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Freitag, 12. Juli 2024

Entschädigungsanspruch des Reiseveranstalters bei Buchung trotz vorhersehbarer Beeinträchtigung

Der Rechtsstreit betraf nicht die erste Corona-Welle, sondern die Buchung einer Pauschalreise  vom 20.01.2021 nach Thailand für November/Dezember 2021. Das RKI stufte Thailand am 08.08.2021 als Hochrisikogebiet ein. Der Kläger stornierte schließlich seine Reise am 24.10.2021 und die Beklagte behielt die Anzahlung auf den Reisepreis von 25% als Stornierungsgebühr ein. Das Amtsgericht gab der Klage statt. Auf die Berufung der Beklagten wurde die Klage abgewiesen. Die dagegen zugelassene und eingelegte Revision wurde zurückgewiesen.

Die Beklagte habe gem. § 651h Abs. 1 S. 2 BGB ihren Anspruch auf den Reisepreis wegen des nach § 651 Abs. 1 S. 2 BGB wirksamen Rücktritts des Klägers verloren. Allerdings könne die Beklagte der Rückforderung des angezahlten Reisepreises wirksam ihren Entschädigungsanspruch nach § 651h Abs. 1 S. 3 BGB entgegenhalten.

Es sei nicht zu beanstanden, dass ein Tatrichter die Covid-19-Pandemie als geeignet ansehe, die Durchführung einer Pauschalreise erheblich zu beeinträchtigen (BGH, Urteil vom 28.03.2023 - X ZR 78/22 -; EuGH, Urteil vom 08.06.2023 - C-407/21 -). Allerdings sei es rechtsfehlerfrei, dass hier das Berufungsgericht entschied, dass die Durchführung der Reise nicht erheblich beeinträchtigt gewesen sei. Insoweit sei für die Feststellung der Beeinträchtigung darauf abzustellen, ob die mit der Durchführung der Reise verbundenen Risiken bereits bei Buchung bekannt oder wenigstens absehbar gewesen seien. Um eine erhebliche Beeinträchtigung zu verneinen sei ausreichend, wenn bei Vertragsabschluss Umstände vorlägen, die der Durchführung der Reise zwar nicht zwingend entgegenstünden, aber doch so gravierend seien, dass nicht jeder Reisende die damit verbundenen Risiken auf sich nehmen möchte.  Würde in dieser Situation gleichwohl eine Reise gebucht, sei es auch in der Regel zumutbar, die Reise anzutreten, wenn die bei Buchung absehbaren Risiken fortbestehen oder bestehen (BGH, Urteil vom 19.09.2023 - X ZR 103/22 -; EuGH, Urteil vom 29.02.2023 - C-299/22 -).  Dabei käme es nicht darauf an, ob zum Zeitpunkt der Buchung die Weiterentwicklung der Situation noch nicht absehbar sei, wenn jedenfalls eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür bestünde, dass es innerhalb kürzester Zeit zu gravierenden Veränderungen komme (BGH, Urteil vom14.11.2023 - X ZR 115/22 -). Das Berufungsgericht habe deutlich darauf abgestellt, dass im Zeitpunkt der Buchung aus Sicht des Klägers aufgrund des weltweiten Pandemiegeschehens und dessen wellenartiger Entwicklung damit zu rechnen gewesen sei, dass es auch im Reisezeitraum und am Reiseziel zu pandemiebedingten Beeinträchtigungen kommen könne.

Zwar sei durch das RKI Thailand erst nach der Buchung zum Hochrisikogebiet erklärt worden. Allerdings habe der Kläger nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts damit bereits zum Zeitpunkt der Buchung rechnen müssen, weshalb es an einer wesentlichen Veränderung im dargelegten Sinne fehle.

BGH, Urteil vom 23.04.2023 - X ZR 58/23 -