Donnerstag, 4. Oktober 2018

Wohnraummietrecht: Dauerhafter Kündigungsverzicht und Individualvereinbarung


Die Rechtsvorgängerin des Klägers schloss mit den Beklagten einen Mietvertrag über eine Wohnung in einem Zweifamilienhaus. Zur Mietzeit hieß es in dem Formularvertrag in § 2 Nr. 1a des Mietvertrages mit der Überschrift „Kündigungsverzicht“, hinter der der Klammerzusatz „maximal vier Jahre“ handschriftlich gestrichen wurde, dass das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit geschlossen würde und beide Mietparteien „wechselseitig bis zu …. (maximal vier Jahre ab Vertragsschluss) auf ihr Recht zur ordentlichen Kündigung“ verzichten, wobei der benannte Klammerzusatz ebenfalls handschriftlich gestrichen wurde, der Zeitraum des Kündigungsverzichts nicht eingetragen wurde. Der Kläger kündigte das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs. Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen, das Landgericht hatte der Räumungsklage auf die Berufung des Klägers hin stattgegeben. Der BGH hat im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten das Urteil im Beschlussweg aufgehoben und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen.

Das Amtsgericht hatte in der Regelung in § 2 Nr. 1a des Mietvertrages eine (Individual-) Vereinbarung eines dauerhaften Ausschlusses der ordentlichen Kündigung gesehen. Demgegenüber vertrat das Landgericht die Auffassung, dass es sich angesichts des verwandten (und nach Auffassung des Landgerichts von den Beklagten gestellten)  Formulars um eine Vertragsbedingung handele, die der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Recht unterläge und nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sei, wenn der Zeitraum von vier Jahren überschritten würde.

Der BGH weist darauf hin, dass nach dem Vortrag der Beklagten die Rechtsvorgängerin des Klägers das Vertragsformular von „Haus und Grund“ mitgebracht habe, die auf dessen Verwendung bestanden habe. Die Beklagten, die nach deren Vortrag erhebliche Investitionen in das Mietobjekt planten, hätten ein langfristiges Mietverhältnis unter Ausschluss der erleichterten Kündigung im Zweifamilienhaus (§ 573a BGB) und wegen Eigenbedarfs, auch für den Fall eines Verkaufs ausschließen wollen. Auf diesen Vortrag der Beklagten sei das Berufungsgericht nicht eingegangen. Es sei aber nicht auszuschließen, dass bei Berücksichtigung dieses Vortrages, der von zentraler Bedeutung dafür sei, ob es sich um eine Individualvereinbarung handele oder um eine von den Beklagten gestellte und wegen unangemessener Benachteiligung der Vermieterseite unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) handele, zu einer anderen Beurteilung gelangt wäre.

Ein „Stellen“ iSv. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB läge vor, wenn eine Partei die Formularbestimmungen in die Verhandlungen einbringe und ihre Verwendung zum Vertragsschluss verlangt würde. Der Kläger sei hier darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass die Formularbestimmung in diesem Sinne von den Beklagten gestellt worden sei (§ 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB; BGH vom 17.02.2010 - VIII ZR 67/09 -). Dies würde auch dann gelten, wenn der Beklagte zu 2. Von der Rechtsvorgängerin des Klägers veranlasst worden wäre, das Formular von „Haus und Grund“ zu besorgen und zum Termin mitzubringen, da dann immer noch die Initiative von ihr ausgegangen wäre. Anderes würde sich auch nicht daraus ergeben, dass die beklagten auf einen dauerhaften Kündigungsausschluss bestanden hätten. Zwar sei ausreichend, wenn der Verwender die Bedingung nur „im Kopf gespeichert“ hätte, um sie wiederholt zu verwenden; da aber die Beklagten den Mietvertrag als private Mieter abgeschlossen hätten, seien Anhaltspunkte für die Absicht der Wiederverwendung einer derartigen Vertragsbedingung (als Bedingung für die Annahme von AGB) nicht gegeben.

Ferner läge ein Gehörsverstoß des Landgerichts darin, dass der detaillierte Vortrag der Beklagten zum Aushandeln des Kündigungsverzichts und einer Zusatzvereinbarung (nach der sich die beklagten zur Vermeidung von Abrechnungsschwierigkeiten verpflichteten, das Heizöl selbst einzukaufen) nicht berücksichtigt worden. Auch vorformulierte Klauseln könnten im Einzelfall Gegenstand einer Individualvereinbarung sein, weshalb sich das Berufungsgericht mit dem entsprechenden Vortrag der Beklagten hätte auseinandersetzen müssen.

Auch wenn das Landgericht seine Entscheidung nicht darauf gestützt habe, sei seine Annahme, auch Individualvereinbarungen eines Verzichts auf eine ordentliche Kündigung seien nicht wirksam, falsch. In einer Individualvereinbarung könne die ordentliche Kündigung für sehr lange Zeiträume ausgeschlossen werden (BGH vom 10.07.2013 - VIII ZR 388/12 -).  Die Grenze sei allerdings nach § 138 BGB (wofür hier Anhaltspunkte nicht vorlägen) in der Ausnutzung einer Zwangslage oder aus sonstigen Gründen, die für eine Sittenwidrigkeit sprächen, zu ziehen. Es könne auf sich beruhen (wie von Instanzgerichten angenommen, so z.B. OLG Karlsruhe ZMR 2008, 533), ob nach Ablauf von 30 Jahren entsprechend § 544 BGB eine außerordentliche Kündigung mit gestezlicher Kündigungsfrist möglich sei, da ein solcher Zeitablauf hier nicht vorläge.

Wenn im weiteren Verfahren vor dem Landgericht festgestellt würde, dass es sich bei dem dauerhaften Ausschluss der ordentlichen Kündigung um eine von der Vermieterin gestellte und wegen unangemessener Benachteiligung der Beklagten unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) handele, dürfte dem Kläger eine Berufung darauf verwehrt sein, da die Inhaltskontrolle von AGB nur den Vertragspartner des Verwenders schützen würde. Wenn der Vertragspartner des Verwenders die Bedingung uneingeschränkt auch gegen sich gelten lassen wolle, sei es dem Verwender nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit zu berufen (BGH, Urteil vom 20.09.2017 - VII ZR 250/16 -).  Diese Voraussetzung dürfte hier gegeben sein, da die Beklagten von Anfang an deutlich gemacht hätten, dass sie sich an dem beiderseitigen dauerhaften Kündigungsausschluss festhalten lassen wollten.

BGH, Beschluss vom 08.05.2018 - VIII ZR 200/17 -

Freitag, 28. September 2018

Verkehrssicherungspflicht der Gemeinde für Radwege


Der Kläger befuhr am 01.11.2015 einen mit Herbstlaub flächendeckend bedeckten Radweg. Im Bereich einer Kreuzung, an der der Radweg versetzt lief, war der Bordstein mit Laub verdeckt gewesen und er stürzte beim Überfahren des Bordsteins. Die beklagte Gemeinde hatte zuletzt den Straßenabschnitt am 26.10.2015 von Laub geräumt. 

Seine auf Schmerzensgeld und Feststellung materieller und immaterieller Schäden gerichtete Klage wurde vom Landgericht abgewiesen. Das OLG beabsichtigte die Berufung nach § 522 ZPO zurückzuweisen.

Nach Auffassung des OLG sei eine Amtspflichtverletzung der Beklagten nach § 839 BGB iVm. Art. 34 GG , die einen Schadensersatzanspruch rechtfertigen könne, nicht ersichtlich. Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht orientiere bei der Benutzbarkeit von Straßen- und Wegeflächen nach den Umständen des Einzelfalls, wobei Art und Wichtigkeit des Verkehrsweges ebenso wie seine Gefährlichkeit und die Stärke des zu erwartenden Verkehrs zu berücksichtigen seien. Die Sicherungspflichten stünden unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit, wobei sich der Straßenverkehr den Straßenverhältnissen anpassen müsse (BGH, Urteil vom 08.04.1970 - III ZR 167/68 -; vom 05.07.1990 - III ZR 217/89 - und vom 01.07.1993 - III ZR 88/92 -).

Die Gemeinde schulde im Rahmen der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflicht nicht ein generelles Reinhalten sämtlicher Straßen- und Wegeflächen von jeglichen Laubbefall. Dies würde im Hinblick die Grenzen des Zumutbaren überschreiten und könne nicht sichergestellt werden, da im Herbst jederzeit größere Laubmengen anfallen könnten und bei Wind an bestimmten Stellen zusammengetragen werden könnten. Ein Reinigungsintervall von einer Woche, welches ausreichend sei (KG, Urteil vom 11.10.2005 - 9 U 134/04 -; das LG Wiesbaden hält auch längere Fristen für möglich, Urteil vom 16.11.2007 - 7 O 217/07 -) ,  sei auch nicht überschritten worden. Häufiger sei eine Reinigung nur notwendig, wenn besondere Mengen von Laub und eine damit verbundene Rutschgefahr oder durch eine starke Frequentierung dies erforderlich würde. Vorliegend sei eine entsprechende Verkehrsbedeutung des Radweges nicht ersichtlich.

Die Menge von Laub habe hier auch nicht zu einer vorzeitigen Reinigungsmaßnahme gezwungen. Dies sei nur der Fall, wenn sich letztlich an einer Stelle derart viel Laub ansammeln würde, dass ein Durchkommen nicht mehr möglich sei. Hier aber sei lediglich der Boden abgedeckt gewesen. Es würde dem Regelfall entsprechen, dass durch am Boden liegendes Laub dazu führe, dass Hindernisse unter dem Laub nicht gesehen werden könnten.

Selbst würde man eine Verkehrssicherungspflichtverletzung annehmen wollen, läge ein gravierendes, die Haftung der Gemeinde ausschließendes Mitverschulden (§ 254 BGB) des Klägers vor. Ein Verkehrsteilnehmer müsse immer damit rechnen, dass unter dem Laub Hindernisse sind, und diesen Bereich meiden oder besondere Vorsicht obwalten lassen. Vorliegend habe sich der Vorfall zudem an einem Kreuzungsbereich ereignet, in dem mit Bordsteinkanten zu rechnen sei. Selbst wenn der Kläger den Verlauf des Radweges infolge des Laubbefalls nicht erkannt habe, könne er nicht blindlings auf einen bestimmten Verlauf vertrauen.

Das OLG beabsichtigte, die Berufung zurückzuweisen.

OLG Bremen, Beschluss vom 13.04.2018 - 1 U 4/18 -

Donnerstag, 27. September 2018

Halteverbot: Nachträgliche Anordnung und Vorlauffrist für kostenpflichtige Abschleppmaßnahme


Die Klägerin behauptete, ihr Fahrzeug am 19.08.2013 im Bereich ihrer Wohnung auf der öffentlichen  Straße abgestellt zu haben und flog anschließend in Urlaub.  Am 20.08.20113 stellten dort Mitarbeiter eines Umzugsunternehmens auf der Grundlage einer straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung der beklagten Stadt zwei mobile Halteverbotsschilder (jeweils von 7:00 – 18:00 Uhr) für den Zeitraum vom 23. bis zum 24.08.2013 auf. Am 23.09.2013 veranlasste ein Mitarbeiter der beklagten Stadt das Abschleppen des Fahrzeugs der Klägerin. Das beauftraget Abschleppunternehmen gab das Fahrzeug der Klägerin gegen Zahlung von € 176,98 heraus. Die Beklagte forderte zudem eine Verwaltungsgebühr Ordnungsgeld von € 62,00.

Die Klage auf Erstattung der € 176,98 und auf Aufhebung des Bescheides war erst vor dem BVerwG erfolgreich.

Zwar sei das Aufstellen der Verkehrszeichen auch gegenüber der abwesenden Klägerin rechtmäßig gewesen, wie auch die Abschleppmaßnahme.  Allerdings verstoße die Auffassung der Beklagten,  die Klägerin müsse bei einer Vorlaufzeit von 48 Stunden für die Kosten haften, gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Die Abschleppmaßnahme sei rechtmäßig gewesen, da das Fahrzeug in einer korrekt ausgewiesenen Halteverbotszone angestellt gewesen sei. Daraus folge grundsätzlich die Möglichkeit einer Kostenlast des Verantwortlichen, was auch für die unmittelbare Zahlung an den Abschleppunternehmer gelte, die ihre Grundlage in den landesrechtlichen Vorschriften zur Kostenerstattung finde.  Ausnahmen seien aber dann geboten, wenn das Fahrzeug ursprünglich ordnungsgemäß und erlaubt geparkt worden sei und sich die Verkehrslage erst danach (durch das Aufstellen neuer Verkehrszeichen) geändert habe. Das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes müsse Berücksichtigung finden (BVerfG, Beshcluss vom 10.10.2012 - 1 BvL 6/07 -). Dabei sei hier zu berücksichtigen, dass das dauerhafte Parken eines betriebsbereiten Fahrzeuges auf öffentlichen Straßengrund grundsätzlich statthaft sei (BVerfG, Beschluss vom 09.10.1984 - 2 BvL 10/82 -), worauf insbesondere Fahrzeughalter ohne eigene Garage oder privaten Stellplatz angewiesen seien. Der ruhende Verkehr sei vom Gemeingebrauch umfasst. Aber der Verkehrsteilnehmer müsse damit rechnen, dass Situationen eintreten, die eine kurzfristige Änderung der bestehenden Verkehrsregelungen erfordern. Damit sei das Vertrauen in die Möglichkeit dauerhaften Parkens wegen des Gebots der gegenseitigen Rücksichtnahme gem. § 1 Abs. 1 StVO von vornherein eingeschränkt mit der Folge, dass der Fahrzeugverantwortliche als Inhaber der Sachhherrschaft Vorsorge für den Fall einer Änderung der Verkehrslage treffen müsse.

Als Sachangemessen sei eine Vorlaufzeit von drei vollen Tagen anzunehmen, weshalb eine Kostenbelastung erst ab dem vierten Tag nach Aufstellung des Verkehrszeichens  in Betracht käme. Zwar könne es sein, dass kurzfristig (z.B. wegen eines Wasserrohrbruchs) Maßnahmen erforderlich wären; derartige Gründe würden aber nicht aus der Sphäre des Fahrzeughalters stammen, was erst recht bei einer privaten Sondernutzung (hier: für einen Umzug) gelte. Zudem sei zu berücksichtigen, dass im Rahmen der Gefahrenabwehr auf der Primärebene ohnehin ein Eingriff zu lässig sei, was allerdings nicht von der Frage abhängig ist, wer auf der Sekundärebene für die Kosten aufzukommen habe.

BVerwG, Urteil vom 24.05.2018 - 3 C 25/16 -

Freitag, 21. September 2018

Zur Kündigung des Dienstvertrages des abberufenen Geschäftsführers einer GmbH durch deren neuen Geschäftsführer


Die Rechtsanwälte Dr. N., Dr. K und der Kläger gründeten mit einem Anteil von je 1/3 eine Rechtsanwalts-GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts), die ihrerseits Alleingesellschafterin der beklagten GmbH wurde.  Der Kläger war bis zu seiner Abberufung am 31.10.2014 Geschäftsführer derselben gewesen.  Die Beklagte schloss mit den Gesellschaftern der GbR Anstellungsverträge ab. In dem Anstellungsvertrag des Klägers hieß es: „Die Zuständigkeit des Dienstnehmers umfasst den anwaltlichen und kaufmännischen Bereich der Geschäftsführung.“ An Mai 2015 zahlte die Beklagte dem Kläger keine Vergütung mehr. Im Juni mahnte der Kläger seine Vergütung für Mai und Juni 2015 an, woraufhin die Beklagte die Beklagte den Dienstvertrag des Klägers zum 31.07.2015 kündigte, verbunden mit einer sofortigen Freistellung. Nach erneuter Anmahnung seiner ausstehenden Vergütung kündigte der Kläger seinen Dienstvertrag mit Schreiben vom 10.07.2015 fristlos. Mit seiner Klage forderte er die Vergütung für den Zeitraum vom 01.05. bis 09.07.2015 sowie für die Zeit vom 10.07. bis 31.08.2015 Schadensersatz und die Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis durch seine fristlose Kündigung vom 10.07.2015 beendet worden sei.

Das Landgericht gab der Klage bezüglich des Vergütungsanspruchs bis 09.07.2015 sowie dem Feststellungsantrag statt. Das OLG hatte auf die Berufung beider Parteien die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und dem Kläger, der seinen Feststellungsantrag nicht aufrechterhalten hatte, den begehrten Schadensersatzanspruch zugesprochen.

Die Revision der Beklagten führte zur Aufhebung des Urteils des OLG und zur Zurückverweisung.

Der BGH stellte darauf ab, dass zum Abschluss, zur Änderung und Beendigung des Dienstvertrages eines Geschäftsführers bei Fehlen abweichender Regelungen in der Satzung der Gesellschaft nur die Gesellschafterversammlung befugt sei. Diese Annexkompetenz begründe sich daraus, dass derartige Änderungen geeignet seien, die Entscheidungen der Gesellschafter über seine Organstellung in erheblicher Weise zu beeinflussen und eine kollegiale Rücksichtnahme durch den aktuellen Geschäftsführer begegnet werden solle (BGH vom 08.12.1997 - II ZR 236/96 -). Keinen Einfluss habe es allerdings, dass der Kläger bereits am 31.10.2014 abberufen worden sei, da der Dienstvertrag des abberufenen Geschäftsführers erst dann unter die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis des (neuen) Geschäftsführers falle, wenn sich das Geschäftsführerverhältnis nach der Abberufung in ein gewöhnliches Anstellungsverhältnis umgewandelt hätte (BGH vom 23.02.1984 - II ZR 2/83 -). Der Zeitablauf führe nicht zu einer Umwandlung. Es würde vorliegend an einem Vortrag ermangeln, weshalb sich der Dienstvertrag in ein normales Anstellungsverhältnis umgewandelt haben sollte. Der ursprüngliche Dienstvertrag sei auch nicht als gewöhnlicher Anstellungsvertrag abgeschlossen worden, sondern umfasse ausdrücklich die Geschäftsführung.

Die Beklage habe aber vorgetragen, es habe eine Vereinbarungen der drei Gesellschafter am 23.03. und/oder 04.05.2015 gegeben. Dazu müsste das Berufungsgericht Feststellungen treffen. Es käme in Betracht, dass diese Vereinbarung der drei Gesellschafter der GbR  einen Beschluss der Alleingesellschafterin der GmbH darstellen könnten und damit des für eine Abänderung des Dienstvertrages zuständigen Organs derselben, welches für die Abänderung zuständig sei. Aber auch wenn es sich nicht um einen Beschluss der Alleingesellschafterin handele, käme in Betracht, dass sich die Beklagte nach § 328 Abs. 1 BGB auf die Vereinbarung berufen könne, da die Gesellschaft als Dritte aus einer Vereinbarung ihrer Gesellschafter selbst Rechte herleiten könne und damit Ansprüche eines an der Vereinbarung beteiligten Gesellschafters abwehren könne ( BGH vom 15.03.2010 - II ZR 4/09 -), was auch dann gelte, wenn die Vereinbarung nicht die Gesellschafter der Gesellschaft getroffen hätten, sondern die Gesellschafter ihrer Alleingesellschafterin.

BGH, Urteil vom 03.07.2018 - II ZR 452/17 -

Freitag, 14. September 2018

Kauf- oder Werkvertrag: Lieferung und Montage einer (Einbau-) Küche


In der Regel wird sich der Kunde keine Gedanken über die Rechtsnatur eines Vertrages machen, mit dem er die Anlieferung und Montage einer als Einbauküche bezeichneten Küche bestellt. Kommt es dann allerdings zur Frage, ob und welche Gewährleistungsansprüche (noch) bestehen, wird die Frage des Vertragstyps bedeutsam.

Das LG hatte die Klage abgewiesen mit der Begründung, es könne auf sich beruhen, ob ein von der Klägerin behaupteter Mangel bestünde, da die Klägerin die Küche jedenfalls in Kenntnis dieses Mangels (Farbe der Arbeitsplatte)  vorbehaltlos abgenommen habe, § 640 Abs. 2 BGB.  Das LG ließ die Revision gegen seine Entscheidung zu. Der BGH hob diese  auf und verwies den Rechtsstreit an das LG zurück.

Nach Ansicht des BGH könne nicht aufgrund der vorinstanzlichen Feststellungen beurteilt werden, ob der Vertrag als Werkvertrag (so das LG) oder als Kaufvertrag mit Montageverpflichtung (§ 433 Abs. 2 BGB) einzuordnen sei. Entscheidend sei, wenn sich der Unternehmer zur Lieferung und Montage einer Sache verpflichte, auf welcher Leistung der Schwerpunkt liege. Je mehr die mit dem Warenumsatz verbundene Übertragung von Eigentum und Besitz der zu montierenden Sache auf den Vertragspartner im Vordergrund stünde und je weniger dessen individuelle Anforderungen und die geschuldete Montage- und Bauleistung das Gesamtbild des Vertragsverhältnisses prägen würden, desto eher sei die Annahme eines Kaufvertrages mit Montageverpflichtung geboten. Läge allerdings der Schwerpunkt auf der Montage- und Bauleistung, etwa auf Einbau und Einpassung einer Sache in die Räumlichkeiten, und den damit verbundenen individuellen Erfolg, läge ein Werkvertrag vor.

Der BGH verweist darauf, dass diese Grundsätze zur rechtlichen Einordnung von Verträgen über die Lieferung und Montage einer Sache im Einklang mit der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.05.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter stünden, die bei der Auslegung zu berücksichtigen seien.

Das Amtsgericht sei von einem Kaufvertrag ausgegangen (wofür einiges spräche), das Landgericht von einem Werkvertrag, bei dem entscheidend die Abnahme nach § 640 Abs. 2 BGB sei, die im Kaufrecht keine Entsprechung fände.

Anmerkung: Wird eine Küchenzeile bestellt, die aufgebaut werden soll, kann man nach der vorliegenden Entscheidung des BGH dann von einem Kaufvertrag ausgehen, wenn der Aufbau ohne sonstige bauliche Anpassungen erfolgen soll. Ist aber die Küchenzeile an die örtlichen Verhältnisse anzupassen, so insbesondere Freiräume zu Wandabständen seitlich und/oder zur Decke hin zu verblenden, läge darin eine bauliche Maßnahme, die für die Anwendung des Werkvertragsrechts sprechen würde.

BGH, Urteil vom 19.07.2018 - VII ZR 19/18 -

Betriebskosten: Sind „Notdienstpauschalen“ im Wohnraummietverhältnis umlagefähig ?


Die Klägerin als Vermieterin von Wohnraum rechnete wie in den Jahren zuvor gegenüber den Beklagten als Mietern die Betriebskosten ab und machte dort u.a. eine Position „Notdienstpauschale“ geltend. Die Klägerin war zum einen der Annahme, die Beklagten könnten deshalb keine Einwendungen erheben, da sie diese im Vorjahr akzeptiert hätten, zum Anderen, dass es sich um umlagefähige Betriebskosten nach der (vereinbarten) II. BV handele. Beiden Argumenten folgte das Amtsgericht (zutreffend) nicht.

Der BGH brachte zum Ausdruck, dass einer Abrechnung binnen einer Jahresfrist nach Vorlage zu widersprechen ist, wozu auch gehöre, dass eine Position gar nicht abrechenbar wäre, § 566 Abs. 3 S. 5 BGB (Urteil vom 10.10.2007 - VIII ZR 279/06 -). Das Unterlassen würde aber eine Geltendmachung im nachfolgenden Jahr nicht hindern können.

Die „Notdienstpauschale“ sei auch nicht umlegungsfähig. Es würde sich hier nicht um allgemeine Betriebskosten iSv. § 27 II. BV (und damit letztlich auch nicht um Betriebskosten nach § 2 BetrKV) handeln. Bezeichnend für Betriebskosten sei, dass es sich um laufende Aufwendungen des Eigentümers im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs handeln würde. Darunter könne die Notdienstpauschale nicht subsumiert werden, bei der es sich um Kosten handele, die dafür anfallen würden, dass auch außerhalb der normalen Geschäftszeiten bei Schadensfällen pp. eine Person erreichbar ist. Es handele sich also nicht um Gebrauchskosten, sondern um bereitschaftskosten. So sei die Notdienstpauschale beispielsweise nicht mit den Kosten für die Kontrolle der rettungs- und Fluchtwege vergleichbar, da sie nicht ein Tätigwerden betreffen würde. Es handele sich vielmehr um Verwaltungskosten, die (unabhängig davon, ob ein Hausmeister beschäftigt wird oder nicht) generell nicht umlegungsfähig seien. Verwaltungskosten seien nach § 26 Abs. 1 II. BV (vgl. auch § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrKV) die (im Rahmen von Wohnraummietverhältnissen) nicht umlegbaren Kosten der Aufsicht, Entgegennahme von Schadensmeldungen, Veranlassung von Reparaturmaßnahmen.

Anmerkung: Die Entscheidung gilt für die Wohnraummiete. Anderes ist grundsätzlich im Rahmen der Geschäftsraummiete möglich, wenn die Parteien eine Vereinbarung diesbezüglich treffen sollte.

AG Berlin-Charlottenburg, Urteil vom 21.02.2018 - 215 C 311/17 -

Donnerstag, 13. September 2018

Baumangel: Feststellungs- oder Vorschussklage statt Leistungsklage auf Schadensersatz ?


Die Beklagte errichtete als Bauträgerin ein Mehrfamilienhaus. Die Klägerin ist die Wohnungseigentümergemeinschaft (bestehend aus den Erwerbern). Diese machte erstinstanzlich Schadensersatzansprüche in Höhe von € 27.838,26 netto als Leistungsklage geltend und begehrte darüber hinaus die Feststellung der Einstandsverpflichtung der Beklagten für anfallende Mehrwertsteuer, etwaige Mehrkosten und vorgerichtliche Anwaltsgebühren. Das Landgericht verurteilte die Beklagte antragsgemäß. Im Rahmen der Berufung der Beklagten beantragte die Klägerin diese zurückzuweisen und nahm im Rahmen der Berufungserwiderung eine Änderung des Antrags in der Sache dahingehend vor, dass sie die Feststellung begehrte, dass die Beklagte verspflichtet sei, ihr die Kosten für die Erneuerung des Daches nach Maßgabe eines näher benannten Gutachtens einschl. etwaiger notwendiger Mehraufwendungen aufgrund von möglichen Preissteigerungen und die Mehrwertsteuer zu erstatten sowie die Beklagte zur Zahlung vorgerichtlicher Anwaltsgebühren in Höhe von € 1.474,89 zzgl. Zinsen zu verurteilen.

Das OLG sah die Klageänderung der Klägerin im Rahmen des Berufungsverfahrens als zulässig und im Übrigen als begründet an, weshalb es die Berufung der Beklagten zurückwies.

Die Antragsänderung der Klägerin erfolgte in Ansehung der Rechtsprechungsänderung des BGH mit seinem Urteil vom 22.02.2018 - VII ZR 46/17 - zur Unzulässigkeit fiktiver Abrechnungen von werkvertraglichen Mängeln. Es handele sich hier um eine privilegierte Antragsänderung iSv, § 264 Nr. 2 ZPO, die auch im Berufungsverfahren zulässig sei und nicht an den Anforderungen des § 533 ZPO zu messen sei.  

Das OLG verweist (zutreffend) die Klägerin nicht darauf, zunächst die Ersatzvornahme vorzunehmen, um dann (mit der Leistungsklage) den Aufwendungsersatz zu verlangen. Die Feststellungsklage ist zulässig, da hier die Beklagte der ihr obliegenden Leistung zur Mängelbehebung nicht nachgekommen war und eine (gar endgültige) Abrechenbarkeit mangels Mangelbeseitigung durch die Klägerin nicht vorlag. Zu überdenken wäre allenfalls, ob die Klägerin auf eine Vorschussklage verwiesen anstelle der Feststellungsklage werden könnte. Auch wenn die Leistungsklage, als die eine Vorschussklage anzuwehen ist, der Feststellungsklage grundsätzlich vorgeht, erwägt dies vorliegend das OLG nicht. Hier könnte Hintergrund sein, dass die Vorschussklage ebensowenig wie die Feststellungsklage eine endgültige Abklärung des Streits bedeutet,, da jedenfalls der Anspruchsteller stets abrechnen muss. Die Art der Klage (Vorschuss- oder Feststellungsklage) hindert also nicht einen möglichen weiteren Prozess.

OLG Koblenz, Urteil vom 16.05.2018 - 5 U 1321/17 -