Freitag, 24. Mai 2019

WEG: Sondernutzungsrecht an einem Gemeinschaftsraum, der Zugang zu einem zwingenden Gemeinschaftsraum (§ 5 Abs. 2 WEG) ist


Der Beteiligte nahm eine Teilung des bebauten Grundstücks gem. § 8 WEG vor. Unter Ziffer IV. § 2 der Teilungsurkunde regelte er, dass dem Eigentümer des Sondereigentums 1 das Sondernutzungsrecht an einem näher kenntlich gemachten Kellerraum und einer Doppelgarage zustünde, wobei ausdrücklich aufgenommen wurde, dass die Sondernutzungsrechte insofern beschränkt würden, als die übrigen Sondereigentümer den Kellerraum bzw. die Doppelgarage betreten dürften, um zu dem dahinterliegenden Heizungs- bzw. Tankraum zu gelangen.

Im Rahmen des Antrages auf Vollzug verfügte der Rechtspfleger eine Zwischenverfügung und wies darauf hin, dass ein Eintragungshindernis bestünde: Durch die Sondernutzungsrechte könne der berechtigte Eigentümer den anderen Miteigentümer in dem Mitgebrauch des Gemeinschaftseigentums behindern oder stören.

Der Beschwerde des Betroffenen, der das Grundbuchamt nicht abhalf, gab das OLG statt.

Das OLG wies darauf hin, dass Sondernutzungsrechte durch eine negative und eine positive Komponente geprägt seien: Die negative Komponente bedinge, dass das Recht einem oder mehreren Wohnungseigentümern unter Ausschluss der übrigen zustünde; die positive Komponente bestünde in der Zuweisung des Gemeinschaftseigentums. Das eingeräumte Recht erstrecke sich aber nur so weit, wie es durch die Vereinbarung der Wohnungseigentümer eingeräumt worden sei. Allerdings könne das Sondernutzungsrecht auch Einschränkungen unterliegen, die sich aus der Natur der Sache ergäben, wobei es aber auch dabei von vornherein durch ausdrückliche Vereinbarung in einem beschränkten Umfang eingeräumt werden könne (LG Wuppertal, Beschluss vom 24.03.1998 - 6 T 239/98 -).

Da das Sondernutzungsrecht zum Entzug der Befugnis des Mitgebrauchs nach § 13 Abs. 2 WEG führe, könne ein Sondernutzungsrecht nur durch eine Vereinbarung (§ 10 Abs. 2 S. 2 WEG) oder durch den teilenden Eigentümer nach §§ 8 Abs. 2, 5 Abs. 4 iVm. 10 Abs. 2 WEG begründet oder geändert werden (BGH, Urteil vom 02.11.2011 - V ZR 74/11 -). Als Form der Gebrauchsregelung des Gemeinschaftseigentums könne es im Grundbuch eingetragen werden (§ 10 Abs. 3 WEG).

Dem stünde § 5 Abs. 2 WEG nicht entgegen, da dort nur geregelt sei, dass Anlagen und Einrichtungen des Gebäudes, die dem gemeinschaftlichem Gebrauch dienen würden, nicht Gegenstand des Sondereigentums sein könnten, auch wenn sie sich in Räumen befänden, die im Sondereigentum stehen.  Dies gelte auch für Räume (BGHZ 73, 302, 311), die zwingend im gemeinschaftlichen Eigentum stünden, wenn ihr Zweck darauf gerichtet sei, der Gesamtheit der Wohnungseigentümer einen ungestörten Gebrauch ihrer Wohnungen und der Gemeinschaftsfläche zu ermöglichen und zu erhalten, wie dies bei Fluren u.ä. der Fall sei, die dem Zugang zu Gemeinschaftsräumen dienen oder Räumen zur Bewirtschaftung/Versorgung der Wohnungen (z.B. da sich in ihnen zentrale Zähl-, Schalt-, Sicherungs- und Beschickungseinrichtungen der gemeinschaftlichen Wasser-, Wärme- und Energieversorgung befinden; BGHZ 78, 225, 227f). Dies würde aber die Einräumung eines Sondernutzungsrechts an Flächen, die dem Zugang zu den zwingenden Gemeinschafsträumen dienen, nicht ausschließen (BGH, Urteil vom 05.07.1991 - V ZR 222/90 -).

Teilweise würde darin allerdings eine unzulässige Umgehung der Regelung in § 5 Abs. 2 WEG gesehen, wenn die inhaltliche Ausgestaltung des Sondernutzungsrechts den Mitgebrauch der übrigen Wohnungseigentümer ausschließe. Die Regelung sei nach dieser Ansicht nichtig, wenn nicht eine Auslegung eine Einschränkung zugunsten der übrigen Miteigentümer ergäbe. Würde an Fluren oder vorgelagerten Räumen zu Anlagen und Einrichtungen iSv. § 5 Abs. 2 WEG ein Sondernutzungsrecht begründet, würde dies den Zugang zu den zwingenden Gemeinschafsträumen (in denen sich die Anlagen nach § 5 Abs. 2 WEG befinden) nicht hindern, da in einem solchen Fall immanente Schranken die Ausübung des Sondernutzungsrechts beschränken würden (KG, Beschluss vom 20.12.1989 - 24 W 3084/89 -). Da vorliegend das Sondernutzungsrecht beschränkt eingeräumt würde, so dass der Zugang der weiteren Wohnungseigentümer zur Heizung und zum Tankraum gewährleistet sei, gelte dies erst recht, weshalb es auf die Frage, ob grundsätzlich ohne eine solche Regelung eine Umgehung von § 5 Abs. WEG vorläge, nicht ankäme.

Damit bestünde insoweit kein Eintragungshindernis, weshalb die Zwischenverfügung des Rechtspflegers aufzuheben sei.

OLG München, Beschluss vom 10.04.1919 - 34 Wx 92/18 -

Aus den Gründen:


Tenor

Auf die Beschwerde des Beteiligten wird die Zwischenverfügung des Grundbuchamts vom 21. Februar 2018 aufgehoben.

Gründe

I.
Der Beteiligte ist als Eigentümer von Grundbesitz im Grundbuch eingetragen.
Das Grundstück ist bebaut mit zwei Wohngebäuden. Am 23.2.2017 errichtete er eine Teilungsklärung nach § 8 WEG, mit der er an dem Grundbesitz gemäß mitgesandtem Aufteilungsplan Wohnungs- und Teileigentum in der Weise begründete, dass er in Ziff. III. der Urkunde jedem Miteigentumsanteil das Sondereigentum an einer bestimmten, in sich abgeschlossenen Wohnung oder an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen zuwies. In Ziff. IV. Inhalt des Sondereigentums wurde geregelt:
§ 2 Sondernutzungsrechte
An dem gemäß § 5 WEG gemeinsamen Eigentum steht das Recht zur alleinigen und ausschließlichen Benützung den nachgenannten Sondereigentümern in der folgenden Weise zu:
...
d) dem jeweiligen Eigentümer der Sondereigentumseinheit Nr. 1 das Sondernutzungsrecht an dem Kellerraum, der in dem dieser Urkunde als Anlage II (Nachtrag) beigefügten Lageplan grün gekennzeichnet ist, und das Sondernutzungsrecht an der Doppelgarage, die in dem dieser Urkunde beigefügten Lageplan blau gekennzeichnet ist. Diese Sondernutzungsrechte werden insofern beschränkt, dass der jeweilige Sondernutzungsberechtigte dulden muss, dass die übrigen Sondereigentümer den Kellerraum bzw. die Garage betreten um zu dem dahinterliegenden Heizungsraum bzw. dem dahinterliegenden Tankraum zu gelangen.
Er hat den Vollzug dieser Teilungserklärung im Grundbuch am 12.2.2018 beantragt.
Mit fristsetzender Zwischenverfügung vom 21.2.2018 hat das Grundbuchamt geltend gemacht, der Eintragung stehe als Hindernis entgegen, dass die Zugangsräume zu Heizungs-, Zähler- und Tankraum zwingend im Gemeinschaftseigentum stehen und sämtlichen Miteigentümern zum ständigen und ungehinderten Mitgebrauch zur Verfügung stehen müssten. Durch das Sondernutzungsrecht könne der sondernutzungsberechtigte Eigentümer jedoch den anderen Miteigentümer in seinem Mitgebrauch behindern bzw. stören.
Dagegen richtet sich die Beschwerde vom 5.3.2018, die der Notar namens des Beteiligten eingelegt hat.
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Das nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 1 GBO statthafte Rechtsmittel gegen die Zwischenverfügung des Grundbuchamts (§ 18 Abs. 1 GBO) ist zulässig (§§ 73, 15 Abs. 2 GBO). Es hat in der Sache Erfolg, weil das beanstandete Hindernis nicht besteht.
Dem Eintragungsantrag fehlt, bezogen auf das Sondernutzungsrecht an Garage und Kellerraum, nicht die Eintragungsfähigkeit.
1. Sondernutzungsrechte sind dadurch gekennzeichnet, dass einem oder mehreren Wohnungseigentümern unter Ausschluss der übrigen (negative Komponente) das Recht zur Nutzung von Teilen des Gemeinschaftseigentums zugewiesen wird (positive Komponente). Das Recht des Sondernutzungsberechtigten erstreckt sich dabei nur so weit, wie es ihm durch die Vereinbarung der Wohnungseigentümer eingeräumt worden ist. Ein Sondernutzungsrecht kann allerdings Einschränkungen unterliegen, die sich aus der Natur der Sache ergeben (Kümmel in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten WEG 11. Aufl. § 13 Rn. 49). Es kann aber auch dabei von vornherein durch ausdrückliche Vereinbarung in einem beschränkten Umfang eingeräumt werden (LG Wuppertal MittRhNotK 1998, 327; Bärmann/Klein WEG 14. Aufl. § 13 Rn. 95).
Wegen des Entzugs der Befugnis zum Mitgebrauch nach § 13 Abs. 2 WEG kann ein Sondernutzungsrecht nur durch Vereinbarung (§ 10 Abs. 2 Satz 2 WEG) oder durch den teilenden Eigentümer nach § 8 Abs. 2, § 5 Abs. 4 i.V.m. § 10 Abs. 2 WEG begründet oder geändert werden (vgl. BGH NJW 2012, 676/677).
Als Form der Gebrauchsregelung gemeinschaftlichen Eigentums (§ 15 Abs. 1 WEG) kann das Sondernutzungsrecht im Grundbuch eingetragen werden (vgl. § 10 Abs. 3 WEG; Kümmel in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten § 13 Rn. 35; Hügel/Kral GBO 3. Aufl. Wohnungseigentum Rn. 53)
2. Der Einräumung eines Sondernutzungsrechts steht nicht die Vorschrift des § 5 Abs. 2 WEG entgegen. Danach können Anlagen und Einrichtungen des Gebäudes, die dem gemeinschaftlichen Gebrauch der Wohnungseigentümer dienen, nicht Gegenstand von Sondereigentum sein, selbst wenn sie sich im Bereich der in Sondereigentum stehenden Räume befinden. Das gilt nach dem Sinn der Vorschrift jedoch nicht nur für Anlagen oder Einrichtungen, sondern auch für die Räume (BGHZ 73, 302, 311; Bärmann/Armbrüster § 5 Rn. 26 f.). Sie stehen zwingend im gemeinschaftlichen Eigentum, wenn ihr Zweck darauf gerichtet ist, der Gesamtheit der Wohnungseigentümer einen ungestörten Gebrauch ihrer Wohnungen und der Gemeinschaftsräume zu ermöglichen und zu erhalten. Das trifft unter anderem auf Flächen und Flure zu, die als Zugang zu den Gemeinschaftsräumen bestimmt sind oder die zur Bewirtschaftung und Versorgung der Wohnungen und des Gemeinschaftseigentums dienen, weil sich in ihrem Bereich die zentralen Zähl-, Schalt-, Sicherungs- oder Beschickungseinrichtungen der gemeinschaftlichen Wasser-, Wärme- und Energieversorgungsanlagen des Gebäudes befinden (vgl. BGH NJW 1991, 2909; BGHZ 78, 225, 227 f). Allerdings schließt diese Regelung nicht auch die Einräumung von Sondernutzungsrechten an Flächen oder Fluren aus, die Zugang zu zwingenden Gemeinschaftsräumen ermöglichen (BGH NJW 1991, 2909/2910; BayObLG MittBayNot 2004, 192/193; Hügel/Elzer WEG 12. Aufl. § 13 Rn. 53; Bärmann/Armbrüster § 5 Rn. 29). Nach einer einschränkenden Ansicht kann es sich allerdings um eine unzulässige Umgehung der Regelung in § 5 Abs. 2 WEG handeln, wenn die inhaltliche Ausgestaltung des Sondernutzungsrechts das Mitgebrauchsrecht der übrigen Wohnungseigentümer ausschließt (Bärmann/Armbrüster § 5 Rn. 29). In einem solchen Fall sei die Sondernutzungsvereinbarung nur dann nicht nichtig, wenn ihr durch Auslegung eine Einschränkung zugunsten der übrigen Wohnungseigentümer entnommen werden kann (Bärmann/Armbrüster § 5 Rn. 29). Wird an den Fluren oder vorgelagerten Räumen zu Anlagen und Einrichtungen nach § 5 Abs. 2 WEG ein Sondernutzungsrecht eingeräumt, hindert dies den Zugang zu zwingenden Gemeinschaftsräumen nämlich in der Regel nicht, da in einem solchen Fall immanente Schranken die Ausübung des Sondernutzungsrechts beschränken (KG NJW-RR 1990, 333). Erst recht gilt dies, wenn mit der Einräumung des Sondernutzungsrechts durch Vereinbarung ein Zutrittsrecht sichergestellt wird (BayObLG MittBayNot 2004, 192/193).
3. Vorliegend wurde das Sondernutzungsrecht ausdrücklich beschränkt eingeräumt, so dass der Zugang der weiteren Wohnungseigentümer zur Heizung und dem Tankraum schon deswegen gewährleistet ist. Auf die grundsätzliche Frage, ob die Einräumung des Sondernutzungsrechts gegebenenfalls als Umgehung der Regelung des § 5 Abs. 2 WEG gesehen werden kann und welche Auswirkungen dies hat, kommt es daher hier nicht an.
Da somit das vom Grundbuchamt angenommene Hindernis für die Bestellung eines Sondernutzungsrechts nicht besteht, ist die Zwischenverfügung aufzuheben.
III.
1. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
2. Die Voraussetzungen der Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor, § 78 Abs. 2 GBO.

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