Die Teilungserklärung (TE) der
Wohnungseigentümergemeinschaft aus 1984 bestimmte u.a., dass dem „jeweiligen
Eigentümer des Teileigentumsrechts G30 die unentgeltliche, ausschließliche
Nutzung der Abstellräume I, II und II sowie der Wasch- und Trockenräume A und B“
zustehe. Nach Auseinandersetzungen über die Art der Nutzung, wurde dem Kläger
u.a. durch Gerichtsurteil untersagt die Räume als Wohnung zu nutzen. Nunmehr,
im vorliegenden Verfahren, verlangte der Kläger die Zustimmung zur Berichtigung
der TE dahingehend, dass dem „jeweiligen Eigentümer des Teileigentumsrechts G30
die unentgeltliche, ausschließliche Nutzung der Räume I, II und II sowie der Wasch- und Räume
A und B“ zustehe. Das Amtsgericht wies die Klage als unzulässig, das Berufungsgericht
als unbegründet ab. Auf die zugelassene Revision hob der BGH das
Berufungsurteil auf und verwies den Rechtsstreit an das Berufungsgericht
zurück.
Zunächst wäre eine (gegebenenfalls
auch ergänzende) Auslegung der TE vor der Prüfung einer Anpassung derselben
nach § 10 Abs. 2 S. 3 WEG zu prüfen. Für die Auslegung maßgebend seien der Wortlaut
und Sinn der getroffenen Regelungen in der TE, wie er sich aus unbefangener
Sicht als nächstliegende Bedeutung der Eintragung ergäbe. Umstände außerhalb
der TE / des Grundbuchs dürften nur insoweit herangezogen werden, als sie für
jedermann ohne weiteres erkennbar seien. Eine Nutzung über die mit der
Einordnung als Wohnungs- oder Teileigentum verbundene Zweckbestimmung hinaus
auf lediglich bestimmte Zwecke müsse sich klar und eindeutig aus der TE bzw.
Gemeinschaftsordnung (GO) ergeben. Eine schlichte Bezeichnung in dem
Teilungsvertrag (TE) könne allerdings bereits ausreichend sein. Eine
Zweckbestimmung ergäbe sich hier aus der Angabe als Abstell-, Wasch- und Trockenraum.
Dass bereits zum Zeitpunkt der Teilung in den Räumen 18 Wohnungen vorhanden
gewesen seien, wie vom Kläger behauptet, sei nicht für jedermann ersichtlich
und von daher nicht berücksichtigungsfähig.
Damit sei eine Prüfung nach § 10
Abs. 2 S. 3 WEG geboten. Zwar sei die sachenrechtliche Zuordnung nicht
Gegenstand einer Vereinbarung iSv. § 10 WEG, da diese der Regelung der
Innenbeziehung der Wohnungseigentümer untereinander diene, also der Schaffung
einer GO, die ähnlich einer Satzung die Grundlage des Zusammenlebens der
Wohnungseigentümer bilde. Anders läge dies aber bei der Änderung des Inhalts
eines dinglichen Sondernutzungsrechts, da dies die sachenrechtliche Zuordnung
unberührt lasse. Gegenstand der Klage sei hier der Inhalt des Sondernutzungsrechts.
Der Kläger begehre nicht die Umwandlung der im Gemeinschaftseigentum stehenden
Dachgeschossräume in Sondereigentum, sondern eine Änderung der Zweckbestimmung,
womit das dingliche Recht an den Räumen nicht berührt werde.
§ 10 Abs. 2 S. 3 WEG („Jeder Wohnungseigentümer kann eine vom Gesetz
abweichende Vereinbarung oder die Anpassung einer Vereinbarung verlangen,
soweit ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen
unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Rechte
und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint.“)
lasse unter den dort benannten Voraussetzungen eine abweichende Vereinbarung oder die Anpassung
der Vereinbarung zu. Die Kodifizierung der Norm habe gegenüber den bis dahin
von der Rechtsprechung verlangten „außergewöhnlichen Umständen“ die Hürde
bewusst herabgesenkt, indem nunmehr „schwerwiegende Gründe“ vorausgesetzt
würden. Nicht erforderlich sei, dass sich tatsächliche oder rechtliche Umstände
nachträglich verändert hätten; anwendbar sei dies auch dann, wenn Regelungen
der GO von Anfang an verfehlt oder unbillig waren (sogen. Geburtsfehler; vgl.
BT-Drucks. 16/887 S. 19). Die Behebung derartiger, eventuell auch bewusster „Geburtsfehler“
einer GO oder TE zu ermöglichen, sei ein wesentliches Anliegen des Gesetzgebers
gewesen.
Schwerwiegende Gründe, die ein
Festhalten an der bisherigen Regelung unbillig erscheinen ließen, lägen vor,
wenn die von der GO geforderte Zweckbestimmung einer Nutzung der
Sondereigentumseinheit entgegenstünde, die nach baulicher Ausstattung der Räume
möglich wäre, und wenn ferner objektive Umstände dafür sprächen, dass dem
betroffenen Wohnungseigentümer diese Nutzung eröffnet werden sollte. Diese
bauliche Ausstattung müsse aber entweder bereits bei Begründung des
Wohnungseigentums vorgelegen haben oder im zeitlichen Zusammenhang mit der Aufteilung
vorgenommen und von den übrigen Wohnungseigentümern hingenommen worden sein. Eine
eigenmächtige Änderung ohne Zustimmung nach § 22 Abs. 1 WEG wäre nicht
ausreichend, da dies auf eigenes wirtschaftliches Risiko erfolge. Ferner
müssten objektive Umstände vorliegen, die darauf hindeuten, dass die bestehende
Regelung die tatsächliche eröffnete Nutzung der Räume nicht wiedergebe, was
z.B. dann der Fall sei, wenn die Kostentragungspflicht in einem Missverhältnis
zu der wirtschaftlichen Verwertbarkeit stünde, die gegeben wäre, wenn dieses
nur dem Inhalts der TE gemäß genutzt werden dürfe. Ferner müsse die verlangte
Änderung nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften zum Zeitpunkt des
Änderungsverlangens zulässig sein. Letztlich müsse die nach der bestehenden
Zweckbestimmung zulässige Nutzung zu einer erheblichen Einschränkung der
wirtschaftlichen Verwertung führen, die durch die Änderung der Zweckbestimmung
behoben werden könne.
Würden die schwerwiegenden Gründe
(die vom Berufungsgericht nicht geprüft wurden) bejaht, wäre zu prüfen, welche
Interessen der übrigen Wohnungseigentümer gegen die geforderte Anpassung
sprächen. Alleine ein abstraktes Vertrauen der übrigen Wohnungseigentümer auf
Einhaltung der GO würde die Unbilligkeit iSv. § 10 Abs. 2 S. 3 WEG nicht
entfallen lassen. Diesem Vertrauen auf den Bestand würde durch das Erfordernis
des schwerwiegenden Grundes Rechnung getragen.
Nach diesen Grundsätzen käme ein
Änderungsanspruch des Klägers auf der Grundlage von § 10 Abs. 2 S. 3 WEG in
Betracht: Die 18 Wohnungen seien bereits mehr als zwei Jahre vor der Teilung
fertiggestellt und vermietet worden; zugewiesen worden sei aber dem Kläger ein
Sondernutzungsrecht, das keine Wohnnutzung, sondern nur eine untergeordnete
Verwertung der Räume zuließe. Neben der baulichen Ausstattung spräche auch die
Größe der dem Kläger zugewiesenen Miteigentumsanteile von 15.013,730/100.000
(dem größten Miteigentumsanteil) und die damit verbundene
Kostentragungspflicht, die sich nach der TE nach Miteigentumsanteile richte,
was nahelegen würde, dass der wirtschaftliche Wert des Anteils von vorherein in
der Wohnnutzung bestanden habe. Dass hier die bestehende Regelung zu einer
erheblichen Einschränkung der wirtschaftlichen Verwertung des
Sondernutzungsrechts führe, sei klar.
Im Rahmen der vorzunehmenden
Interessensabwägung habe besonderes Gewicht, dass die Wohnungen nach dem
Vortrag des Klägers bereits seit über 30 Jahren bestanden, ohne dass es
Beanstandungen durch die übrigen Wohnungseigentümer gegeben habe. Soweit sich
in den letzten Jahren gegen die Wohnungsnutzung gewandt hätten, solle dies nur
seinen Grund in der Zweckbestimmung, nicht in möglichen nachteiligen
Auswirkungen gehabt haben. Dann aber dürften keine Interessen der übrigen
Wohnungseigentümer bestehen, sich der Änderung zu verschließen und den Kläger
statt dessen auf eine Änderung des unbilligen Kostenverteilungsschlüssels zu
verweisen.
Damit erweise sich das
Berufungsurteil als fehlerhaft, welches keine Feststellungen nach § 10 Abs. 3
S. 2 WEG getroffen habe. Allerdings dürfe es nicht „Räume“ heißen, da diese
allgemeine Bezeichnung keine Wohnnutzung zuließe; die unbestimmte Bezeichnung „Raum“
würde noch nicht dem Rechtsschutzziel der Wohnnutzung entsprechen (es handelt
sich hier ersichtlich um einen bisher von den Instanzgerichten unterlassenen
Hinweis an den Kläger nach § 139 ZPO, seinen Antrag entsprechend nach
Zurückverweisung zu ändern).
BGH, Urteil vom 22.03.2019 - V ZR 298/16 -