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Sonntag, 21. Juli 2024

Transfrau sei Mann – zulässige oder unzulässige Meinungsäußerung ?

Auf einem Onlineportal der Verfügungsbeklagten zu 1. war ein Beitrag der Verfügungsbeklagten zu 2. mit der Überschrift „Held*innen der Demokratie? So fördern wir mit unseren Steuergeld Frauenhass“  veröffentlicht, gegen den sich die Verfügungsklägerin mit einer einstweiligen Verfügung mit dem Antrag dagegen wandte, sie als „Mann“ zu bezeichnen, wenn dies geschehe wie in der Äußerung in dem Beitrag „Anstatt eine junge Doktorandin zu unterstützen, die seit Monaten attackiert, auf offener Straße verfolgt und sogar körperlich angegriffen wird, unterstützt die Stiftung lieber einen 60-jährigen Mann, der an der Spitze eines Lobby-Vereins steht und maßgeblich an dem Frauenhass beteiligt ist, dem A seit Monaten ausgesetzt ist“. (Nachfolgend werden die Parteien als Klägerin und Beklagte benannt).  Das Landgericht gab einem entsprechenden Verfügungsantrag der Klägerin statt und bestätigte diese nach Einspruch sodann mit dem angefochtenen Urteil. Das OLG erließ einen Hinweisbeschluss gem. § 522 ZPO, mit dem es darauf hinwies, die Berufung der Beklagten zurückweisen zu wollen. Mit dem Beschluss vom 14.02.2024 wies das OLG die Berufung zurück.

Sowohl unter Berücksichtigung des Satzes, in dem die Bezeichnung der der Klägerin als Mann erfolgte, wie auch aus dem Gesamtkontext des Beitrages stelle der Beitrag eine Meinungsäußerung dar, durch die die Klägerin herabgewürdigt würde. Bei der Sinndeutung käme es nicht darauf an, wie der Äußernde seine Aussage verstanden wissen wollte, sondern darauf, wie ein verständiges Durchschnittspublikum des Publikation unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs und Kontextes, der „Eigengesetzlichkeiten“ des jeweiligen Übertragungsmediums sowie der erkennbaren Begleitumstände der jeweiligen Äußerung verstünde.

Unter Berücksichtigung der Struktur des Satzes und der dort verwandten stilistischen Mittel, in dem die Bezeichnung „Mann“ verwandt würde, enthalte diese Bezeichnung für den Leser eine herabwürdigende Bedeutung. Der Beitrag enthalte auch eine rhetorische Steigerung der für die Klägerin verwandten Bezeichnung, die in dem Schlusssatz in der Formulierung „Mann“ gipfele. Die deutliche Herabsetzung würde auch in der Gegenüberstellung der jungen Doktorandin, nach Auffassung der Autorin das Opfer, und dem über 60-jährigen „Mann“ die die finanzielle Unterstützung durch die Stiftung nicht verdient habe, und in dem unmittelbaren inhaltlichen Zusammenhang mit einer Beteiligung am „Frauenhass“ deutlich, da durch die Verwendung des Begriffs eine deutlich herabsetzende im konkreten Zusammenhang für den Leser vermittelt würde. Das OLG ging auch von einer bewussten Bezeichnung „Mann“ aus, da der Autorin die Lebensgeschichte und das biologische Geschlecht der der Klägerin ausweislich des Beitrages bekannt gewesen sei.

Das OLG ging von einer Meinungsäußerung bei der streitgegenständlichen Äußerung aus, da es sich um eine einheitliche wertende Zusammenfassung der in dem Beitrag ausgedrückten Kritik an den Ergebnissen um die Anfeindungen, denen sich A ausgesetzt sehe, handele. Eine Trennung  des Satzes in eine zusammenfassende Kritik zum Vorgehen der Stiftung und eine Tatsachenbehauptung über das biologische Geschlecht der Klägerin sei nicht ersichtlich. Die Bezeichnung „Mann“ sei sowohl grammatikalisch als auch vom Sinngehalt vollständig eingebettet und für den Leser nicht als eigenständige Äußerung zum Geschlecht der Klägerin erkennbar.

Diese Meinungsäußerung sei unzulässig. Zwar könnten auch scharfe und auch abwertende Äußerungen von der Meinungsfreiheit geschützt sein, auch wenn der Betroffene sie ehrverletzend empfinde. Es sei allerdings bei ehrverletzenden Äußerungen eine Gesamtabwägung der widerstreitenden Interessen vorzunehmen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es sich bei der Bezeichnung der Klägerin als „Mann“ um einen Eingriff in einen zentralen Bereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts handele, was zu Gunsten der Klägerin besonders zu gewichten sei. Mit der Bezeichnung würde ihr ihre seit Jahrzehnten nach außen gelebte geschlechtliche Identität abgesprochen, was sie nicht hinnehmen müsse.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 15.02.2024 - 16 U 93/23 -

Freitag, 6. August 2021

Wegerecht: Anspruch des Eigentümers auf Verschluss eines neu errichteten Tores ?

Das Grundstück des Klägers ist mit einer Grunddienstbarkeit in Form eines Geh- und Fahrrechts (Wegerechts) zugunsten des im Eigentum der Beklagten stehenden Hintergrundstücks belastet. Der Kläger errichte ein Tor an der Grenze zur Straße (vorderes Tor) und eines an der Grenze zum Grundstück der Beklagten (hinteres Tor). Der Kläger wollte mit seiner Klage erreichen, dass die Beklagten die Tore schließen; auf die Widerklage wurde der Kläger verurteilt es zu unterlassen, die Tore zu schließen.  Im Berufungsverfahren wurden die Beklagten unter Abweisung der Widerklage insoweit verurteilt, dass hintere Tor stets zu schließen, während die Berufung zum vorderen Tor zurückgewiesen wurde.

Auf die zugelassene Revision, mit der die Beklagten die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils zum hinteren Tor begehren, wurde das Berufungsurteil aufgehoben und der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Grundsätzlich könne der Eigentümer eines mit einem Wegerecht versehenen Grundstücks einen Anspruch darauf haben, dass der Berechtigte ein auf dem Weg befindliches Tor schließe (§ 1004 Abs. 1 S. 2 iVm. § 1020 BGB). § 1020 S. 1 BGB sehe vor, dass der Berechtigte bei der Ausübung der Grunddienstbarkeit das Interesse des Eigentümers des belasteten Grundstücks möglichst schone. Ein Verstoß dagegen stelle sich als Eigentumsbeeinträchtigung nach § 1004 Abs. 1 BGB dar.

Allerdings könne der Anspruch auf ein Schließen entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht damit begründet werden, da ein berechtigtes Interesse an einer Einfriedung des Grundstücks bestünde und die Nutzung des Tores den Beklagten nicht unzumutbar sei. Abzuwägen seien die wechselseitigen Interessen: Zum Einen des Grundstückseigentümers an der ungehinderten Nutzung seines Grundstücks, zum Anderen das Interesse des berechtigten an der sachgemäßen Ausübung seines Rechts. Die Abwägung sei Gegenstrand der tatrichterlichen Würdigung, die revisionsrechtlich nur dahingehen geprüft werden könne, ob der Tatrichter wesentliche  Umstände übersehen oder nicht vollständig gewürdigt habe, Denkgesetze oder Erfahrungsfehler verletzt habe oder (gerügte) Verfahrensfehler vorliegen würden. Vorliegend habe das Berufungsgericht wesentliche Abwägungsgesichtspunkte nicht berücksichtigt.

Ein allgemeines und von einem konkreten Sicherungsbedürfnis losgelöstes Interesse des Klägers, sein Grundstück auch im Bereich des Weges an der Grenze zu dem Grundstück der Beklagten einzufrieden, wiege nicht von vorherein schwerer als das Interesse der Beklagten an einer ungehinderten Zufahrt, soweit die Behinderung keine Unzumutbarkeit darstelle. Es könne nicht dem Interesse des Eigentümers unabhängig von den Umständen des Einzelfalls ein Vorrang eingeräumt werden.

Das Berufungsgericht müsse daher konkret feststellen, welches Gewicht dem Interesse des Klägers an der Einfriedung ihres Grundstücks an der Grenze zum Grundstück der Beklagten im Bereich des Weges zukomme. Hier käme es darauf an, ob die Einfriedung gerade auch an dieser Stelle berechtigten Sicherungsinteressen diene, denen auch nicht mittels einer Einfriedung an anderer Stelle genügt werden könne. Das Sicherungsinteresse des Grundstückseigentümers sei höher zu bewerten, wenn es auf dem Grundstück oder im räumlichen Umfeld schon zu Einbrüchen o.ä.  gekommen sei und es sich nicht um eine allgemeine Gefahr handele; der BGH wies darauf hin, dass das Sicherungsinteresse auch tageszeitlich begrenzt sein könne (Abschließen zwischen 22 und 7 Uhr, BGH, Urteil vom 23.01.2015 - V ZR 184/14 -).

Zu berücksichtigen sei hier auf der anderen Seite, dass das Grundstück der Beklagten vollständig eingefriedet sei und nach den Feststellungen des Landgerichts (vom Berufungsgericht übernommen) nach den örtlichen Gegebenheiten keinen Schutz des Grundstücks des Klägers durch das zum Grundstück der Beklagten belegen Tor erfordere. Wenn danach ein Interesse des Klägers an dem Schließen dieses Tores nicht zu erkennen sei, müssten die Beklagten auch die durch das Schließen bedingten Erschwernisse nicht hinnehmen (OLG Saarbrücken, Urteil vom 02.10.2019 - 5 U 15/19 -).

Gegebenenfalls sei auch festzustellen, ob ein berechtigtes Sicherungsinteresse des Klägers anderweitig als durch Einfriedung mit einem Tor (etwa durch Abzäunung des Restgrundstücks gegenüber dem Weg) erfolgen könne.

BGH, Urteil vom 16.04.2021 - V ZR 17/20 -