Mittwoch, 25. Juli 2018

Zur Beachtlichkeit des Vorschlags zur Person des Betreuers durch den Betreuten nach § 1897 Abs. 4 S. 1 BGB


Grundsätzlich ist bei der Auswahl des Betreuers dem Vorschlag des volljährigen Betreuten zu entsprechen, wenn es nicht dessen Wohl zuwiderläuft, § 1897 Abs. 4 S. 1 BGB.

Die Betroffene war 99 Jahre alt und litt an einer Multimobidität sowie leichten kognitiven  Störung. Das Amtsgericht hatte den Beteiligten zu 1. zum Berufsbetreuer für den gesamten Aufgabenbereich Sorge für die Gesundheit, Vermögenssorge, Entgegennahme, öffnen und anhalten der Post sowie Rechts-/Antrags- und Behördenangelegenheiten bestellt, die Beteiligte zu 2. (Enkelin der Betroffenen) für die Gesundheitsfürsorge. Zunächst hatte es die Beteiligte zu 2. Für alle Aufgabenbereiche bestellt, wegen familiärer Streitigkeiten aber dann beschränkt und den Beteiligten zu 1. bestellt. Dagegen wandten sich die Beteiligten zu 3. (weitere Einkelin) und 4. (Tochter) mit einer Beschwerde. Das Landgericht hat die Beteiligten zu 1. Und 2. Entlassen und als alleinige Betreuerin die Beteiligte zu 4. bestellt. Begründet wurde dies damit, dass dies dem Wunsch der Betroffenen entspräche und nicht einer momentanen Unstimmigkeit oder kurzfristigen Gefühlslage entspräche. Die dagegen von der Beteiligten zu 4. eingelegte Rechtsbeschwerde wurde vom BGH zurückgewiesen.

Für den Vorschlag der Betroffenen sei weder deren Geschäftsfähigkeit noch natürliche Einsichtsfähigkeit Voraussetzung. Sie müsse nur ihren Wunsch kundtun. So sei auch die Motivlage für den Wunsch ohne Bedeutung.

§ 1897 Abs. 4 S. 1 BGB räume dem Tatrichter bei der Auswahl kein Ermessen ein, weshalb der Wunsch nur dann unberücksichtigt bleiben dürfe, wenn die vorgeschlagene Person dem Wohl der Betroffenen zuwiderlaufe. Dafür müsste eine Abwägung aller relevanten Umstände Gründe ergeben von erheblichem Gewicht ergeben, die gegen die vorgeschlagene Person sprechen würden. Es müsste sich also die konkrete Gefahr dartun, dass der Vorgeschlagene die Betreuung nicht zu dessen Wohl führen kann oder will. Dazu sei eine Prognoseentscheidung notwendig, für die sich der Tatrichter auf Erkenntnisse stützen müsse, die in der näher oder weiter zurückliegenden Vergangenheit ihren Ursprung hätten. Diese Erkenntnisse müssten geeignet sein, einen das Wohl der Betroffenen Eignungsmangel auch für die Zukunft und bezogen auf den von der Betreuten umfassten Aufgabenbereich zu begründen.

Vorliegend habe die Betroffene auch gegenüber dem bisherigen Betreuer mehrfach den Wunsch geäußert, dass sich ihre Tochter (Beteiligte zu 4.) um alles kümmern solle, was vom Landgericht richtig als Vorschlag im Sinne des § 1897 Abs. 4 S. 1 BGB gewertet worden sei.  Gründe, die darauf schließen ließen, dass die Bestellung der Beteiligten zu 4. dem Wohl der Betroffenen zuwiderliefen seien nicht ersichtlich und seien auch von der Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 3. nicht aufgezeigt worden. Alleine der Umstand, dass die Tochter der Betroffenen und die Enkelinnen zerstritten seien, begründe noch nicht die Gefahr, die Beteiligte zu 4. Würde die Betreuung nicht zum Wohle der Betroffenen ausüben.

BGH, Beschluss vom 09.05.2018 - XII ZB 553/17 -

Aus den Gründen:


Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Bremen vom 18. Oktober 2017 in der Fassung vom 20. November 2017 wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zu 3 zurückgewiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.
Wert: 5.000 €

Gründe

I.
Die Beteiligte zu 3 wendet sich gegen die Bestellung der Beteiligten zu 4 zur Betreuerin der Betroffenen.
Die Beteiligte zu 4 ist die Tochter, die Beteiligten zu 2, 3 und 5 sind die Enkelinnen der 99-jährigen Betroffenen, die an einer Multimorbidität und einer leichten kognitiven Störung leidet. Mit Beschluss vom 5. April 2017 hat das Amtsgericht die Beteiligte zu 2 zur Betreuerin mit dem Aufgabenkreis Sorge für die Gesundheit, Vermögenssorge, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post sowie Rechts-/Antrags- und Behördenangelegenheiten bestellt. Aufgrund familiärer Streitigkeiten hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 19. Mai 2017 die Beteiligte zu 2 "teilweise entlassen", ihren Aufgabenkreis auf die Gesundheitsfürsorge beschränkt und den Beteiligten zu 1 für den gesamten Aufgabenkreis zum Berufsbetreuer bestellt.
Gegen beide Entscheidungen haben die Beteiligten zu 3 und 4 Beschwerden eingelegt. Das Amtsgericht hat den Beschwerden nicht abgeholfen und die Akten am 9. Juni 2017 dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt. Am gleichen Tag hat das Amtsgericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Betreuungsbedürftigkeit der Betroffenen beschlossen. Das Landgericht hat nach Verbindung der Beschwerdeverfahren die Beteiligten zu 1 und 2 als Betreuer entlassen und die Beteiligte zu 4 unter Aufrechterhaltung des gesamten bisherigen Aufgabenkreises zur Betreuerin bestellt. Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 3 mit der Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 1 FamFG zulassungs-frei statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Rechtsbeschwerdebefugnis der Beteiligten zu 3 als Enkelin der Betroffenen ergibt sich aus § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet.
1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung folgendes ausgeführt:
Die amtsgerichtliche Entscheidung, die Beteiligten zu 1 und 2 zu Betreuern zu bestellen, sei deshalb abzuändern, weil die Betroffene bei ihrer Anhörung im Beschwerdeverfahren und auch mehrfach gegenüber dem Beteiligten zu 1 unmissverständlich angegeben habe, dass sie wünsche, die Beteiligte zu 4 solle sich allein um ihre Angelegenheiten kümmern. Dieser Wunsch der Betroffenen entspringe nicht einer momentanen Unstimmigkeit oder einer kurzfristigen Gefühlslage. Deshalb sei dieser Betreuervorschlag, der weder Geschäftsfähigkeit noch natürliche Einsichtsfähigkeit des Betroffenen erfordere, bei der Auswahl des Betreuers zu beachten. Umstände, die es rechtfertigen würden, diesem Wunsch der über einen freien Willen verfügenden Betroffenen nicht zu entsprechen, lägen nicht vor. Bedenken gegen die Bestellung der Beteiligten zu 4 zur Betreuerin seien, auch nach der eingeholten Stellungnahme des Verfahrenspflegers, nicht ersichtlich.
2. Das hält rechtlicher Überprüfung stand.
a) Die Beteiligte zu 3 hat sich mit ihrer Beschwerde nur gegen die Bestellung der Beteiligten zu 1 und 2 zu Betreuern der Betroffenen und nicht gegen die Einrichtung oder den Umfang der Betreuung gewendet.
Das Rechtsmittel war mithin auf die Betreuerauswahl beschränkt, was eine zulässige Teilanfechtung der die Betreuungserrichtung und die Betreuerbestellung umfassenden Einheitsentscheidung darstellt (Senatsbeschluss vom 25. März 2015 - XII ZB 621/14 - FamRZ 2015, 1178 Rn. 10 mwN). Aufgrund dieser wirksamen Beschränkung der Beschwerde hatte das Beschwerdegericht nur über die Rechtmäßigkeit der Betreuerauswahl zu befinden. Zwar tritt das Beschwerdegericht in vollem Umfang an die Stelle des Erstgerichts (§ 68 Abs. 3 FamFG) und entscheidet unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung über die Sache neu. Die Entscheidungskompetenz des Beschwerdegerichts ist jedoch durch den Beschwerdegegenstand begrenzt; das Beschwerdegericht darf nur insoweit über eine Angelegenheit entscheiden, als sie in der Beschwerdeinstanz angefallen ist (Senatsbeschlüsse vom 16. September 2015 - XII ZB 526/14 - FamRZ 2016, 121 Rn. 10 f. mwN und vom 3. Dezember 2014 - XII ZB 355/14 - FamRZ 2015, 486 Rn. 24).
Prüfungsgegenstand im Beschwerdeverfahren war somit nicht, ob die Voraussetzungen einer Betreuerbestellung vorgelegen haben, sondern ausschließlich die Frage der Person des Betreuers. Irgendwelche Ermittlungen zum Betreuungsbedarf im Sinne des § 1896 Abs. 1 BGB oder zur Erforderlichkeit der Betreuung nach § 1896 Abs. 2 BGB waren daher nicht veranlasst. Die hierauf bezogene Verfahrensrüge der Rechtsbeschwerde geht deshalb ins Leere (vgl. Senatsbeschluss vom 3. Februar 2016 - XII ZB 493/15 - FamRZ 2016, 626 Rn. 10).
b) Die vom Landgericht getroffene Entscheidung, die Beteiligte zu 4 zur Betreuerin zu bestellen, ist frei von Rechtsfehlern.
aa) Gemäß § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB ist die Person zum Betreuer zu bestellen, die der Betroffene wünscht. Ein solcher Vorschlag erfordert weder Geschäftsfähigkeit noch natürliche Einsichtsfähigkeit. Vielmehr genügt, dass der Betroffene seinen Willen oder Wunsch kundtut, eine bestimmte Person solle sein Betreuer werden. Auch die Motivation des Betroffenen ist für die Frage, ob ein betreuungsrechtlich beachtlicher Vorschlag vorliegt, ohne Bedeutung (Senatsbeschluss vom 19. Juli 2017 - XII ZB 57/17 - FamRZ 2017, 1612 Rn. 17 mwN).
Die Vorschrift des § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB räumt dem Tatrichter bei der Auswahl des Betreuers kein Ermessen ein. Der Wille des Betroffenen darf nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn die Bestellung der vorgeschlagenen Person seinem Wohl zuwiderläuft. Dies setzt voraus, dass sich aufgrund einer umfassenden Abwägung aller relevanten Umstände Gründe von erheblichem Gewicht ergeben, die gegen die Bestellung der vorgeschlagenen Person sprechen. Es muss die konkrete Gefahr bestehen, dass der Vorgeschlagene die Betreuung des Betroffenen nicht zu dessen Wohl führen kann oder will. Die Annahme einer solchen konkreten Gefahr beruht auf einer Prognoseentscheidung des Gerichts, für die dieses sich naturgemäß auf Erkenntnisse stützen muss, die in der - näheren oder auch weiter zurückliegenden - Vergangenheit wurzeln. Soweit es um die Eignung der vorgeschlagenen Person geht, müssen diese Erkenntnisse geeignet sein, einen das Wohl des Betroffenen gefährdenden Eignungsmangel auch für die Zukunft und bezogen auf den von der Betreuung umfassten Aufgabenkreis zu begründen (Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2017 - XII ZB 222/17 - FamRZ 2018, 55 Rn. 11 mwN).
Die vom Tatrichter vorgenommene Beurteilung der Eignung einer Person als Betreuer kann gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 FamFG im Rechtsbeschwerdeverfahren nur auf Rechtsfehler überprüft werden. Sie ist rechtlich fehlerhaft, wenn der Tatrichter den unbestimmten Rechtsbegriff der Eignung verkennt, relevante Umstände in unvertretbarer Weise bewertet oder bei der Subsumtion wesentliche Umstände unberücksichtigt lässt (Senatsbeschluss vom 8. November 2017 - XII ZB 90/17 - FamRZ 2018, 206 Rn. 13 mwN).
bb) Gemessen hieran ist die vom Landgericht getroffene Entscheidung nicht zu beanstanden.
Nach den getroffenen Feststellungen hat die Betroffene bei ihrer Anhörung im Beschwerdeverfahren und auch gegenüber dem bisherigen Betreuer mehrfach den Wunsch geäußert, dass sich ihre Tochter, die Beteiligte zu 4, um alles kümmern solle. Dass das Landgericht diese Äußerungen der Betroffenen als einen nach § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB bindenden Vorschlag zur Person des Betreuers gewertet hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Auch die Rechtsbeschwerde erinnert hiergegen nichts.
Umstände, aus denen sich schließen ließe, dass die Bestellung der Beteiligten zu 4 zur Betreuerin dem Wohl der Betroffenen zuwiderliefe, ergeben sich aus den getroffenen Feststellungen nicht. Solche werden auch von der Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt. Allein die Tatsache, dass die Tochter der Betroffenen und ihre Enkelinnen zerstritten sind, begründet noch nicht die konkrete Gefahr, die Beteiligte zu 4 werde die Betreuung der Betroffenen nicht zu deren Wohl ausüben.
3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).




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