Mittwoch, 8. August 2018

Verjährungsfristen für Schadensersatzansprüche wegen Pflichtverletzung gegen Insolvenzverwalter


Der Kläger machte gegen den beklagten Insolvenzverwalter Schadensersatzansprüche geltend. Dieser ist der Auffassung, Ansprüche gegen ihn wären verjährt. Dies folge aus der Höchstfrist des § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB (10 Jahre von ihrer Entstehung an). Das OLG Koblenz  war anderer Auffassung. Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde wandte sich der beklagte gegen diese Entscheidung. Der BGH nahm die Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu Entscheidung an, da dies weder zur Fortbildung des Rechts  noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO) notwendig sei.

Bereits aus der Entstehungsgeschichte des § 62 InsO (der die Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen den Insolvenzverwalter wegen Pflichtverletzung regelt) ergäbe sich, dass § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB nicht greifen würde. Nach der ursprünglich § 852 Abs. 1 BGB aF (alte Fassung) nachgebildeten Fassung des § 62 S. 1 InsO verjährte der Anspruch auf Schadensersatzanspruch in drei Jahren, berechnet ab Kenntnis von Schaden und Umständen durch den Verletzten. Anders allerdings als in § 852 Abs. 1 BGB habe der Gesetzgeber allerdings in § 62 S. 2 InsO keine Verjährungshöchstfrist von 30 Jahren ab Begehung der Handlung vorgesehen, sondern eine Höchstfrist von drei Jahren ab der Aufhebung oder der Rechtskraft der Einstellung des Insolvenzverfahrens. Mit dem Anpassungsgesetz zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz erhielt § 62 S. 1 InsO zum 01.01.2005 seine heutige Fassung (Art. 5 Nr. 2; BGBl I 2004, 3214), wonach sich die Verjährung nach der regelmäßigen Verjährung gemäß dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) richte. § 62 S. 2 und S. 3 InsO wären unverändert gelassen worden; dies mit der Begründung, dass das Haftungsprivileg des Insolvenzverwalters erhalten leibe solle (BT-Drucks. 15/3652, S. 15). Damit hätten Ansprüche nicht längstens nach 30 Jahren ab Begehung verjähren sollen (§ 199 Abs. 3 BGB), sondern spätestens drei Jahre nach Aufhebung oder rechtskräftiger Einstellung des Insolvenzverfahrens; es handele sich hier um Sonderreglungen, die nach dem Spezialitätengrundsatz der Bestimmung des § 199 Abs. 3 BGB vorgehen würden (Lex specialis derogat legi generali).

Dies führe vorliegend dazu, dass die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche nicht verjährt seien.

BGH, Beschluss vom 21.06.2018 - IX ZR 171/16 -

Montag, 6. August 2018

WEG: Zur Erzwingung einer korrekten, von dem Verwalter zu erstellenden Eigentümerliste durch das Gericht


Immer wieder stellt sich das Problem der fehlenden oder fehlerhaften Eigentümerliste in WEG-Verfahren. Vorliegend wurde vom Amtsgericht eine der Verwalterin gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichtete Klage eines Wohnungseigentümers abgewiesen. Die Berufung des klagenden Wohnungseigentümers sah das Ladgericht als unbegründet, aber auch als unzulässig an und hat sie wegen Unzulässigkeit abgewiesen. Dagegen wandte sich der Kläger mit der Revision, die zur Aufhebung und Zurückverweisung an das Berufungsgericht führte.

Das Berufungsgericht hatte ausgeführt, der Kläger habe eine in der Klageschrift benannte Eigentümerliste nie zur Akte gereicht und er habe sich entgegen §§ 44 Abs. 1 S. 2 WEG iVm. 253 Abs. 2 ZPO auch nie dazu erklären können, wer konkret Eigentümer zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit (13.12.2014) gewesen sei.  Zu einer auf Anforderung des Amtsgerichts vom Verwalter zu den Akten gereichten Eigentümerliste hatte der Geschäftsführer der Verwalterin vor dem Berufungsgericht erklärt, er gehe nicht davon aus, dass diese den Stand zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit widergebe, da bis zum Zeitpunkt der Erstellung sich Wechsel bei Eigentümern ergeben hätten. Hierauf bezogen nahm das Berufungsgericht die Unzulässigkeit an.

Dem folgte der BGH nicht.

Zwar sei mangels einer inhaltlich richtigen Eigentümerliste den Anforderungen des § 44 Abs. 1 S. 2 WEG nicht genügt worden und von daher die Klage unzulässig. Die verklagten Eigentümer müssten bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung mit ladungsfähiger Anschrift benannt werden. Dem habe die Eigentümerliste bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz nicht entsprochen. Allerdings könne dies noch im Berufungsrechtszug, ohne dass die Voraussetzungen des § 353 ZPO gegeben sein müssten, nachgeholt werden, da dies keine Klageänderung in Form eines Parteiwechsels darstelle. Für die materiell-rechtliche Ausschlussfrist des § 46 Abs. 1 S. 2 Halbs. 1 WEG (Frist für die Anfechtungsklage) käme es auf die Beibringung der aktuellen Namensliste nicht an; § 44 Abs. 1 S. 2 WEG habe nur Relevanz für die verfahrensrechtliche Frage, ob die Klage durch Prozessurteil abgewiesen werden könne.

Auch wenn  danach die Voraussetzungen für ein Prozessurteil, nach dem die Klage als unzulässig abgewiesen werden konnte, vorgelegen hätten, hätte dies vorliegend nicht erfolgen dürfen.

Auch wenn es grundsätzlich Sache des Klägers sei die Eigentümerliste als Bestandteil einer ordnungsgemäßen Klageerhebung einzureichen, könne dies nur dann gelten, wenn er hierzu auch in der Lage sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen. Dass der Kläger über Erkenntnisquellen verfügt habe, die ihn in die Lage hätten versetzen können, die fehlerhafte Eigentümerliste, die von der Verwalterin eingereicht wurde, zu korrigieren, sei vom Berufungsgericht nicht festgestellt worden. In dieser Situation folge aus der entsprechenden Anwendung des § 142 Abs. 1 ZPO, dass das Gericht auf entsprechende Anregung des Klägers, der Verwaltung die Vorlage der Eigentümerliste aufzugeben, tätig werden muss und die Vorlage vom Verwalter unter Fristsetzung verlangen muss, ohne dass dem Gericht ein Ermessenspielraum zustünde. Käme der Verwalter dem nicht fristgerecht nach, müsst er mit Ordnungsmittel  dazu angehalten werden (§§ 142 Abs. 2 S. 2 iVm. 390 ZPO analog). Ein Versäumnis des Verwalters dürfe nicht zu Lasten des Klägers gehen und damit nicht zur Abweisung der Klage führen.

Eine Garantie für die Richtigkeit könne vom Verwalter allerdings nicht verlangt werden; er müsse sie nur nach besten Wissen und Gewissen erstellen. Einen entsprechenden einschränkenden Hinweis könne er aufnehmen, ohne dass dies der Wirksamkeit der Eigentümerliste entgegenstünde. Wenn er aber selbst (wie hier) angebe, dass sie fehlerhaft sei oder Zweifel an deren Richtigkeit äußert und weder eine Korrektur vornimmt oder die Zweifel ausräumt, würde er seiner Verpflichtung nicht nachkommen. Hier sind Zwangsmittel geboten, wobei nur Ordnungsgeld, nicht aber eine Haftandrohung gehöre (für eine Haftandrohung genüge die analoge Anwendung der Norm nicht des Voraussetzungen des Art 104 Abs. 1 S. 1 GG).

Die Entscheidung des Berufungsgerichts könne auch deshalb keinen Bestand haben, da die Klage auch als unbegründet angesehen worden sei. Eine gleichzeitige Prozess- und Sachabweisung im selben Urteil sei wegen der unterschiedlichen Rechtskraftwirkungen nicht zulässig, weshalb der Teil des Urteils, der sich mit der Sachabweisung befasse, als nicht geschrieben gelte (BGH, Urteil vom 19.03.1997 - XII ZR 277/95 -).  Vorliegend habe sich das Berufungsgericht zur Begründetheit auch nicht mit den Vorbringen des Klägers auseinandergesetzt, sondern nur auf die Entscheidung des Amtsgerichts verwiesen, weshalb es nicht als Grundlage einer eigenen Entscheidung des Revisionsgerichts genutzt werden könne (BGH aaO.).

BGH, Urteil vom 04.05.2018 - V ZR 266/16 -

Freitag, 3. August 2018

Zulässigkeit des Feststellungsantrages auf (künftigen) Schadensersatz


Die Beklagten haben dem Kläger aufgrund eines Unfalls, bei dem der Kläger einen Bruch des Schulterblattes erlitt, vorgerichtlich ein Schmerzensgeld gezahlt und auch bestimmte materielle Schäden ersetzt. Mit seiner Klage erhob der Kläger, soweit im Berufungsrechtszug noch von Interesse, auch eine Feststellungsklage, mit der er die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung sämtlicher weiterer materiellen und zukünftigen immateriellen Schäden anstrebte. Das Landgericht hatte den über das vorgerichtlich gezahlte Schmerzensgeld hinausgehenden Antrag auf Zahlung von Schmerzensgeld sowie den Feststellungsantrag, diesen wegen Fehlens eines Feststellungsinteresses als unzulässig,  abgewiesen. Die in Bezug auf die Abweisung des Feststellungsantrages eingelegte Berufung war erfolgreich.

Das KG führte aus, dass von einem ausreichenden Feststellungsinteresse auszugehen sei. Dieses sei anzunehmen, wenn dem subjektiven Recht hier auf Schadensersatz eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch drohe, dass der Beklagte es ernstlich bestreite und das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet sei, dieser Gefahr zu begegnen (BGH, Urteil vom 22.06.1977 - VIII ZR 5/76 -).

Zwar hätten vorliegend die Beklagten nicht ihre Verpflichtung bestritten, für den Schaden eintreten zu müssen. Allerdings hätten sie die Ansicht vertreten, über die bereits geleisteten Zahlungen hinaus keine Zahlungen erbringen zu müssen. Insoweit würde das Entstehen weiterer Schäden bestritten wie auch die Möglichkeit, dass sich für den Geschädigten aus seiner Verletzung weitere nachteilige Folgen ergeben könnten, die mit den erbrachten Zahlungen nicht abgedeckt wären und damit den Schadensersatzanspruch wieder aufleben lassen könnten. Damit sei ein Feststellungsurteil geeignet, die Verpflichtung zur Leistung festzulegen wie auch eine zu erwartende Einrede der Verjährung zu verhindern.

Auch soweit der Kläger bereits jetzt Schadensersatzansprüche zur Höhe geltend machen könne, wäre er (obwohl die Leistungsklage der Feststellungsklage vorgeht) nicht gehindert, hier die Feststellungsklage zu erheben. Bei einer nicht abgeschlossenen Schadensersatzentwicklung sei der Kläger nicht verpflichtet, alle bereits feststehenden Einzelansprüche mit der Leistungsklage geltend zu machen (BGH, Urteil vom 20.02.1986 - VII ZR 318/84 -).

Es sei vorliegend auch mit ausreichender Wahrscheinlichkeit mit dem Eintritt von Folgeschäden auszugehen. Aus dem Arztbericht ergäbe sich, dass Dauerschäden aus dem Bruch des Schulterblattes nicht auszuschließen seien. Im übrigen sei das Schulterblatt Teil des Schultergelenks und bei Knochenverletzungen sei regelmäßig von Folgeschäden auszugehen (BGH , Urteil vom 19.03 1991 - VI ZR 199/90 -).

Auch käme es nicht darauf an, dass erstinstanzlich der Kläger nicht zum Feststellungsinteresse vorgetragen habe. Die Zurückweisung des Vortrages in 2. Instanz als neuer Vortrag nach § 531 ZPO komme nicht in Betracht, da die Norm hier nicht greife. Bei dem Feststellungsinteresse handele es sich um eine vom Gericht selbstätig zu prüfende Prozessvoraussetzung (BGH vom 11.10.1989 - IVa ZR 208/87 -).

KG, Urteil vom 16.04.2018 - 22 U 168/16 -

Donnerstag, 2. August 2018

Betriebskostenabrechnung: Maßgeblich ist die tatsächliche (Wohn-) Fläche, nicht eine vertraglich festgelegte Fläche


Die Parteien stritten über die Höhe von Betriebskosten, die die Klägerin als Vermieterin abrechnete. Im Mietvertrag war als Wohnungsgröße die als „mit 74,59m² vereinbart“ angegeben. Nachdem die Klägerin die Liegenschaft erwarb ergab sich eine tatsächliche Fläche von 78,22qm. Die Klägerin rechnete die Wirtschaftsjahre 2013 und 2014 nach den tatsächlichen Flächen ab, wohingegen sich die Beklagten als Mieter auf der im Mietvertrag festgelegten Größe weniger Kosten errechneten und mit einem danach vermeintlichen Erstattungsanspruch Mietzahlungen kürzten, die die Klägerin einklagte. Das Amtsgericht hatte der Klage stattgegeben und auf die zugelassene Berufung der Beklagten hatte das Landgericht diese zurückgewiesen. Die zugelassene Revision der Beklagten war ebenfalls nicht erfolgreich. 

Nach Darlegung des BGH enthalte die Wohnflächenangabe im Mietvertrag  eine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung. Von daher würde der Senat auch in ständiger Rechtsprechung davon ausgehen, dass ein zur Minderung der Miete rechtfertigender Mangel dann vorläge, wenn die tatsächliche Wohnfläche um mehr als 10% unter der im Mietvertrag benannten Wohnfläche läge. Allerdings ließe dies nicht den Rückschluss zu, dass in allen Fällen, in denen die Größe der Wohnung ein Beurteilungsmaßstab sei, die vertragliche Regelung zur Wohnfläche zugrunde zu legen sei. So habe der Senat bereits im Urteil vom 18.11.2015 - VIII ZR 266/14 - entschieden, dass bei einer Mieterhöhung die tatsächliche Fläche entscheidend sei, da nach dem tatsächlichen Willen des Gesetzgebers der objektive Wohnwert alleine entscheidend sei, nicht subjektive Vorgaben (wie Regelungen zur Wohnungsgröße). Mit der Entscheidung habe der Senat seine frühere Rechtsprechung, nach der auch bei Mieterhöhungen Abweichungen der Wohnfläche von bis zu 10% unbeachtlich sein sollten, aufgegeben. 

Auch soweit Betriebskosten (einschließlich von Heizkosten in dem insoweit eröffneten Anwendungsbereich)  nach Wohnfläche abgerechnet würden, würde der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung (so Urteil vom 31.10.2007 - VIII ZR 261/06 - nicht mehr festhalten, Abweichungen bei der Wohnfläche von bis zu 10% seien im Rahmen der Betriebskostenabrechnungen unbeachtlich. 

Zwar sei bei der Umlegung von Betriebskosten eine absolute Verteilergerechtigkeit nicht zu erreichen und würde dies vom Gesetz auch nicht verlangt. Allerdings erfordere eine angemessene und nach allen Seiten hin interessensgerechte Verteilung von Betriebskosten doch  grundsätzlich, dass objektiv entstandene und für eine Wirtschaftseinheit (hier mehrere Wohnungen im Haus) nach einem objektiven Abrechnungsmaßstab umgelegt werden, der für alle zur Wirtschaftseinheit zählende Nutzer gelte. Bei der Umlegung nach Wohnflächenanteilen würde es stets um die tatsächliche Wohnfläche der betroffenen Wohnung zur tatsächlichen Wohnfläche aller zur Wirtschaftseinheit gehörenden Wohnungen. Und auch der mehrfach in der Heizkostenverordnung verwandte Begriff der „anerkannten Regeln der Technik“ spräche dafür, dass die tatsächlichen Verhältnisse bei der Abrechnung nach Wohnflächen heranzuziehen sind.

Mittwoch, 1. August 2018

Festlegung der Kubatur in einem Vorhaben- und Erschließungsplan zu einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan


Das OVG hatte im Normenkontrollverfahren  die Unwirksamkeit eines Bebauungsplanes der Antragsgegnerin festgestellt. Bei dem es sich um einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan (BPlan) gem. § 13 BauGB handelte. Hierzu führte das OVG Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 15.11.2017 - 7 D 55/16.NE - u.a. aus:


„Andererseits steht der Gemeinde das Instrument eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nicht zur Verfügung, wenn sie nicht nur das konkret zur Realisierung anstehende Vorhaben ermöglicht, sondern von vornherein eine mehr oder weniger breite Palette unterschiedlicher baulicher Nutzungen eröffnet. Hiervon ausgehend erfordert der Vorhabenbezug, dass die Kubatur eines Gebäudes, das Gegenstand des Vorhabens ist – jedenfalls in wesentlicher Hinsicht – festgelegt wird. Daran ermangelt es vorliegend. Die Ausdehnung der durch den vorhabenbezogenen Bebauungsplan zugelassenen Gebäude in der Höhe mag zwar noch hinreichend durch die Geschosszahlen festgelegt sein, obgleich die Festsetzungen zur Höhe üner Normalnull lediglich Maximalwerte enthalten. Unzureichend bestimmt ist aber jedenfalls die Ausdehnung der Gebäude in der Fläche. Der Bebauungsplan und … Vorhaben- und Erschließungsplan setzen im Wesentlichen nur Baugrenzen (vgl. § 23 BauNVO) fest, ohne die Kubatur hinsichtlich der überbaubaren Fläche in den wesentlichen Punkten anderweitig zu bestimmen. In den so festgesetzten Baufernstern sind deshalb Vorhaben Baufenstern sind deshalb Vorhaben wesentlich verschiedener Kubaturen zulässig.

Die Beigeladene, die den Antrag auf Einleitung des Bebauungsplanverfahrens gem. § 12 BauGB stellte, sah im Rahmen der von der Antragsgegnerin (Gemeinde) erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde als klärungsbedürftig an, § 12 Abs. 1 S. 1 BauGB so auszulegen ist, dass ein vorhabenbezogener Bebauungsplan notwendigerweise die Kubatur im wesentlichen Umfang zu erkennen gibt (Frage 1) und ob § 12 Abs. 1 S. 1 BauGB so ausgelegt werden könne, dass vorhabenbezogene Bebauungspläne mit Darstellung der überbaubaren Grundstücksfläche durch Baugrenzen sowie durch Festsetzungen zur Geschossigkeit, Bauweise und Höhenfestsetzungen ausreichend bestimmt sind (Frage 2).

Das BVerwG verneinte die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und ließ die Revision nicht zu. Die als klärungsbedürftig angesehenen Fragen würden an dem Inhalt des Urteils vorbeigehen und hier nicht klärungsbedürftig sein. Es sei zwischen dem (wenn auch in einer Urkunde zusammengefassten) Vorhaben- und Erschließungsplan und dem angefochtenen Bebauungsplan zu unterscheiden. Dies schließe die Möglichkeit ein, dass im Einzelfall die Beschreibung im Vorhaben- und Erschließungsplan in ihrer Detailliertheit über die abstrakte Plandarstellung des vorhabenbezogenen BPlans hinausgehen müsse. Diese Differenzierung zwischen den Plänen habe die Beigeladene nicht nachvollzogen.  

Aber auch bei Unterstellung, dass die Beigeladene grundsätzlich geklärt wissen wolle, ob in einem Vorhaben- und Erschließungsplan die Kubatur eines Vorhabens jedenfalls in ihrem wesentlichen Umfang festgelegt werden müsse, sei die Revision nicht zuzulassen. Diese Frage sei, ohne dass ein revisionsverfahren durchzuführen sei, zu bejahen. In diesem Plan würde nicht allgemein irgendeine Bebauung geregelt, sondern ein oder mehrere konkrete Vorhaben iSv. § 29 Abs. 1 BauGB. Es seien daher nicht nur die Art der baulichen Nutzung (mit einer gewissen Bandbreite der Nutzungsmöglichkeiten), sondern auch das Maß der baulichen Nutzung konkretisiert werden. Dem genüge nicht die Bestimmung eines Höchstmaßes. Auch eine Unterschreitung festgesetzter Maßfaktoren sei zu beachten. Sei diese Unterschreitung in einem Umfang möglich, welches die Identität des Vorhabens in Frage stelle und die durch den Vorhabenbegriff begrenzte Variationsbreite verlässt, bedürfe es einer zusätzlichen Festsetzung von Mindestmaßen. Handelt es sich bei dem Vorhaben um ein „aliud“, beurteile sich dies nach den Umständen des Einzelfalls und entzöge sich dies einer grundsätzlichen Klärung. Eine Beschränkung des Maßes nach unten sei auch nicht deshalb entbehrlich, da die Nachbarschaft erfahren wolle, was maximal möglich sei. Die Konkretisierung läge im allgemeinen städtebaulichen Interesse. Auch könne nicht davon ausgegangen werden, dass Vorhabenträger (wie die Beigeladene) schon im Eigeninteresse Baugrenzen ausschöpfen würden.

BVerwG, Beschluss vom 02.05.2018 - 4 BN 7.18 -

Dienstag, 31. Juli 2018

Haftungsquotelung bei nächtlichem Auffahren auf ein verbotswidrig geparktes Fahrzeug


Der Kläger nahm die Beklagten als Halter/Fahrer und Haftpflichtversicherer  aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, bei dem der Beklagte zu 2. Ungebremst bei Dunkelheit des auf der Fahrbahn rechts im Halteverbot geparkten Fahrzeug des Klägers. Durch die Wucht wurde das klägerische Fahrzeug gegen ein anders und dieses gegen ein weiteres Fahrzeug geschoben.

Das OLG hat der Klage nach Abwägung gem. § 17 Abs. 2 iVm. Abs 1 StVG  in Höhe von 75% stattgegeben.  Das Klägerfahrzeug sei „beim Betrieb“ des Beklagtenfahrzeugs beschädigt worden, und dies sei auch für den Beklagten zu 2. nicht unvermeidbar iSv. § 17 Abs. 3 StVG. Der Beklagte hätte die Stelle, an der das Klägerfahrzeug parkte, umfahren können oder (was nicht vorgetragen wurde), wenn sie zu eng gewesen wäre zum Umfahren auf andere Weise vermeiden können. Der Umfang des Anspruchs hänge von dem beiderseitigen Maß des Verschuldens und der Verursachung ab.

Dabei seien der Verstoß des Beklagten zu 2. gegen die allgemeine Vorsichtspflicht des § 1 Abs. 2 StVO und des Klägers gegen Parkregeln des ruhenden Verkehrs (§ 12 StVG, Zeichen 283 Anlage 2 zur StVO) zu berücksichtigen. Hier stellt das OLG auf den aktiv fahrenden Verkehrsteilnehmer (Beklagten zu 2.) ab, der ein parkendes Fahrzeug bei entsprechender Aufmerksamkeit sähe und damit einen Zusammenstoß leicht vermeiden könne. Damit überwiege sein Verursachungs- und Verschuldensbeitrag deutlich denjenigen des Klägers, der verbotswidrig parke. In diesem Zusammenhang ist das OLG der Ansicht, dass bei einer Kollision bei Tageslicht, stelle das verbotswidrig geparkte Fahrzeug „kein größeres Hindernis für den fließenden Verkehrs dar“, den Fahrer des fahrenden Fahrzeuges die alleinige Haftung treffen würde. Dem ist nicht zu folgen, da damit der Sinn der Verkehrsregelung durch Zeichen 283 bei einer vorzunehmenden Bewertung entfallen würde. Die Mithaftung des Klägers für das verbotswidrig abgestellte Fahrzeug will das OLG hier in Ansehung der Dunkelheit auch lediglich in Höhe der einfachen Betriebsgefahr annehmen, wenn es für den fließenden Verkehr bei Dunkelheit eine Erschwerung bilde. Auch hier kann dem IKG nicht gefolgt werden, da ein Verschulden im verbotswidrigen Abstellen liegt und das Verschulden mehr ist als lediglich eine Haftung aus dem Gesichtspunkt der Betriebsgefahr.

Die vom OLG angenommene Erschwerung sei vorliegend darin zu sehen, dass sich  kurz vor der Stelle, an der das Fahrzeug geparkt worden sei, eine der Verkehrsberuhigung dienende Verkehrsinsel befände, durch der die Fahrstreifen in jede Richtung verengt worden seien. Nach der Verkehrsinsel habe der Beklagte mit seinem Fahrzeug bei weiter verengten Fahrstreifen eine leichte Biegung nach links vornehmen müssen, da einige Meter nach der Verkehrsinsel sich wieder Parkflächen befunden hätten. In diesem gefährdeten, vor den beginnenden Parkflächen befindlichen Bereich sei vom Kläger sein Fahrzeug abgestellt worden. Die Gefahr für den fließenden Verkehr bestünde darin, dass ein an der Verkehrsinsel vorbeifahrender Fahrer es zu spät bemerke und damit nicht rechtzeitig nach links lenken würde. Das würde einen Verschuldens- und Mitverursachungsbeitrag von 25% rechtfertigen (hier nun stellt das OLG doch auf ein Verschulden ab, obwohl es eingangs nur eine einfache Betriebsgefahr annahm). Unstreitig sei, dass genügend Platz zum Vorbeifahren gewesen sei.

Im Ergebnis wird man dem OLG zustimmen können, obwohl mit dieser Begründung auch eine Mithaftung von 1/3 angenommen werden könnte. Der Umstand, dass sich der Vorfall nachts ereignete, erscheint demgegenüber aber nicht so gravierend, da hier auch für den Fahrer des Beklagtenfahrzeugs die Pflicht zum Fahren auf Sicht bestand, § 3 Abs. 1 S. 4 StVO.

OLG Frankfurt, Urteil vom 15.03.2018  - 16 U 212/17 -

Mittwoch, 25. Juli 2018

Zur Beachtlichkeit des Vorschlags zur Person des Betreuers durch den Betreuten nach § 1897 Abs. 4 S. 1 BGB


Grundsätzlich ist bei der Auswahl des Betreuers dem Vorschlag des volljährigen Betreuten zu entsprechen, wenn es nicht dessen Wohl zuwiderläuft, § 1897 Abs. 4 S. 1 BGB.

Die Betroffene war 99 Jahre alt und litt an einer Multimobidität sowie leichten kognitiven  Störung. Das Amtsgericht hatte den Beteiligten zu 1. zum Berufsbetreuer für den gesamten Aufgabenbereich Sorge für die Gesundheit, Vermögenssorge, Entgegennahme, öffnen und anhalten der Post sowie Rechts-/Antrags- und Behördenangelegenheiten bestellt, die Beteiligte zu 2. (Enkelin der Betroffenen) für die Gesundheitsfürsorge. Zunächst hatte es die Beteiligte zu 2. Für alle Aufgabenbereiche bestellt, wegen familiärer Streitigkeiten aber dann beschränkt und den Beteiligten zu 1. bestellt. Dagegen wandten sich die Beteiligten zu 3. (weitere Einkelin) und 4. (Tochter) mit einer Beschwerde. Das Landgericht hat die Beteiligten zu 1. Und 2. Entlassen und als alleinige Betreuerin die Beteiligte zu 4. bestellt. Begründet wurde dies damit, dass dies dem Wunsch der Betroffenen entspräche und nicht einer momentanen Unstimmigkeit oder kurzfristigen Gefühlslage entspräche. Die dagegen von der Beteiligten zu 4. eingelegte Rechtsbeschwerde wurde vom BGH zurückgewiesen.

Für den Vorschlag der Betroffenen sei weder deren Geschäftsfähigkeit noch natürliche Einsichtsfähigkeit Voraussetzung. Sie müsse nur ihren Wunsch kundtun. So sei auch die Motivlage für den Wunsch ohne Bedeutung.

§ 1897 Abs. 4 S. 1 BGB räume dem Tatrichter bei der Auswahl kein Ermessen ein, weshalb der Wunsch nur dann unberücksichtigt bleiben dürfe, wenn die vorgeschlagene Person dem Wohl der Betroffenen zuwiderlaufe. Dafür müsste eine Abwägung aller relevanten Umstände Gründe ergeben von erheblichem Gewicht ergeben, die gegen die vorgeschlagene Person sprechen würden. Es müsste sich also die konkrete Gefahr dartun, dass der Vorgeschlagene die Betreuung nicht zu dessen Wohl führen kann oder will. Dazu sei eine Prognoseentscheidung notwendig, für die sich der Tatrichter auf Erkenntnisse stützen müsse, die in der näher oder weiter zurückliegenden Vergangenheit ihren Ursprung hätten. Diese Erkenntnisse müssten geeignet sein, einen das Wohl der Betroffenen Eignungsmangel auch für die Zukunft und bezogen auf den von der Betreuten umfassten Aufgabenbereich zu begründen.

Vorliegend habe die Betroffene auch gegenüber dem bisherigen Betreuer mehrfach den Wunsch geäußert, dass sich ihre Tochter (Beteiligte zu 4.) um alles kümmern solle, was vom Landgericht richtig als Vorschlag im Sinne des § 1897 Abs. 4 S. 1 BGB gewertet worden sei.  Gründe, die darauf schließen ließen, dass die Bestellung der Beteiligten zu 4. dem Wohl der Betroffenen zuwiderliefen seien nicht ersichtlich und seien auch von der Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 3. nicht aufgezeigt worden. Alleine der Umstand, dass die Tochter der Betroffenen und die Enkelinnen zerstritten seien, begründe noch nicht die Gefahr, die Beteiligte zu 4. Würde die Betreuung nicht zum Wohle der Betroffenen ausüben.

BGH, Beschluss vom 09.05.2018 - XII ZB 553/17 -