In einem Räumungsrechtsstreit wegen eines Mietrückstandes von € 649,60 (bei einer monatlichen Miete für die Wohnung in Höhe von € 400,00) und offener Betriebskostenabrechnung von € 477,86 wies das Amtsgericht die Räumungsklage ab und gab der Klage wegen rückständigen Mietzinses in Höhe von € 125,17 statt. Das Landgericht wies die Berufung der Kläger zurück, ließ aber die Revision gegen das Urteil zu. Zwischenzeitlich zog der Beklagte, nach Revisionsbegründung und -erwiderung, aus. Beide Parteien erklärten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt; im Hinblick auf den weitergehenden (vom Amts- und Landgericht nicht zuerkannten) Zahlungsanspruch wurde von den Klägern die Revision zurückgenommen. Der BGH entscheid in einer Kostenmischentscheidung gem. §§ 516 Abs. 3 S. 1, 565 S. 1, 269 Abs. 3 S. 2, 91 Abs. 1 S. 1, 91a Abs. 1 S. 1, 100 Abs. 1 ZPO über die Kosten.
Teilweise beruhte die Kostenentscheidung darauf, dass die Kläger ihre ursprüngliche Zahlungsklage in Höhe von € 9.950,00 noch vor der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht zurückgenommen hatten und das Urteil des Berufungsgerichts zum Zahlungsanspruch in rechtskräftig wurde. Insoweit würde sich für das revisionsverfahren aus §§ 516 Abs. 3 S. 1, 565 S. 1 ZPO die Kostentragungspflicht der Kläger ergeben. Für die Tatsacheninstanz folge die Pflicht aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO bzw. – soweit die Zahlungsklage bereits in 1. Instanz vor der mündlichen Verhandlung zurückgenommen worden sei, aus § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.
Über die Hauptsacherledigungserklärung zum Räumungs- und Herausgabeanspruch sei nach § 91a ZPO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden.
Dabei käme es auf den mutmaßlichen Ausgang des Revisionsverfahrens an und könne nicht auf den Umstand abgestellt werden, dass der auf Räumung und Herausgabe in Anspruch genommene Beklagte freiwillig aus der Wohnung auszog. Im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung könne zwar im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 91a ZPO in bestimmten Fällen bei Zahlung einer noch streitgegenständlichen Forderung berücksichtigt werden, dass sich er Beklagt freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben habe, auch wenn er nicht zugleich die Kostenübernahme erkläre (BGH, Beschluss vom 27.07.2010 - VI ZR 154/08 -). Bei einem freiwilligen Auszug des Mieters aus der Wohnung könne aber nicht in vergleichbarer Weise wie bei einer Zahlung einer Forderung durch den Schuldner der Schluss gezogen werden, dass damit der Rechtsstandpunkt der Gegenpartei im Ergebnis hingenommen würde, da der Entschluss zum Auszug andere Motive (so z.B. berufliche Notwendigkeit, Wunsch nach örtlicher Veränderung, veränderter Platzbedarf, finanzielle Gründe) haben könne. Zudem habe der Beklagte durch seien zunächst erfolgte Revisionserwiderung und den von ihm gestellten Kostenantrag im Rahmen der Teilerledigungserklärung (worauf im Beschluss vom 27.07.2010 aaO. abgestellt wurde) hinreichend deutlich gemacht, dass er der rechtlichen Einschätzung des Klägers widerspreche.
Damit seien nach dem Sach- und Streitstand die Kosten des Verfahrens zum Räumungs- und Herausgabeanspruch gegeneinander aufzuheben. Grundlage der Entscheidung sei einzig eine summarische Prüfung, ohne dass vom Gericht in einer rechtlich schwierigen Sache nur wegen der Verurteilung der Kosten alle für den hypothetischen Ausgang bedeutsamen Rechtsfragen geklärt werden müssten (BGH, Urteil vom 18.04.2013 - III ZR 156/12 -). Vor diesem Hintergrund sei nicht die Rechtsfrage zu klären, ob ein Nachzahlungsbetrag aus einer Betriebskostenabrechnung bei der Berechnung des Zahlungsrückstandes iSv. §543 Abs. 2 S. 1 BGB zu berücksichtigen sei, was von der überwiegenden Auffassung verneint würde. Da der für die Kündigung und Räumungsbegehren geltend gemachte Mietrückstand nicht die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB erfülle und die Frage der Hinzurechnung einer Betriebskostennachzahlung offen und ungewiss sei, sich die Kläger aber in ihrer fristlosen Kündigung auch auf den Nachzahlungsbetrag aus der Betriebskostenabrechnung gestützt hatten, sei der Ausgang des Verfahrens ungewiss, da bei summarischer Prüfung nicht ausgeschlossen werden könne das Bestehen des Anspruchs nicht ausgeschlossen sei.
BGH, Beschluss vom
13.08.2024 - VII ZR 255/21 -
Aus den Gründen:
Tenor
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Kläger 70 % und der Beklagte 30 %, von den Kosten der Rechtsmittelinstanzen die Kläger 60 % und der Beklagte 40 % zu tragen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 6.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Beklagte
mietete ab Oktober 2009 ein in D.
gelegenes
Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von circa 135 m² von den damaligen
Eigentümern. Die monatliche Nettokaltmiete betrug 400 €.
Im Dezember
2016 erwarben die Kläger die Immobilie in der Absicht, den Beklagten - den
Bruder der Klägerin zu 1 - vor dem Hintergrund, dass dieser nunmehr
Sozialleistungen bezog, zu unterstützen. Vereinbarungsgemäß wurde das Haus in
zwei Wohnungen geteilt. Der Beklagte bewohnt seit dem 4. September 2017
die im Hinterhaus gelegene Zwei-Zimmer-Wohnung mit einer Größe von 75 m².
Über die vom Beklagten hierfür zu zahlende Nettokaltmiete konnten die Parteien
keine Einigung erzielen.
Mit Schreiben
vom 1. Mai 2018 rechneten die Kläger über die Betriebskosten des Jahres
2017 ab und gelangten zu einem Nachzahlungsbetrag zulasten des Beklagten in
Höhe von 477,86 €.
Die Kläger
erklärten mehrfach, zuletzt mit Schriftsatz vom 28. April 2020, die
außerordentliche fristlose Kündigung des Mietverhältnisses unter Bezugnahme auf
rückständige Miete sowie - zuletzt - die ausstehende
Betriebskostennachzahlung für 2017.
Die auf Räumung
und Herausgabe der Wohnung sowie - nach einer vor der ersten mündlichen
Verhandlung erfolgten Teilklagerücknahme in Höhe von 9.950 € - auf
Zahlung rückständiger Miete in Höhe von 649,60 € und Nachzahlung von
Betriebskosten für das Jahr 2017 in der oben genannten Höhe gerichtete Klage
hat vor dem Amtsgericht nur teilweise Erfolg gehabt. Das Amtsgericht hat den
Beklagten zur Zahlung rückständiger Miete in Höhe von 125,17 € verurteilt
und im Übrigen die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der
Kläger hat das Landgericht zurückgewiesen.
Mit der vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision haben die Kläger ihr Klagebegehren,
soweit dieses bisher keinen Erfolg gehabt hat, weiterverfolgt. Nachdem der
Beklagte auf die Revisionsbegründung der Kläger zunächst erwidert hatte, haben
beide Parteien unter Berufung auf einen freiwilligen Auszug des Beklagten aus
der Wohnung den Räumungs- und Herausgabeantrag in der Hauptsache für erledigt
erklärt und wechselseitige Kostenanträge gestellt. Hinsichtlich des
weiterverfolgten Zahlungsantrags haben die Kläger die Revision zurückgenommen.
Demnach ist nur noch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden.
II.
Die im Tenor
getroffene Kostengrundentscheidung ist eine Kostenmischentscheidung und beruht
auf § 516 Abs. 3 Satz 1, § 565 Satz 1, § 269
Abs. 3 Satz 2, § 91 Abs. 1 Satz 1, § 91a
Abs. 1 Satz 1, § 100 Abs. 1 ZPO.
1.
Soweit das Berufungsgericht die Berufung der Kläger hinsichtlich ihres
Zahlungsantrags zurückgewiesen hat, ist sein Urteil mit der Rücknahme der
Revision der Kläger rechtskräftig geworden. Für die Revisionsinstanz ergibt
sich aus § 516 Abs. 3 Satz 1, § 565 Satz 1 ZPO, dass
die Kläger insoweit die Kosten des Rechtsstreits zu tragen haben. Für die
Tatsacheninstanzen folgt die Pflicht der Kläger, die Kosten in Bezug auf den
Zahlungsantrag zu tragen, aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO
beziehungsweise - soweit die Kläger bereits in der ersten Instanz ihren
Zahlungsantrag in Höhe von 9.950 € (vor der ersten mündlichen Verhandlung)
zurückgenommen haben - aus § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
2.
Soweit beide Parteien den Räumungs- und Herausgabeanspruch in der Hauptsache
für erledigt erklärt haben, war über die diesbezüglichen Kosten des
Rechtsstreits gemäß § 91a Abs. 1 ZPO unter Berücksichtigung des
bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu entscheiden.
a)
Maßgeblich hierfür ist entgegen der Ansicht der Revision vorliegend der
mutmaßliche Ausgang des Revisionsverfahrens (vgl. BGH, Beschlüsse vom
9. Februar 2021 - VIII ZR 346/19, NJW 2021, 1887 Rn. 4; vom
8. März 2022 - XI ZR 571/21, AG 2022, 443 Rn. 9 mwN; vom
9. April 2024 - XI ZR 328/22, juris Rn. 1) und nicht der
Umstand, dass der Beklagte, der auf Räumung und Herausgabe der Wohnung in
Anspruch genommen wurde, aus dieser Wohnung nach Erlass des Berufungsurteils
freiwillig ausgezogen ist. Zwar kann nach der höchstrichterlichen
Rechtsprechung im Rahmen der Billigkeitsentscheidung gemäß § 91a
Abs. 1 ZPO in bestimmten Fällen berücksichtigt werden, dass der Beklagte
sich durch die Zahlung einer noch streitgegenständlichen Forderung freiwillig
in die Rolle des Unterlegenen begibt, auch wenn nicht zugleich erklärt wird,
die Kosten des Rechtsstreits zu übernehmen (vgl. BGH, Beschlüsse vom
27. Juli 2010 - VI ZR 154/08, juris Rn. 5; vom
21. September 2010 - VI ZR 11/10, juris Rn. 2; vom
8. Juni 2021 - VI ZR 1232/20, NJW 2021, 2589 Rn. 2; vom
22. März 2023 - V ZR 268/21, juris Rn. 1). Allerdings
erlaubt ein freiwilliger Auszug des Mieters aus einer Wohnung nicht in
vergleichbarer Weise wie die freiwillige Zahlung einer noch streitgegenständlichen
Forderung durch den Schuldner einen Rückschluss darauf, dass damit der
Rechtsstandpunkt der Gegenpartei im Ergebnis hingenommen wird, sondern kann auf
anderen Motiven unterschiedlicher Art (unter anderem beruflichen
Notwendigkeiten, dem Wunsch nach örtlicher Veränderung, verändertem Platzbedarf
oder finanziellen Gesichtspunkten) beruhen. Auch hat der Beklagte vorliegend
durch die zunächst erfolgte Erwiderung auf die Revisionsbegründung und den von
ihm gestellten Kostenantrag im Rahmen der Teilerledigungserklärung (auf diese
Aspekte abstellend BGH, Beschlüsse vom 27. Juli 2010 - VI ZR
154/08, aaO; vom 21. September 2010 - VI ZR 11/10, aaO; vom
8. Juni 2021 - VI ZR 1232/20, aaO) hinreichend deutlich gemacht,
dass er der rechtlichen Einschätzung der Kläger widerspricht.
b) Bei
Anlegung des dargestellten Prüfungsmaßstabs sind im Hinblick auf den Räumungs-
und Herausgabeanspruch die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben.
aa) Es
ist nicht Zweck einer Kostenentscheidung nach § 91a Abs. 1
Satz 1 ZPO, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären oder das
Recht fortzubilden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Juli 2006
- II ZR 163/03, AG 2006, 666 Rn. 3; vom 23. Oktober 2013
- V ZB 166/11, juris Rn. 3; vom 7. Februar 2018
- VII ZB 28/17, juris Rn. 10; vom 25. Oktober 2022
- VIII ZB 58/21, NJW 2022, 3778 Rn. 6). Grundlage der Entscheidung
ist demgemäß lediglich eine summarische Prüfung, bei der das Gericht
grundsätzlich davon absehen kann, in einer rechtlich schwierigen Sache nur
wegen der Verteilung der Kosten alle für den hypothetischen Ausgang bedeutsamen
Rechtsfragen zu klären (BGH, Urteil vom 18. April 2013 - III ZR
156/12, BGHZ 197, 147 Rn. 13; Beschlüsse vom 17. Juli 2006
- II ZR 163/03, aaO; vom 23. Oktober 2013 - V ZB
166/11, aaO; vom 7. Februar 2018 - VII ZB 28/17, aaO; vom
19. September 2023 - VIII ZB 44/22, NZM 2023, 947 Rn. 4).
bb) Der
Senat sieht sich deshalb nicht veranlasst, die - vorliegend von den
Vorinstanzen im Grundsatz bejahte - Rechtsfrage zu klären, ob ein
Nachzahlungsbetrag aus einer Betriebskostenabrechnung bei der Berechnung des
Zahlungsrückstands im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
BGB zu berücksichtigen ist (verneinend die ganz überwiegende Auffassung, vgl.
OLG Koblenz, NJW 1984, 2369, 2369 f. [zu § 554 BGB aF]; LG Berlin,
Urteile vom 20. Februar 2015 - 63 S 202/14, juris Rn. 5;
vom 24. November 2015 - 63 S 158/15, juris Rn. 4 f.;
LG Dessau-Roßlau, ZMR 2017, 481, 482 f.; MünchKommBGB/Bieber,
9. Aufl., § 543 Rn. 46; Staudinger/V. Emmerich, Neubearb.
2021, § 543 BGB Rn. 68; BeckOGK-BGB/Mehle, Stand: 1. April 2024,
§ 543 Rn. 160; Siegmund in Blank/Börstinghaus/Siegmund, Miete,
7. Aufl., § 543 BGB Rn. 97; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht,
16. Aufl., § 543 BGB Rn. 165; Grüneberg/Weidenkaff,
83. Aufl., § 543 BGB Rn. 23; BeckOK-BGB/Wiederhold, Stand:
1. Mai 2024, § 543 Rn. 35; Erman/Lützenkirchen/Selk, BGB,
17. Aufl., § 543 Rn. 23; Börstinghaus, WuM 2017, 254, 256;
Lehmann-Richter, ZMR 2017, 372, 375; Meyer-Abich, NZM 2023, 61, 72; Schwab, NZM
2019, 36, 40 f.; zum kombinierten Rückstand von Miete und
Betriebskostennachzahlung ausdrücklich Hinz, WuM 2019, 673, 679 f.;
Schmidt-Futterer/Streyl, aaO Rn. 45; Siegmund in
Blank/Börstinghaus/Siegmund, aaO Rn. 26; wohl aA nur OLG Frankfurt am
Main, NJW-RR 1989, 973 [zu § 554 BGB aF]; zweifelnd
Lützenkirchen/Lützenkirchen, Mietrecht, 3. Aufl., § 543 BGB
Rn. 218a).
cc)
Bleibt diese Frage mithin offen, ist - da der geltend gemachte Mietrückstand
für sich genommen die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1
Nr. 3 BGB nicht erfüllt - ungewiss, welchen Ausgang das Verfahren im
Hinblick auf den mit der Revision weiterverfolgten Räumungs- und
Herausgabeantrag genommen hätte, weil die Kläger ihre fristlose Kündigung vom
28. April 2020 auch auf den oben genannten Nachzahlungsbetrag aus einer
Betriebskostenabrechnung gestützt haben und das Bestehen dieses Anspruchs bei
summarischer Prüfung ebenfalls nicht ausgeschlossen ist. Mangels anderer
Verteilungskriterien sind die auf den Räumungs- und Herausgabeantrag bezogenen
Kosten daher gegeneinander aufzuheben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen