Das Berufungsgericht schloss sich der vom Erstgericht vertretenen Auffassung an, dass sowohl die Kläger- wie auch die Beklagtenseite für die Folgen des Unfalls gem. §§ 7, 17, 18 StVG iVm. 115 VVG einzustehen hätte, da die Unfallschäden jeweils bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges entstanden seien und für keinen der beteiligten Fahrer ein unabwendbares Ereignis iSv. § 17 Abs. 3 StVG darstelle.
Richtig habe auch das Erstgericht im Rahmen der danach nach § 17 Abs. 1 StVG vorzunehmenden Haftungsverteilung einen Verstoß der Beklagten zu 2. Gegen § 14 S. 1 StPO angenommen habe, sei dies ebenfalls zutreffend. Wer ein- oder aussteigt müsse sich gem. § 14 S. 1 StPO so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sei. Die Norm würde dem fließenden Verkehr schützen und verlange vom Aussteigenden ein Höchstmaß an Sorgfalt. Diese Sorgfaltsanforderung ende beim Einsteigen erst mit dem Schließen der Tür und beim Aussteigen erst mit dem Schließen der Tür du dem Verlassen der Fahrbahn. Situationen beim Ein- oder Aussteigevorgang bei geöffneter Tür würden davon auch umfasst, so auch ein beugen in das Fahrzeug, um Gegenstände auszuladen (BGH, Urteil vom 06.10.2009 - VI ZR 316/08 -). Ein Aussteigen zur Fahrbahnseite müsste so schnell wie möglich wegen der damit verbundenen besonderen Gefahrensituation durchgeführt werden und die Tür dürfe dabei nicht länger offengelassen werden als unbedingt notwendig (OLG Celle, Urteil vom 04.12.2019 - 14 U 127/19 -).
Käme es im unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Ein- oder Aussteigevorgang zu einer Kollision mit dem fließenden Verkehr, spreche der Beweis des ersten Anscheins für eine fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung des Ein- bzw. Aussteigenden (BGH aaO.).
Ein zu geringer Seitenabstand würde den Anscheinsbeweis nicht bereits erschüttern. Zwar habe der BGH aaO. offengelassen, ob in einem solchen Fall der Anscheinsbeweis erschüttert sei, wenn sich der Aus-/Einsteigende bei dem Vorgang vergewisserte, dass sich kein rückwärtiger Verkehr nähere und der Unfall einzig auf den geringen Seitenabstand zurückzuführen sei. Hier allerdings läge der Fall anders, da die Zweibeklagte kein herannahendes Fahrzeug gesehen haben will obwohl sie sich nach dem rückwärtigen Verkehr vergewissert habe, der Sachverständige allerdings feststellt habe, dass sie in diesem Fall das klägerische Fahrzeug zu sehen gewesen wäre. Zudem ließe sich der Einlassung der Zweitbeklagten nicht entnehmen, dass sie nicht nur bei Öffnen der Tür, sondern fortwährend auch danach über rückwärtigen Verkehr vergewisserte, um ggf. die Tür wieder zu schließen
Das Erstgericht hatte einen unfallursächlichen Verstoß auf Klägerseite gegen § 1 Abs. 2 StVO wegen eines unzureichenden Seitenabstandes beim Vorbeifahren angenommen, da die geöffnete Tür zu sehen gewesen sei. Dies sah das Berufungsgericht als zweifelhaft an, da offen se, ob die Tür im Zeitraum der Vorbeifahrt weiter geöffnet wurde und ob der der Klägerseite zur Verfügung stehende Verkehrsraum überhaupt einen weiteren Seitenabstand zugelassen habe. Dies ließ das Berufungsgericht offen, da auch bei einem unzureichenden Seitenabstand im Rahmen der Haftungsabwägung der klägerische Haftungsanteil allenfalls – wie von der Berufung zugrunde gelegt – der klägerische Haftungsanteil 50% betrage. Ein höherer Haftungsanteil scheide aus, da nicht auszuschließen sei, dass die Tür unmittelbar vor der Kollision weiter geöffnet wurde und von daher nicht feststehen würde, dass der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs die wesentliche Ursache für die Kollision gesetzt habe.
OLG Saarbrücken, Urteil vom
05.07.2024 - 3 U 16/24 -
Aus den Gründen:
Tenor
I. Auf die
Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken – 1 O 166/22
– vom 2.2.2024 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise
abgeändert. Die Beklagten werden unter Abweisung der Klage im Übrigen als
Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 3.078,54 € nebst Zinsen in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.3.2022 sowie
vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 381,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.7.2022 zu zahlen.
II. Die Kosten
der ersten Instanz tragen die Klägerin zu 53 % und die Beklagten als
Gesamtschuldner zu 47 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die
Beklagten als Gesamtschuldner.
III. Das Urteil
ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die
Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin
nimmt die Beklagten auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Anspruch,
der sich am 13.1.2022 in der ... in ... ereignet hat.
Dort hatte die
Zweitbeklagte den von ihr geführten, bei der Erstbeklagten
haftpflichtversicherten Pkw Fiat Panda (amtl. Kz.: ...) etwa in Höhe der
Hausnummer 8 in einer am rechten Fahrbandrand befindlichen Parkbucht geparkt.
Der Zeuge ... befuhr mit dem Klägerfahrzeug VW Golf VI Plus Team (amtl. Kz.:
...) die ... in Richtung des dort befindlichen Kreisels. Bei der Vorbeifahrt
kollidierte das Klägerfahrzeug mit der hinteren linken Tür des
Beklagtenfahrzeugs. Der genaue Unfallhergang steht zwischen den Parteien im
Streit.
Mit der Klage
hat die Klägerin von den Beklagten bei Annahme deren Alleinhaftung die Zahlung
von 6.479,36 € (4.245,- € Wiederbeschaffungsaufwand + 1.104,56 €
Sachverständigenkosten + 84,80 € An- und Abmeldekosten + 1.015,- €
Nutzungsausfall + 30,- € Unkostenpauschale) nebst Zinsen und 713,76 €
vorgerichtliche Anwaltskosten verlangt. Die Beklagten sind der Klage
entgegengetreten.
Mit dem
angefochtenen Urteil hat das Landgericht, auf dessen tatsächlichen
Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO
ergänzend Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es
ausgeführt, der Zeuge ... habe gegen § 1 Abs. 2 StVO verstoßen, da er
mit einem Seitenabstand von lediglich 55 cm an dem Beklagtenfahrzeug
vorbeigefahren sei, obwohl er die in der geöffneten Tür stehende Zweitbeklagte
erkannt habe. Da es ihm möglich gewesen sei, einen ausreichenden
Sicherheitsabstand einzuhalten bzw. bei Gegenverkehr anzuhalten, überwiege der
Sorgfaltsverstoß des Zeugen so sehr, dass der Verstoß der Zweitbeklagten gegen
§ 14 Satz 1 StVO dahinter zurücktrete.
Hiergegen
richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren Anspruch in hälftiger
Höhe unter Berufung auf eine 50%ige Mithaftung der Beklagten weiter verfolgt.
Die Beklagten sind dem entgegengetreten und verteidigen die angefochtene
Entscheidung.
II.
Die Berufung
ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben. In der Sache hat sie
überwiegend Erfolg.
1. Das
Landgericht ist davon ausgegangen, dass sowohl die Kläger- als auch die
Beklagtenseite grundsätzlich für die Folgen des streitgegenständlichen
Unfallgeschehens gemäß §§ 7, 17, 18 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m.
§ 115 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) einzustehen haben, da die
Unfallschäden jeweils bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges entstanden sind,
der Unfall nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen ist und für keinen der
beteiligten Fahrer ein unabwendbares Ereignis i.S.d. § 17 Abs. 3 StVG
darstellt. Hiergegen wenden sich die Parteien nicht.
2.
Soweit das Landgericht im Rahmen der danach gem. § 17 StVG gebotenen
Entscheidung über eine Haftungsverteilung auf Beklagtenseite einen Verstoß der
Zweitbeklagten gegen § 14 Satz 1 StVO angenommen hat, nimmt die
Berufung das als für sie günstig hin. Dies begegnet auch keinen Bedenken.
a) Nach
§ 14 Abs. 1 StVO muss, wer ein- oder aussteigt, sich so verhalten,
dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Die
Vorschrift dient in erster Linie dem Schutz des fließenden Verkehrs und
verlangt von dem Aussteigenden ein Höchstmaß an Sorgfalt (vgl. OLG Düsseldorf,
Urteil vom 31. März 2020 - 1 U 101/19, Rn. 35, juris). Diese
Sorgfaltsanforderung gilt für die gesamte Dauer des Ein- oder
Aussteigevorgangs, mithin für alle Vorgänge, die in einem unmittelbaren zeitlichen
und örtlichen Zusammenhang damit stehen, wobei der Vorgang des Einsteigens erst
mit dem Schließen der Fahrzeugtüre, der Vorgang des Aussteigens erst mit dem
Schließen der Fahrzeugtüre und dem Verlassen der Fahrbahn beendet ist. Erfasst
sind dabei insbesondere auch Situationen, in denen der Insasse eines
Kraftfahrzeugs sich im unmittelbaren Zusammenhang mit einem Ein- oder
Aussteigevorgang bei geöffneter Tür in das Kraftfahrzeug beugt, um etwa
Gegenstände ein- oder auszuladen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 2009 - VI ZR
316/08, Rn. 11, juris). Da das Ein- und Aussteigen zur Fahrbahnseite regelmäßig
mit besonderen Gefahren verbunden ist, ist der Vorgang so zügig wie irgend
möglich durchzuführen und darf die Tür nicht länger offengelassen werden als
unbedingt notwendig (vgl. OLG Celle, Urteil vom 4. Dezember 2019 - 14 U 127/19,
Rn. 41, juris; KG Berlin, Beschluss vom 22. November 2007 - 12 U 199/06, Rn.
17, juris). Kommt es – wie hier – im unmittelbaren zeitlichen und örtlichen
Zusammenhang mit dem Ein-/Aussteigevorgang zu einer Kollision mit dem
fließenden Verkehr, spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine
fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung des Ein- oder Aussteigenden (vgl. BGH,
Urteil vom 6. Oktober 2009 - VI ZR 316/08 -, Rn. 12, juris; Senat, Urteil vom
24. März 2023 - 3 U 9/23, Rn. 15, juris).
b) So
liegt es auch hier. Anders als die Beklagten meinen, wird der Anscheinsbeweis
nicht bereits durch einen zu geringen Seitenabstand des Vorbeifahrenden
erschüttert. Zwar hat der Bundesgerichtshof dies offengelassen, wenn feststeht,
dass sich der Ein- oder Aussteigende vor und während des Ein- oder Aussteigens
vergewissert hat, dass sich kein rückwärtiger Verkehr nähert, und der Unfall
ausschließlich auf einen zu geringen Seitenabstand des Vorbeifahrenden
zurückzuführen ist (vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 2009 - VI ZR 316/08, Rn.
13, juris). So liegt der Fall hier jedoch nicht. Denn dass die Zweitbeklagte,
die nach ihrer Einlassung (Bl. 73 f. GA) kein herannahendes Fahrzeug gesehen
haben will, sich vor dem Öffnen der Fondtür ordnungsgemäß nach dem rückwärtigen
Verkehr vergewissert hat, steht angesichts der Ausführungen des gerichtlichen
Sachverständigen, wonach das Klägerfahrzeug für die Zweitbeklagte bereits
erkennbar gewesen sein muss (Bl. 199 GA), nicht fest. Überdies musste die
Zweitbeklagte sich nicht nur vor dem Öffnen der Fondtür, sondern auch ständig
weiter vergewissern, ob Fahrzeugverkehr herannahte, um gegebenenfalls die
geöffnete Tür wieder schließen zu können (vgl. Senat, Urteil vom 24. März 2023
- 3 U 9/23, Rn. 16, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 26. Juni 2012 - 1 U
149/11, Rn. 45, juris). Dass sie dieser Verpflichtung nachgekommen wäre, lässt
sich ihrer Einlassung nicht entnehmen.
3. Das
Landgericht hat weiter angenommen, auf Klägerseite sei ein unfallursächlicher
Verstoß des Zeugen ... gegen § 1 Abs. 2 StVO zu berücksichtigen, da
der Zeuge mit einem unzureichenden Seitenabstand an dem Beklagtenfahrzeug
vorbeigefahren sei, obschon er die in der Tür stehende Zweitbeklagte vor der
Kollision erkannt habe. Ob dies zutrifft, ist angesichts der letztlich
ungeklärten Frage, ob die Tür im Moment der Vorbeifahrt weiter geöffnet wurde
und ob der zur Verfügung stehende Verkehrsraum einen nennenswert weiteren
Seitenabstand überhaupt zuließ, zweifelbehaftet. Letztlich kann die Frage hier
dahinstehen. Denn auch bei Annahme eines unzureichenden Seitenabstandes ergibt
sich – wie der Berufung zugrunde gelegt – im Rahmen der Haftungsabwägung
allenfalls ein Haftungsanteil der Klägerin von 50 %.
Eine höhere
Haftungsquote der Klägerin scheidet aus, da – wie auch das Landgericht nicht
verkannt hat (LGU S. 6) – nach den Ausführungen des Sachverständigen ...
in seinem Gutachten (Bl. 160, 164 GA) und bei der mündlichen Erläuterung seines
Gutachtens (Bl. 198 ff. GA) nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Tür
unmittelbar vor der Kollision weiter geöffnet wurde. Die Fondtür könnte danach,
wenn die Zweitbeklagte sich – wie von ihr in ihrer Anhörung angegeben (Bl. 73
GA) – in das Beklagtenfahrzeug gebeugt hatte, zunächst auch lediglich 45 cm
weit geöffnet gewesen sein. In diesem Fall könnte der feststellbare
Seitenabstand des Klägerfahrzeugs von 55 cm zunächst (noch) ausreichend gewesen
sein, um das Beklagtenfahrzeug ohne Kollision zu passieren. Mit Blick auf die
nach den Ausführungen des Sachverständigen letztlich ungeklärte Koordination
zwischen dem Türöffnungsvorgang und dem Bewegungsverhalten des Klägerfahrzeugs
(Bl. 163 GA) steht mithin, anders als das Landgericht angenommen hat, nicht
fest, dass der Zeuge ... die wesentliche Unfallursache gesetzt hat. Nicht mehr
entscheidungserheblich ist damit, dass das Landgericht zwar festgestellt hat,
der Zeuge ... habe die Zweitbeklagte vor der Kollision wahrgenommen, es aber
weitere Feststellungen zu der zeitlichen Abfolge des Kollisionsgeschehens,
insbesondere des Zeitpunkts des Öffnens der Fahrzeugtür, sowie zum
(Nicht-)Vorhandensein von Gegenverkehr unterlassen hat. Damit fehlt es für die
Annahme, der Zeuge habe den Unfall ohne Weiteres durch Einhaltung eines größeren
Seitenabstands bzw. rechtzeitiges Verlangsamen/Anhalten des Fahrzeugs
verhindern können, an einer tragfähigen Tatsachengrundlage. Der Sachverhalt
unterscheidet sich damit auch maßgeblich von demjenigen, der der vom
Erstgericht in Bezug genommenen Entscheidung des Landgerichts Saarbrücken
(Urteil vom 10. November 2023 - 13 S 8/23, juris) zugrunde gelegen hatte, und
rechtfertigt insgesamt keine höhere Haftungsquote der Klägerin als 50 %.
4.
Ausgehend von einer hälftigen Haftung der Beklagtenseite steht der Klägerin
Schadensersatz i.H.v. 3.054,78 € nebst Zinsen seit dem 16.3.2022 zu.
a) Der
Wiederbeschaffungsaufwand (4.245,- €) und die Sachverständigenkosten (1.104,56
€) stehen nicht im Streit.
b) Die
im Zusammenhang mit der Ersatzbeschaffung angefallenen Kosten (Anmeldekosten,
Abmeldekosten, Kosten des neuen Kennzeichens) i.H.v. insgesamt 84,80 € kann die
Klägerin nicht verlangen, weil sie ihren Schaden fiktiv auf Grundlage des von
ihr eingeholten Schadengutachtens abrechnet. Sie hat zwar im Laufe des
Verfahrens Unterlagen betreffend den Erwerb des Ersatzfahrzeugs vorgelegt (Bl.
36 ff. GA), dabei aber keine Angaben zum Kaufpreis des Ersatzfahrzeugs gemacht
und die diesbezüglichen Angaben in den Unterlagen geschwärzt. Damit ist sie
nicht zur konkreten Abrechnung übergangen, sondern bei der von ihr zunächst
gewählten fiktiven Schadensberechnung geblieben. Die ihr (konkret) entstandenen
Nebenkosten im Zusammenhang mit der tatsächlich erfolgten Beschaffung eines
Ersatzfahrzeuges sind in diesem Fall nicht ersatzfähig (vgl. BGH, Urteil vom
30. Mai 2006 - VI ZR 174/05, Rn. 11, juris). Eine Kombination von konkreter und
fiktiver Schadensabrechnung ist insoweit unzulässig (vgl. BGH, Urteil vom 5.
April 2022 - VI ZR 7/21, Rn. 10, juris).
c) Der
Klägerin steht dagegen ein Anspruch auf Ersatz des Nutzungsausfallschadens
i.H.v. 735,- € zu.
aa) Der
Nutzungsausfall ist nicht notwendiger Teil des am Kfz in Natur eingetretenen
Schadens. Es handelt sich um einen zwar typischen, aber nicht notwendigen
Folgeschaden, der weder überhaupt noch seiner Höhe nach von Anfang an fixiert
ist. Er hängt davon ab, ob der Geschädigte den Wagen überhaupt nutzen wollte
und konnte, ggf. auch durch Überlassung an Dritte (vgl. BGH, Urteil vom 10.
März 2009 - VI ZR 211/08, Rn. 9, juris), und ob der Nutzungsausfall wegen des
zumutbaren Einsatzes eines weiter vorhandenen Fahrzeugs kompensiert werden kann
(vgl. BGH, Urteil vom 14. Oktober 1975 - VI ZR 255/74, juris). Zu ersetzen ist
der Nutzungsausfall stets nur dann, wenn er tatsächlich vermögensrechtlich
eintritt (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 2009 - VI ZR 211/08, Rn. 9, juris);
eine Entschädigung für lediglich fiktiven Nutzungsausfall kommt demgegenüber
nicht in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1979 - V ZR 214/77, Rn.
33, juris). Der Anspruch auf Ersatz des Nutzungsausfalls besteht für die
erforderliche Ausfallzeit, d.h. für die notwendige Reparatur- bzw.
Wiederbeschaffungsdauer zuzüglich der Zeit für die Schadensfeststellung und
gegebenenfalls einer angemessenen Überlegungszeit (vgl. BGH, Urteil vom 5.
Februar 2013 - VI ZR 363/11, Rn. 22, juris). Rechnet der Geschädigte – wie hier
– seinen Schaden fiktiv ab, kommt es maßgeblich dabei auf die objektiv
erforderliche Dauer an (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2003 - VI ZR 361/02, Rn.
9, juris).
bb) Nach
diesen Maßstäben steht der Klägerin hier Nutzungsausfall für die Dauer der
gebotenen Wiederbeschaffung des Fahrzeugs, das einen wirtschaftlichen
Totalschaden erlitten hatte, zu. Dem Anspruch steht insbesondere nicht
entgegen, dass der Klägerin ein Zweitfahrzeug Marke Mercedes-Benz zur Verfügung
stand. Zwar fehlt es an einem fühlbaren Nutzungsausfall, wenn dem Geschädigten
ein weiteres Fahrzeug zur Verfügung steht, dessen ersatzweise Nutzung ihm
zumutbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2022 - VI ZR 35/22, Rn. 12,
juris). Allerdings haben der Ehemann und der Sohn der Klägerin in ihrer
Vernehmung vor dem Landgericht übereinstimmend bekundet, dass das
Klägerfahrzeug von ihnen genutzt wurde, während die Klägerin selbst den
Zweitwagen benutzt hatte (Bl. 201 GA). Dies hat die Klägerin in der mündlichen
Verhandlung vor dem erkennenden Gericht erneut bestätigt. Da ein
Vermögensschaden des Halters auch dann anzunehmen ist, wenn er das Fahrzeug
während der unfallbedingten Ausfallzeit zwar nicht selbst genutzt hätte, das
Fahrzeug aber nach einer bereits vor Unfall getroffenen Zweckbestimmung von
Familienangehörigen hätte genutzt werden sollen (vgl. BGH, Urteil vom 28.
Januar 1975 - VI ZR 143/73, Rn. 8, juris; Urteil vom 16. Oktober 1973 - VI ZR
96/72, Rn. 8, juris), kann hier von einem ersatzpflichtigen Nutzungsausfall
ausgegangen werden.
cc) Der
Höhe nach beläuft sich die Nutzungsausfallentschädigung auf 735,- € (§ 287
ZPO). Das Klägerfahrzeug war nach dem Unfall nicht mehr verkehrssicher und
konnte damit seit dem 13.1.2022 nicht mehr genutzt werden. Das Schadengutachten
datiert vom 19.1.2022. An den Zugang des Gutachtens bei der Klägerin schließt
sich die im Gutachten ausgewiesene Wiederbeschaffungsdauer von 12 bis 14 Tagen
unmittelbar an. Eine Überlegungsfrist war der Klägerin nicht zuzubilligen, da
es sich nach dem Schadengutachten um einen offensichtlichen Totalschadensfall
handelte. Nutzungsausfall kann folglich für die Zeit vom 13.1. bis zum
2.2.2022, mithin für 21 Tage verlangt werden, wobei sich ausweislich
einschlägiger Tabellen („Schwacke-Schadenmanager“) bei dem zum Unfallzeitpunkt
über 10 Jahre alten Klägerfahrzeug (vgl. zur Bemessung des Nutzungsausfalls bei
älteren Fahrzeugen BGH, Urteil vom 23. November 2004 - VI ZR 357/03, BGHZ 161,
151) ein Entschädigungssatz von 35,- €/Tag ergibt. Die Klägerin kann damit (21
x 35,- € =) 735,- € verlangen.
d)
Zusammen mit der Unfallpauschale, die der Senat in ständiger Rechtsprechung mit
25,- € bemisst, steht der Klägerin damit insgesamt ein Anspruch in Höhe von
([4.245,- € + 1.104,56 € + 735,- € + 25,- €] : 2 =) 3.054,78 € zu.
e) Der
Zinsanspruch folgt aus § 280 Abs. 1, 2, §§ 286 ff. BGB.
5. Die
Klägerin kann zudem nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB Ersatz der
vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus dem Wert der berechtigten Forderung
(vgl. BGH, Urteil vom 9. Januar 2018 - VI ZR 82/17, Rn. 10, juris) in Höhe von
381,40 € nebst Zinsen seit dem 5.7.2022 beanspruchen.
a) Der
dem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch umfasst grundsätzlich auch
den Ersatz der durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen
Rechtsverfolgungskosten. Der Schädiger hat allerdings nicht schlechthin alle
durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu
ersetzen, sondern nur solche, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung
seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren, wobei gemäß dem Grundsatz der
subjektbezogenen Schadensbetrachtung Rücksicht auf die spezielle Situation des
Geschädigten zu nehmen ist. Eine etwaige Geschäftsgewandtheit des Geschädigten
– insbesondere Sach- und Fachkenntnisse im Zusammenhang mit der Abwicklung
vergleichbarer Schadensfälle – kann sich dabei (nur) in zweierlei Hinsicht
auswirken: Erstens bei der Beurteilung, ob aus Sicht des entsprechend
qualifizierten Geschädigten kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, dass
der Schädiger (oder dessen Haftpflichtversicherer) ohne weiteres seiner
Ersatzpflicht nachkommen werde. Zweitens hat der Geschädigte, wenn es sich nach
den genannten Kriterien um einen derart einfachen, aus seiner Sicht
zweifelsfreien Fall handelt, sein Wissen bei der erstmaligen Geltendmachung des
Schadens einzusetzen, darf also die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts (zunächst)
nicht für erforderlich erachten. Handelt es sich hingegen nicht um einen
einfach gelagerten Fall, ist der Geschädigte, gleich ob Privatperson, Behörde
oder Unternehmen, ungeachtet etwaiger Erfahrungen und Fachkenntnisse zur
eigenen Mühewaltung bei der Schadensabwicklung nicht verpflichtet. Demnach kann
es auch einem mit Schadensabwicklungen vertrauten Unternehmen nicht verwehrt
werden, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, sofern nicht zweifelsfrei ist, dass
und inwieweit der Haftpflichtversicherer des Unfallgegners den Schaden
regulieren wird (Zoll in Wussow, Unfallhaftpflichtrecht, 16. Aufl., Kap. 41 Rn.
132). Maßgeblich ist dabei der Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts,
also die Sicht ex ante (vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 2019 - VI ZR 45/19,
Rn. 21 f., juris m.w.N.).
b) Nach
diesen Maßstäben durfte die Klägerin grundsätzlich die Beauftragung eines
Rechtsanwalts für erforderlich erachten, da hier nicht zweifelsfrei war, dass
und in welchem Umfang die Erstbeklagte, die eine Verantwortlichkeit der
Beklagten zudem bereits dem Grunde nach in Abrede stellt, den Unfall regulieren
würde. War die Klägerin danach berechtigt, sich anwaltlicher Hilfe bei der
außergerichtlichen Geltendmachung ihrer Ansprüche zu bedienen, steht dem
Anspruch nicht entgegen, dass sie keinen anderen Anwalt beauftragt hat, sondern
in eigener Sache selbst tätig geworden ist (vgl. AG Berlin-Mitte, Urteil vom
15. März 2023 - 28 C 278/22 V, Rn. 7, juris; AG Köln, Urteil vom 11. Dezember
2017 - 261 C 176/17, Rn. 8, juris; AG Münster, Urteil vom 9. Februar 2011 - 60
C 4389/10, Rn. 9, juris; AG München, Urteil vom 28. Januar 2004 - 322 C
33323/03, juris).
c) Bei
Zugrundelegung einer 1,3 Geschäftsgebühr in Höhe von 361,40 € (Nr. 2300
VV-RVG) zuzüglich einer Kostenpauschale von 20,- € (Nr. 7002 VV-RVG)
ergibt sich ein erstattungsfähiger Betrag von 381,40 €.
d)
Rechtshängigkeitszinsen kann die Klägerin in entsprechender Anwendung des
§ 187 Abs. 1 BGB ab dem auf die Rechtshängigkeit folgenden Tag (vgl.
BGH, Urteil vom 23. Juni 2021 - IV ZR 250/20, Rn. 24, juris), mithin ab dem
5.7.2022 verlangen.
III.
Die
Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1,
100 Abs. 4 ZPO. Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit beruht auf
§§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da
die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und keine Veranlassung gibt, eine
Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts sowie zur
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung herbeizuführen (§ 543
Abs. 2 ZPO).
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen