Anspruchsgrundlagen könnten § 839 BGB Art. 34 GG als auch § 7 StVG sein, die hier allerdings nach Auffassung des OLG einen Haftungsanspruch nicht begründen würden.
Eine Amtspflichtverletzung schloss das OLG aus, da die Geschwindigkeitsüberschreitung von ca. 100% (erlaubt waren 30 km/h) trotz der durch Blinklicht angekündigten Absicht bei dem klägerischen Fahrzeug, nach links abzubiegen, nach § 35 Abs. 5a StVO gerechtfertigt gewesen sei. Fahrzeuge des Rettungsdienstes seien von den Vorschriften der StVO befreit, wenn höchste Eile geboten sei, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden. Die Beweislast für das Vorliegen einer Einsatzfahrt iSv. § 35 Abs. 5a StVO obliege zwar demjenigen, der sich auf eine Einsatzfahrt berufe (hier der Beklagten), doch sei der Beweis durch die Vorlage des Einsatzprotokolls und Angabe des Einsatzgrundes geführt worden. Diesem substantiierten Vortrag sei die Klägerin nicht entgegengetreten.
Es läge auch kein Verstoß gegen § 38 Abs. 8 StVO vor. Danach dürften Sonderrechte (wie hier) nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden, also mit größtmöglicher Sorgfalt. Die zu beachtende Sorgfalt des Einsatzfahrers steigere sich, je mehr er sich über allgemeine Verkehrsregeln hinwegsetze und dadurch Unfallgefahren erhöhe (KG, Urteil vom 25.04.2005 - 12 U 123/04 -). Da es sich der Unfall im Bereich einer gut einsehbaren Hauptstraße ereignete, begründe die Geschwindigkeitsüberschreitung keinen Verstoß gegen § 35 Abs. 8 StVO, wobei auch zu berücksichtigen sei, dass sich der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs beim Linksabbiegen durch die doppelte Rückschaupflicht (§ 9 Abs. 1 StVO) vor dem Abbiegen über den rückwärtigen Verkehr hätte versichern müssen. Selbst sollte der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs Martinshorn und Blaulicht nicht wahrgenommen haben, habe der Einsatzfahrer darauf vertrauen dürfen, dass der Überholvorgang auf der Gegenspur bei Beachtung des § 9 Abs. 1 S. 4 StVO nicht gefährdend sei, da unstreitig kein Gegenverkehr vorhanden gewesen sei.
Ebenso negierte das OLG einen Anspruch aus § 7 StVG. Bei einem Verkehrsunfall von zwei Kraftfahrzeugen sei eine Abwägung nach § 17 Abs. 1 StVG unter Beachtung der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen und dabei zu berücksichtigen, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden sei.
Der Beklagten sei in Ansehung von § 35 Abs. 5a StVO kein die vom Fahrzeug ausgehender, die Betriebsgefahr steigernder Verkehrsverstoß zur Last zu legen, demgegenüber dem Fahrer des klägerischen Fahrzeugs anzulasten sei, dass dieser gegen § 38 Abs. 1 StVO verstoßen habe, wonach die anderen Verkehrsteilnehmer und Martinshorn sofort „freie Bahn zu schaffen“ haben. Wie nun freie Bahn zu schaffen sei, hänge von den Umständen ab, wobei der Ausschluss einer Behinderung des Wegerechtsfahrzeugs alleinige Richtschnur für das Verhalten der übrigen Verkehrsteilnehmer sein müsse (OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.11.1991 - 1 U 129/90 -). Eine freie Bahn habe der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs auch nicht durch Auffahren auf die linke Fahrspur machen können, da diese frei gewesen sei. Sollte für den Fahrer des klägerischen Fahrzeugs nach rechts kein Platz mehr gewesen sein, hätte er stehen bleiben müssen.
Die Berufung wurde nach dem Hinweisbeschluss zurückgenommen.
Schleswig-Holsteinisches
OLG, Hinweisbeschluss vom 04.01.2024 - 7 U 141/23 -