Montag, 1. April 2019

Kündigung durch den verbliebenen Mieteigentümer-Vermieter alleine ist unwirksam (keine Analogie zu § 566 Abs. 1 BGB)


Die Klägerin und ihr Ehemann waren Mieteigentümer eines Zweifamilienhauses. Sie vermieteten eine der Wohnungen an den Beklagten zu 1. (der dort dann mit seinem Sohn, den Beklagten zu 2. wohnte); in der weiteren Wohnung wohnte die Klägerin selbst. Zeitlich nach Begründung des Mietverhältnisses wurde die Klägerin durch Übertragung des Mieteigentumsanteils ihres Ehemanns Alleineigentümerin. Als solche kündigte sie das Mietverhältnis gegenüber dem Beklagten zu 1. und verlangte die Räumung und Herausgabe von den Beklagten.  Im Laufe des Rechtsstreits zogen die Beklagten aus und das Amtsgericht erlegte nach beidseitiger Hauptsacheerledigungserklärung den Beklagten die Kosten auf. Die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Dagegen legten die Beklagten die vom Landgericht zugelassene Rechtsbeschwerde zum BGH ein. Dieser hob den Beschluss des Landgerichts auf und erlegte der Klägerin die Kosten des Verfahrens auf.

Entgegen der Annahme des Landgerichts ging der BGH davon aus, dass ohne Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache die Klage abzuweisen gewesen wäre, weshalb eine Kostenentscheidung zugunsten der Beklagten hätte erfolgen müssen, § 91a ZPO. Fehlerhaft sei die Annahme des Landgerichts, wonach vorliegend § 566 Abs. 1 BGB analog anzuwenden sei.

§ 566 Abs. 1 BGB regelt den Fall der Veräußerung des Eigentums an der Mietsache an einen Dritten, wodurch der Dritte in das bestehende Mietverhältnis zwischen dem bisherigen Eigentümer und dem Mieter eintritt. Der BGH verwies darauf, dass nach dem Wortlaut des § 566 Abs. 1 BGB die Veräußerung an einen Dritten erfolgen müsse, was eine Personenverschiedenheit zwischen Eigentümer und Erwerber bedeute. Der Erwerber dürfe bis zum Erwerb nicht bereits Vermieter gewesen sein (BGH, Rechtsentscheid vom 06.07.1994 - VIII AZR 2/94 – zu der Vorgängerregelung in § 571 BGB a.F.). Eine Analogie, wie vom Landgericht angenommen, setze eine planwidrige Regelungslücke des Gesetzes und eine Vergleichbarkeit des zu beurteilenden Sachverhalts in rechtlicher Hinsicht mit dem Tatbestand, der vom Gesetzgeber geregelt worden sei, voraus, nach dem angenommen werden könne, dass der Gesetzgeber hätte bei einer Interessensabwägung unter Berücksichtigung der Grundsätze, die ihn zur Gesetzessvorschrift geleitet hätten, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen. Es müsste sich also um ein unbeabsichtigtes Abweichen vom Regelungsplan handeln. Dies wurde vom BGH negiert.

Sinn und Zweck des § 566 BGB sei der Schutz des Mieters vor einem Verlust des Besitzes an der Wohnung im Falle der Veräußerung gegenüber einem neuen Erwerber. Dieser Schutzzweck sei aber von vornherein nicht tangiert, wenn nur einer von (hier) zwei Miteigentümern seinen Eigentumsanteil auf den anderen übertrage mit der Folge, dass dieser Alleineigentümer werde. Dieser sei weiterhin an den Mietvertrag gebunden, weshalb eine Gefährdung des Mieters von vornherein nicht bestünde.

Daraus schlussfolgert der BGH folgerichtig, dass hier das Mietverhältnis insgesamt durch die Übertragung des Mieteigentums an einen Miteigentümer nicht das Mietverhältnis tangiert und mithin auch nach der Übertragung der ehemalige Miteigentümer Mietvertragspartei bleibe. Da aber die Kündigung nur von der verbliebenen Eigentümerin (Klägerin) ausgesprochen wurde, war diese unwirksam, da die Kündigung von dem Vermieter auszusprechen ist, was bei einer Mehrzahl von Vermietern bedeutet, dass alle Vermieter die Kündigung aussprechen müssen.

BGH, Beschluss vom 09.01.2019 - VIII ZB 26/17 -

Freitag, 29. März 2019

Kündigung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und Feststellungsanspruch auf Auflösung und Gewinnbeteiligung


Der Kläger hatte die als „B… G… H… Rechtsanwälte Steuerberater Wirtschaftsprüfer“ firmierende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) am 29.12.2011 gekündigt. Seine Klage auf Feststellung der Auflösung der Gesellschaft und der Gewinnbeteiligung zu gleichen Teilen wurde vom Berufungsgericht als unzulässig abgewiesen.  Auf seine vom BGH zugelassene Revision hob der BGH das Urteil auf und verwies den Rechtstreit insoweit an das Berufungsgericht zurück.

Der BGH verwies darauf, dass der Antrag des Klägers auf Feststellung der Gewinnbeteiligung zu gleichen Teilen ein Rechtsverhältnis der Parteien iSv. § 256 Abs. 1 ZPO betreffen würde. Dem Kläger sei schon deshalb ein schutzwürdiges Interesse zuzubilligen, da die Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Zahlungsanspruchs mangels Auseinandersetzung der Gesellschaft und Erstellung einer Schlussabrechnung (§ 734 BGB) nicht vorlägen (BGH, Urteil vom 07.04.2008 - II ZR 181/04 -). Auch die Erwägung des Landgerichts, das Feststellungsbegehren sei deckungsgleich mit einem weiteren, später rechtshängig gewordenen Rechtsstreit vor dem Landgericht, mit dem der Kläger im Wege der Stufenklage gegen die Beklagten die Gewinnermittlung und Liquiditätsschlussrechnung zum 29.12.2011 fordert, sei fehlerhaft.

Ebenfalls fehle dem Kläger entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht das Feststellungsinteresse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO für die von ihm begehrte Feststellung der Auflösung der Gesellschaft. Auch hier habe er ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass die Gesellschaft infolge seiner Kündigung vom 29.12.2011 mit sofortiger Wirkung aufgelöst sei. Das rechtliche Interesse an einer Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses sei immer gegeben, wenn dem Recht oder der Rechtsposition des Klägers eine gegenwärtige Gefahr oder Unsicherheit drohe und das Urteil geeignet wäre, diese Gefahr zu beseitigen (so BGH, Urteile vom 25.07.2017 - II ZR 235/15 - und vom 25.10.2004 - II ZR 413/02  -). Die Beklagten hätten das Recht des Klägers durch Bestreiten des Abschlusses eines Gesellschaftsvertrages in Abrede gestellt, weshalb das Recht des Klägers, eine Liquidationsbilanz zu fordern nicht zweifelsfrei feststehen würde. Mit der vom Kläger begehrten Feststellung wäre geklärt, dass die Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgelöst worden sei. Auch wenn die die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht unstreitig gestellt, dass die Gesellschaft mittlerweile beendet sei,  nicht aber sei von den Beklagten unstreitig gestellt worden, dass die Gesellschaft aufgelöst worden sei, vielmehr behauptet, eine Gesellschaft zwischen den Parteien läge nicht vor, weshalb ihre Auflösung nicht in Betracht käme, hilfsweise einen Ausschluss des Klägers behauptet und nur weiter hilfsweise die Auflösung der Gesellschaft aufgrund der Kündigung des Klägers unstreitig gestellt.

Im weiteren Verfahren sei zu beachten, dass dem Antrag auf Feststellung der Gewinnbeteiligung mit einer Quote von 1/3  nicht per se § 308 Abs. 1 ZPO entgegenstünde. Sollte das Berufungsgericht eine Gewinnbeteiligung des Klägers zu dem benannten Bruchteil nicht feststellen können und sich wegen § 308 Abs. 1 ZPO (Bindung an die Anträge) an einer anderen Feststellung zu anderen einem Bruchteil gehindert sehen, habe es auf eine sachgemäße Antragstellung hinzuwirken. Es entspräche ersichtlich dem Interesse des Klägers, seine ihm am Gewinn der Gesellschaft zustehende Beteiligung feststellen zu lassen.

BGH, Urteil vom 22.01.2019 - II ZR 59/18 -

Dienstag, 26. März 2019

Darf sich der Anwalt auf Angaben des Mandanten zu Zugangsdaten (hier: Kündigungsschreiben) verlassen ?


Die Klägerin machte gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche (in Form von Verdienstausfall) aus einem zwischen ihnen ehedem abgeschlossen Anwaltsvertrag geltend, gemäß dem der Beklagte die Klägerin in einem arbeitsgerichtlichen Kündigungsrechtsstreit vertrat, in dem die Kündigungsschutzklage wegen Versäumung der Klagefrist zurückgewiesen wurde.

Das Landgericht wies die Klage als unzulässig ab, das Oberlandesgericht als unbegründet. Die Revision der Klägerin führte zur Aufhebung des Urteils des OLG und Zurückverweisung des Rechtsstreits.

Entgegen dem OLG ging der BGH davon aus, dass der Beklagte seine anwaltlichen Pflichten verletzt habe. Er hätte die Kündigungsschutzklage binnen drei Wochen nach Zugang der Kündigungserklärung bei der Klägerin erheben müssen, § 4 Abs. 1 S. 1 KSchG. Er hätte die Einreichung der Klage auf den 13.01.2012 nur dann aufschieben dürfen, wenn gesichert gewesen wäre, dass die Kündigung der Klägerin erst am 23.12.20111 zugegangen sei.

Der Ehemann der Klägerin habe ihm mitgeteilt, dass die Kündigung am 23.12.2011 zugestellt worden sei. Dies sah der BGH nicht als ausreichend an, die Frist zu berechnen. Die Pflicht des Rechtsanwalts zur richtigen und umfassenden Beratung des Mandanten setze voraus, dass der Anwalt zunächst durch Befragen des Mandanten den Sachverhalt kläre, auf den es für die rechtliche Beurteilung ankäme. Ist dieser unklar oder unvollständig, dürfe sich der Anwalt nicht mit der rechtlichen Würdigung des ihm Vorgetragenen begnügen, sondern müsse sich bemühen, durch Befragung des Ratsuchenden ein möglichst vollständiges und objektives Bild der Sachlage zu gewinnen (BGH, Urteil vom 21.11.1960 - III ZR 160/59 -; BGH, Urteil vom 19.01.2006 - IX ZR 232/01 -). Nachfragen seien dann und insoweit nicht notwendig, soweit der Anwalt die Unrichtigkeit der Angaben des Mandanten weder kenne erkennen müsse. Dies sei aber auf Informationen tatsächlicher Art beschränkt. Sie gelte nicht in Bezug auf Informationen, die nur scheinbar tatsächlicher Natur seien. Werden vom Mandanten insbesondere Rechtstatsachen mitgeteilt, habe der Anwalt diese durch Rückfragen in die zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände und Vorgänge aufzulösen, oder, wenn dies keine zuverlässige Klärung ergebe oder erwarten lasse, weitere Ermittlungen anzustellen. Dieser Grundsatz sei hier verletzt worden.

Die Angaben des Mandanten über den Zugang eines Kündigungsschreibens seien wie Angaben über die Zustellung eines Urteils (dazu BGH, Beschluss vom 21.04.1994 - IX ZR 150/93 -) Rechtstatsachen. Der  gesetzlich verwandte Begriff des Zugangs werde rechtlich bestimmt. Ein Zugang unter Abwesenden setze voraus, dass die Willenserklärung so in den Bereich des Empfängers gelangt sei, dass dieser unter normalen Umständen die Möglichkeit habe, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Wird ein Brief in einen Briefkasten geworfen, sei der Zugang bewirkt, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen sei (BGH, Urteil vom 05.12.2007 - XII ZR 148/05 -). Erfolge der Einwurf zu einer Tageszeit, zu der nach den Gepflogenheiten des Verkehrs noch mit einer Entnahme am gleichen Tag zu rechnen sei, gelte der Zugang als bewirkt; erfolge der Einwurf nach dieser Zeit, würde der Zugang erst zu einem späteren Datum als bewirkt anzusehen sein.  

Damit hätte der Beklagte sich mit der Angabe eines Zugangs am 23.12.2011 nicht begnügen dürfen. Das Kündigungsschreiben habe auf den 22.12.2011 datiert und sei mit der Aufschrift „per Boten“ versehen worden. Damit sei in Betracht gekommen, dass das Schreiben noch am 22.12.2011 in den Briefkasten zu einer Tageszeit eingeworfen worden sei, zu der noch mit einer Entnahme am gleichen Tag gerechnet werden konnte. Diese Möglichkeit sei durch die Angabe des Ehemanns der Klägerin auch nicht auszuschließen gewesen; es wäre nur dann auszuschließen gewesen, wenn sich aus der Erklärung des Ehemanns ergeben hätte, dass am 22.12.2011 der Briefkasten zu einer Zeit geleert worden wäre nach dem Zeitpunkt, zu dem gewöhnlich noch mit einer Entleerung zu rechnen sei. Eine solche Erkenntnis wäre aber nur möglich, wenn sich der Ehemann erkennbar für den Anwalt der Kriterien bewusst gewesen wäre, die für den Zeitpunkt des Zugangs maßgeblich seien. Diese Kenntnis könne (anders als das OLG angenommen habe, nicht als allgemein vorausgesetzt werden noch seien Umstände aufgezeigt worden, nach denen der Beklagte sich hier Gewissheit über entsprechende Kenntnisse des Ehemanns beschafft hätte. Damit hätte der Anwalt bei der Klägerin und deren Ehemann nachfragen müssen und, wenn ein Zugang am 22. Oder 23.12.2011 nicht geklärt werden könnte, den sichersten Weg wählen müssen, indem die Kündigungsschutzklage bereits am 12.01.2012 eingereicht wird. Indem der Beklagte ungeprüft die Angabe des Ehemanns zugrunde gelegt habe, habe der Beklagte eine Pflichtverletzung begangen, wobei nichts dafür spräche, dass er diese nicht zu vertreten habe (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB).  

Die Rückverweisung erfolgte, da die Klägerin nach dem Urteil des OLG nicht schlüssig vorgetragen habe, dass eine Pflichtverletzung des Beklagten den Schaden verursacht habe. Erst das OLG habe dafür ein Erfordernis gesehen, es aber verabsäumt, die Klägerin gem. § 139 Abs. 2 S. 1, Abs. 4 S. 1 ZPO darauf rechtzeitig  hinzuweisen; der Hinweis sei erst in der Berufungsverhandlung erfolgt, ohne Gelegenheit zum ergänzenden Vortrag zu geben.

BGH, Urteil vom 14.02.2019 - IX ZR 181/17 -

Montag, 25. März 2019

Mietwagenangebot durch Kfz-Haftpflichtversicherer nach Unfall und Schadensminderungspflicht


Bei der Klägerin handelte es sich um eine Autovermietung. Diese hatte verschiedentlich Fahrzeuge an Unfallgeschädigte vermietet, bei denen jeweils auf der Gegenseite die beklagte Haftpflichtversicherung stand. Während die Haftung dem Grunde nach unstreitig war, stritten die Klägerin (die sich die Ansprüche der Geschädigten auf Erstattung der Mietwagenkosten hatte abtreten lassen) und die Beklagte um die Höhe des Erstattungsanspruchs. Die Beklagte hatte eingewandt, sie habe den jeweiligen Geschädigten (mit Ausnahme eines Falles) jeweils schriftlich auf günstigere Autovermietungen hingewiesen (in dem jeweils der Tagesmietpreis eines gleichwertigen Fahrzeuges benannt wurde, auf die kostenlose Zustellung und Abholung des Fahrzeuges, eine Vollkaskoversicherung pp. hingewiesen wurde und eine Telefonnummer benannt wurde, unter der ohne Hinterlegung einer Sicherheit die Anmietung erfolgen könne), weshalb sie auch nur auf deren Basis mit den Geschädigten (resp. der Klägerin als Zessionarin) abrechnen würde. Während die Klage noch weitgehend erfolgreich war, wurde sie vom Landgericht im Wesentlichen abgewiesen. Das Landgericht sah die Klage insoweit als nicht gerechtfertigt an, als die Beklagte auf der Grundlage von Preissegmenten der von ihr den jeweiligen Geschädigten mitgeteilten Autovermietung abrechnete. In der Anmietung der teureren Fahrzeuge bei der Klägerin läge ein zu berücksichtigendes Mietverschulden.

Im Hinblick auf diese Mietverschuldensproblematik ließ das Landgericht die Revision zu. Die von der Klägerin eingelegte Revision wurde vom BGH zurückgewiesen. Dieser teilte die Auffassung des Landgerichts, die Geschädigten hätten sich hier auf die von der Beklagten genannten niedrigeren Mietwagenkosten verweisen lassen müssen.

Grundsätzlich gehöre zu dem vom Schädiger zu dem nach § 249 BGB zu ersetzenden Herstellungsaufwand auch der Ersatz derjenigen Mietwagenkoste, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Dabei sei der Geschädigte aus Gründen der Wirtschaftlichkeit gehalten, von im möglichen mehreren Wegen den wirtschaftlichsten zur Schadensbehebung zu wählen. Dies wiederum bedeute, dass er von mehreren auf dem relevanten örtlichen Markt (nicht nur für Unfallgeschädigte) örtlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Fahrzeuges grundsätzlich nur den günstigsten Mietpreis als erforderlich iSv. § 249 BGB ersetzt verlangen könne. Allerdings könne offen bleiben, ob der gewählte Tarif in diesem Sinne erforderlich war, wenn feststünde, dass dem Geschädigten in der konkreten Situation ein günstigerer Tarif jedenfalls ohne weiteres zugänglich war. In diesem Fall hätte er die kostengünstigere Anmietung unter dem Blickwinkel des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB (Schadensminderungspflicht) vorziehen müssen, weshalb der höhere Tarif der Klägerin bereits deshalb nicht erstattungsfähig sei.

Dabei sei auch unerheblich, dass hier den Angeboten der von der Beklagten benannten Autovermietungen Sonderbedingungen zugrunde lagen. Es handele sich bei diesen Vereinbarungen nicht um unzulässige Verträge zu Lasten Dritter, da sie nicht unmittelbar zwischen dem Geschädigten und der Vermietgesellschaft Rechtswirkung entfalten. Dass sich der Geschädigte gegebenenfalls im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht darauf einlassen müsse, sei nur eine mittelbare Auswirkung der Vereinbarungen zwischen dem Versicherer und den Autovermietungen.

BGH, Urteil vom 12.02.2019 - VI ZR 141/18 -

Sonntag, 24. März 2019

Bankenhaftung bei Sittenwidrigkeit des Kaufpreises einer Immobilie ?


Die beklagte Bank finanzierte eine von den Klägern 2008 erworbene Eigentumswohnung.  Die war 22qm groß und hatte einen Kaufpreis von € 33.900,00 zu 100% bei einem Zinssatz von 1,5%; sie war vermietet und nach Angaben der Verkäuferin betrug die Nettokaltmiete € 5,11/qm. Aufgrund Leerstandes erzielten die Kläger keine Mieteinnahmen.

2010 verlangten die Kläger von der Verkäuferin die Rückabwicklung des Kaufvertrages. Die Klage war erfolgreich, da die Wohnung nach einem vom Landgericht eingeholten Sachverständigengutachten lediglich einen Verkehrswert von € 10.500,00 habe und damit der Kaufpreis in sittenwidriger Weise überhöht gewesen sei. Die Verkäuferin meldete Insolvenz an.

Mit der Klage gegen die Beklagte begehrten die Kläger die Rückzahlung des von ihnen bis dahin auf das Darlehen Betrages von € 18.765,24. Das Landgericht wies die Klage ab. Die Berufung der Kläger zum Kammergericht (KG) war erfolgreich. Dabei stütze sich das KG auf ein eingeholtes Gutachten, nah dem nach der von diesem zugrunde gelegten Vergleichswertmethode der Verkehrswert € 20.600,00 betrage, was aber nicht überzeugend sei, da es an der notwendigen Vergelcihbarkeit einer entsprechenden Anzahl von Objekten ermangele. Der Sachverständige habe den Ertragswert mit € 12.072,00 ermittelt, und daraus sei ein Mittwelt zu bilden, weshalb eine Überteuerung eine Überteuerung von 90% anzunehmen sei.

 Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten  hob der BGH das Urteil des OLG auf und verwies den Rechtsstreit zurück.

Rechtsfehlerfrei sei das KG davon ausgegangen, dass eine Bank ausnahmsweise eine Aufklärungspflicht über die Unangemessenheit des von ihr finanzierten Kaufpreises unter dem rechtlichen Gesichtspunkt eines Wissensvorsprungs träfe, wenn eine so wesentliche Verschiebung der Relation zwischen Kaufpreis und Verkehrswert vorläge, dass die Bank von einer sittenwidrigen Übervorteilung des Käufers durch den Verkäufer ausgehen müsse (BGH, Urteile vom 16.02.2006 - XI ZR 6/04 -, vom 19.06.2010 - XI ZR 145/14 - und vom 18.10.2016 - XI ZR 145/14 -).  Dies sei bereits  anzunehmen, wenn der Kaufpreis (ohne Berücksichtigung von darin enthaltenen Nebenkosten) knapp doppelt so hoch sei wie der Verkehrswert.

Vorliegend habe allerdings das KG das rechtliche Gehör (Art. 103 GG) der Beklagten verletzt, da es vorliegend von der Beurteilung des beauftragten Sachverständigen abwich, demzufolge der Verkehrswert der Wohnung sachgerecht nach dem Vergleichswertverfahren zu ermitteln sei, ohne ein weiteres Gutachten nach § 412 Abs. 1 ZPO einzuholen und ohne Nachweis eigener Sachkunde eine eigene Wertermittlung vorgenommen habe, zumal es, wenn es eigene Sachkunde für sich in Anspruch nähme, die Parteien vorher darauf hinweisen müsse, was nicht erfolgt sei. Das rechtliche Gehör der Beklagten sei verletzt worden, da das KG bei der Wertermittlung einen Mittelwert von Vergleichswert und Ertragswert angenommen habe.

Die Auswahl der  geeigneten Wertermittlungsmethode stünde, wenn nicht das Gesetz ein bestimmtes Verfahren vorsieht, im Ermessen des Tatrichters. Allerdings sei es unzulässig, schematisch einen rechnerischen Mittelwert zwischen Vergleichswert und Ertragswert zu bilden (BGH, Urteil vom 13.07.2970 - VII ZR 189/68 -).

Wenn, wie hier, der gerichtlich bestellte Sachverständige die Voraussetzungen für eine verlässliche Verkehrswertermittlung nach Vergleichswerten bekundet, könne das Gericht nicht an dem Ergebnis vorbeigehen, auch wenn eine andere Wertermittlungsmethode zu einem deutlich anderen Ergebnis führe. Dies gelte insbesondere dann, wenn es um die Frage der Sittenwidrigkeit gehen würde, da nach der Rechtsprechung würde auf der objektiven Grundlage eines besonderen Missverhältnisses den Schluss auf das subjektive Unrechtsmerkmal der verwerflichen Gesinnung ziehen. Hierfür sei aber keine Grundlage gegeben, wenn der direkte Vergleich mit dem maßgeblichen Markt, den die Auswertung der tatsächlich erzielten Preise bei Vorliegen hinreichenden Vergleichsmaterials leiste, zur Verneinung eines besonderen Missverhältnisses führe (BGH, Urteil vom 02.07.2004 – V ZR 213/03 -).

Damit würden die Ausführungen des Landgerichts zu der die Aufklärungspflicht auslösenden Kenntnis auch das rechtliche Gehör der Beklagten verletzen. Eine positive Kenntnis der Bank von der sittenwidrigen Überteuerung sei erforderlich, ohne dass die Bank eigene Nachforschungen betreiben müsse. Sie sei also nicht verpflichtet, zu Vermeidung etwaiger eigener Risiken sich einen (dann zu offenbarenden) Wissensvorsprung zu verschaffen. Ausnahmsweise stünde die bloße Erkennbarkeit einer aufklärungsbedürftigen Tatsache der positiven Kenntnis dann gleich, wenn sich einem zuständigen Bankenmitarbeiter dies nach den Umständen des Einzelfalls aufdrängen müsse, da er nicht berechtigt sei, seine Augen vor solchen Tatsachen zu verschließen. Schon danach sei der Ausgangspunkt der Erwägungen des KG zur monatlichen Bruttokaltmiete falsch, die Bank hätte eine einfache Überschlagsrechnung zum Ertragswert durchführen müssen, woraus sich bereits die Sittenwidrigkeit des Kaufpreises hätte aufdrängen müssen, da dies eine Art der nicht notwendigen Nachforschung darstelle. Wertermittlungen, die die Bank im eigenen Interesse vornähme, würden den Beleihungswert betreffen, um so die Realisierung ihrer Forderung im Falle einer Zwangsversteigerung einschätzen zu können. Eine Kontrolle dieser internen Bewertung anhand der prognostizierten Erträge schulde weder die Bank noch der Verkäufer. Die Bank träfe nicht die Verpflichtung den Käufer auf eine Unwirtschaftlichkeit hinzuweisen.

BGH, Beschluss vom 08.01.2019 - XI ZR 535/17 -

Freitag, 22. März 2019

Heizkosten: Mieters Anspruch auf korrekten Verteilerschlüssel (auch in WEG)


Der BGH musste sich mit der Abrechnung von Heizkosten in einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) aus Sicht eines Mieters auseinandersetzen, der gegen seinen Vermieter Klage erhob mit dem Ziel, die Heizkosten nicht in einem Verhältnis 50 : 50 (gemäß der Regelung in der WEG), sondern im Verhältnis von 70% erfasster Verbrauch zu 30% nach Wohnfläche abzurechnen. Das Amtsgericht gab der Klage statt, auf die Berufung der Beklagten wurde die Klage abgewiesen. Die zugelassene Revision führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung.

Mit der Klage verlangte der Kläger eine Verbrauchabrechnung gem. § 7 Abs. 1 S. 2 HeizkostenV in Form der Aufteilung von 70% nach erfassten Verbrauch und nur 30% nach Wohnfläche, demgegenüber vorliegend in dem grundsätzlich auch zulässigen Verhältnis 50 : 50 abgerechnet wird. Zulässig ist die Aufteilung unter Berücksichtigung von mindestens 50% und höchstens 70%  erfasster Verbrauch (Wahlmöglichkeit nach § 6 Abs. 4 iVm § 7 Abs. 1 S. 1 HeizkostenV), wenn keine Einschränkung nach § 7 Abs. 1 S. 2 HeizkostenV vorliegt. Hier sei für das Revisionsverfahren mangels Feststellungen des Berufungsgerichts zur Frage der Dämmung von Heizungsrohren (der nach Rückverweisung nachzugehen sei) vom Entfallen der Wahlmöglichkeit auszugehen, da das Gebäude nicht die Anforderungen der Wärmeschutzverordnung vom 16.08.1994 erfüllt habe. In diesem Fall aber dürfe zwingend nur im Verhältnis 70% nach erfassten Verbrauch und nur 30% nach Wohnfläche abgerechnet werden.  Gemäß § 556 Abs. 1 S. 1 BGB iVm § 7 Abs. 1 S. 2 HeizkostenV habe ein Mieter einen Rechtsanspruch auf eine dahingehende Änderung des Verteilungsschlüssels (solange die Voraussetzungen für die Wahlmöglichkeit nicht vorliegen würden).

Das Berufungsgericht ist demgegenüber davon ausgegangen, in diesem Fall habe der Mieter nur ein Kürzungsrecht nach § 12 Abs. 1 S. 1 HeizkostenV. Dieses besagt, dass ein Mieter, bei dem die Heizkosten entgegen der Verordnung nicht verbrauchorientiert abgerechnet werden, das recht hat, bei ihm anfallende Kosten um, 15% zu kürzen. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts sei diese Regelung hier weder unmittelbar noch mittelbar anwendbar. Das Berufungsgericht habe verkannt, dass sich das Begehren des Klägers nicht gegen die Missachtung von § 7 Abs. 1 S. 2 HeikostenV in einer bereits vom Vermieter erstellten Abrechnung wende, sondern mit der Klage darauf abziele, zukünftige Abrechnungen zu unterbinden, die hinsichtlich von Verbrauchs- und Grundkostenanteil fehlerhaft seien. Der Mieter sei nicht veranlasst, weitere fehlerhafte Abrechnungen abzuwarten um dann gegebenenfalls zu kürzen, was auch mit dem Zweck der Heizkostenverordnung (das Verbrauchsverhalten des Nutzers nachhaltig zu beeinflussen und damit Energiespareffekte zu erzielen) nicht vereinbar wäre.

 Auch könne hier nicht auf Wohnungseigentumsrecht abgestellt werden, da dieses im Verhältnis der Parteien nicht einschlägig sei (auch wenn sich die vermietete Wohnung in einer Wohnungseigentumsanlage befindet).  Allerdings würde auch eine Regelung zwischen den Wohnungseigentümern, die einen Abrechnungsmaßstab entgegen der nach § 1 Abs. 2 Nr. 3, 2 HeizkostenV auch innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft anwendbaren Heizkostenverordnung vorsehe, gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung verstoßen (BGH, Urteil vom 16.07.2010 - V ZR 221/09 -).

BGH, Urteil vom 16.01.2019 - VIII ZR 113/17 -

Donnerstag, 21. März 2019

WEG: Keine nachträgliche Änderung der Gläubigerbezeichnung durch Änderung der Rechtslage


Für die (damaligen) Mitglieder eine Wohnungseigentümergemeinschaft wurde mit notariellem Protokoll ein Schuldanerkenntnis protokolliert und eine Sicherungshypothek im Grundbuch gewahrt. Nach Anerkennung der (Teil-) Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft beantragte diese eine Berichtigung der Gläubigerbezeichnung auf sich. Der Antrag wurde zurückgewiesen; die dagegen eingelegte Beschwerde wies das Kammergericht (KG) zurück.

Die Eintragung, so das KG, erfolge auf Antrag, § 13 Abs. 1 S. 1 GBO, wenn das Recht von dem betroffen sei, der die Eintragung bewilligt, § 19 GBO. Einer Bewilligung zur Berichtigung bedürfe es dann nicht, wenn die Unrichtigkeit nachgewiesen sei. Dieser Nachweis sei nicht erbracht worden.

Zwar habe der BGH die (Teil-) Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft mit seinem Beschluss vom 02.06.2005 - V ZB 32/05 -  anerkannt und der Gesetzgeber dies auch nachvollzogen (§§ 10, Abs. 6 – 8, 27  Abs. 3 WEG), doch würde dies an der rechtlichen Zuordnung eines für die Wohnungseigentümer eingetragenen Verfügungsverbotes im Grundbuch nichts ändern. Die Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft sei nichtumfassend, sondern auf Teilbereiche des Rechtslebens beschränkt, bei denen diese im Rahmender Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums als Gemeinschaft am Rechtsleben teilnehme (BGH, Urteil vom 18.03.2016 - 5 ZR 75/15 -), weshalb keine Identität der Wohnungseigentümergemeinschaft mit der teilrechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft angenommen werden könne. Vielmehr bleibe das Sonder- und Gemeinschaftseigentum in den Händen der Miteigentümer und es würde sich mithin um unterschiedliche Zuordnungsobjekte von Rechten und Pflichtenhandeln. Dies verbiete eine Umdeutung dahingehend, dass die Sicherungshypothek nunmehr nach Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft zustünde.

Zwar könnten offenbare Unrichtigkeiten auch von Amts wegen berichtigt werden. Auch wenn hier die Urkundsnotarin eine Berichtigung vornahm, müsse dies geprüft werden. Die Unrichtigkeit müsse offenkundig sein (§ 44a Abs. 2 BeurkG, der sich an § 319 Abs. 1 ZPO anlehne). Dies sei hier nicht der Fall. Vielmehr läge die Annahme nahe, dass es sich bei der ursprünglichen Bezeichnung der Gläubiger um die  namentlich aufgeführten Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft handele. Dies habe dem damaligen Rechtsverständnis entsprochen, wonach Ansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft mangels deren Rechtsfähigkeit nur solche der Wohnungseigentümer waren. Damit könne die Nachtragsurkunde der Notarin nicht richtig sein, da ansonsten die Gläubiger des Schuldanerkenntnisses nicht gewahrt blieben.

KG, Beschluss vom 12.03.2019 - 1 W 56/19 -