Auf einem Onlineportal der Verfügungsbeklagten zu 1. war ein Beitrag der Verfügungsbeklagten zu 2. mit der Überschrift „Held*innen der Demokratie? So fördern wir mit unseren Steuergeld Frauenhass“ veröffentlicht, gegen den sich die Verfügungsklägerin mit einer einstweiligen Verfügung mit dem Antrag dagegen wandte, sie als „Mann“ zu bezeichnen, wenn dies geschehe wie in der Äußerung in dem Beitrag „Anstatt eine junge Doktorandin zu unterstützen, die seit Monaten attackiert, auf offener Straße verfolgt und sogar körperlich angegriffen wird, unterstützt die Stiftung lieber einen 60-jährigen Mann, der an der Spitze eines Lobby-Vereins steht und maßgeblich an dem Frauenhass beteiligt ist, dem A seit Monaten ausgesetzt ist“. (Nachfolgend werden die Parteien als Klägerin und Beklagte benannt). Das Landgericht gab einem entsprechenden Verfügungsantrag der Klägerin statt und bestätigte diese nach Einspruch sodann mit dem angefochtenen Urteil. Das OLG erließ einen Hinweisbeschluss gem. § 522 ZPO, mit dem es darauf hinwies, die Berufung der Beklagten zurückweisen zu wollen. Mit dem Beschluss vom 14.02.2024 wies das OLG die Berufung zurück.
Sowohl unter Berücksichtigung des Satzes, in dem die Bezeichnung der der Klägerin als Mann erfolgte, wie auch aus dem Gesamtkontext des Beitrages stelle der Beitrag eine Meinungsäußerung dar, durch die die Klägerin herabgewürdigt würde. Bei der Sinndeutung käme es nicht darauf an, wie der Äußernde seine Aussage verstanden wissen wollte, sondern darauf, wie ein verständiges Durchschnittspublikum des Publikation unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs und Kontextes, der „Eigengesetzlichkeiten“ des jeweiligen Übertragungsmediums sowie der erkennbaren Begleitumstände der jeweiligen Äußerung verstünde.
Unter Berücksichtigung der Struktur des Satzes und der dort verwandten stilistischen Mittel, in dem die Bezeichnung „Mann“ verwandt würde, enthalte diese Bezeichnung für den Leser eine herabwürdigende Bedeutung. Der Beitrag enthalte auch eine rhetorische Steigerung der für die Klägerin verwandten Bezeichnung, die in dem Schlusssatz in der Formulierung „Mann“ gipfele. Die deutliche Herabsetzung würde auch in der Gegenüberstellung der jungen Doktorandin, nach Auffassung der Autorin das Opfer, und dem über 60-jährigen „Mann“ die die finanzielle Unterstützung durch die Stiftung nicht verdient habe, und in dem unmittelbaren inhaltlichen Zusammenhang mit einer Beteiligung am „Frauenhass“ deutlich, da durch die Verwendung des Begriffs eine deutlich herabsetzende im konkreten Zusammenhang für den Leser vermittelt würde. Das OLG ging auch von einer bewussten Bezeichnung „Mann“ aus, da der Autorin die Lebensgeschichte und das biologische Geschlecht der der Klägerin ausweislich des Beitrages bekannt gewesen sei.
Das OLG ging von einer Meinungsäußerung bei der streitgegenständlichen Äußerung aus, da es sich um eine einheitliche wertende Zusammenfassung der in dem Beitrag ausgedrückten Kritik an den Ergebnissen um die Anfeindungen, denen sich A ausgesetzt sehe, handele. Eine Trennung des Satzes in eine zusammenfassende Kritik zum Vorgehen der Stiftung und eine Tatsachenbehauptung über das biologische Geschlecht der Klägerin sei nicht ersichtlich. Die Bezeichnung „Mann“ sei sowohl grammatikalisch als auch vom Sinngehalt vollständig eingebettet und für den Leser nicht als eigenständige Äußerung zum Geschlecht der Klägerin erkennbar.
Diese Meinungsäußerung sei unzulässig. Zwar könnten auch scharfe und auch abwertende Äußerungen von der Meinungsfreiheit geschützt sein, auch wenn der Betroffene sie ehrverletzend empfinde. Es sei allerdings bei ehrverletzenden Äußerungen eine Gesamtabwägung der widerstreitenden Interessen vorzunehmen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es sich bei der Bezeichnung der Klägerin als „Mann“ um einen Eingriff in einen zentralen Bereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts handele, was zu Gunsten der Klägerin besonders zu gewichten sei. Mit der Bezeichnung würde ihr ihre seit Jahrzehnten nach außen gelebte geschlechtliche Identität abgesprochen, was sie nicht hinnehmen müsse.
OLG Frankfurt, Beschluss vom 15.02.2024 - 16 U 93/23 -
Tenor
Die Berufung der Verfügungsbeklagten
gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom
06.07.2023 - Az. 2-03 O 149/23 - wird zurückgewiesen.
Die Verfügungsbeklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien
streiten um die Zulässigkeit der Bezeichnung der Verfügungsklägerin als „Mann“
in einem auf dem Onlineportal der Beklagten zu 1) am 03.02.2023
veröffentlichten Beitrag der Beklagten zu 2) mit dem Titel „Held*innen der
Demokratie? So fördern wir mit unserem Steuergeld Frauenhass“.
Das Landgericht
hat auf Antrag der Verfügungsklägerin vom 03.03.2023 mit Beschluss vom
17.03.2023 es den Verfügungsbeklagten untersagt, die Verfügungsklägerin als
„Mann“ zu bezeichnen, wenn dies geschieht wie in der Äußerung „Anstatt eine
junge Doktorandin zu unterstützen, die seit Monaten attackiert, auf offener
Straße verfolgt und sogar körperlich angegriffen wird, unterstützt die Stiftung
lieber einen über 60-jährigen Mann, der an der Spitze eines Lobby-Vereins steht
und maßgeblich an dem Frauenhass beteiligt ist, dem A seit Monaten ausgesetzt
ist.“ aus dem streitgegenständlichen Beitrag.
Mit dem
angefochtenen Urteil hat das Landgericht die einstweilige Verfügung vom
17.03.2023 bestätigt.
Wegen der
Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen
Urteils Bezug genommen.
Hiergegen
wenden sich die Verfügungsbeklagten mit ihrer Berufung. Sie machen geltend,
dass der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung bereits wegen mangelnder
Bestimmtheit unzulässig sei. Zudem sei das Landgericht rechtfehlerhaft davon
ausgegangen, dass es sich bei der streitgegenständlichen Äußerung um eine
Meinungsäußerung handele. Tatsächlich handele es sich um eine
Tatsachenbehauptung, deren Veröffentlichung auch zulässig sei, weil sie wahr
sei. Dabei sei das Landgericht fehlerhaft davon ausgegangen, dass die
streitgegenständliche Äußerung untrennbarer Bestandteil einer Meinungsäußerung
sei. Vielmehr sei die streitgegenständliche Bezeichnung als „Mann“ in dem
streitgegenständlichen Satz von der weiteren Äußerung zu der Stiftung zu
trennen. Der Satz enthalte zwei unabhängige Aussagen, einmal die Kritik an der
Finanzierung eines Rechtsstreits zwischen der Beruf1 A und der Klägerin auf
deren Seite und andererseits die Feststellung, dass es sich bei der Klägerin um
einen biologischen Mann handele. Zudem habe das Landgericht zu Unrecht nur auf
den einen Satz als Kontext abgestellt und nicht den weiteren Gesamtkontext in
dem Beitrag berücksichtigt. Aus diesem gehe hervor, dass es sich bei der
Bezeichnung als „Mann“ um nur eine Beschreibung des biologischen Geschlechts
der Verfügungsklägerin handele. Im Hinblick auf das biologische Geschlecht der
Klägerin sei diese Tatsachenbehauptung wahr und hinzunehmen, da sie auch zu
keiner schwerwiegenden Stigmatisierung führe. Selbst wenn man darin eine
Meinungsäußerung sehen wollen würde, sei diese entgegen der Auffassung des
Landgerichts nicht unzulässig, denn es habe Umstände zugunsten der
Verfügungsklägerin fehlerhaft angenommen und solche zugunsten der
Verfügungsbeklagten hingegen außer Acht gelassen. Insbesondere gehe der Vorwurf
einer bewussten Aberkennung der geschlechtlichen Identität der
Verfügungsklägerin fehl. Es fehle bereits an ausreichenden Hinweisen für eine
entsprechende Intention der Verfügungsbeklagten. Es fehle insgesamt ein einer
hinreichenden Grundlage für eine bewusste Verwendung des Begriffs zur
Herabwürdigung durch die Verfügungsbeklagten. Auch sei die Intensität des
Eingriffs für die Verfügungsklägerin nur als gering zu betrachten, weil die
Verfügungsklägerin offen mit ihrer Lebensgeschichte auch im Hinblick auf ihr
Geschlecht umgegangen sei. Die personenstandsrechtliche Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts sei im Äußerungsrecht entgegen dem Landgericht nicht
anzuwenden. Zudem habe das Landgericht zugunsten der Verfügungsbeklagten nicht
hinreichend gewichtet, dass die Äußerung auf einer wahren Tatsachengrundlage
beruhe, die Pressefreiheit betroffen sei und das Recht zum Gegenschlag für die
Verfügungsbeklagten bestanden habe. Schließlich sei die Abwägung insgesamt
fehlerhaft vorgenommen worden, insbesondere im Hinblick auf die Entscheidung
des Landgerichts vom 22.06.2023 in dem Verfahren zu Az. … in einem
vergleichbaren Sachverhalt.
Die
Verfügungsklägerin verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt
Zurückweisung der Berufung.
II.
Die zulässige
Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des
Landgerichts Frankfurt am Main vom 06.07.2023 ist gemäß § 522 Abs. 2
ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen. Die Berufung hat
offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht
weder auf einer Rechtsverletzung i.S. des § 546 ZPO zulasten der
Verfügungsbeklagten noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu
legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.
Hierauf hat der
Senat mit Hinweisbeschluss vom 21.12.2023 hingewiesen. Auf dessen Inhalt wird
Bezug genommen. Soweit die Verfügungsbeklagten auf den Hinweis Stellung
genommen haben, vermag auch das weitere Vorbringen keine abweichende
Entscheidung des Senats zu begründen.
Im Einzelnen:
1. Auch
im Lichte des weiteren Vortrags der Berufung stellt die Bezeichnung der
Verfügungsklägerin als „Mann“ sowohl unter Berücksichtigung des Satzes, in dem
die Äußerung von der Autorin erfolgt, als unter Beachtung des Gesamtkontexts
des Beitrags eine Meinungsäußerung der Autorin dar, durch die Klägerin
herabgesetzt wird.
Für die vom
Senat vorgenommene Sinndeutung und die Abgrenzung der Äußerungstypen kommt es
entgegen der Berufung weder darauf an, wie der Äußernde seine Aussage gemeint
hat oder verstanden wissen wollte, noch darauf, wie der von der Äußerung
Betroffene diese subjektiv aufgefasst hat. Abzustellen ist allein auf den
Verständnishorizont des unvoreingenommenen und verständigen
Durchschnittspublikums der jeweiligen Publikation, und zwar unter
Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs und Kontextes, der „Eigengesetzlichkeiten“
des jeweiligen Übertragungsmediums sowie der erkennbaren Begleitumstände der
jeweiligen Äußerung (vgl. Korte, Praxis des Presserechts, 2. Aufl. § 2 Rn
162 m.w.N.; BGH Urteil vom 10.04.2018, VI ZR 396/16, BeckRS 2018, 5861 „Bio-Hühnerställe“;
BVerfG Beschluss vom 06.02.2010, 1 BvR 371/04, NJW 2010, 2103
„Ausländer-Rück-Führung“).
Gemessen daran,
ist entgegen der Berufung die streitige Motivation der Autorin hinsichtlich der
Verwendung der Bezeichnung als „Mann“ unmaßgeblich. Allein maßgeblich ist, wie
der Leser diese Bezeichnung im Kontext versteht. Wie bereits im Beschluss vom 21.12.2023
dargelegt, erhält unter Berücksichtigung der Struktur des Satzes und der dort
verwendeten stilistischen Mittel, in dem die Bezeichnung „Mann“ verwendet wird,
für den Leser diese Bezeichnung eine herabwürdigende Bedeutung. Dies wird
insbesondere für den Leser bewirkt durch die im Verlauf des Beitrags erfolgte
gewisse rhetorische Steigerung der von der Autorin für die Klägerin verwendeten
Bezeichnungen, die in dem Schlusssatz in der Formulierung „Mann“ gipfelt. Durch
die überdies in dem Satz erfolgte Gegenüberstellung der jungen Doktorandin, die
nach Auffassung der Autorin das Opfer ist, und dem über 60-jährigen „Mann“, der
nach der Auffassung der Autorin die ihm von der Stiftung gewährte finanzielle
Unterstützung nicht verdient hatte, und in den unmittelbaren inhaltlichen
Zusammenhang mit einer Beteiligung am „Frauenhass“ gerückt wird, wird eine
deutlich herabsetzende Bedeutung dieses Begriffes im konkreten Zusammenhang für
den unvoreingenommenen Leser vermittelt.
Ein bewusster
Einsatz der Bezeichnung „Mann“ für die Verfügungsklägerin durch die Autorin
darf überdies unabhängig von den obigen Auslegungserwägungen unterstellt
werden, da eine versehentliche Verwendung aufgrund des Umstandes, dass der
Autorin die Lebensgeschichte und das biologische Geschlecht der Klägerin
ausweislich des Beitrags bekannt war, ausgeschlossen werden kann.
2. Auch
unter Berücksichtigung der weiteren Ausführungen der Berufung hält der Senat an
seiner Auffassung fest, dass es sich bei der streitgegenständlichen Äußerung um
eine Meinungsäußerung handelt. Für den verständigen Leser stellt der Satz, in
dem die beanstandete Bezeichnung der Verfügungsklägerin als „Mann“ erfolgt,
eine einheitliche wertende Zusammenfassung der in dem Beitrag ausgedrückten
Kritik der Autorin an den Ereignissen um die Anfeindungen, denen sich die
Beruf1 A ausgesetzt sehe, der damit verbundenen rechtlichen Auseinandersetzung
und dem Umstand der Kostenübernahme der Verteidigungskosten der
Verfügungsklägerin durch die Stiftung, dar. Nach dem zugrunde zu legenden
Leserverständnis ist die von der Berufung vorgenommene Trennung des Satzes in eine
zusammenfassende Kritik zum Vorgehen der Stiftung und eine Tatsachenbehauptung
über das biologische Geschlecht der Verfügungsklägerin nicht ersichtlich. Die
Bezeichnung der Verfügungsklägerin als „Mann“ ist in den Satz sowohl
grammatikalisch als auch im Sinngehalt vollständig eingebettet und für den
Leser nicht als eigenständige Äußerung zum Geschlecht der Klägerin erkennbar.
Zwar ist der Berufung zuzugeben, dass die Formulierung dieses Satzes an den
Einleitungssatz angelehnt ist mit dem Unterschied, dass in der Einleitung die
Verfügungsklägerin als „Transfrau“ und im Schluss als „Mann“ bezeichnet wird.
Das durchaus in Artikeln übliche Aufgreifen des Eingangs im Schlussteil ändert
jedoch nichts daran, dass der Satz an sich vom Leser als eine einheitliche Äußerung
verstanden wird. Auch im Einleitungssatz wird die Bezeichnung als „Transfrau“
nicht als eigenständige Tatsachenbehauptung über die Verfügungsklägerin
verstanden, sondern vielmehr als eine begriffliche Umschreibung der
Verfügungsklägerin, ohne ihren Namen nennen zu müssen, gleich der dort
ebenfalls verwendeten anonymisierten Umschreibung der Beruf1 A als „eine junge
Doktorandin“, um die es als Protogonisten in den von der Autorin im Beitrag
kritisierten Ereignissen geht.
3. Diese
Meinungsäußerung ist entgegen der Auffassung der Berufung auch unzulässig. Zwar
ist der Berufung zuzugeben, dass grundsätzlich auch scharfe und abwertende
Äußerungen von der Meinungsfreiheit geschützt sein können, selbst wenn der
Betroffene sie als ehrschmälernd empfindet. Allerdings ist im Rahmen der bei
ehrverletzenden Äußerungen vorzunehmenden Gesamtabwägung der widerstreitenden
Interessen vorliegend zu berücksichtigen, dass es sich bei der Bezeichnung der
Klägerin als „Mann“ um einen Eingriff in einen zentralen Bereich des
allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin handelt, was zu ihren Gunsten
besonders zu gewichten ist. Denn mit dieser Bezeichnung wird ihr ihre seit
Jahrzehnten nach außen gelebte geschlechtliche Identität abgesprochen, was von
ihr nicht hinzunehmen ist.
III.
Die
Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Festsetzung
des Streitwerts folgt aus §§ 48 Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG.
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