Mittwoch, 4. Juli 2018

Schriftform bei einer wesentlichen Mietvertragsänderung (hier: Zustimmung zur Erhöhung der Miete)


Einer der Sreitpunkte in dem Verfahren war gewesen, ob das Mietverhältnis üner Büroräume, welches mit Vertrag vom 04.09.2006 abgeschlossen wurde und dort fest bis zum 31.12.2017 vereinbart wurde, durch die beklagten Mieter, zwei Rechtsanwälten, mit Schreiben vom 12.02.2014 (einer fristlosen Kündigung) jedenfalls ordentlich vor dem 31.12.2017 gekündigt werden konnte. Vor dieser Kündigung der Beklagten hatte die klagende Vermieterin mit Schreiben vom 27.12.2012 unter Berufung auf eine vertraglich vereinbarte Indexklausel  die Beklagten darum gebeten, die monatliche Grundmiete ab dem 01.04.2013 auf € 2.273,60 anzupassen. Dem kamen die Beklagten (durch Zahlung) nach.

Das Oberlandesgericht hatte die von den Beklagten als fristlose Kündigung ausgesprochene Kündigung gem. § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung umgedeutet. Das, so der BGH, sei nicht zu beanstanden. Zwar könne auf Grund der unterschiedlichen Rechtsfolgen eine solche Umdeutung nicht stets vorgenommen werden, fehlt es wie hier an einen Kündigungsgrund für eine fristlose Kündigung. Sei allerdings für den Erklärungsempfänger unmissverständlich klar, dass der Erklärende auf jeden Fall zum nächstmöglichen Termin das Vertragsverhältnis beenden wolle, sei die Umdeutung möglich. Vorliegend hätte den beklagten die Räume bereits aufgegeben und seien umgezogen gewesen, eine Untervermietung für den Rest der Vertragslaufzeit nicht absehbar gewesen und zudem hätte die Beklagten ihren Beendigungswillen bei den Vertragsverhandlungen auch klar zum Ausdruck gebracht.

Der ordentlichen Kündigung hätte damit nur noch die Vertragslaufzeitvereinbarung im Vertrag vom ß4.09.2006 entgegengestanden. Allerdings kam hier den beklagten zugute, dass es bei Mietverträgen zwingend der Schriftform bedarf, wenn dieser über eine Laufzeit von mehr als einem Jahr geschlossen wird. An dieser Schriftform ermangelte es hier.

Die Mieterhöhung vom 27.12.2017 habe, so der BGH, nicht dem Schriftformerfordernis des § 550 S. 1 BGB genügt (anwendbar auf gewerberäume gem. § 578 BGB). Die dort geforderte Schriftform sei nur gewahrt, wenn sich die Einigung der Parteien zu den wesentlichen Bedingungen, mithin zu Mietgegenstand, Miete sowie Dauer und Parteien des Mietverhältnisses aus einer von den Parteien unterschriebenen Urkunde oder aus gleichlautenden, jeweils von einer Partei unterzeichneten Urkunde ergäbe. Nicht der Schriftform bedürften lediglich untergeordnete Punkte der Einigung. Diese Regelung zum Ursprungsvertrag gelte auch für Vertragsänderungen, wenn sie – wie die Miete, wenn die Änderung für mehr als ein Jahr erfolge und nicht vom Vermieter jederzeit widerrufen werden könne  – von wesentlicher Bedeutung seien. Die Wesentlichkeit der Miete ergäbe sich daraus, dass sie sich auf einen Zahlungsverzug auswirke und damit auf die Kündigunsgmöglichkeit durch den Vermieter (BGH, Urteil vom 27.09.2017 - XII ZR 114/16 -).  Diese Schriftform sei bei der Änderung der Miete nicht eingehalten. Es käme nicht darauf an, dass der Vermieter von einem vertraglich vorgesehenen Recht zum einseitigen Leistungsbestimmungsrecht Gebrauch gemacht habe, sondern darauf, dass durch die Zahlung der Beklagten konkludent eine vertragliche Vereinbarung der Parteien zustande gekommen sei. Vorliegend war im Mietvertrag bestimmt, dass jede Vertragspartei eine Abänderung der Miete bei einer bestimmten Änderung des Index verlangen könne und, wenn sich die Parteien nicht auf eine Miete einigen würden, dass die IHK einen Sachverständigen bestimmen solle, der die Miete bindend feststellen solle.

In diesem Zusammenhang weist der BGH darauf hin, dass bei Regelungen im Mietvertrag, die direkt eine Änderung bewirken würden, im Hinblick auf diese Änderung nicht ein gesondertes Schriftformerfordernis gelten würde. Die dadurch bedingte Änderung sei nicht laufzeitschädlich. Dies sei z.B. der Fall bei Ausübung eines Optionsrechts zur Vertragsverlängerung, einseitige Anpassung von Nebenkostenvorauszahlungen und auch in den Fällen, in denen eine Mietanpassung bei Änderung des Index führe, wenn die Klausel selbst dem Schriftformerfordernis genüge.

Hier aber habe keine Automatik der Anpassung bestanden. Danach habe jede Vertragspartei nur eine Änderung der Miete bei einer bestimmten Indexänderung verlangen können, über deren Höhe es einer zusätzlichen Einigung bedurfte. Diese Einigung aber unterfalle dem Schriftformerfordernis, welches mit der konkludenten Zustimmung qua Zahlung nicht erfüllt sei.

Da damit dem Schriftformerfordernis nicht (mehr) genügt war, führte die als ordentliche Kündigung zu wertende fristlose Kündigung der Beklagten zur Vertragsbeendigung innerhalb der für die ordentliche Kündigung vorgesehenen Frist.

Die im Vertrag enthaltene Scriftformheilungsklausel sei unwirksam und die Klägerin könne sich deshalb nicht auf diese berufen (dazu auch BGH, Urteil vom 27.09.2017 - XII ZR 114/16 -).

BGH, Urteil vom 11.04.2018 - XII ZR 43/17 -

Montag, 2. Juli 2018

Übergang von Beklagten zur Nebenintervention nach Streitverkündung und Rechtsmittel des Streithelfers


Die Beklagte zu 2. wurde von der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Arbeitsgericht unter der Bedingung einer Erfolglosigkeit ihrer gegen die Beklagte zu 1. erhobenen Klage in Anspruch genommen. Das Arbeitsgericht entscheid die Klage gegen die Beklagte zu 2. nicht (und nach Verkündung und Zustellung des Urteils wurde von keiner der Parteien ein Urteilsergänzungsantrag gestellt). Sie verkündete allerdings der (ehemaligen) Beklagten zu 2. im Berufungsverfahren den Streit und die (ehemalige) Beklagte zu 2. trat dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin bei. Das Landesarbeitsgericht wies die Klage gegen die Beklagte zu 1. nach mündlicher Verhandlung, zu der die ehemalige Beklagte zu 2. und zwischenzeitliche Streithelferin der Klägerin nicht geladen wurde, ab. Dagegen erhob die Beklagte zu 2. als Streithelferin der Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde. Die war zulässig und begründet.


Die Streitverkündung sei wirksam, insbesondere die Beklagte zu 2. „Dritter“ iSv. § 72 ZPO. Zwar wurde die Beklagte zu 2. Partei des erstinstanzlichen Verfahrens; die gegen sie erhobene Klage sei aber unzulässig gewesen, da die Klägerin die Beklagte zu 2. nicht unbedingt sondern unzulässig unter einer Bedingung (nämlich für den Fall der Erfolglosigkeit ihrer Klage gegen die Beklagte zu 1.) in Anspruch genommen habe (unzulässige eventuelle subjektive Klagehäufung, BAG vom 23.01.2010 - 2 AZR 720/08 -). Auch wenn durch eine unzulässige Klage ein Prozessrechtsverhältnis begründet würde, sei dieses allerdings nach dem erstinstanzlichen Urteil mangels Antrages auf Urteilsergänzung nach § 321 ZPO nach Ablauf der dafür bestimmten Frist des § 321 Abs. 2 ZPO  entfallen und sei die Beklagte zu 2.  damit Dritter. 

Damit habe die Beklagte zu 2. als Streithelferin der Klägerin zulässig das Rechtsmittel (hier der Nichtzulassungsbeschwerde) eingelegt, auch wenn die Klägerin von diesem Rechtsmittel keinen Gebrauch gemacht habe. Das Rechtmittel des Streithelfers (Nebenintervenienten) sei stets ein Rechtsmittel der Hauptpartei, weshalb sich die Beschwer auch nach dessen Beschwer und nicht nach einer Beschwer des Streithelfers richten würde.

Vorliegend läge der absolute Revisionsgrund des § 547 Nr. 4 ZPO vor, der auch als besondere Ausprägung der Versagung rechtlichen Gehörs die Nichtladung zur mündlichen Verhandlung beinhalte, weshalb weder die Partei noch deren gesetzlicher Vertreter hätten  teilnehmen können. Zwar habe die Beklagte nicht als Partei geladen werden müssen, da ihre Parteistellung mit Ablauf der Frist des § 321 Abs. 2 beendet worden sei; allerdings habe die Beklagte zu 2. im Berufungsverfahren die Stellung einer Nebenintervenientin gehabt und wäre damit iSv. § 547 Nr. 4 ZPÜO als „Partei“ zu behandeln gewesen.

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts wurde aufgehoben und der Rechtsstreit dorthin zurückverwiesen.

BAG, Beschluss vom 26.05.2018 - 8 AZN 974/17 -

Sonntag, 1. Juli 2018

Vereinbarung einer förmlichen Abnahme vs. konkludente Abnahme und fehlende Abnahmefähigkeit bei fehlender notwendiger Dokumentation


In dem Bauwerkvertrag zwischen den Parteien wurde ausdrücklich unter Bezugnahme auf § 12 VOB/B eine förmliche Abnahme des Werks (Errichtung einer Heizungsanlage in einer Kindertagesstätte) durch die Parteien des Rechtstreits vereinbart.  Mit ihrer Klage macht die Klägerin Werklohnansprüche aus einer von ihr erstellten Schlussrechnung geltend. Streitig ist zwischen den Parteien (jedenfalls im Berufungsverfahren), ob die Beklagte eine förmliche Abnahme begehrt habe (vom Landgericht als unstreitig im Tatbestand aufgenommen) oder ob trotz der im Werkvertrag ausdrücklich vorgesehenen förmlichen Abnahme auch eine konkludente Abnahme durch Ingebrauchnahme erfolgen kann. Das Landgericht wies die Klage ab. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Die Beklagte soll die Klägerin (Werkunternehmerin) aufgefordert, einen förmlichen Abnahmetermin zu vereinbaren. Dieser  sei dann für Oktober 2014 vereinbart worden, von der Klägerin aber nicht wahrgenommen worden; diesen sich aus dem Tatbestand der landegerichtlichen Entscheidung sich ergebenden Umstand nahm das OLG als unstreitig an, da ein Tatbestandsberichtigungsantrag klägerseits nicht erfolgte.. Demgegenüber macht die Klägerin, die ihren Werklohnanspruch einklagt, geltend. Zwar würde von der Klägerin vorgetragen, eine Abnahme habe durch Ingebrauchnahme stattgefunden, die Beklagte habe 3 Tage nach Erhalt der Schlussrechnung eine förmliche Abnahme angemahnt, würde dieser Vortrag nach Ansicht des OLG nicht greifen. Nach § 12 Abs. 5 Nr. 2 S. 1 VOB/B 2009 gelte eine Abnahme nach Ablauf von 6 Werktagen nach Beginn der Benutzung als erfolgt, wenn keine Abnahme verlangt würde. Da allerdings (von der Klägerin nicht mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag angegriffen und damit der Entscheidung zugrunde zu legen, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO)das Landgericht ein förmliches Abnahmeverlangen tatbestandlich als unstreitig festgestellt habe, seien die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 12 Abs. 5 Nr. 2 S. 1 VOB/B 2009 nicht erfüllt.  

Auch habe das Landgericht, so das OLG, zutreffend eine konkludente Abnahme der Beklagten negiert. Eine solche konkludente Abnahme durch Inbetriebnahme sei ausgeschlossen, wenn wie hier eine förmliche Abnahme ausdrücklich vorgesehen sei.

So sei hier auch nicht der Vorwurf der Klägerin gerechtfertigt, die Beklagte habe eine förmliche Abnahme in unbilliger Weise verzögert, weshalb ihr die Berufung auf eine förmliche Abnahme nach § 242 BGB verwehrt sei. So habe die Klägerin mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 30.05.2017 die Beklagte aufgefordert, mit ihr einen Abnahmetermin zu vereinbaren, ohne dabei allerdings einen konkreten Termin anzubieten.  Der Projektleiter der Beklagten habe darauf zwar erst mit Mail vom 20.07.2017 reagiert, allerdings darin um Bestätigung eines förmlicher Abnahmetermins zum 02.08-. 09.08. oder 16.08.2017 ersucht. Hierauf habe die Klägerin nicht mehr reagiert. Erfolglos vertrete diesbezüglich die Klägerin die Ansicht, es habe nicht ihr oblegen, einen konkreten Abnahmetermin zu bestimmen. Nachdem die Beklagte mehrere Termine zur Auswahl gestellt habe, sei es ihre Pflicht gewesen zu reagieren und mit der Beklagten einen konkreten Termin zu vereinbaren; stattdessen habe sie keinen der angebotenen Termine wahrgenommen. Die Beklagte musste mangels Reaktion der Klägerin keine weiteren Termine vorschlagen; das Verhalten der Klägerin war treuwidrig gewesen.

Auch der Hilfsantrag der Klägerin sei, so das OLG, vom Landgericht zutreffend zurückgewiesen worden. Mit dem auch im berufungsverfahren verfolgten Hilfsantrag begehrte die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Abnahme. Der Auftragnehmer könne den Auftragnehmer nur dann erfolgreich auf Abnahme verklagen, wenn der Auftragnehmer aus seiner (des Auftragnehmers) Sicht zu Unrecht die Abnahme verweigern würde; dabei müsse nicht notwendig zugleich auf Zahlung geklagt werden. Zu Recht habe das Landgericht darauf hingewiesen, dass die Klägerin selbst die verlangte förmliche Abnahme verweigert habe und zudem auch erhebliche Mängel vorlägen, die einer Abnahme entgegen stünden.

So sei die Klägerin nicht der Würdigung des Landgerichts entgegengetreten, wonach erforderliche und mitzuliefernde Dokumentationen, die für den Betrieb und die Instandhaltung der Anlage erforderlich seien, nicht mitgeliefert worden seien, Bezeichnungsschilder nicht angebracht worden seien, in Bestandsplänen und -zeichnungen die Leitungsführung falsch dargestellt worden seien pp. Das OLG schloss sich der Ansicht des Landgerichts an, dass diese Umstände bereits einer Abnahme entgegen stehen würden.

Die Berufung wurde in der Folge zurückgewiesen (Urteil vom 23.04.2018).

Anmerkung: Der Entscheidung ist zuzustimmen.
Wird ausdrücklich eine förmliche Abnahme vereinbart, scheidet eine formlose (d.h. konkludente) Abnahme aus.

Soweit wohl während des Rechtstreits ein Abnahmeverlangen durch den Werkunternehmer erfolgte, benannte dieser keinen Abnahmetermin. Auf die Angebote des Auftraggebers ging er nicht ein. Damit hatte der Auftraggeber auch nicht eine Abnahme treuwidrig verhindert, unabhängig davon, ob nun in einem Abnahmetermin ausdrücklich die Nichtabnahme wegen fehlender Abnahmefähigkeit erklärt wird.

Die Zahlungsklage war daher abzuweisen, da nach § 641 BGB die Abnahme nach § 640 BGB Fälligkeitsvoraussetzung ist.

Da der Werkunternehmer einen förmlichen Abnahmetermin selbst verhinderte, ein solcher nicht von dem Auftraggeber verweigert wurde, bestand bereits kein Rechtsschutzbedürfnis für den Hilfsantrag, mit dem die Klägerin die Beklagte zur Abnahme verurteilt wissen wollte. Zudem standen dem wesentliche Einwende des Auftragnehmers (so die fehlende Dokumentation und Fehler in Plänen) entgegen, die nach richtiger Auffassung die Abnahmefähigkeit, mit der bestätigt wird, dass das Werk im Wesentlichen mängelfrei ist, hindern.

OLG Koblenz, Hinweisschluss vom 01.03.2018  -  1 U 1011/17 -

Freitag, 29. Juni 2018

Eigenbedarfskündigung: Beweislast und Härtegründe nach § 574 BGB


Das Amtsgericht hat die Eigenbedarfskündigung des Klägers als gerechtfertigt angesehen und die Beklagten zur Räumung verurteilt. Auf die Berufung hat das Landgericht das Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Im Rahmen der Entscheidung setzte sich das Landgericht mit der Frage der Beweislastverteilung bei einer Eigenbedarfskündigung und den von den beklagten Mietern erhobenen Einwendungen gesundheitlicher Gründe sowie fehlender Möglichkeit zur Beschaffung angemessenen Ersatzwohnraums auseinander. Auf einen weitere Kündigungsgründe des Klägers, der vom Amtsgericht als unwirksam angesehen wurde, ist das Landgericht mangels einer Anschlussberufung des Klägers nicht eingegangen.

Beginnen wir mit Nichtbeachtung eines offenbar vom Kläger erstinstanzlich geltend gemachten weiteren Kündigungsgrundes neben der Eigenbedarfskündigung. Hier ist die Entscheidung ersichtlich rechtsfehlerhaft und stellt sich als Verstoß gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs und des Rechtsstaatsprinzips dar. Eine Berufung gegen ein Urteil ist nur der (teilweise) unterlegenen Partei möglich. Vorliegend war aber der Kläger erstinstanzlich nicht unterlegen sondern drang auf der Grundlage der Eigenbedarfskündigung mit seinem Räumungsklage durch. Eine Berufung ist grundsätzlich unzulässig, mit der lediglich der Grund des Anspruch, der erstinstanzlich angenommen wurde, angefochten werden soll, ohne dass sich vom Ergebnis etwas ändert (fehlende notwendige Beschwer). Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich die geltend gemachten Ansprüche nicht in einer Stufenfolge geltend gemacht wurden und mithin mit der Versagung einer Stufe ein weiterer materieller Anspruch untergehen würde, was bei einer auf Räumung zielenden Klage, der stattgegeben wird, nicht der Fall ist. Von daher hätte hier auch das Landgericht den offenbar vom Kläger erhobenen Einwand gegen die Annahme einer Unwirksamkeit einer weiteren Kündigung beachten müssen.

Das Landgericht weist zum vom Amtsgericht bejahten Eigenbedarf (zutreffend) darauf hin, dass das Amtsgericht hier Einreden der Beklagten, so vorgerichtliche Äußerungen des Klägers zur beabsichtigten künftigen Nutzung der Wohnung, übergangen habe. Es hätte daher hier den klägerseits offenbar angebotenen Beweis für einen Eigenbedarf erheben müssen, da die auf Eigenbedarf gerichtete Klage abzuweisen sei, wenn dem Kläger nicht der Nachweis des Eigenbedarfs gelinge.

Vorsorglich geht das Landgericht auch auf die weiteren Einwendungen der Beklagten ein.

Das Amtsgericht habe eine besondere Härte der Kündigung gem. § 574 BGB in Ansehung von gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Beklagten allein wegen einer derzeitigen „Umzugsfähigkeit“ bejaht. Es habe verkannt, dass fpür die Bejahung des § 574 Abs. 1 BGB due Nachteile des Mieters nicht mit absoluter Sicherheit feststehen müssten, sondern die ernsthafte Gefahr ihres Eintretens ausreichend sei (vgl. dazu auch BGH vom 16.10.2013 - VIII ZR 57/13 -). Damit habe sich das Amtsgericht nicht auseinandergesetzt.

Ferner ahbe das Amtsgericht zu dem weiteren zwischen den Parteien streitigen Härtegrund gem. § 574 Abs. 2 BGB keine Stellung bezogen und Feststellungen getroffen, demzufolge die Beklagten keinen angemessenen Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen finden könnten, wobei für die Frage der Angemessenheit nicht nur auf Alter und Krankheit des Mieters abzustellen sei, sondern auch von einer dadurch bedingten Nähe zu bestimmten Angehörigen. Bei den Feststellungen zu § 574 Abs. 2 BGB sei auch zu erwägen, on dem Mieter deshalb Beweiserleichterungen zugute kommen würden, da nach der Mietenbegrenzungsverordnung des Senats der Stadt Berlin vom 28.04.2915 eine ausreichende Versorgung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet sei. Zu der letzteren Erwägung ist festzuhalten, dass die hier entscheidende Kammer in einem späteren Urteil vom 12.04.2018 - 67 S 328/17 - die Verordnung als rechtswidrig eingestuft hat, weshalb sich die Frage stellt, ob mithin auf eine solche Verordnung zum Zwecke einer Beweiserleichterung für einen Mieter auch dann abgestellt werden kann, wenn diese unwirksam ist.

LG Berlin, Urteil vom 25.01.2018 - 67 S 272/17 -

Donnerstag, 28. Juni 2018

Kostenaufhebung oder –teilung, wenn nur eine Partei anwaltlich vertreten ist ?


Vor dem Amtsgericht können sich Parteien auch ohne anwaltlichen Beistand selbst vertreten.  Davon wird häufig Gebrauch gemacht, sei es, dass die Kosten eines Anwalts gespart werden sollen, sei es aus anderen Gründen (z.B. eigene Rechtskenntnisse). Ist eine Partei anwaltlich vertreten, die andere Partei nicht und wird dem Kläger nur die Hälfte von dem zugesprochen, was er mit seiner Klage begehrt, stellt sich die Frage, ob hier die Kosten gegeneinander aufgehoben werden sollen (jeder trägt seine eigenen außergerichtlichen Kosten, die anwaltlich vertretene Partei also die eigenen Anwaltskosten) oder die Kosten zu je 50% gequotelt werden sollen (was dazu führt, dass sich die nicht anwaltlich vertretene Partei an den Anwaltskosten der anwaltlich vertretenen Partei zu 50% zu beteiligen hätte). In beiden Fällen werden die Gerichtskosten zu je 50% geteilt.  

Das LG Köln hat nun in einem Beschwerdeverfahren entschieden, dass in diesen Fällen keine Kostenaufhebung auszusprechen ist, sondern eine Quotelung. Damit weicht das LG von teilweise in der Literatur und Rechtsprechung vertretener Ansicht ab, nach der eine Kostenaufhebung auszusprechen sei, da die nicht anwaltlich vertretene Partei letztlich dafür bestraft würde, dass sie keinen Anwalt beauftragt habe.

Ausgangspunkt der Überlegung des LG ist § 92 ZPO. Danach sind die Kosten des Verfahrens entweder gegeneinander aufzuheben oder nach der Gewinn- und Verlustquote zu teilen. Die Kostenquotelung, so das LG, stelle aber keine Bestrafung der „sparsamen“, auf einen Anwalt verzichtenden Partei dar, da sie auch der nicht anwaltlich obsiegenden Partei insoweit zum Vorteil gereiche, als sie von den insgesamt niedrigeren Prozesskosten profitiere.  Ein solches Ergebnis entspräche dem Ziel des § 92 ZPO. Die gegenteilige Ansicht würde systemwidrig die unabhängigen Aspekte der Kosten einerseits und der Kostentragungspflicht andererseits vermischen. Die Möglichkeit der Kostenaufhebung dürfte nach Ansicht des LG nur bezwecken, in signifikanten Fällen das Kostenfestsetzungsverfahren zu erleichtern indem Rechtsfrieden ohne mögliche Streitpunkte über einzelne Kostenpositionen schneller eintritt.

Bei der Kostenaufhebung in diesen Fällen, in denen nur eine Partei anwaltlich vertreten würde, würde diese letztlich für ihre Anwaltsbeauftragung bestraft werden, obwohl jedre Partei eine anwaltliche Vertretung zustehen würde. Es könne nicht dme Zufall überlassen werden, ob die gegnerische Partei ebenfalls anwaltlich vertreten sei, zumal einer juristisch unbewanderten Person dadurch der Weg zu einem Anwalt verbaut werden könnte und dies der verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsschutzgleichheit zuwiderlaufen würde (LG Oldenburg, Urteil vom 29.09.2011 - 1 S 189/11 -).

Im übrigen könnte die Lösung der Kostenaufhebung zu widersprüchlichen Ergebnissen führen, insoweit die anwaltlich vertretene Partei bei einem Obsiegen zu nur 40% wirtschaftlich besser stehen könnte als bei einem Obsiegen mit 50%. Derartige unbillige Ergebnisse könnten ohne Verstoß gegen den Wortlaut des § 92 ZPO oder Systembrüche durch die Lösung einer Kostenaufhebung nicht verhindert werden.  

LG Köln, Beschluss vom 01.02.2018 - 11 T 97/17 -

Zahlung an eigenen Anwalt hindert Anspruch gegen den Rechtsschutzversicherer ?


Sachverhalt: Der Kläger, Versicherungsnehmer der beklagten Rechtschutzversicherung, hatte Kostendeckung für eine außergerichtliche anwaltliche  Interessenswahrnehmung zur Geltendmachung  von Schadensersatzansprüchen wegen Betruges pp.  im Zusammenhang mit Anlagegeschäften gegen diverse Dritte durch seinen Anwalt 2006 eingeholt und erhalten.  In 2011 wurde vom Kläger über seine Anwälte zusätzlich Deckungsschutz in diesem Zusammenhang für Ansprüche gegen drei Wirtschaftsprüfungsunternehmen eingefordert. Die Beklagte teilte den Anwälten mit, dass sie bereits umfassend Deckungsschutz gewährt habe, weshalb gebührenrechtlich nur eine Angelegenheit vorläge. Dieses Schreiben übermittelte die Rechtschutz an den Kläger und führt diesem gegenüber ergänzend mit „ganz wichtig“ aus, dass es zu ihren Aufgaben gehöre, den Kläger als ihren Versicherungsnehmer von Ansprüchen des Anwalts freizustellen mit der ergänzenden Bitte, sie sofort zu unterrichten, sollten Gebühren für die Geltendmachung von  Ansprüche gegen die drei Wirtschaftsprüfungsunternehmen in Rechnung gestellt werden. Im August 2012 stellten die Anwälte dem Kläger ihre Tätigkeit gegen die drei Wirtschaftsprüfungsunternehmen als Gebührenvorschuss in Rechnung. Die Rechnung überließen sie der Beklagten und forderten Freistellung des Klägers auf. Die Zahlung lehnte die Beklagte ab und verwies darauf, dass sie den Kläger umfassend für die Geltendmachung berechtigter und Abwehr unberechtigter Ansprüche freigestellt habe. Nunmehr berechneten die Anwälte gegenüber dem Kläger ihre Vertretung in einem (schon vorher von der Rechtsschutzversicherung als unnötig benannten) Güteverfahren und für sonstige außergerichtliche Tätigkeit. Der Kläger erhob zunächst Klage auf Freistellung gegen die Beklagte, die vom Landgericht abgewiesen wurde. Während des Berufungsverfahrens zahlte der Kläger die Gebührenrechnung für das Güteverfahren und stellte den Antrag auf Zahlung dieser Gebühren an sich um. Die Berufung wurde zurückgewiesen. Das OLG ließ die Revision gegen seine Entscheidung zu.


Entscheidungsgründe: Der Rechtsschutzversicherer verspreche üblicherweise nicht Zahlung, sondern Freistellung seines Versicherungsnehmers (VN) von der anwaltlichen Gebührenforderung. Ihm bleibe es überlassen, wie er diese Freistellung herbeiführe, insbesondere als, ob er sie zahlt und damit erfüllt oder ob er sie als unberechtigt abwehrt. Dies entspräche demjenigen in der Haftpflichtversicherung. Dort wie in der Rechtsschutzversicherung wandle sich der Freistellungsanspruch nur unter bestimmten Umständen in einen Zahlungsanspruch um. Alleine durch die Zusage einer Abwehrdeckung sei allerdings (anders als es das OLG sah) sei der Freistellungsanspruch allerdings noch nicht erloschen. Der Zusage  komme nicht die Wirkung des § 362 Abs. 1 BGB zu, das geschuldete Ergebnis der Befreiung von einer Verbindlichkeit damit noch nicht eingetreten sei. Mit seiner Zusage zur Abwehrdeckung, wie hier erfolgt, komme der Versicherer dem zu dieser Zeit Erforderlichen nach, weshalb eine Deckungsklage (wie erstinstanzlich erhoben) als (derzeit) unbegründet abzuweisen sei. Die Deckungszusage habe vorgelegen. Streitig wäre nur, ob ein gebührenrechtlicher Anspruch in der benannten Höhe für die berechneten Tätigkeiten bestünde. Da der VN weiterhin der Gefahr der Geltendmachung der gebühren durch die Anwälte ausgesetzt sei, habe der Versicherer den VN gegen die Gebührenforderung zu verteidigen und im Falle des Unterliegens die dadurch verursachten Kosten zu tragen.

Eine Umwandlung des Freistellungs- in einen Zahlungsanspruch finde grundsätzlich erst statt, wenn der VN die Gebührenforderung erfüllt habe. Das sei allerdings nicht der Fall, wenn der Versicherer die Forderung als ungerechtfertigt ansähe und Abwehrdeckung gewähre. Dann müsse zunächst eine Abwehr gegen den Anspruch erfolgen; misslinge dies und wird der Anspruch tituliert, könne der VN durch Zahlung an den Anwalt die Umwandlung des Freistellungs- in einen Zahlungsanspruch bewirken; die Kosten des Verfahrens seien von dem Rechtsschutzversicherer zu tragen. Vorliegend habe der VN das Ergebnis eines Abwehrversuchs abzuwarten, wolle er seinen Befreiungsanspruch gegen den Rechtsschutzversicherer nicht verlieren.  

Dies widerspräche auch nicht Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 87/344/EWG vom 22.06.1987,  da durch diese Regelung die Interessen des VN bei einem Streit ob und in welcher Höhe gebührenasprüche des Anwalts berechtigt seien,  nicht unangemessen beeinträchtigt seien.

Die Revision wurde zurückgewiesen.

BGH, Urteil vom 11.04.2018 - IV ZR 215/16 -

Mittwoch, 27. Juni 2018

Nebenkosten und Abrechnungsfrist des § 556 Abs. 3 BGB gegenüber dem dinglichen Wohnungsberechtigten


Die Klägerin erwarb 2006 eine Eigentumswohnung und räumte dem beklagten an dieser ein lebenslängliches Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht (dingliches Nutzungsrecht) ein. Der Beklagte war verpflichtet, die auf den Mieter umlegbaren Betriebskosten (Nebenkosten) für die Wohnung zu tragen, so insbes. die Kosten für Wasser, Abwasser, Heizung, Strom, Versicherung und Grundsteuer. Vorauszahlungen darauf waren nicht geschuldet. Für 2010 erstellte die Klägerin am 22.12.2014 die Nebenkostenabrechnung und machte diese gerichtlich geltend. Die Klage wurde vom Amts- und Landgericht abgewiesen; auch die zugelassene Revision wurde vom BGH zurückgewiesen.

Nach Ansicht des BGH hat das Landgericht rechtsfehlerfrei auf die Abrechnung des Eigentümers gegenüber dem dinglich Nutzungsberechtigten die Regelung aus dem Mietrecht nach § 556 Abs. 3 BGB entsprechend angewandt. Nach dieser Regelung hat der Vermieter gegenüber dem Mieter von Wohnraum die Vorauszahlungen auf Betriebskosten binnen zwölf Monaten nach Ablauf der Abrechnungsperiode (die maximal 12 Kalendermonate betragen darf) vorzunehmen. Dementsprechend habe der Senat bereits entscheiden, dass die Abrechnung des Eigentümers gegenüber dem dinglich Nutzungsberechtigten auch innerhalb dieser Frist zu erfolgen habe (Urteil vom 25.09.2009 - V ZR 36/09 -).  Noch nicht entschieden sei, wie es sich verhält, wenn (wie vorliegend) der dinglich Nutzungsberechtigte keine Vorauszahlungen zu leisten habe. Dies sei umstritten, doch würde sich der Senat der Ansicht anschließen, die auch in diesem Fall § 556 Abs. 3 BGB entsprechend anwenden will.

Das Gesetz enthalte hier eine planwidrige Regelungslücke, soweit es nicht berücksichtigt, dass nicht notwendig vereinbart werden müsse, dass auf Nebenkosten Vorauszahlungen zu leisten sind. Ersichtlich sei der Gesetzgeber nur davon ausgegangen, dass entweder eine Pauschale (ohne Abrechnung) vereinbart würde, oder Vorauszahlungen, über die abzurechnen sei (und für die der Vermieter nach Ablauf der Abrechnungsfrist keine Nachforderung mehr geltend machen könne). Eine Regelungsbedürftigkeit der fristgebundenen Abrechnung ohne Vorauszahlungen sei als nicht notwendig angesehen worden, da dies unüblich sei. Diese Lücke sei für das dingliche Wohnungsrecht (welches der Gesetzgeber auch nicht bedacht hat und wegen dem auch eine Regelungslücke vorliegt) durch eine entsprechende Anwendung des § 556 Abs. 3 S. 2 und 3 BGB zu schließen. Ziel der Fristgebundenheit der Abrechnung sei, durch eine zeitnahe Abrechnung dem Mieter Abrechnungssicherheit zu geben und Streit zu vermeiden (BT-Drucks. 14/4533 S. 37; Urteil des BGH vom 05.07.2006 - VIII 220/05 -). Dies rechtfertige die Anwendung der Norm auch für den dinglichen Wohnungsberechtigten.

Auch wenn dieser mangels Vorauszahlungen kein Guthaben haben könne, müsse er damit rechnen, dass Forderungen auf ihn zukommen würden. Von daher habe er ein berechtigtes Interesse daran, nach Ablauf des Abrechnungszeitraums Klarheit über die Höhe der Betriebskosten zu erlangen, zumal sich über mehrere Abrechnungszeiträume hinweg hohe Forderungen gegen ihn ansammeln könnten. Denn für die Verjährung des Anspruchs auf Nachzahlung sei der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem dem Wohnungsberechtigten die Abrechnung zugehen würde, § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB.

BGH, Urteil vom 16.03.2018 - V ZR 16/17 -