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Montag, 15. Juni 2020

Haftung bei Unfall im Begegnungsverkehr in Kurve zwischen PKW und Traktorgespann


Der Verkehrsunfall ereignete sich auf einer schmalen Straße in einem Kurvenbereich. Die Kollision ereignete sich etwas über der (gedachten) Mittelinie auf der Fahrbahnseite der Klägerin. Das Landgericht wies die Klage ab. Im Rahmen der Berufung erfolgte ein Hinweisbeschluss durch das OLG Köln, dass dieses beabsichtige, die Berufung zurückzuweisen.

Nach Auffassung des OLG sei eine Verpflichtung der Beklagten (Fahrer, Halter und Versicherer des Traktors mit Anhänger) zur Zahlung von Schadensersatz nach § 17 Abs. 3 StVG nicht gegeben. Es handele sich für die Beklagten um ein unabwendbares Ereignis. Unter unabwendbaren Ereignis sei nicht eine absolute Unvermeidbarkeit zu verstehen, sondern gemeint sei ein Schadensereignis, welches auch bei der äußersten Sorgfalt nicht abgewendet werden könne. Dazu sei ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln erheblich über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt iSv. § 276 BGB erforderlich. Der Schädiger sei nach dem Zweck des § 17 Abs. 3 StVG von Schäden freizustellen, die sich auch bei vorsichtigen Vorgehen nicht vermeiden ließen, ohne dass eine absolute Unvermeidbarkeit gefordert würde. Denn es müsse auch bei dem geforderten „Idealfahrer“ als Maßstab menschliches Vermögen den Erfordernissen des Straßenverkehrs angepasst sein.

Damit sei aber auf der Grundlage des vom Landgericht eingeholten Sachverständigengutachtens der Unfall für den Fahrer des Traktors unabwendbar. Seine Reaktion und sein verhalten hätten demjenigen eines Idealfahrers entsprochen.

Nach der sachverständigen Feststellung habe sich das klägerische Fahrzeug vor dem Unfallereignis mit seiner linken Seite im Bereich der gedachten Fahrbahnmitte befunden. Auch wenn die Klägerin die Fahrbahnmitte nicht überfahren haben sollte, würde die Bremsreaktion des Fahrers des Traktors den Anforderungen an einen Idealfahrer gerecht werden, da sich nach den übereinstimmenden Angaben der Parteien die Fahrzeuge im Kurvenbereich plötzlich gegenüber befunden hätten  und ein Ausweichen des Traktors nach rechts wegen eines Felsvorsprungs nicht möglich gewesen sei. Dies gilt auch, obwohl durch ABS und Anhängerbremse der Traktor durch das Abbremsen in Richtung Fahrbahnmitte geriet und so die Kollision verursacht worden sei.

Zwar wäre nach den sachverständigen Feststellungen der Verkehrsunfall ohne das Abbremsen des Traktors verhindert worden. Es könne auf sich beruhen, ob dem Fahrer eine falsche Reaktion im ersten Schreck zuzubilligen sei (so BGH, Urteil vom 23.09.1986 - VI ZR 136/85 -), da hier auch der Idealfahrer in der konkreten Gefahrensituation nicht hätte erkennen können, dass ohne sein Abbremsen eine Kollision vermeidbar wäre. Dies würde sich auch daraus ergeben, dass eine Vermeidung nicht nur von der eigenen Reaktion des Traktorführers abhing, sondern auch von der unbekannten Reaktion der Klägerin. In Ansehung auch von zu erwartenden erheblichen Schäden (einschl. Personenschäden) im Falle einer ungebremsten Kollision war damit dem Traktorfahrer auch bei dem größtmöglichen Sorgfaltsmaßstab nicht anzulasten, dass er das von ihm geführte Gespann bei Auftauchen des klägerischen PKW im Bereich der Fahrzeugmitte abbremste.  

Unbehelflich sei der Hinweis der Klägerin auf eine Überbreite des Traktorgespanns, da nach den Feststellungen des Sachverständigen und vorliegenden Fotos der Traktor mit Anhänger sowie der PKW der Klägerin im Kurvenbereich gefahrlos hätten aneinander vorbeifahren können.

Dabei sei ferner zu berücksichtigen, dass das Gespann äußerst rechts geführt wurde und mit einer Geschwindigkeit, mit der die Kurve auch gefahrlos zu passieren war. Die Ausgangsgeschwindigkeit hätte nach dem Sachverständigen in einer Größenordnung von 25km/h gelegen, die Kollisionsgeschwindigkeit im Bereich zwischen 10 und 15 km/h. Eine weitere Geschwindigkeitsreduzierung (unter 25km/h) sei auch für den Idealfahrer hier nicht notwendig gewesen, zumal eine noch langsamere Geschwindigkeit die Gefahren für einen den Traktor nachfolgenden Verkehr sich gerade in dem unübersichtlichen Kurvenbereich erhöht hätten. Der Traktorfahrer, der äußerst vorsichtig und am rechten Fahrbahnrand unter Wahrung der gebotenen Kurven- und Höchstgeschwindigkeit fuhr, hätte mangels erkennbarer vertrauenserschütternder Gründe nicht noch zusätzlich darauf achten müssen, dass ihm in der Kurve plötzlich ein PKW in Fahrbahnmitte entgegen kommt.

Allerdings habe die Klägerin gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen, da der Sachverständige festgestellt habe, dass sich die Klägerin jedenfalls mit der linken Seite des PKW im Bereich der Fahrbahnmitte befand. Dass ein Überschreiten der Fahrbahnmitte nicht habe festgestellt werden können, sei für die rechtliche Bewertung des Fehlverhaltens der Klägerin als Verstoß gegen § 2 Abs. 2 StVO unbeachtlich.  

Anmerkung: Da die Berufung nicht zurückgenommen wurde, wies das OLG in der Folge die Berufung mit Beschluss vom 03.06.2020 nach § 522 ZPO zurück.

OLG Köln, Hinweisbeschluss vom 20.04.2020 - I-12 U 190/19 -

Freitag, 24. Februar 2017

Haftungsvoraussetzungen für Radfahrer bei fahren auf falscher Seite auf Radweg und Kollision mit Fußgänger

Der Beklagte war als Radfahrer unterwegs und wechselte von dem rechts neben der Straße (in seiner Fahrtrichtung gesehen) auf  den Radweg auf der linken Seite der Straße. Im Anschluss an den Radweg befand sich (links in Fahrtrichtung) ein Fu0weg.  Auf diesem stand die Geschädigte, die Mitglied bei der auf Aufwendungsersatz klagenden Krankenversicherung war.  Sie stand zum Radweg hin gewendet und schaute von ihr aus nach links, da sie beabsichtigte, im Bereich einer Fußgängerfurt die Straße zu überqueren. Der Beklagte sah das Mitglied der Klägerin bei seiner Annäherung, die unbeweglich war. Als er , nach seiner Angabe, mit dem Fahrrad fast den Bereich erreicht hatte, an dem sich das Mitglied der Klägerin befand, ging diese (unstreitig ohne noch einmal nach rechts zu sehen) los und direkt auf den Radweg (nach ihren Angaben), da ein PKW stoppte um ihr den Übergang über die Straße zu ermöglichen. Der Beklagte gab an, nicht mehr hätte reagieren zu können. Es kam zur Kollision, bei der sich das Mitglied der Klägerin verletzte.

Eine Haftung des Beklagten käme hier unter den Voraussetzungen des § 823 BGB in Betracht. Die Darlegungs- und Beweislast lag bei der Klägerin.

Diese hatte wesentlich darauf abgestellt, dass der Beklagte den linksseitigen Radweg benutzte und damit gegen § 2 Abs. 4 S. 4 StVO verstoßen habe. Dem folgte das Landgericht nicht. Unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des OLG Saarbrücken (NJW-RR 2015, 798) wies es darauf hin, dass diese Vorschrift nur dem Schutz des Gegen- und Überholverkehrs auf Radwegen dient und nicht dem Schutz der Fußgänger.  Dies hatte im übrigen auch bereits der BGH (in Strafsachen) in einem Beschluss vom 15.07.1986 (BGHSt 34, 127ff) ausgeführt.

Es müsste damit ein anderes schuldhaftes Verhalten des Beklagten nachgewiesen werden, welches unfallursächlich geworden wäre. Ein solche könne nach dem Landgericht darin liegen, dass der Beklagte die Gefahrensituation vorausgesehen habe oder in Ansehung der nach seinen Angaben nur in einer Entfernung von 1m zum Radweg stehenden Geschädigten zu schnell gefahren wäre. Beides hätte hier die Klägerin zu beweisen.

Der Beklagte hatte in seiner persönlichen Anhörung ausgeführt, er habe beabsichtigt, nach der Telefonzelle, vor der die Geschädigte stand, nach links auf einen Schotterweg abbiegen wollen. Deshalb habe er abgebremst und die Bremse schon wieder gelockert gehabt. Gegenteiliges hätten die klägerseits benannten Zeugen auch nicht bekundet. Der eine Zeuge habe den Vorfall selbst nicht mitbekommen (er sprach lediglich davon, dass zuvor der Beklagte eine rote Fußgängerampel „zügig“ überquert habe; diese befand sich aber 50 – 80m vor der Unfallstelle. Die Geschädigte selbst, die zwar in der schriftlichen Aussage bei der Polizei ausführte, der Beklagte sei „wohl auch zu schnell gefahren“, hatte den Beklagten aber gar nicht gesehen, da sie nicht in seine Richtung sah. Sie ging – ohne vorher sich nachrechts auf dem Radweg zu vergewissern, auf diesen. Damit sei die Einlassung des Beklagten, er habe nicht mehr reagieren können, nicht ausgeschlossen worden. Damit sei ein schuldhaftes Verhalten des Beklagten nicht festzustellen.

Obwohl es auf die Schadenshöhe nicht ankam, hat das Landgericht allerdings die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie ihre Aufwendungen, trotz Hinweises auf Beklagtenseite, nicht substantiiert hätte. Die einzelnen Positionen wären nicht dargelegt worden. Auch auf eine Aufforderung durch das Landgericht sei lediglich ein umfangreiches Anlagenkonvolut überlassen worden, der aber der Aufforderung zum Vortrag nicht gerecht würde.


LG Bielefeld, Urteil vom 14.02.2017 – 2 O 98/16 -