Montag, 27. Mai 2024

Werkvertrag: Schaden bei teilweise auf Nachbargrundstück errichteten Gartenzaun

Der Beklagte sollte einen Gartenzaun erstellen. Aufgrund eines Messfehlers des Beklagten wurde der Zaun von ihm teilweise auf dem Nachbargrundstück errichtet. Der Kläger machte Schadensersatzansprüche geltend. Das Urteil des Landgerichts hielt das Berufungsgericht nicht für überzeugend und unterbreitete den Parteien unter Darlegung seiner Rechtsansicht einen Vergleichsvorschlag.

Als fehlerhaft sah es das Berufungsgericht an, dass das Landgericht eine Schätzung des Schadensersatzanspruchs anhand eines klägerseits benannten Kostenvoranschlags vornahm. Richtig sei vom Ausgangspunkt, dass das Landgericht die Möglichkeit einer fiktiven Abrechnung des Klägers ausgeschlossen habe. Der Besteller, der keine Aufwendungen zur Mängelbeseitigung tätigem habe keinen Vermögensschaden in Form und Höhe der lediglich fiktiven Aufwendungen (BGH, Urteil vom 22.02.2018 - VII ZR 46/17 -). Ließe der Besteller den Mangel nicht beseitigen, bemesse sich sein Vermögensschaden aus einem Vergleich des mangelhaften Werks zu dem geschuldeten. Der Schaden könne so bemessen werden (s. auch §§ 634 Nr. 3, 638 BGB), dass der mangelbedingte Minderwert geschätzt würde, wobei aber die Mängelbeseitigungskosten keine geeignete Schätzgrundlage seien. Auch im Hinblick auf einen möglichen Beseitigungsanspruchs des Grundstücksnachbarn ließe sich keine die fiktive Abrechnung rechtfertigende Verknüpfung erkennen. Vorliegend würde es nicht darauf ankommen, ob der Bach einen Anspruch nach §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB hätte. Der Kläger habe nicht dargelegt, dass sein Nachbar bereits Klage auf Beseitigung des Zauns erhoben hätte, weshalb dessen Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 2 BGB iVm. § 33 NNachbG im Hinblick auf den Zeitablauf (Nichteinhaltung der Frist des § 33 NNachbG) ausgeschlossen sei. Dieser Fristablauf sei nicht nur auf eine Einrede hin, sondern von Amts wegen zu berücksichtigen.

Der Vermögensschaden und seine Bemessung seien aufgrund einer Wertung vorzunehmen, orientiert am Leistungsinteresse des Bestellers. Ausgehend von der Vergütung als Maximalwert sei nach § 287 ZPO unter Berücksichtigung des Einzelfalls der Minderwert zu schätzen. Dabei könne nicht pauschal ein Fünftel der Rechnungssumme des beklagten angesetzt werden, da dort neben Zaunarbeiten auch Material enthalten sei. Als denkbar sah es das Berufungsgericht an, in die Schadensberechnung einzubeziehen, dass der Zaun nebst Betonborde durch die Fundamente wesentlicher Bestandteil des Grundstücks (§ 94 BGB) geworden sei. Infolge der geringeren Schutzwürdigkeit des Überbauers im Fall eines nicht entschuldigten Überbaus erfolge eine lotgerechte Teilung entlang der Grundstücksgrenze mit der Folge der Zuordnung des Eigentums zu dem jeweiligen Grundstückseigentümer. Der Kläger müsse daher noch vortragen, welche Rechnungspositionen auf die streitgegenständliche Grenzbebauung entfallen würden.

OLG Celle, Hinweis vom 05.02.2024 - 5 U 134/23 -

Samstag, 25. Mai 2024

Wann können Strafverteidigerkosten als Werbungskosten geltend gemacht werden ?

Der Kläger machte Strafverteidigerkosten als (nachträgliche) Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Diesen lag eine Strafanzeige des X-Konzerns (in dessen Gesellschaften er Geschäftsführer bzw. Syndikusanwalt war). seines ehemaligen Arbeitgebers) zugrunde. Zuletzt ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen des Vorwurfs der (Beihilfe zur) Untreue gem. § 266 StGB und der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr gem. § 299 StGB. Der Kläger beauftragte zu seiner Verteidigung eines Anwaltskanzlei. Im Laufe der Ermittlungen wurden auch noch weitere Vorwürfe geprüft. Das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger (sowie der weiteren Beschuldigten) wurde nach § 170 Abs. 2 stopp eingestellt. Die Kostend er anwaltlichen Vertretung des Klägers beliefen sich auf € 67.176,00. Das beklagte Finanzamt erkannte die Strafverteidigerkosten nicht als Werbungskosten an und wies einen Einspruch gegen den entsprechenden Einkommensteuerbescheid zurück. Hiergegen richtete sich die Klage, mit der sich der Kläger auf die berufliche Bezogenheit der Kosten berief, die auch nicht durch private Interessen überlagert würden.

Der Klage wurde vom Finanzgericht stattgegeben.

Werbungskosten iSv. § 9 Abs. 1 S. 1 EStG lägen vor, wenn die Kosten durch den Beruf veranlasst seien. Dies sei der Fall, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf bestünde und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt würden (BFH, Beschluss vom 20.10.2016 - VI R 27/15 -). Die Aufwendungen müssten damit zu der betroffenen Einkunftsart in einem steuerlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Das gelte auch bei nachträglichen Werbungskosten, die entstehen könnten, wenn der Arbeitnehmer nach Beendigung des Dienstverhältnisses Aufwendungen im Zusammenhang mit diesem erbringen müsse, wobei für den Zusammenhang auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in dem der Grund für die Aufwendungen gelegt worden sei.

Bei Strafverteidigerkosten seien diese als Werbungskosten abziehbar, wenn der strafrechtliche Vorwurf durch das berufliche Verhalten veranlasst worden sei. Die dem Steuerpflichtigen zur Last gelegte Tat müsse in Ausübung und nicht nur bei Gelegenheit der beruflichen Tätigkeit begangen sein. Dabei sei für die steuerliche Beurteilung gleichgültig, ob der Tatvorwurf zu Recht erhoben worden sei.

Eine Tat in Ausübung der beruflichen Tätigkeit würde aber auch dann keinen Veranlassungszusammenhang begründen können, wenn die Handlung nicht im Rahmen der beruflichen Aufgabenerfüllung läge oder ein beruflicher Veranlassungszusammenhang durch einen privaten Veranlassungszusammenhang überlagert würde. Eine private Überlagerung läge insbesondere vor, wenn der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber bewusst, also vorsätzlich schädigen wollte oder sich oder einen Dritten durch die schädigende Handlung bereichert habe. Zum Ausschluss des Werbungskostenabzugs genüge insoweit aber nicht alleine der Tatvorwurf der Untreue bzw. Beihilfe zur Untreue (BFH, Beschluss vom 17.08.2011 - VI R 75/10 -).

Nach diesen Grundsätzen seien vorliegend die Strafverteidigerkosten als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anzuerkennen. 

Der berufliche Veranlassungszusammenhang bestünde, da dem Kläger ein strafrechtlich relevantes Verhalten in Ausübung seiner früheren beruflichen Tätigkeit vorgeworfen worden sei. Die Vorwürfe hätten unmittelbar am originären beruflichen Aufgabenspektrum des Klägers angesetzt (z.B. Prüfung von Verträgen). 

Außerhalb der Erwerbssphäre liegende Veranlassungsgründe lägen nicht vor. Auslöser waren keine strafrechtlichen Vorwürfe, die nicht im Rahmen beruflicher Aufgabenerfüllung gelegen hätten; ebenso wenig sei ersichtlich, dass der Kläger seine Arbeitgeberin habe  schädigen wollen oder sich oder Dritte habe bereichern wollen; diesbezüglich von der Anzeigenerstatterin erhobene Vorwürfe würden für eine private Mitveranlassung nicht ausreichen. 

Im strafrechtlichen Verfahren sei ein Nachweis für die von Konzern geltend gemachten taten nicht geführt worden, vielmehr sei das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Zum Tatkomplex „Gewerbemietverträge“ und Verlagerung der Geschäftsfelder Montagedienstleistung und Arbeitnehmerüberlassung“ sei die Einstellung mangels hinreichenden Tatverdachts erfolgt. Soweit die Staatsanwaltschaft überhaupt eine Einbindung des Kläger festgestellt habe, habe jedenfalls kein hinreichender Tatverdacht ermittelt werden können, dass der Kläger einen überhöhten Mietzins zulasten des Konzerns zumindest billigend in Kauf genommen habe. 

Zum komplex Reinigungsdienstleistungen sei das Verfahren wegen Verjährung eingestellt worden, bei Feststellung eines „in tatsächlicher Hinsicht fortbestehenden gewichtigen Tatverdachts“ zum Vorwurf der (Beihilfe zur) Untreue. Auch wenn hier nicht mangels eines hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden sei, sei auch insoweit der Nachwies einer außerberuflich motivierten Tat des Klägers nicht geführt worden. Auch die Staatsanwaltschaft habe ausgeführt, dass nach Abschluss der Ermittlungen weder die tatsächlichen Beweggründe noch die Initiative für den Übergang des Geschäftsfeldes abschließend hätten ermittelt werden können. Lediglich eine Mitwirkung des Klägers an einem Vertragsentwurf (nach Entscheidung über die Übertragung des Geschäftsfeldes) habe den gewichtigen Tatverdacht der Staatsanwaltschaft begründet, woraus sich aber selbst angenommener strafrechtlicher Relevanz noch nicht der Schädigungsvorsatz des Klägers zu Lasten seiner Arbeitgeberin ergeben und/oder eine gewollte Bereicherung eines Dritten. 

Alleine der Vorwurf der Anzeigenerstatterin eines Schädigungsvorsatzes bzw. einer Bereicherung des Klägers und eines Dritten durch die vorgeworfenen Taten führe nicht zur Überlagerung des beruflichen Veranlassungszusammenhangs der Strafverteidigerkosten durch außerberufliche private Gründe. Eine Typisierung (wie vom Finanzamt angenommen) auch hinsichtlich einer etwaigen Überlagerung der Strafverteidigerkosten durch private Gründe alleine am Tatvorwurf orientiert, lehnte das Finanzgericht  „jedenfalls in Fällen des strafrechtlichen Untreuevorwurfs“ ab, in denen das vorgeworfene Verhalten unmittelbar die Berufsausübung des Steuerpflichtigen betreffe. Beziehe sich der Tatvorwurf der Untreue oder Beihilfe zur Untreue wie hier auf (vermeintliche) Verhaltenswiesen, die ihrer Art nach unmittelbar der konkreten Berufsausübung des Steuerpflichtigen zuzuordnen sind, sei der Anlass für die Strafverteidigung gegen diesen Vorwurf so eng mit der beruflichen Sphäre des Steuerpflichtigen verknüpft, dass alleine der subjektiv erhobene Vorwurf einer mit diesem Verhalten gewollten Schädigung des Arbeitgebers oder einer Eigen- oder Fremdbereicherung nicht geeignet sein könne. Den wesentlichen objektiven Bezug der Strafverteidigung zur Berufssphäre zu überlagern. Davon könne nur ausgegangen werden, wenn der Vorwurf zutreffe du sich damit die vorgeworfene Verhaltensweise des Steuerpflichtigen tatsächlich als maßgeblich von privaten Beweggründen getragen erweise. Nicht gefolgt würde der Ansicht des FG Thüringen (Urteil vom 12.02.2014 - 3 K 926/13 -, welches die Kosten der Strafverteidigung bei einem Untreuevorwurf alleine aufgrund dieses Vorwurfs vom Werbungskostenabzug ausschließe. 

FG Düsseldorf, Urteil vom 22.03.2024 - 3 K 2389/21 E -

Freitag, 24. Mai 2024

Versicherungsschutz ohne eindeutige Einbruchsspuren

Der Vater des Klägers, der dessen Erbe ist, hatte eine Hausratversicherung bei der Beklagten abgeschlossen, der die VHB 84 zugrunde lagen. Nach § 5 Nr. 1 Buchst. a Abs. 1 VHB 84 liegt ein Einbruchdiebstahl u.a. vor, wenn der Dieb in einen Raum eines Gebäudes einbricht oder einsteigt. In der Nacht vom 17. auf den 18.12.2016 soll ein unbekannter Täter (in Abwesenheit des Versicherungsnehmers) in das Wohngebäude des Versicherungsnehmers eingedrungen sein; er soll sich durch Aufhebeln des linken, geschlossenen Fensters im Erdgeschoss Zutritt verschafft haben, nachdem er zunächst versucht hätte, das mittlere Fenster aufzuhebeln. Die auf Gewährung von Versicherungsschutz gerichtete Klage wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Im Beschlusswege nach § 522 ZPO wies das OLG die Berufung des Klägers zurück. Die Revision führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das OLG.

Der BGH hielt die Anforderungen, die das OLG an die Darlegung des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls stellte, als überspannt.

Im Rahmen der Sachversicherung seien aus dem Leistungsversprechen des Versicherers abgeleitete Erleichterungen für den Beweis eines bedingungsgemäßen Diebstahls versicherter Sachen zuzubilligen. Er müsse nur das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung beweisen, mithin ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung zuließen (BGH, Urteil vom 08.04.2015 - IV ZR 171/13 -). Dazu gehöre neben der Unauffindbarkeit der am Tatort entwendeten und als gestohlen gemeldeten Sachen, dass – abgesehen von Nachschlüsseldiebstählen – Einbruchsspuren vorhanden seien. Diese Einbruchsspuren müssten nicht stimmig in dem Sinne sein, dass sie zweifelsfrei auf einen Einbruch schließen ließen. Da der Versicherungsnehmer idR. keine Zeugen oder sonstige Beweismittel beibringen könne, sei die Versicherungsleistung auch dann zuzuerkennen, wenn sich nach den festgestellten Umständen nur das äußere Geschehen eines Diebstahls darbiete, auch wenn von einem typischen Geschehensablauf nicht gesprochen werden könne.

Das OLG habe darauf abgestellt, dass der Sachverständige das Einstiegfenster erst mit erheblicher Gewaltanwendung und unter Verursachung zuvor nicht vorhandener Einbruchspuren habe öffnen können. Damit aber würde das OLG für den Nachweis des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls das Vorhandensein eines widerspruchsfreien stimmigen Spurenbildes verlangen. In der Sache vermisse das OLG den Nachweis eines typischen Tatablaufs, der aber keine Voraussetzung für das Vorliegen des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls sei. Nur wenn ein Einbruch auf dem Weg, wie er nach dem äußeren Spurenbild vorzuliegen scheine, aus anderen Gründen völlig auszuschließen sei, könne es trotz Vorhandenseins an sich genügender Spuren am Nachwies der erforderlichen Mindesttatsachen fehlen.

Vorliegend hätte das OLG das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls nicht aufgrund verbliebener Unklarheiten verneinen und dem Kläger einen unzureichenden Vortrag zum Tatgeschehen vorwerfen dürfen. Es habe zu Unrecht eine ins Detail gehende und widerspruchsfreie Schilderung des Tatgeschehens verlangt.

Würde das Vorliegen des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls bejaht, könne der Versicherer darlegen und bewiesen, dass der Versicherungsfall nur vorgetäuscht sei (wofür die Unstimmigkeit im Spurenbild Bedeutung erlangen könne). Dem Versicherer komme ebenfalls eine Beweiserleichterung zu. Erforderlich sei lediglich der Nachweis konkreter Tatsachen, die aber nicht nur mit hinreichender, sondern mit höherer (erheblicher) Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen würden, dass der Diebstahl nur vorgetäuscht worden sei. Das Fehlen weiterer Spuren für sich oder im Zusammenhang mit anderen Indizien könne ausreichend sein, um eine erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung zu begründen.

BGH, Urteil vom 17.04.2024 - IV ZR 91/23 -

Montag, 20. Mai 2024

Verjährungsbeginn für Eigentumsverschaffungsanspruch an Grundstück

Im notariellen Kaufvertrag aus 2004 erklärten die Parteien die Auflassung mit Anweisung an den Notar, den Antrag auf Vollzug der Auflassung erst zu stellen, wenn der Kläger dem schriftlich zustimmt oder die Beklagte die Kaufpreiszahlung nachgewiesen habe (bzw. diese vom Notar festgestellt worden sei). Eine Auflassungsvormerkung für die Beklagte wurde gewahrt. Mit Klage aus 2021 begehrte der Kläger die Löschung der Auflassungsvormerkung. Dabei ging er von einer Verjährung der Übereignungsforderung der Beklagten aus. Das Landgericht gab der Klage statt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten wurde mit Beschluss des OLG zurückgewiesen. Die Revision führte zur Aufhebung des Beschlusses des OLG und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an dieses.

Dem Verlangen des Klägers würde eine Erfüllung des Anspruchs der Beklagten nicht entgegenstehen. Der Erfüllungsanspruch bestünde so lange, bis der schuldete Leistungserfolgt eingetreten sei (§ 362 Abs. 1 BGB). Dies bedürfe hier nicht nur der Auflassung, sondern auch der Eintragung des Eigentumswechsels in das Grundbuch (BGH, Urteil vom 13.10.2023 - V ZR 161/22 -).

Der Anspruch auf Löschung der Vormerkung, bei der es sich um ein streng akzessorisches Sicherungsrecht handele, könne gem. § 866 BGB darauf gestützt werden, dass der durch die Vormerkung gesicherte Anspruch verjährt sei. Bei der Einrede der Verjährung handele es sich um eine dauernde Einrede, die den durch Vormerkung gesicherten Anspruch dauernd ausschließen würde. Allerdings sei der Übereignungsanspruch des beklagten vorliegend nicht verjährt.

Ansprüche auf Übertragung des Grundstücks würden in zehn Jahren verjähren, § 196 BGB, beginnend mit der Entstehung des Anspruchs, § 200 BGB.  Ein Anspruch sei iSv. §§ 200, 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden, sobald er erstmals geltend gemacht und (ggf. im Wege der Klage) durchgesetzt werden könne. Erforderlich sei dafür die Fälligkeit (z.B. BGH, Urteil vom 17.12.1999 - V ZR 448/98 -). Dies gelte auch für synallagmatisch verknüpfte vertragliche Ansprüche auf Leistung und Gegenleistung bei einem Grundstückskaufvertrag. Die Verjährung für synallagmatisch verbundene Ansprüche aus einen Vertragsverhältnis beginne erst mit der Fälligkeit des jeweiligen Anspruchs.

Grundsätzlich sei bei einem Kaufvertrag der Zeitpunkt dessen Abschlusses für die Entstehung des Anspruchs auf Eigentumsverschaffung (und damit Beginn der Verjährungsfrist) entscheidend. Etwas anders gelte aber dann, wenn (aufgrund  gesetzlicher Regelungen oder vertraglicher Vereinbarung) der Anspruch nicht mit Vertragsabschluss, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt fällig würde.

Üblicherweise würden in einem Grundstückskaufvertrag abweichende Regelungen zur Fälligkeit des Anspruchs auf Eigentumsverschaffung getroffen, um den Verkäufer davor zu schützen, dass er das Eigentum an seinem Grundstück verliert, ohne den Kaufpreis zu erhalten. Solche Regelungen könnten (wie hier) dazu führen, dass der Anspruch auf Eigentumsverschaffung erst mit dem Nachweis der Kaufpreiszahlung fällig würde. Vor eigener Erfüllung der Kaufpreiszahlungspflicht könne der Käufer nicht erfolgversprechend auf Übertragung des Eigentums klagen (auch nicht mit dem Ziel einer Zug-um-Zug-Verurteilung). Nicht ausreichend sei, die Berechtigung des Käufers, jederzeit den Kaufpreis zu zahlen (§ 271 Abs. 2 BGB) und so die Fälligkeit des Eigentumsverschaffungsanspruchs herbeizuführen.

BGH, Urteil vom 15.03.2024 - V ZR 224/22 -

Samstag, 18. Mai 2024

Verkehrsunfall mit geschwindigkeitsüberschreitenden Krankenwagen im Einsatz

In einem Kreuzungsbereich kam es beim Linksabbiegen des klägerischen Fahrzeugs zu einem Zusammenstoß mit einem Krankenrettungswagen, der das klägerische Fahrzeug auf der linken Fahrspur überholte. Der Rettungswagen befand sich im Einsatz und hatte 7,11 Sekunden und 127,7 m vor der Kollision Blaulicht und Martinshorn eingeschaltet; er fuhr mit 75 km/h. Die Klägerin machte Schadensersatz mit einer Quote von 75% geltend. Die Klage wurde vom Landgericht abgewiesen; das OLG wies die Klägerin mit Beschluss gem. § 522 ZPO darauf hin, dass es beabsichtige, die Berufung zurückzuweisen. In dem Beschluss setzte sich das OLG mit Sonder- und Wegerechten nach der StVO auseinander.

Anspruchsgrundlagen könnten § 839 BGB Art. 34 GG als auch § 7 StVG sein, die hier allerdings nach Auffassung des OLG einen Haftungsanspruch nicht begründen würden.   

Eine Amtspflichtverletzung schloss das OLG aus, da die Geschwindigkeitsüberschreitung von ca. 100% (erlaubt waren 30 km/h) trotz der durch Blinklicht angekündigten Absicht bei dem klägerischen Fahrzeug, nach links abzubiegen, nach § 35 Abs. 5a StVO gerechtfertigt gewesen sei. Fahrzeuge des Rettungsdienstes seien von den Vorschriften der StVO befreit, wenn höchste Eile geboten sei, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden. Die Beweislast für das Vorliegen einer Einsatzfahrt iSv. § 35 Abs. 5a StVO obliege zwar demjenigen, der sich auf eine Einsatzfahrt berufe (hier der Beklagten), doch sei der Beweis durch die Vorlage des Einsatzprotokolls und Angabe des Einsatzgrundes geführt worden. Diesem substantiierten Vortrag sei die Klägerin nicht entgegengetreten. 

Es läge auch kein Verstoß gegen § 38 Abs. 8 StVO vor. Danach dürften Sonderrechte (wie hier) nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden, also mit größtmöglicher Sorgfalt. Die zu beachtende Sorgfalt des Einsatzfahrers steigere sich, je mehr er sich über allgemeine Verkehrsregeln hinwegsetze und dadurch Unfallgefahren erhöhe (KG, Urteil vom 25.04.2005 - 12 U 123/04 -). Da es sich der Unfall im Bereich einer gut einsehbaren Hauptstraße ereignete, begründe die Geschwindigkeitsüberschreitung keinen Verstoß gegen § 35 Abs. 8 StVO, wobei auch zu berücksichtigen sei, dass sich der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs beim Linksabbiegen durch die doppelte Rückschaupflicht (§ 9 Abs. 1 StVO) vor dem Abbiegen über den rückwärtigen Verkehr hätte versichern müssen. Selbst sollte der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs Martinshorn und Blaulicht nicht wahrgenommen haben, habe der Einsatzfahrer darauf vertrauen dürfen, dass der Überholvorgang auf der Gegenspur bei Beachtung des § 9 Abs. 1 S. 4 StVO nicht gefährdend sei, da unstreitig kein Gegenverkehr vorhanden gewesen sei.

Ebenso negierte das OLG einen Anspruch aus § 7 StVG. Bei einem Verkehrsunfall von zwei Kraftfahrzeugen sei eine Abwägung nach § 17 Abs. 1 StVG unter Beachtung der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen und dabei zu berücksichtigen, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden sei.

Der Beklagten sei in Ansehung von § 35 Abs. 5a StVO kein die vom Fahrzeug ausgehender, die Betriebsgefahr steigernder Verkehrsverstoß zur Last zu legen, demgegenüber dem Fahrer des klägerischen Fahrzeugs anzulasten sei, dass dieser gegen § 38 Abs. 1 StVO verstoßen habe, wonach die anderen Verkehrsteilnehmer und Martinshorn sofort „freie Bahn zu schaffen“ haben. Wie nun freie Bahn zu schaffen sei, hänge von den Umständen ab, wobei der Ausschluss einer Behinderung des Wegerechtsfahrzeugs alleinige Richtschnur für das Verhalten der übrigen Verkehrsteilnehmer sein müsse (OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.11.1991 - 1 U 129/90 -). Eine freie Bahn habe der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs auch nicht durch Auffahren auf die linke Fahrspur machen können, da diese frei gewesen sei. Sollte für den Fahrer des klägerischen Fahrzeugs nach rechts kein Platz mehr gewesen sein, hätte er stehen bleiben müssen.

Die Berufung wurde nach dem Hinweisbeschluss zurückgenommen.

Schleswig-Holsteinisches OLG, Hinweisbeschluss vom 04.01.2024 - 7 U 141/23 -

Samstag, 11. Mai 2024

Öffentliche Zustellung und Folge der Verletzung an die Anforderungen

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) machte gegen den beklagten Wohnungseigentümer Zahlungsansprüche geltend. Sie hatte unter Vorlage einer negativen Einwohnermeldeamtsanfrage die öffentliche Zustellung beantragt, die auch erfolgte. Ebenso wurde das der Klage stattgebende Versäumnisurteil öffentlich (am 09.12.2021) zugestellt.  Den Einspruch vom 10.03.2022 wies das Amtsgericht (da verspätet) als unzulässig zurück. Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Landgericht durch Beschluss nach § 522 ZPO zurückgewiesen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde wurde der Beschluss des Landgerichts vom BGH aufgeheben und der Rechtsstreit an dieses zurückverwiesen (§ 544 Abs. 9 ZPO).

Die Verletzung rechtlichen Gehörs lag nach den Ausführungen des BGH darin, dass ein Versäumnisurteil nicht hätte ergehen dürfen, da die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung nicht vorgelegen hätten. die öffentliche Zustellung nicht hätte bewilligt werden dürfen, weshalb auch die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils nicht hätte erfolgen dürfen. Durch die Verwerfung des Einspruchs durch das Erstgericht und der Zurückweisung der Berufung gegen dieses Urteil des Erstgerichts sei die Verletzung des rechtlichen Gehörs des beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs fortgesetzt worden.

Für die öffentliche Zustellung nach § 185 Nr. 1 ZPO müsse nicht nur für das Gericht der Aufenthalt einer Person unbekannt sein, sondern auch für die Allgemeinheit. Die durch die öffentliche Zustellung begünstigte Partei müsse alle geeigneten und ihr zumutbaren Nachforschungen anstellen, um den Aufenthalt des Zustellungsempfängers zu ermitteln und ihre ergebnislosen Bemühungen dem Gericht darlegen; eine ergebnislose Anfrage beim Einwohnermeldeamt reiche in der Regel nicht aus.

Das Amtsgericht und das Berufungsgericht hätten nicht davon ausgehen dürfen, dass die Klägerin alle geeigneten und zumutbaren Nachforschungen angestellt habe. Ein dargelegter einmaliger Fehlschlag einer Zustellung (hier eines Protokolls einer Eigentümerversammlung), für die es verschiedene Gründe geben können ließe die Schlussfolgerung eines unbekannten Aufenthalts nicht zu. Zumal vorliegend der frühere Rechtsanwalt des Beklagten daraufhin die Meldedaten des Beklagten in Tschechien bestätigt und nur auf berufsbedingte Auslandsaufenthalte verweisen habe.  Zudem hätte die Klägerin den Beklagten über die ihr bekannte E-Mail-Adresse den Beklagten kontaktieren können und ihn im Hinblick auf die vorgesehene Klageerhebung um Mitteilung einer eventuell von der Meldeadresse in Tschechien abweichenden Zustellanschrift ersuchen können bzw. auffordern können, einen Zustellungsbevollmächtigten in Deutschland zu benennen (z.B. OLG Frankfurt, Urteil vom 03.12.2008 - 19 U 120/08 -; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 08.12.2017 - 4 W 64/17 -). Eine hier erfolgte Information des früheren Rechtsanwalts des Beklagten über die öffentliche Zustellung reiche nicht aus.

Die damit vorliegende Verletzung rechtlichen Gehörs sei auch entscheidungserheblich gewesen. Ein Verstoß gegen § 185 ZPO löse die Zustellungsfiktion nicht aus und setze damit auch keine Frist in Lauf. Nach Feststellung des Fehlers wäre das Verfahren fortzusetzen (BGH, Urteil vom 06.10.2006 - V ZR 282/05 -). Es sei auch nicht auszuschließen, dass das Versäumnisurteil bei Fortsetzung des Verfahrens ganz oder teilwiese nicht aufrechterhalten bleiben könne.

BGH, Beschluss vom 22.02.2023 - V ZR 117/23 -

Mittwoch, 8. Mai 2024

Ohne vorherigen Hinweis unterlassene (vorgesehene) Beweisaufnahme

Streitgegenständlich war der Vorsteuerabzug aus einer Rechnung der N-GmbH. Hier wurde der Zeuge D. vom Finanzgericht (FG) zum Beweisthema „Dienstleistungen der N-GmbH an den Kläger im Zeitraum Januar 2016 bis einschließlich September 2016“ zur mündlichen Verhandlung geladen, erschien aber nicht. Der Kläger beantragte hilfsweise, den Zeugen erneut zu laden und zum Beweisthema zu vernehmen. Das FG wies die Klage ab. Die Beschwerde des Klägers führte zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Finanzgericht.

Es läge ein Verfahrensmangel iSv. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO vor. Da das FG habe den Zeugen zur mündlichen Verhandlung geladen; wolle es von dessen Vernehmung dann absehen, müsse es die beteiligten vor Erlass des Urteils unmissverständlich darauf hinweisen. Würde dieser Hinweis unterbleiben, sei der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Dies wurde vom BFH damit begründet, dass mit dem (förmlichen) Beweisbeschluss eine Verfahrenslage entstünde, auf welche die Beteiligten ihre Prozessführung einrichten dürften mit der Folge, dass sie davon ausgehen dürften, dass klein Urteil vor vollständiger Ausführung des Beweisbeschlusses ergehen würde. Wolle das Gericht von einer (weiteren) Beweisaufnahme absehen, müsse es daher vor Erlass des Urteils unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass es den Beweisbeschluss als erledigt betrachte.  Dies gelte auch dann, wenn kein Beweisbeschluss ergingen sei, aber ein Zeuge gem. § 79 Abs. 1 FGO S. 2 Nr. 6 FGO zum Termin geladen worden sei (wie im vorliegenden Verfahren).  

Der Hinweis sei nur entbehrlich, wenn das Gericht aufgrund besonderer objektiver Umstände ausnahmsweise davon ausgehen durfte, dass sich die Beweisaufnahme auch aus Sicht der Beteiligten zweifelsfrei erledigt habe, ohne dass es eines entsprechenden Hinweises bedürfte.

Bei Annahme einer Gehörsverletzung ergäbe sich der Verfahrensmangel, auf dem das Urteil nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO beruhen müsse, direkt aus § 119 Nr. 3 FGO. Selbst würde man § 119 Nr. 3 FGO nicht anwenden, würde das Urteil auf dem Verfahrensmangel beruhen, da dafür die vorliegend zu bejahende Möglichkeit ausreiche, dass die Entscheidung bei Erhebung des Beweises anders ausgefallen wäre (BFH, Beschluss vom 19.09.2014 - IX B 101/13 -). Dabei sei vom BFH berücksichtigt worden, dass das FG seine Entscheidung auch mit ernstlichen Zweifeln an der tatsächlichen Leistungserbringungen begründet habe und den Kläger als „feststellungsbelastet“ angesehen habe, weshalb bei einer Zeugenvernehmung eine anderweitige Beurteilung möglich gewesen sei.

Nicht zu entscheiden sei, ob darüber hinaus ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht vorlag.

BFH, Beschluss vom 04.04.2024 - V B 12/23 -