Der Sohn des Klägers steuerte den
Schlepper nebst Anhänger mit einer Geschwindigkeit zwischen 25 – 35km/h. Die
(außerhalb der geschlossenen Ortschaft) belegen Gemeindestraße hatte eine
Breite von 4,95m; eine Fahrbahnmarkierung war nicht vorhanden. Das klägerische
Gespann hatte ein Gewicht von 18.000kg und eine Breite von 2,95m. Im
Gegenverkehr zum landwirtschaftlichen Gespann fuhr die Versicherungsnehmerin der
Beklagten mit ihrem PKW mit einer Geschwindigkeit von 75 – 85km/h. Der PKW
stieß in einer leichten Rechtskurve mit der vorderen linken Seite gegen den
vorderen linken Reifen des Anhängers des Gespanns und überschlug sich, die
Fahrerin des PKW erlitt schwerste Verletzungen. Der Vorfall hatte sich zur Nachtzeit
(bei Dunkelheit, nach 21 Uhr) Ende
September ereignet.
Der Kläger machte materiellen
Schadensersatz (Fahrzeugschaden, Mietfahrzeug und Pauschale) geltend. Hierauf
zahlte die Beklagte 50%. Die weiteren 50% forderte der Kläger mit seiner Klage.
Seine Klage wurde vom Landgericht abgewiesen. Auf die Berufung änderte das OLG
die landgerichtliche Entscheidung und erkannte auf einen Schadensersatz von insgesamt
70% zu Lasten der Beklagten. Die Haftung der Beklagte folge aus §§ 7 Abs. 1
StVG, 115 Abs. 1 VVG, 249, 286, 288 Abs. 1 BGB. Den Kläger würde nur eine
Haftung gem. § 7 Abs. 1 StVG aus der erhöhten Betriebsgefahr seines
Fahrzeugspanns treffen.
Auf Seiten der Beklagten läge ein
Verschulden vor. Dieses bestünde in einer Geschwindigkeitsüberschreitung gem. §
3 Abs. 1 S. 5 StVO und einem Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot gem. § 3 Abs. 1
StVO.
Die zulässige Höchstgeschwindigkeit
sei auf der Gemeindestraße auf 80km/h durch Verkehrszeichen 274 begrenzt gewesen.
Nah der gutachterlichen Feststellung fuhr der PKE mit einer Geschwindigkeit von
75 – 85km/h, weshalb in Ermangelung von Bremsspuren die Ausgangsgeschwindigkeit
mit der Kollisionsgeschwindigkeit gleichzusetzen sei. Danach wäre der PKW
allenfalls minimal schneller als die erlaubten 80km/h gefahren. Allerdings sei
bei Dunkelheit bei einer Straßenbreite von 4,95m sowie erkennbaren Gegenverkehr
(Fahrzeugbeleuchtung) in einer leichten Rechtskurve eine Geschwindigkeit auch
von 75km/h zu schnell, um den Anforderungen des § 3 Abs. 1 StVO zu genügen. Die
ortskundige Fahrerin des PKW habe auf der Gemeindestraße mit
landwirtschaftlichem Verkehr zu rechnen gehabt. Ende September sei Erntezeit
und von daher auch nach 21 Uhr mit Erntefahrzeugen in ländlichen Gebieten zu
rechnen. Landwirtschaftliche Fahrzeuge seien regelmäßig breiter als PKW. Die
gesetzlich vorgeschriebene Beleuchtung (Lampen, Reflektortafeln,
Begrenzungsleuchten) sei vorhanden gewesen. Eine Rundumleuchte, wie
beklagtenseits moniert, sei nicht erforderlich gewesen. Die Sicht der
Verkehrsteilnehmer sei frei gewesen, weshalb die Fahrerin des PKW das Gespann
hätte rechtzeitig erkennen können und dem Umstand hätte Rechnung tragen können,
dass die Straße sehr schmal und kurvig ist und keine seitliche Befestigung aufwies
und eine Überbreite einkalkulieren müssen. Damit hätte sie gem. § 3 Abs. 1 S. 5
StVO auf halber Sicht fahren müssen, zumal sie auch bei Tageslicht angesichts
der Umstände ihre Geschwindigkeit hätte erheblich reduzieren müssen. Die
Geschwindigkeitsüberschreitung habe sich kausal ausgewirkt, da die Fahrerin de
PKW bei einer niedrigeren Geschwindigkeit mehr Zeit zur Reaktion und insbesondere
einem Lenken nach rechts gehabt hätte.
Der PKW (Skoda Fabia) sei 1,66m
breit. Der Klägerin hätten unter Beachtung der Straßenbreite von 4,95m mithin
2,00m zur Verfügung gestanden. Nach dem Gutachten habe eine Überdeckung von 20
bis 25cm bestanden. Wäre der PKW mittig der eigenen Fahrbahnhälfte gesteuert
worden, hätte er das Gespann gefahrlos passieren können, zumal das Gespann nach
dem Sachverständigengutachten sogar ca. 30 – 35cm in den rechten Seitenraum
gesteuert worden sei. Für ein Fahren am äußersten rechten Fahrbahnrand habe
hier angesichts des Gegenverkehrs Veranlassung bestanden, weshalb ein Verstoß
gegen das rechtsfahrgebot nach § 2 Abs. 2 StVO vorläge.
Auf Klägerseite sei die erhöhte
Betriebsgefahr des Gespanns nach § 7 Abs. 1 StVG zu berücksichtigen. Dies
ergäbe sich aus der Breite und dem Gewicht. Diese Betriebsgefahr aus Masse und
Überbreite habe sich auch kausal ausgewirkt, denn aller Voraussicht nach wäre es
bei einem schmaleren Fahrzeug nicht zu einer Kollision gekommen, und bei einem
leichteren Fahrzeug wären die Unfallfolgen geringer ausgefallen (denn
vorliegend sei der Motor des Skoda durch den Aufprall herausgerissen und der
PKW weggeschleudert worden, was zu den schweren Verletzungen der Fahrerin
geführt habe).
Ein Verschulden des Sohnes des
Klägers läge allerdings nicht vor. Das Gespann sei ordnungsgemäß beleuchtet und
abgesichert gewesen und ein weiteres Fahren nach rechts hätte die Gefahr der
Instabilität des Gespanns sowie eine Kollision mit Leitpfosten am rechten
Fahrbahnrand bedeutet. Auch sei seine Geschwindigkeit mit 25 – 35km/h bei
grundsätzlich erlaubten 80km/h sehr langsam gewesen und das weite Fahren nach
rechts nahm er, soweit gefahrlos möglich, vor. Ein Stehenbleiben sei ihm zwar
auch möglich gewesen, doch hätte dies an der Verkehrssituation selbst nichts
geändert, da die Fahrerin des PKW über die Fahrbahnmitte geraten sei, weshalb
es zur Kollision auch gekommen wäre, wenn des Gespann gestanden hätte. Ob ein
mögliches Hupen oder Lichtzeichen oder Warnblinklicht die Fahrerin des PKW
stärker gewarnt hätten, ließe sich nicht beurteilen, wogegen auch spräche, dass
sie den Gegenverkehr nicht zum Anlass genommen habe, zu bremsen und weiter nach
rechts zu steuern. Auch seien Anzeichen einer Übermüdung, wie beklagtenseits
eingewandt, nicht erkennbar, da er optimal auf den PKW durch ein Ausweichen
nach rechts, soweit möglich, reagiert habe.
Im Rahmen der danach
erforderlichen Haftungsabwägung gem. § 17 Abs. 1 StVG sei das zweifache
Verschulden der Fahrerin des PKW als wesentliche kausale Ursache zu
berücksichtigen. Der Umstand der Überbreite des Gespanns und ein danach
bedingtes Herausragen über die Fahrbahnmitte habe sich in Ansehung der
ausreichenden Platzverhältnisse nicht maßgeblich ausgewirkt. Diese Überbreite
hätte die Fahrerin des PKW auch berücksichtigen müssen. Diese Umstände würden
zu einer überwiegenden Haftung auf Beklagtenseite (70%) führen. Allerdings
würde die Betriebsgefahr hier nicht hinter das Verschulden der Fahrerin des PKW
völlig zurücktreten. Die Überbreite auf der schmalen Straße und die Masse des
Gespanns hätten andere Verkehrsteilnehmer nennenswert gefährdet und hier auch
zur Schwere des Verletzungsbildes bei der Fahrerin des PKW beigetragen. Für
jede Seite des PKW hätten auf dessen Fahrbahnhälfte gesehen jeweils nur 17cm
zur Verfügung gestanden; bei einem derart schmalen Korridor und nach dazu bei Dunkelheit
auf einer Straße ohne Fahrbahnmarkierung könne es leicht geschehen, die
Fahrbahnmitte um wenige cm zu überschreiten.
Anmerkung: Obwohl nach der Darlegung des OLG der
Verkehrsunfall ohne das Verschulden der Fahrerin des PKW (langsameres Fahren und
äußerst rechts Fahren, was gerade bei langsamerer Fahrt ohne weiteres bis zum
rechten Fahrbahnrand hin möglich gewesen wäre) vermieden worden wäre, wird
alleine wegen der Breite des Gespanns (und dessen Schwere in Ansehung der
Unfallfolgen für die Fahrerin des PKW, die im vorliegenden Verfahren nicht streitgegenständlich
waren) die Betriebsgefahr berücksichtigt, da sie sich (noch) kausal auswirkten.
OLG Celle, Urteil vom 04.03.2020 - 14 U 182/19 -