 S. 1 BGB iVm. § 125 S. 1 BGB. Zwar, so der BGH, sei vom Ausgangspunkt zutreffend, dass die behauptete Vorauszahlungsabrede des Kaufpreises für die zweite Miteigentumshälfte nicht wäre, da sie nicht notariell beurkundet worden sei. Auch eine Vorauszahlungsabrede sei beurkundungsbedürftig, da die Kaufpreisforderung noch nicht bestünde und die Vorauszahlung ohne dahingehende Vereinbarung nicht von Rechts wegen zu einer Teilerfüllung der Kaufpreisschuld führen könne (BGH, Urteil vom 20.09.1985 - V ZR 148/84 -). In Ermangelung der Beurkundung sei daher eine Vorauszahlungsabrede nichtig.

Allerdings würde sich daraus nicht ergeben, dass damit der gesamte Vertrag aus 2018 nichtig sei, § 139 BGB. Zwar sei dies nach der Auslegungsregel des § 319 BGB zu vermuten, doch könne dies bei Vorliegen besonderer Umstände widerlegt werden (BGH, Urteil vom 10.12.1993 - V ZR 108/92 -). Widerlegt sei dies, wenn der Käufer die im Voraus geleistete Zahlung auf den Kaufpreis zu beweisen vermag (BGH, Urteil vom 19.11.1982 - V ZR 161/81 -), da für den Käufer von untergeordneter Bedeutung si, ob eine Kaufpreisschuld zu, Zeitpunkt ihrer Entstehung erlösche oder ob die Schuld nach von weiteren Rechtshandlungen abhängig sei (BGH, Urteil vom 11.11.1983 - V ZR 150/82 -).

Weise der Käufer seine Zahlung auf die noch nicht bestehende Kaufpreisforderung nach, sei die Schlussfolgerung gerechtfertigt, dass sich die Parteien auch ohne die Abrechnungsabrede auf den beurkundeten Teil des Rechtsgeschäfts eingelassen hätten (BGH, Urteil vom 10.12.1993 - V ZR 108/92 -). Dies sei insbesondere bei einer Quittungserteilung durch den Verkäufer der Fall. Allerdings sei dies auch dann der Fall, wenn der Käufer aus seiner Sicht zweifelsfrei nachweisen könne, vor Vertragsabschluss auf die noch nicht bestehende Kaufpreisschuld gezahlt zu haben. Das Fehlen eines Hinweises in dem Kaufvertrag über eine Vorauszahlung stehe der Vermutung einer solchen nicht entgegen, da die Nichtigkeit des Kaufvertrages gerade durch die fehlende Beurkundung folge und es keines Beweises zur Widerlegung der Vermutung des § 139 BGB bedürfe, wenn die Vorauszahlungsabrede mit beurkundet worden wäre. Entscheidend sie damit der Nachweis der Zahlung auf die noch nicht bestehende Schuld und könne (anders als vom Oberlandesgericht angenommen) nicht verlangt werden, dass der Käufer den Abschluss einer entsprechenden Vorauszahlungsabrede und deren Fortbestehen bei Abschluss des notariellen Kaufvertrages beweise.

Allerdings seien die Überweisungsträger selbst kein Beleg für die Kaufpreiszahlung in Form einer Vorauszahlung. Zwar könnten dies grundsätzlich auch Überweisungsträger sein, doch hier sei stets auf den protokolierten Kaufvertrag für die erste Miteigentumsanteil verwiesen worden. Eine Tilgungsbestimmung für den noch nicht abgeschlossenen Kaufvertrag ließe sich damit daraus nicht entnehmen.  Allerdings könne das „Immobilien-Übergabeprotokoll vom 15.05.2017 aus Sicht des Klägers geeignet sein, die Vorauszahlung auf den Kaufpreis nachzuweisen. Hier sei aufgenommen worden, dass der Kläger € 80.000,00 zahlte, wobei € 40.000,00 als „Vorschuss für den Rest des Gebäudes“ darstellen sollten und die Parteien anerkennen, „dass sie keine weiteren Ansprüche haben“.

Auch wies der BGH darauf hin, dass bei einer angenommenen Unwirksamkeit der Vorauszahlungsabrede die Vorauszahlung wegen ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB) vom Kläger zurückgefordert und mit dem Bereicherungsanspruch gegenüber der offenen Kaufpreisforderung Aufrechnung erklärt werden könnte, was auch hilfsweise erfolgt sei.

BGH, Urteil vom 14.06.2024 - V ZR 8/23 -