Der Beklagte sollte einen Gartenzaun erstellen. Aufgrund eines Messfehlers des Beklagten wurde der Zaun von ihm teilweise auf dem Nachbargrundstück errichtet. Der Kläger machte Schadensersatzansprüche geltend. Das Urteil des Landgerichts hielt das Berufungsgericht nicht für überzeugend und unterbreitete den Parteien unter Darlegung seiner Rechtsansicht einen Vergleichsvorschlag.
Als fehlerhaft sah es das Berufungsgericht an, dass das Landgericht eine Schätzung des Schadensersatzanspruchs anhand eines klägerseits benannten Kostenvoranschlags vornahm. Richtig sei vom Ausgangspunkt, dass das Landgericht die Möglichkeit einer fiktiven Abrechnung des Klägers ausgeschlossen habe. Der Besteller, der keine Aufwendungen zur Mängelbeseitigung tätigem habe keinen Vermögensschaden in Form und Höhe der lediglich fiktiven Aufwendungen (BGH, Urteil vom 22.02.2018 - VII ZR 46/17 -). Ließe der Besteller den Mangel nicht beseitigen, bemesse sich sein Vermögensschaden aus einem Vergleich des mangelhaften Werks zu dem geschuldeten. Der Schaden könne so bemessen werden (s. auch §§ 634 Nr. 3, 638 BGB), dass der mangelbedingte Minderwert geschätzt würde, wobei aber die Mängelbeseitigungskosten keine geeignete Schätzgrundlage seien. Auch im Hinblick auf einen möglichen Beseitigungsanspruchs des Grundstücksnachbarn ließe sich keine die fiktive Abrechnung rechtfertigende Verknüpfung erkennen. Vorliegend würde es nicht darauf ankommen, ob der Bach einen Anspruch nach §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB hätte. Der Kläger habe nicht dargelegt, dass sein Nachbar bereits Klage auf Beseitigung des Zauns erhoben hätte, weshalb dessen Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 2 BGB iVm. § 33 NNachbG im Hinblick auf den Zeitablauf (Nichteinhaltung der Frist des § 33 NNachbG) ausgeschlossen sei. Dieser Fristablauf sei nicht nur auf eine Einrede hin, sondern von Amts wegen zu berücksichtigen.
Der Vermögensschaden und seine Bemessung seien aufgrund einer Wertung vorzunehmen, orientiert am Leistungsinteresse des Bestellers. Ausgehend von der Vergütung als Maximalwert sei nach § 287 ZPO unter Berücksichtigung des Einzelfalls der Minderwert zu schätzen. Dabei könne nicht pauschal ein Fünftel der Rechnungssumme des beklagten angesetzt werden, da dort neben Zaunarbeiten auch Material enthalten sei. Als denkbar sah es das Berufungsgericht an, in die Schadensberechnung einzubeziehen, dass der Zaun nebst Betonborde durch die Fundamente wesentlicher Bestandteil des Grundstücks (§ 94 BGB) geworden sei. Infolge der geringeren Schutzwürdigkeit des Überbauers im Fall eines nicht entschuldigten Überbaus erfolge eine lotgerechte Teilung entlang der Grundstücksgrenze mit der Folge der Zuordnung des Eigentums zu dem jeweiligen Grundstückseigentümer. Der Kläger müsse daher noch vortragen, welche Rechnungspositionen auf die streitgegenständliche Grenzbebauung entfallen würden.
OLG Celle, Hinweis vom
05.02.2024 - 5 U 134/23 -
Aus den Gründen:
Tenor
I.
Der Senat schlägt den Parteien vor, sich
wie folgt zu vergleichen:
…
II.
Dem
Vergleichsvorschlag liegen folgende rechtliche Erwägungen zu Grunde:
Gründe
1. …
2. Das
Werk des Beklagten ist mangelhaft im Sinne des § 633 Abs. 2 S. 1
BGB. Der Zaun steht entgegen der Vereinbarung der Parteien auf dem Grundstück
des Nachbarn des Klägers, was auf einem Messfehler des Beklagten beruht. Dies
hat das Landgericht nach Vernehmung der Zeugen v. B. und Ö. in nicht zu
beanstandender Weise festgestellt. An diese Feststellungen ist der Senat gemäß
§ 529 Abs. 1 ZPO gebunden. Anhaltspunkte für Zweifel an der
Richtigkeit und Vollständigkeit der festgestellten Tatsachen sind nicht ersichtlich.
Insbesondere hat das Landgericht nicht verkannt, dass der Kläger für das
Vorliegen des Mangels beweisbelastet ist. Entgegen der Auffassung des Beklagten
hat das Landgericht lediglich die Frage offengelassen, welcher Fehler den
Mitarbeitern des Beklagten bei der Einmessung unterlief, nicht hingegen die
Frage, ob ihnen ein Fehler unterlief.
Weiterhin
ergeben sich keine Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der vom
Landgericht festgestellten Tatsachen, weil das Landgericht festgestellt hat,
dass sich der Zaun außerhalb der Grundstücksgrenze des Klägers befindet. Zwar
hat der Beklagte bereits in der Klagerwiderung bestritten, dass sich der Zaun
außerhalb der Linie zwischen den maßgeblichen Grenzsteinen und damit auf dem
Nachbargrundstück befindet. Auf die Frage, ob der Schriftsatz des Beklagten vom
11. Mai 2023 (Bl. 159 d.A.), nach § 296a ZPO zu berücksichtigen ist, kommt
es daher nicht an. Das Landgericht hat jedoch die Frage, ob der Zaun auf dem
Nachbargrundstück errichtet wurde, nicht als unstreitig eingeordnet. Das
Landgericht ist aufgrund der Vermessungsunterlagen (Anlage K 2, Bl. 17 ff.
d.A.) zu dem Ergebnis gelangt, dass sich der Zaun auf dem Nachbargrundstück
befindet. Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der festgestellten
Tatsachen ergeben sich auch diesbezüglich nicht. Die Feststellungen sind
insbesondere aufgrund des Grenzdokuments (Anlage K2, Bl. 21 d.A.) schlüssig und
nachvollziehbar. Dort hat der Vermessungsingenieur unter Punkt 1.1 aufgenommen,
dass „sich (…) Übereinstimmung ergeben“ hat „mit Ausnahme der in der Skizze
vermerkten Abweichungen“ (Anlage K2, Bl. 21 d.A.). Insofern gibt es keine
Anhaltspunkte für den Einwand des Beklagten, der Kläger selbst habe die
Abweichung in den Lageplänen vermerkt.
Zweifel an der
Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen des Landgerichts ergeben
sich auch nicht aus den mit der Berufungsbegründung eingereichten Lichtbildern.
Dabei kann offenbleiben, ob der mit den Lichtbildern untermauerte Vortrag, der
Zaun stünde in einer Flucht mit der Garage, nach § 531 Abs. 2 ZPO zu
berücksichtigen ist. Bereits aus den Lichtbildern des Beklagten (Bl. 32 und 33)
ergibt sich, dass der Zaun nicht bündig mit der Garage abschließt, sondern sich
weiter rechts befindet. Durch die vom Kläger eingereichten Lichtbilder (Anlage
K 11_1 und K 11_2, Bl. 49, 50 und 52 d.A.) mit den darin enthaltenen
Markierungen wird dieser Überstand nur noch deutlicher.
3. Die
Entscheidung des Landgerichts zur Schadenshöhe ist nicht überzeugend.
a) Eine
Schätzung des Schadensersatzanspruchs anhand des vom Kläger behaupteten
Kostenvoranschlags kommt nicht in Betracht. Das Landgericht ist zutreffend
davon ausgegangen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine
fiktive Abrechnung eines durch eine Werkleistung des Unternehmers verursachten
Mangel ausscheidet. Der Besteller, der keine Aufwendungen zur Mängelbeseitigung
tätigt, hat keinen Vermögensschaden in Form und Höhe dieser (nur fiktiven)
Aufwendungen (BGH, Urteil vom 22. Februar 2018, Az. VII ZR 46/17, Rn. 32, zit.
nach juris). Eine Schadensbemessung nach fiktiven Mangelbeseitigungskosten
führt häufig zu einer Überkompensation und damit einer nach allgemeinen
schadensrechtlichen Grundsätzen nicht gerechtfertigten Bereicherung des Bestellers
(BGH, a.a.O., Rn. 34). Wenn der Besteller den Mangel nicht beseitigen lässt,
bemisst sich sein Vermögensschaden aus dem Vergleich des mangelhaften Werks zu
dem geschuldeten (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 38, zit. nach juris). Der Schaden kann
in Anlehnung an §§ 634 Nr. 3, 638 BGB in der Weise bemessen werden,
dass ausgehend von der für das Werk vereinbarten Vergütung der Minderwert des
Werks wegen des (nicht beseitigten Mangels) geschätzt wird, dabei sind die
fiktiven Mängelbeseitigungskosten keine geeignete Schätzgrundlage (BGH, a.a.O.,
Rn. 41 f.). Der Senat vermag auch durch einen möglichen Beseitigungsanspruch
des Grundstücksnachbars keine derartige Verknüpfung zu erkennen, die eine
fiktive Abrechnung rechtfertigen würde. Dabei kann offenbleiben, ob die Voraussetzungen
der §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB gegeben sind. Der Kläger hat nicht
dargelegt, dass sein Nachbar bereits Klage auf Beseitigung des Zauns erhoben
hat. Damit ist ein solcher Beseitigungsanspruch in jedem Fall nach § 1004
Abs. 2 BGB i.V.m. § 33 NNachbG ausgeschlossen. Inhalt und Umfang des
Anspruchs aus § 1004 BGB im Einzelnen ergeben sich aus der gesetzlichen
Regelung des Nachbarrechts, das sich nicht nur als Bundesrecht im BGB findet
(§§ 906 ff. BGB), sondern auch in den die allgemeinen nachbarrechtlichen
Bestimmungen ändernden und ergänzenden Rechtsvorschriften enthalten ist, die
nach Art. 1 Abs. 2, Art. 65, 124 S. 1 EGBGB dem
Landesgesetzgeber vorbehalten sind (vgl. BGH, Urteil vom 12. November 1999, Az:
V ZR 229/98, Rn. 10, zit. nach juris). Der Kläger hat nicht dargelegt, dass
sein Nachbar innerhalb der Frist des § 33 NNachbG Klage auf Beseitigung
des Zauns erhoben hat. Da die Abnahme des Werks bereits im April 2019 erfolgte
(Anlage K8, Bl. 40 d.A.), ist die Frist des § 33 Abs. 1 Nr. 2,
Abs. 2 NNachbG bereits abgelaufen. Der Fristablauf ist von Amts wegen und
nicht nur auf eine Einrede hin zu beachten (Schäfer NNachbG, 3. Aufl. 2022,
NNachbG § 33 Rn. 2, zit. nach beck-online. Infolgedessen ist das Risiko
einer Überkompensation des Klägers trotz der „Drittwirkung“ gleichermaßen
gegeben.
b) Die
Feststellung des Vermögensschadens und seine Bemessung sind aufgrund einer
Wertung vorzunehmen, die sich am Leistungsinteresse des Bestellers zu
orientieren hat (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 39, zit. nach juris). Der mangelbedingte
Minderwert des Werks ist ausgehend von der Vergütung als Maximalwert nach
§ 287 ZPO unter Berücksichtigung des Einzelfalls zu schätzen (BGH, a.a.O.,
Rn. 42, zit. nach juris). Dabei ist nicht überzeugend, pauschal ein Fünftel der
Rechnungssumme des Beklagten anzusetzen, da in der Rechnung neben den
Zaunarbeiten weitere umfangreiche Arbeiten inklusive Material, wie
Pflasterarbeiten, enthalten sind. Denkbar wäre, in die Schadensberechnung
einzubeziehen, dass der Zaun nebst Betonborde durch die Fundamente wesentlicher
Bestandteil des Grundstücks im Sinne § 94 BGB geworden ist. Im Fall eines
nicht entschuldigten Überbaus erfolgt aufgrund der geringeren Schutzwürdigkeit
des Überbauers eine lotgerechte Teilung entlang der Grundstücksgrenze: Die
Grundstückseigentümer werden Eigentümer des jeweils auf ihrem Grundstück
befindlichen Gebäudeteils (vgl. Vieweg/Lorz in:
Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 94
BGB (Stand: 15.05.2023), Rn. 13, zit. nach juris). Da weder aus der Rechnung
(Anlage K1, Bl. 9 d.A.) noch aus den in der Berufungsinstanz eingereichten
Lichtbildern ersichtlich ist, welche Teile des Zauns inklusive Betonborde an
der streitgegenständlichen Seite des Grundstücks errichtet wurden, kann auf
Grundlage der bisher vorgetragenen Tatsachen der Minderwert nicht belastbar
geschätzt werden. Dem insoweit darlegungspflichtigen Kläger ist daher
aufzugeben, vorzutragen, welche Rechnungspositionen auf die
streitgegenständliche Grenzbebauung entfallen.
III.
…
IV.
…
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