Der Beschwerdeführer nahm an
einer Straßenausstellung („Ostkreuz: Wetswärts. Neue Sicht auf Charlottenburg“),
teil, in deren Rahmen 24 Ausstellungstafeln mit 146 Fotografien im öffentlichen
Bereich gezeigt wurden. Auf einem der Fotos, gefertigt vom Beschwerdeführer und
Beklagten des vorangegangenen Verfahrens) war die Klägerin des vorangegangenen
Verfahrens zu sehen, die mit einer Handtasche in der einen Hand, einer
Plastiktüte in der anderen Hand an einer Ampel eine Straße überquerte und in
Richtung der Kamera zu blicken scheint, wobei ihr Gesicht gut erkennbar war. Die
Person der Klägerin nahm auf dem Bild, welches eine Ausstellungstafel von 120 x
140cm füllte, einen Anteil von 1/3 ein. Der Beschwerdeführer hatte die Klägerin
nicht um Erlaubnis gefragt, die diesen abmahnte; die strafbewehrte
Unterlassungserklärung gab der Beschwerdeführer ab, zahlte aber nicht die dann
im Zivilverfahren streitgegenständlichen Anwaltsgebühren und begehrten fiktiven
Lizenzkosten; Der Beschwerdeführer wurde zur Zahlung der Anwaltsgebühren verurteilt;
die fiktiven Lizenzkosten wurden der Klägerin versagt. Der Beschwerdeführer
wandte sich mit der Verfassungsbeschwerde gegen seine Verurteilung zur Zahlung
der Anwaltsgebühren von € 795,46.
Die Verfassungsbeschwerde wurde
zurückgewiesen.
Das Foto stelle ein
unverfälschtes Abbild der Realität dar. Dies würde nicht einem Kunstwerk
entgegenstehen, da ersichtlich würde, dass der Beschwerdeführer ersichtlich die
Wirklichkeit künstlerisch gestalten wollte. Ziel einer Straßenfotografie sei gerade,
die Realität unverfälscht abzubilden, wobei das spezifisch Künstlerische in der
Auswahl des Realitätsausschnitts läge und in der Gestaltung mit fotografischen
Mitteln zum Ausdruck käme. Es handele sich damit bei dem Foto um ein Kunstwerk,
bei dem Einrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium
Fotografie zur Anschauung gebracht würden.
Von der Kunstfreiheit (Art. 5
Abs. 3 S. 1 G) sei nicht nur die Anfertigung der Fotografie umfasst, sondern
auch deren öffentliche Ausstellung.
Im Rahmen des Abwehranspruchs der
Klägerin nach §§ 1004 Abs. 1 S. 2 iVm. 823 Abs. 1 BGB, 22ff KUG habe das
Kammergericht im Berufungsrechtszug die Bedeutung und Tragweite der Kunstfreiheit
richtig gewürdigt. Der Einfluss der Grundrechte auf die Auslegung und Anwendung
der zivilrechtlichen Normen sei nicht auf Generalklauseln beschränkt, sondern
erstrecke sich auf alle auslegungsfähigen und –bedürftigen Tatbestandsmerkmale
der zivilrechtlichen Vorschriften. Eine Korrektur durch das Verfassungsrecht
sei nur möglich, wenn Fehler im Urteil erkennbar wären, die auf einer
grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Grundrechte beruhen
würden, insbesondere zum Schutzbereich, und auch in ihrer materiellen Bedeutung
für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht seien, insbesondere wenn
darunter die Abwägung der beiderseitigen Rechtspositionen im Rahmen der
privatrechtlichen Regelungen leiden würde.
Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gewährleiste
zwar die Kunstfreiheit vorbehaltslos, aber nicht schrankenlos. Das allgemeine
Persönlichkeitsrecht nach Art 2 Abs. 1 iVm. 1 Abs. 1 GG würde Grenzen der
Kunstfreiheit ziehen. Zum Persönlichkeitsrecht würden das Verfügungsrecht über
die Darstellung der eigenen Person, die soziale Anerkennung und die persönliche
Ehre gehören. Außerhalb der Voraussetzungen einer örtlichen Abgeschiedenheit
könne dem Persönlichkeitsrecht ein erhöhtes Gewicht zukommen, so bei
Abbildungen des Betroffenen in Momenten der Entspannung oder des
Sich-Gehen-Lassens außerhalb der Einbindung in die Pflichten des Berufs und des
Alltags.
Auch die Kunstfreiheit würde für
das Persönlichkeitsrecht Grenzen ziehen, weshalb es nicht ausreichend wäre,
eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts festzustellen. Zu klären wäre
im Einzelfall, ob die Beeinträchtigung derart schwerwiegend ist, dass die
Freiheit der Kunst zurücktreten müsse, Eine schwerwiegende Beeinträchtigung des
Persönlichkeitsrechts ließe sich durch die Kunstfreiheit nicht rechtfertigen.
Für die Lösung der Spannungslage
könne auch nicht alleine auf die Wirkung des Kunstwerks im außerkünstlerischen
Sozialbereich abgehoben werden, vielmehr müsse auch kunstspezifischen
Gesichtspunkten Rechnung getragen werden.
Das Kammergericht habe die
Bedeutung und Tragweite der Kunstfreiheit bei der Zuordnung des Bildes zum
Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG und in das Ergebnis seiner Abwägung
im Rahmen des § 23 Abs. 2 KUG einbezogen und sei damit auch den
Eigengesetzlichkeiten der Straßenfotografie gerecht geworden. Die Schwere der Beeinträchtigung
habe es aus der Art der Präsentation des Bildes als großformatigen Blickfang an
einer belebten öffentlichen Straße in einer Millionenstadt hergeleitet und
dabei auch erkannt, dass es mit der Kunstfreiheit nicht vereinbar wäre, den
Wirkbereich von vornherein auf Galerien, Museen oder sonstige räumlich
begrenzte Ausstellungsflächen zu begrenzen. Damit sei auch vom Kammergericht
nicht von vornherein die ungestellte Abbildung von Personen (ohne ihre
Erlaubnis) nicht generell unmöglich gemacht.
BVerfG, Beschluss vom 08.02.2018 - 1 BvR 2112/15 -