Die Antragsgegnerin (Klägerin im Ausgangsverfahren) hatte gegen die Antragstellerin (Beklagte im Ausgangsverfahren) vor dem Verwaltungsgericht (VG) Klage erhoben, mit der sie sich gegen eine Anordnung zur Rücknahme und Rückerstattung von Corona-Überbrückungshilfe IV wandte und zugleich eine endgültige Gewährung einer Überbrückungshilfe IV von insgesamt € 248.183,85 für die Monate Januar bis März 2022 begehrte (gerichtliches Aktenzeichen: W 8 K 22.1922). Nunmehr nahm die vormalige Klägerin die Klägerin die Klage gegen die Anordnung zur Rücknahme und Rückerstattung in Höhe von € 45.980,51 und auf Gewährung in Höhe von € 170.072,43 zurück. Nach dieser teilweisen Rücknahme der Anträge trennte das VG den Teil, der sich auf die zurückgenommenen Beträge bezog, ab und führte es unter neuem Aktenzeichen W 8 K 23.1043 weiter, um mit dem gleichen Beschluss dieses Verfahren einzustellen und stellte gleichzeitig dieses Verfahren ein, wobei es der Antragsgegnerin (Klägerin) die Kosten diesbezüglich auferlegte; der Streitwert für dieses abgetrennte Verfahren wurde auf € 170.072,43 festgesetzt. Für das noch anhängige Verfahren setzte das VG den Streitwert vor der Abtrennung auf € 248.183,85 und nach der Abtrennung auf vorläufig auf € 78.711,42 fest. Die Klage zu W 8 K 22.1922 wurde abgewiesen und die Kosten der Antragsgegnerin (Klägerin) auferlegt.
Die Antragstellerin als Beklagte beantragte die Kostenfestsetzung, § 164 VwGO. Nach Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses beantragte die Antragstellerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss die gerichtliche Entscheidung, §§ 165, 151 VwGO. Die Antragstellerin wandte sich mit ihrer Erinnerung gegen die Höhe der Verfahrensgebühr eine Kürzung der Post- und Telekommunikationspauschale. Der Erinnerung wurde nicht abgeholfen und dem VG zur Entscheidung vorgelegt. Das VG sah die Erinnerung nur teilweise als begründet an.
a) Bei der Bemessung der Verfahrensgebühr nach § 2 Abs. 2 RVG iVm. Nr. 3100 VV RVG hatte der Urkundsbeamte nicht den Gesamtstreitwert von € 248.183,35 zugrunde gelegt, wie von der Antragstellerin beantragt. Das VG verwies darauf, dass der festgesetzte Streitwert als der für die Gerichtsgebühren maßgebende Wert nach § 32 Abs. 1 RVG auch als Grundlage für die Berechnung der Rechtsanwaltsvergütung maßgebend sei. Zwar sei die 1,3-fache Verfahrensgebühr aus dem Gesamtstreitwert von € 248.183,35 mit dem Betreiben des Geschäfts durch den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin mit Einreichung der gegen den Bescheid gerichteten Anfechtungsklage entstanden. Diese könne aber nur im Verhältnis des Anteils des nach Trennung des Verfahrens entstandenen Einzelstreitwerts geltend gemacht werden (78.111,42 EUR x 100 : 248.183,35 = 31,5% von 3.227,90 EUR = 1.016,79 EUR). Die durch die Verfahrenstrennung aus den jeweiligen geringeren Einzelstreitwerten angefallenen Gebühren aus den jeweiligen geringeren Einzelstreitwerten würden nur dann erneut anfallen, wenn eine Verfahrensgebühr vor der Verfahrenstrennung bereits anteilig aus dem Gesamtstreitwert erwachsen sei (BVerwG, Beschluss vom 04.09.2009 - 9 KSt 10/09 -) und in dem Verfahren auch nach der Abtrennung die Voraussetzungen für das Entstehen einer Gebühr gesondert erfüllt sei. Das sei hier der Fall, da dieses Verfahren – anders als das abgetrennte und beendete Verfahren – nach der Abtrennung weiterbetrieben worden sei und erst durch Urteil beendet worden sei.
§ 15 Abs. 2 S. 1 RVG würde dem nicht entgegenstehen; gehindert sei lediglich eine kumulative Forderung von anteiliger Gesamtgebühr und Einzelgebühr. Dies führe dazu, dass auf die nach der Verfahrenstrennung entstandene 1,3-fache Verfahrensgebühr aus dem Einzelstreitwert von € 78.111.42 (€ 1.907,10 zzgl. Mehrwertsteuer) der auf das Verfahren entfallende Anteil am Gesamtstreitwert (€ 1.016,79) wiederum mindern anzusetzen sei. Die ursprünglich entstandene Gebühr aus dem anteiligen Streitwert würde mithin durch die Verfahrenstrennung wirkungslos (BayVGH, Beschluss vom 08.08.2017 – 14 C 17.559 -).
Es ergäbe sich hier ein Wahlrecht des Prozessbevollmächtigten. Er könne die Festsetzung der Verfahrensgebühr aus dem anteiligen Gesamtstreitwert fordern oder aber die Verfahrensgebühr aus dem Einzelstreitwert nach der Verfahrenstrennung (BayVGH aaO.). Vorliegend habe der Urkundsbeamte im Kostenfestsetzungsbeschluss die Verfahrensgebühr – in Ansehung des Hinweises des Bevollmächtigten auf die Rechtsprechung des BVerwG und des BayVGH Rechnung tragend – den im Vergleich zu dem anteiligen Gesamtstreitwert höheren Einzelstreitwert der Berechnung der Gebühr zugrunde gelegt.
Es sei mithin bei der Berechnung der Gebühren nicht der ursprüngliche Gesamtstreitwert vor der Abtrennung zugrunde zu legen gewesen, sondern lediglich der anteilige Gesamtstreitwert, der von der gerichtlichen Entscheidung in dieser Sache auch umfasst gewesen sei. Andernfalls würde dies dazu führen, dass die Streitwerte der abgetrennten Verfahren doppelt berücksichtigt würden (VG Bayreuth, Beschluss vom 24.03.2021 - B 1 M 20.74 -).
b) Die Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach Nr. 7002 VV RVG sei allerdings entgegen der Auffassung des Urkundsbeamten in voller Höhe von € 20,00 (20% der Gebühren, maximal € 20,00) ungekürzt anzusetzen.
Lägen mehrere Angelegenheiten vor, so könne in jeder Angelegenheit die Pauschale gefordert werden. Durch die Trennung seien zwei selbständige Verfahren entstanden (BayVGH aaO.). Es handele sich damit nicht iSv. Nr. 7002 Abs. 1 VV RVG nicht mehr um „dieselbe Angelegenheit“. Von daher könne in jedem der zwei Verfahren die Pauschale geltend gemacht werden, vorliegend die ungekürzte Pauschale.
Anmerkung: Das VG benennt einmal als Gesamtstreitwert € 248.183,85, dann in den Gründen bei der Berechnung € 249.183,35.
VG Würzburg, Beschluss vom
20.06.2024 - W 8 M 24.374 -
Aus den Gründen:
Tenor
I. Die von der Antragsgegnerin der
Antragstellerin zu erstattenden außergerichtlichen Aufwendungen werden unter
Abänderung der Nr. 1 des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Urkundsbeamten
des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 20. Dezember 2023 auf 4.453,99
EUR (4.440,28 EUR + 13,71 EUR) festgesetzt.
Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des gerichtsgebührenfreien Erinnerungsverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Die
Antragstellerin und Erinnerungsführerin (vormals Beklagte) wendet sich durch
ihren Bevollmächtigten gegen die Höhe der festgesetzten Verfahrensgebühr sowie
die nur anteilig festgesetzte Pauschale für Post- und
Telekommunikationsdienstleistungen im Kostenfestsetzungsbeschluss des
Urkundsbeamten des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 20. Dezember
2023.
1.
Die
Antragsgegnerin (vormals Klägerin) erhob im Verfahren W 8 K 22.1922 am 15.
Dezember 2022 vor dem Verwaltungsgericht Würzburg Klage gegen die
Antragstellerin, mit der sie sich gegen die Rücknahme und Anordnung der
Rückerstattung der ihr gewährten Corona Überbrückungshilfe IV in Höhe von
124.091,93 EUR wendete und die endgültige Gewährung einer Überbrückungshilfe IV
in Höhe von insgesamt 248.183,85 EUR für die Monate Januar bis März 2022
begehrte. Mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2023 nahm der Bevollmächtigte der
Antragsgegnerin die Klage auf Verpflichtung zur Gewährung einer
Überbrückungshilfe IV in Höhe von 170.072,43 EUR sowie gegen die Rücknahme und
Anordnung der Rückerstattung von 45.980,51 EUR zurück.
Mit Beschluss
der Kammer vom 5. Oktober 2023 wurde von dem Verfahren W 8 K 22.1922 das
Klagebegehren, soweit es sich auf die endgültige Gewährung einer Corona
Überbrückungshilfe IV i. H. v. 170.072,43 EUR sowie gegen die Verpflichtung
45.980,51 EUR zurückzuzahlen, richtete, abgetrennt und unter dem Aktenzeichen W
8 K 23.1403 fortgeführt. Das Verfahren W 8 K 23.1043 wurde in diesem Beschluss
zudem eingestellt, der Antragsgegnerin wurden die Kosten auferlegt; der
Streitwert für das abgetrennte Verfahren wurde auf 170.072,43 EUR festgesetzt.
Für das Verfahren W 8 K 22.1922 wurde weiter der Streitwert vor der Abtrennung
auf 248.183,85 EUR und nach der Abtrennung vorläufig auf 78.111,42 EUR
festgesetzt. Mit Urteil der Kammer vom 9. Oktober 2023 wurde die Klage im
Verfahren W 8 K 22.1922 abgewiesen und der Antragsgegnerin die Kosten des
Verfahrens auferlegt.
2.
Mit Schriftsatz
vom 20. November 2023 beantragte der Bevollmächtigte der Antragstellerin im
Verfahren W 8 K 22.1922, die Kosten in Höhe von 7.479,71 EUR basierend auf
einem Gegenstandswert von 248.183,35 EUR gegen die Antragsgegnerin gemäß
§ 164 VwGO festzusetzen und auszusprechen, dass diese Kosten ab dem Tag
des Antragseingangs mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen
sind. Zugrunde gelegt wurde folgende Vergütungsberechnung: 1,3 Verfahrensgebühr
gem. Nr. 3100 VV RVG in Höhe von 3.227,90 EUR; 1,2 Terminsgebühr gem.
Nr. 3104 VV RVG in Höhe von 2.979,60 EUR; Fahrtkosten gem. Nr. 7003
VV RVG (zu 1/5) in Höhe von 47,55 EUR; Tage- und Abwesenheitsgeld gem.
Nr. 7005 Nr. 2 (zu 1/5) in Höhe von 10,00 EUR; Post- und Kommunikationsentgelte
gem. Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 EUR sowie 19 % Umsatzsteuer gem.
Nr. 7008 VV RVG in Höhe von 1.194,16 EUR.
Mit
Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. Dezember 2023, der Antragstellerin
zugestellt am selben Tag, setzte der Urkundsbeamte die außergerichtlichen
Aufwendungen der Antragstellerin auf 4.440,28 EUR fest (Nr. 1). Weiter
verpflichtete er die Antragsgegnerin, den festgesetzten Betrag nach dem Urteil
des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 9. Oktober 2023 zu tragen (Nr. 2).
Zudem bestimmte er, dass der zu erstattende Betrag gemäß § 104 ZPO ab dem
20. November 2023 mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach
§ 247 BGB zu verzinsen ist (Nr. 3). In den Entscheidungsgründen ist
im Wesentlichen ausgeführt: Für die Berechnung der Verfahrensgebühr sei der
Streitwert maßgeblich, der zum Zeitpunkt des Entstehens dieser Gebühr
anzunehmen sei. Dieser sei im vorliegenden Verfahren sowohl vor der Abtrennung
als auch nach der Abtrennung entstanden. Dementsprechend werde dem
Bevollmächtigten der Antragstellerin ein Wahlrecht eingeräumt, ob dieser die
Gebühr anteilig aus dem Gesamtstreitwert oder komplett aus dem Einzelstreitwert
festgesetzt haben möchte. Eine komplette Festsetzung aus dem Gesamtstreitwert
sei allerdings nicht möglich. Da aus dem Kostenfestsetzungsantrag keine
anteilige Festsetzung ersichtlich sei, werde für das vorliegende Verfahren auf
die Festsetzung aus dem Einzelstreitwert zurückgegriffen.
Die
Terminsgebühr sei erst nach der Abtrennung entstanden und könne daher nur aus
dem Einzelstreitwert festgesetzt werden. Die Pauschale für Entgelte für Post-
und Telekommunikationsdienstleistungen könne nur anteilig aus dem
Gesamtstreitwert festgesetzt werden, da sie in derselben Angelegenheit
insgesamt nur einmal gefordert werden könne (Nr. 7002 Abs. 1 VV RVG).
Die anteilige Pauschale für Entgelte für Post- und
Telekommunikationsdienstleistungen betrage somit 6,29 EUR. Bei der Berechnung
der beantragten Fahrtkosten sei ein Rundungsfehler unterlaufen. Der zum
Zeitpunkt des Antragseingangs gültige Basiszinssatz betrage 3,12 %. Der
festgesetzte Betrag sei daher mit 8,12 % zu verzinsen.
3.
Mit Schriftsatz
vom 29. Dezember 2023, bei Gericht eingegangen am selben Tag, ließ die
Antragstellerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. Dezember 2023,
die
Entscheidung des Gerichts
beantragen. Zur
Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Die Versagung der Festsetzung der
beantragten Verfahrensgebühr und Entgelte für Post- und
Telekommunikationsdienstleistungen sei nicht gerechtfertigt. Entgegen der
Auffassung des Urkundsbeamten sei die Verfahrensgebühr, wie beantragt, auf
Grundlage des Gesamtstreitwerts vor Abtrennung festzusetzen. Denn die
Verfahrensgebühr sei bereits vor Verfahrenstrennung in voller Höhe entstanden.
Durch die Abtrennung sei ein neues verselbstständigtes Verfahren entstanden.
Dieses neue Verfahren habe jedoch keinen gebührenrechtlichen Einfluss auf die
bereits entstandene Verfahrensgebühr des Ausgangsverfahrens. Das
Bundesverwaltungsgericht habe hierzu vielmehr festgestellt, dass zusätzlich zu
der bereits entstandenen Gesamtgebühr weitere Verfahrensgebühren im Falle der
Verfahrenstrennung auf Grundlage der jeweils geringeren Streitwerte entstünden.
Bei der Geltendmachung der Verfahrensgebühr sei zu beachten, dass die
kumulative Geltendmachung der Gesamtgebühr und der Einzelgebühren wegen
§ 15 Abs. 2 S. 1 RVG ausgeschlossen sei. Eine kumulative
Geltendmachung solle jedoch dann nicht vorliegen, wenn der Gebührenbegehrende
die vor Abtrennung entstandene Gesamtgebühr nebst einer nach Abtrennung
entstandenen Einzelgebühr verlange und dabei die Einzelgebühr um den auf die
Gesamtgebühr entfallenden Anteil mindere. Diese Vorgabe habe die
Antragstellerin im hiesigen Verfahren beachtet, da sie die ursprünglich auf
einen Streitwert von 248.183,35 EUR entstandene Gebühr anteilig von der nach
der Verfahrenstrennung entstandenen Gebühr abgezogen habe, sodass eine
Kumulation im Sinne des § 15 Abs. 2 S. 1 RVG gerade nicht
vorliege. Hinsichtlich der Höhe des Entgelts für Post- und
Telekommunikationsdienstleistungen sei festzuhalten, dass die Pauschale in
ungekürzter Höhe anzusetzen sei. Denn durch die Abtrennung seien zwei rechtlich
selbstständige Verfahren entstanden. Die Pauschale könne daher in beiden
Verfahren in vollem Umfang beantragt werden. Daher seien die Verfahrensgebühr
und die Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen, wie
beantragt, festzusetzen.
Der
Urkundsbeamte half der Erinnerung nicht ab und führte in seiner Stellungnahme
vom 3. Januar 2024 im Wesentlichen aus: Es werde eingeräumt, dass die Anträge
vom 20. November 2023 hinsichtlich der Verfahrensgebühr möglicherweise anders
interpretiert worden seien als von der Antragstellerin beabsichtigt. Die
vorgenommene Aufteilung anhand der Streitwerte entspreche jedoch der gängigen
Praxis am Verwaltungsgericht Würzburg. Maßgeblich für die Entscheidung in
welchem Umfang die Verfahrensgebühr sowie die Pauschale für Post- und
Telekommunikationsdienstleistungen anfalle, sei die Frage, ob die Gebühr
beziehungsweise Aufwendung nach der Abtrennung erneut entstanden sei. Die
Verfahrensgebühr entstehe grundsätzlich für das Betreiben des Geschäfts
einschließlich der Information. Dazu werde unter anderem die Entscheidung des
Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Verfahren 14 C 17.559 angeführt (BayVGH,
B.v. 8.8.2017 – 14 C 17.559 – juris). Demnach würden in den durch die Trennung
verselbständigten Verfahren entsprechende Gebühren aus den jeweiligen
geringeren Streitwerten erneut anfallen, auch wenn eine Verfahrensgebühr vor
der Verfahrenstrennung bereits anteilig aus dem Gesamtstreitwert erwachsen sei.
Unmaßgeblich sei dabei, in welchem Umfang Tätigkeiten des Bevollmächtigten nach
Verfahrenstrennung erforderlich bzw. erfolgt seien. Dieser Rechtsauffassung
könne jedoch hinsichtlich des vorliegenden Sachverhalts nicht gefolgt werden.
Nach § 15 Abs. 1 RVG würden die Gebühren die gesamte Tätigkeit des
Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit entgelten. Er
könne die Gebühren dabei in derselben Angelegenheit gemäß § 15 Abs. 2
RVG nur einmal fordern. Zu dem Verfahren würden dabei auch alle Vorbereitungs-,
Neben- und Abwicklungstätigkeiten gehören (§ 19 Abs. 1 Satz 1
RVG), insbesondere die Empfangnahme von Entscheidungen und ihre Mitteilung an
den Auftraggeber (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 RVG). Nach der
Abtrennung und der sofortigen Einstellung des Verfahrens W 8 K 23.1403 seien
keine Tätigkeiten des Bevollmächtigten der Antragstellerin erkennbar, die über
eine Abwicklungstätigkeit hinausgingen. Insbesondere das Entgegennehmen der
Entscheidung sei demnach dem Ursprungsverfahren W 8 K 22.1922 zuzuordnen. Die
Abtrennung habe lediglich der gerichtsinternen Erledigungsabwicklung gedient.
Trotz der Vergabe eines neuen Aktenzeichens sei das Ursprungsverfahren nicht
abgeschlossen gewesen. Eine selbstständig zu bewertende Verfahrenshandlung in
dem abgetrennten Verfahren, die in diesem das Entstehen einer neuen Verfahrensgebühr
begründen könnte, scheide daher aus (vgl. VG Würzburg, B.v. 16.1.2018 – W 7 M
17.33586 – juris). Wie der Hessische Verwaltungsgerichtshof (HessVGH, B.v.
24.8.2012 – 3 F 1152/12 – juris) zutreffend ausgeführt habe, würden reine
Abwicklungstätigkeiten nach der Abtrennung (wie z.B. die Übersendung der
Empfangsbekenntnisse bezogen auf die Abtrennungs- und Einstellungsbeschlüsse,
Übersendung dieser Beschlüsse an die Mandantschaft sowie die Stellung des
Kostenfestsetzungsantrages) nicht genügen, um neue, aus dem Einzelstreitwert
nach der Abtrennung gesondert zu berechnende Verfahrenshandlungen vollzogen zu
haben. Sinn und Zweck der Vorschrift des § 19 RVG sei es gerade, solche
Abwicklungstätigkeiten, die mit dem Verfahren zusammenhängen, nicht besonders
zu vergüten. Dabei sei mit dem „Verfahren“ nicht das abgetrennte, sondern das
ursprüngliche Verfahren gemeint. Aufgrund der sofortigen Einstellung des
Verfahrens nach der Abtrennung hätten folglich keine gebührenauslösenden
Tätigkeiten mehr anfallen können. Gleiches gelte für die bereits vor der
Abtrennung entstandene Pauschale für Post- und
Telekommunikationsdienstleistungen in Höhe von insgesamt 20,00 EUR. Die Auslage
sei für die Antragstellerin ebenfalls bereits im ursprünglichen Verfahren W 8 K
22.1922, also im Verfahrensstadium vor der Abtrennung, entstanden, sobald
tatsächlich Portokosten angefallen seien. Nach der Abtrennung sei diese
Pauschale ebenfalls nicht erneut entstanden, da es sich nach wie vor um
dieselbe Angelegenheit gehandelt habe, für die die Pauschale insgesamt nur
einmal gefordert werden könne. Es werde außerdem darauf hingewiesen, dass die
beantragten Verfahrensgebühren beider Verfahren sowie die festgesetzte
Berechnungsweise, in der Gesamtbetrachtung fast zum gleichen Ergebnis kämen,
wobei die minimalen Unterschiede in den Centbeträgen wahrscheinlich durch Auf-
oder Abrundung bei der anteiligen Berechnung zustande gekommen seien. Es werde
daher um Mitteilung gebeten, ob der Antrag auf Entscheidung des Gerichts
aufrechterhalten werde.
Mit Schreiben
vom 26. Februar 2024 teilte der Bevollmächtigte der Antragstellerin mit, dass
am Antrag der Entscheidung durch das Gericht festgehalten werde. Daraufhin
legte der Urkundsbeamte am 6. März 2024 die Erinnerung dem Gericht zur
Entscheidung vor.
Mit Schreiben
vom 11. März 2024 erklärte der Bevollmächtigte der Antragsgegnerin, die
rechtliche Behandlung durch das Gericht werde als zutreffend angesehen. Eine
Stellungnahme in der Sache sei nicht angezeigt.
4.
Wegen weiterer
Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die
Gerichtsakte sowie die Akte des Verfahrens W 8 K 22.1922 einschließlich der
beigezogenen Behördenakte Bezug genommen.
II.
Die Erinnerung
gemäß § 165 i.V.m. § 151 VwGO ist zulässig – insbesondere
fristgerecht erhoben –, aber überwiegend unbegründet.
Für die
Entscheidung über die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des
Urkundsbeamten vom 20. Dezember 2023 ist die Kammer funktionell zuständig, weil
über eine Erinnerung das Gericht in der Besetzung entscheidet, die auch die
zugrundeliegende Kostenlastentscheidung getroffen hat (vgl. Kunze in
Posser/Wolff/Decker, BeckOK VwGO, 69. Ed. Stand: 1.4.2024, § 165 Rn. 8
m.w.N.), und diese Kostengrundentscheidung in Kammerbesetzung erging.
Das Begehren
des Bevollmächtigten der Antragstellerin ist nach verständiger Auslegung
(§ 88 VwGO) dahingehend zu verstehen, dass der Kostenfestsetzungsbeschluss
nur hinsichtlich der Höhe der Verfahrensgebühr und der Kürzung der Pauschale
für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen beanstandet und somit nur
teilweise angefochten wurde. Der so verstandene Antrag ist überwiegend
unbegründet, denn dem Bevollmächtigten steht kein Anspruch auf die geltend
gemachte 1,3-fache Verfahrensgebühr aus dem Gesamtstreitwert vor Abtrennung zu.
Allerdings kann dieser die ungekürzte Pauschale für Post- und
Telekommunikationsdienstleistungen in Höhe von 20,00 EUR beanspruchen.
Nach § 2
Abs. 2 RVG i.V.m. Nr. 3100 VV RVG erhält ein Bevollmächtigter
grundsätzlich eine 1,3-fache Verfahrensgebühr für das Betreiben des Geschäfts
einschließlich der Information. § 2 Abs. 1 RVG bestimmt hierzu, dass
die Gebühr für die anwaltliche Tätigkeit nach dem Wert berechnet wird, den der
Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert). Da der Streitwert
als der für die Gerichtsgebühren maßgebende Wert festgesetzt wurde, ist diese
Festsetzung nach § 32 Abs. 1 RVG auch als Grundlage für die
Berechnung der Rechtsanwaltsvergütung maßgebend.
Die Berechnung
der 1,3-fachen Verfahrensgebühr im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. Dezember
2023 ist – entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten der Antragstellerin –
rechtlich nicht zu beanstanden. Zutreffend ist zwar, dass zunächst die
1,3-fache Verfahrensgebühr aus dem Gesamtstreitwert in Höhe von 248.183,35 EUR
mit dem Betreiben des Geschäfts durch den Prozessbevollmächtigten und damit
spätestens mit Einreichung der gegen den Bescheid gerichteten Anfechtungsklage
entstanden ist (vgl. BayVGH, B.v. 8.8.2017 – 14 C 17.559 – juris Rn. 19). Diese
Verfahrensgebühr kann für das Verfahren jedoch nur im Verhältnis des Anteils
des nach Trennung entstandenen Einzelstreitwerts zu dem vor Trennung
festgestellten Gesamtstreitwert geltend gemacht werden (78.111,42 EUR x 100 :
248.183,35 EUR = 31,5 % von 3.227,90 EUR = 1.016,79 EUR). In den durch die
Trennung verselbständigten Verfahren fallen die Gebühren aus den jeweiligen
geringeren Einzelstreitwerten dann erneut an, auch wenn eine Verfahrensgebühr
vor der Verfahrenstrennung bereits anteilig aus dem Gesamtstreitwert erwachsen
ist (vgl. BVerwG, B.v. 4.9.2009 – 9 KSt 10/09 – juris Rn. 5). Voraussetzung
hierfür ist, dass in dem Verfahren auch nach der Abtrennung die Voraussetzungen
für das Entstehen einer Gebühr gesondert erfüllt sind. Der Bevollmächtigte muss
damit auch nach der Trennung eine Tätigkeit zur Ausführung des Auftrags
vorgenommen haben (vgl. VG Würzburg, B.v. 7.10.2021 – W 8 M 21.1117 – juris Rn.
16 m. w. N.). Diese Voraussetzung ist erfüllt, da das streitgegenständlichen
Verfahren – anders als das abgetrennte und eingestellte Verfahren W 8 K 23.1403
– nach der Abtrennung weiterbetrieben und erst mit Urteil vom 9. Oktober 2023
rechtskräftig abgeschlossen wurde.
Ebenfalls
zutreffend ist, dass § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG der Berücksichtigung
der nach Trennung entstandenen Verfahrensgebühr nicht entgegensteht (vgl.
BVerwG, B.v. 4.9.2009 – 9 KSt 10/09 – juris Rn. 7). Er hindert nur die
kumulative Forderung von anteiliger Gesamtgebühr und Einzelgebühr. Dies führt
aber – entgegen der Ausführungen des Bevollmächtigten der Antragstellerin – nur
dazu, dass auf die nach der Verfahrenstrennung entstandene 1,3-fache
Verfahrensgebühr aus dem Einzelstreitwert in Höhe von 78.111,42 EUR (1.907,10
EUR zzgl. Mehrwertsteuer) der auf das Verfahren entfallende Anteil am
Gesamtstreitwert (1.016,79 EUR, siehe oben) wiederum mindernd anzusetzen ist.
Die ursprünglich entstandene Gebühr aus dem anteiligen Streitwert wird somit
durch nachfolgenden Abzug bei der nach Verfahrenstrennung entstandenen Gebühr
wirkungslos (vgl. BayVGH, B.v. 8.8.2017 – 14 C 17.559 – juris Rn. 22). In der
Konsequenz ergibt sich ein Wahlrecht des Bevollmächtigten, ob er die
Festsetzung der Verfahrensgebühr aus dem anteiligen Gesamtstreitwert fordert
oder der Verfahrensgebühr aus dem Einzelstreitwert nach Verfahrenstrennung
(vgl. BayVGH, B.v. 8.8.2017 – 14 C 17.559 – juris Rn. 22).
Im
Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. Dezember 2023 setzte der Urkundsbeamte eine
1,3-fache Verfahrensgebühr aus dem Einzelstreitwert nach Abtrennung (78.111,42
EUR) in Höhe von 1.907,10 EUR fest. Dieser hat damit der vom Bevollmächtigten
der Antragstellerin vorgetragenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
und Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs Rechnung getragen, in dem er den für
den Bevollmächtigten der Antragstellerin günstigeren, im Vergleich zum
anteiligen Gesamtstreitwert höheren Einzelstreitwert zur Berechnung der Gebühr
angesetzt hat. Damit ist bei der Berechnung der Gebühren nicht der
ursprüngliche Gesamtstreitwert vor der Abtrennung anzusetzen, sondern lediglich
der anteilige Gesamtstreitwert, der von der gerichtlichen Entscheidung umfasst
ist. Denn andernfalls würde dies dazu führen, dass die Streitwerte der
abgetrennten Verfahren doppelt berücksichtigt würden (vgl. VG Bayreuth, B.v.
24.3.2021 – B 1 M 20.74 – juris Rn. 24).
Die Pauschale
für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach
Nr. 7002 VV RVG ist indes – entgegen der Ansicht des Urkundsbeamten – in
voller Höhe von 20,00 EUR ungekürzt anzusetzen. Denn diese kann in jeder
Angelegenheit anstelle der tatsächlichen Auslagen gefordert werden. Die
Pauschale beträgt 20 % der Gebühren, höchstens jedoch 20,00 EUR. Bei mehreren
Angelegenheiten kann die Pauschale für Post- und
Telekommunikationsdienstleistungen in jeder Angelegenheit gefordert werden (vgl.
Kroiß in Mayer/Kroiß, 8. Aufl. 2021, RVG VV 7000, Rn 15). Durch die Trennung
sind mit dem vorliegenden Verfahren und dem abgetrennten Verfahren zwei
rechtlich selbständige Verfahren entstanden (vgl. BayVGH, B.v. 8.8.2017 – 14 C
17.559 – juris Rn. 23). Diese sind im Verhältnis zueinander nicht mehr
„dieselbe Angelegenheit“ im Sinne von Nr. 7002 Abs. 1 VV RVG (vgl.
BayVGH, B.v. 8.8.2017 – 14 C 17.559 – juris Rn. 23). Werden nach der Trennung
beide Verfahren getrennt in Rechnung gestellt, so kann trotzdem – zumindest in
dem weiterbetriebenen Verfahren – die ungekürzte Pauschale geltend gemacht
werden (vgl. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 26. Aufl. 2013, RVG
VV 7001, Rn. 33). Dies gilt nach der Intention des Gesetzes aus
Vereinfachungsgründen unabhängig davon, welche Auslagen tatsächlich angefallen
sind.
Die
Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Der
Antragstellerin konnten die Kosten ganz auferlegt werden, da diese nur
hinsichtlich der Festsetzung der Telekommunikationspauschale in Höhe von 13,71
EUR und damit im Verhältnis zum erfolglosen Rest (3.025,72 EUR) nur geringfügig
obsiegt hat. Gerichtsgebühren werden mangels eines Gebührentatbestands nicht
erhoben, jedoch können die Auslagen des Gerichts und außergerichtlichen
Aufwendungen der Antragsgegnerin zu erstatten sein (vgl. Kunze in Posser/Wolff/Decker,
BeckOK, 69. Ed. Stand: 1.4.2024, § 165 Rn. 11 m.w.N.).
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