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Samstag, 3. August 2024

Sind Kosten der Bauteilöffnung Gerichts- oder Parteikosten ?

Der Kläger machte einen Kostenvorschuss zur Beseitigung von Mängeln an von der Beklagten verlegten Fliesen geltend, bei denen sich nach der Abnahme Risse zeigten. Da die Beklagte eine Ursächlichkeit dafür bestritten hatte, holte das Gericht ein Sachverständigengutachten zur Feststellung der Ursächlichkeit der Risse ein, der eine Bauteilöffnung vornahm. Die Bauteilöffnung und -schließung ließ der Sachverständige durch ein von ihm beauftragtes Unternehmen vornehmen und gab dem Kläger auf, das Fliesenmaterial zur Verfügung zu stellen; der Kläger hatte zudem erklärt, den Sachverständigen nicht mit den Fliesenarbeiten nach der Bauteilöffnung beauftragen zu wollen. Ohne Berechnung er Fliesen rechnete der Sachverständige seine Kosten einschließlich der Kosten der Bauteilöffnung und -schließung gegenüber dem Gericht ab. Im weiteren Verfahren schlossen die Parteien einen Vergleich, in dem sich die Beklagte verpflichtetem die Gerichtskosten zu tragen, im Übrigen die Kosten gegeneinander aufgehoben werden sollten. Im Kostenfestsetzungsverfahren beantragte der Kläger die Festsetzung der von ihm bevorschussten Gerichtskosten einschließlich Kosten des Sachverständigen und machte zusätzlich auch die von ihm gezahlten Kosten für die für die zerstörten Fliesen aufzuwendenden Kosten für die bei der Bauteilöffnung zerstörten Fliesen und deren Lieferung und Einsetzung geltend. Die Festsetzung der geltend gemachten Kosten für die Fliesen und Einsetzung wurden nicht mit festgesetzt, da es sich nicht um Gerichtskosten handele. Die vom Kläger insoweit eingelegte sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss wurde zurückgewiesen.

Nach der Kostenregelung im Vergleich wurden die Gerichtskosten der Beklagten alleine auferlegt, die übrigen Kosten gegeneinander aufgehoben. Zwar sieht § 92 Abs. 1 S. 2 ZPO für eine sogen. Kostenaufhebung vo4r, dass die Gerichtskosten von den zwei Parteien je zur Hälfte zu tragen sind und im Übrigen eine Kostenerstattung nicht stattfindet, so dass jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen muss. Zwar, so das OLG, hätten die Parteien abweichend von § 92 Abs. 1 S. 2 ZPO vereinbart, dass die Gerichtskosten nur von der Beklagten auszugleichen sind, also den Kläger nicht belasten. Im Übrigen aber, so im Hinblick auf die die außergerichtlich von den Parteien aufgewandten Kosten, würde es hier bei der Kotenaufhebung verbleiben, weshalb jede Partei ihre eigenen außergerichtlichen Kosten zu tragen habe.  

Daher stellte sich hier die Frage, ob es sich bei den von dem Kläger aufgewandten Kosten zur Beseitigung der Folgen der Bauteilöffnung um Gerichtskosten oder Parteikosten handelt. Das OLG sah in ihnen Parteikosten des Klägers, weshalb er keinen Erstattungsanspruch habe.

Dabei stellte das OLG darauf ab, dass bei der Auslegung der Kostenregelungen zu berücksichtigen sei, dass das Kostenfestsetzungsverfahren auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und auf die Klärung „einfacher Fragen“ des Kostenrechts zugeschnitten sei. Komplizierte materiell-rechtliche Fragen seien in diesem Verfahren nicht vorgesehen und auch mangels der notwendigen verfahrensrechtlichen Instrumente auch nicht sinnvoll möglich (BGH, Beschluss vom 14.05.2014 - XII ZB 539/11 -).  Es müsse daher eine streng am Wortlaut der getroffenen Kostenregelung orientierte Auslegung erfolgen (BGH, Beschluss vom 24.02.2021 - VII ZB 55/18 -).

Dabei sei zu berücksichtigen, dass nur die Gerichtsgebühren und die Auslagen des Gerichts zu den Gerichtskosten zählen würden. Bei den Auslagen des Gerichts handele es sich auch um das Honorar des vom Gericht beauftragten Sachverständigen sowie dessen Aufwendungen, z.B. durch Hinzuziehung von Hilfskräften, wie von ihm beauftragte Handwerker (KV-GKG 9005). Alle sonstigen Aufwendungen, die eine Partei habe, würden zu den außergerichtlichen Kosten einer Partei zählen. Vor diesem Hintergrund seien Kosten, die einer Partei durch die von ihr vorgenommene Beauftragung von Handwerkern zur Vor- und Nachbereitung eines Ortstermins mit dem gerichtlich bestellten Sachverständigen entstehen würden, nicht den Gerichtskosten, sondern den außergerichtlichen Kosten der Partei zuzuordnen (BGH, Beschluss vom 24.02.2021 aaO.).

Da hier der Sachverständige keinen Auftrag zur Neuverfliesung erteilt habe, sondern der Kläger, lägen insoweit keine Gerichtskosten vor, für die nach dem Vergleich die Beklagte aufkommen müsste.

Das OLG ging auch auf den Gesichtspunkt der Kostengerechtigkeit ein. Es verwies darauf, dass es die Parteien in der Hand hätten, die Kostentragung ihren Interessen gemäß im Vergleich zu regeln und eine Verteilung auch bestimmter Parteikosten (hier die Kostend er Neuverfliesung) abweichend von der im Übrigen vereinbarten Kostenaufhebung zu regeln (BGH, Beschluss vom 24.02.2021 aaO.). Vorliegend käme hinzu, dass der Kläger die Übernahme der Kosten erklärt hatte, weshalb der Sachverständige diesbezüglich auch nicht tätig geworden sei; zudem habe die Beklagte bei Abschluss des Vergleichs davon ausgehen dürfen, dass nur die vom Sachverständigen bei seiner Vorschussforderung zugrunde gelegten <Arbeiten als Gerichtskosten anzusehen seien, deren Übernahme im Vergleich die Beklagte erklärte.

Anmerkung: Um eine Auseinandersetzung im Rahmen der Kostenfestsetzung zu den Parteikosten zu vermeiden, sollte die betroffene Partei möglichst versuchen, dass Arbeiten im Zusammenhang mit entsprechenden Gutachten, die zerstörerische Untersuchungen (wie bei Bauteilöffnungen) bewirken, komplett von dem Sachverständigen übernommen werden, da sie dann in die Gerichtskosten einfließen. Selbst wenn nach einer Kostenregelung die Parteikosten (ganz oder teilweise) erstattungsfähig sind, kann ansonsten ein Streit über die Erforderlichkeit entstehen.

Materiell-rechtliche Erwägungen, die eventuell einen materiellen Anspruch begründen könnten, sind (so das OLG mit Verweis auf den Beschluss des BGH vom 06.07.2005 - IV ZB 6/05 -) sind bei der prozessualen Kostenentscheidung nicht zu berücksichtigen, soweit das Gesetz, z.B. im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung, anders bestimmt. Hier wäre mithin ggf. ein neuer Anspruch durch den Kläger gegen die Beklagte geltend zu machen, wenn nicht die Parteien im Vergleich vereinbart haben sollten, dass mit dem Vergleich alle weiteren gegenseitigen Ansprüche ausgeschlossen sind.  Insoweit sollte eine Abgeltungsklausel vorher überlegt sein.

Hanseatisches Oberlandesgericht Bremen, Beschluss vom 13.03.2024 - 2 W 44/23 -

Mittwoch, 14. Dezember 2022

Anfechtung der Teilungsversteigerung vor Scheidung und Kostenentscheidung bei Hauptsacheerledigung

Die in Scheidung lebenden Eheleute wohnten in einem von zwei Einfamlienhäusern auf einem in ihrem hälftigen Miteigentum stehenden Grundstück. Seit ihrer Trennung bewohnte die Ehefrau das eine Haus alleine, das andere stand leer. Das Scheidungsverfahren wurde 1918 anhängig. Im Januar 2020 wurde die Zugewinngemeinschaft der Eheleute beendet, ohne dass diese sich im Hinblick auf die Beteiligung am Grundstück einigen konnten. Der Ehemann beantragte im August 2020 die Zwangsversteigerung des Grundstücks zur Aufhebung der Gemeinschaft. Der Antrag der Ehefrau auf Einstellung blieb erfolglos. Darauf beantragte sie die Zwangsvollstreckung des Ehemanns zur Aufhebung der Gemeinschaft für unzulässig zu erklären (Einstellungsverfahren nach § 180 Abs. 3 ZVG). Das Familiengericht setzte bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag einstweilen aus, wies aber den Antrag in der Hauptsache (das Zwaagsversteigerungsverfahren für unzulässig zu erklären) zurück.  Das OLG wies die dagegen eingelegte Beschwerde der Ehefrau zurück, wogegen sich diese mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde wandte.

 

Allerdings traf der BGH in der Sache keine Entscheidung, da die Beteiligten währen des Rechtsbeschwerdeverfahrens rechtskräftig geschieden wurden und daraufhin das Verfahren übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärten. Der BGH hatte also nicht mehr über die Rechtmäßigkeit des Antrages des Ehemanns zu befinden, sondern nur noch über die Kosten nach § 91a ZPO. Er hob die Kosten gegeneinander auf. Dies entspräche nach dem Sach- und Streitstand billigen Ermessen.

 

Es sei nicht Sinn einer reinen Kostenentscheidung wie im Falle des § 91a ZPO Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung zu klären oder das materielle Recht fortzubilden. Geboten sei in diesem Fall nur eine summarische Prüfung, bei der davon abgesehen werden könne, schwierige bzw. bedeutsame Rechtsfragen zu klären (BGH, Beschluss vom 15.07.2020 - IV ZB 11/20 -).

 

Um eine entsprechende Rechtsfrage würde es sich vorliegend handeln. Die überwiegende Rechtsprechung würde zwar eine Teilungsversteigerung eines im Miteigentum der in Scheidung lebenden Ehegatten, von denen einer das Grundstück als Ehewohnung nutze, als zulässig ansehen (Thüringer OLG, Beschluss vom 30.08.2018 - 1 UF 38/18 -; OLG Stuttgart, Beschluss vom 29.10.2020 - 15 UF 194/20 -), allerdings würde auch die gegenteilige Ansicht vertreten (OLG Hamburg, Beschluss vom 28.07.2017 - 12 U 163/16 -). In Ansehung dieses noch nicht entschiedenen Streits könne daher im Rahmen des § 91a ZPO nur eine Kostenaufhebung in Betracht kommen.

 

Anmerkung: Diese Rechtsprechung des BGH ist allgemein bei einer Kostenentscheidung nach § 91a ZPO anzuwenden, wenn eine schwierige bzw. bedeutsame Rechtsfrage zu klären ist, die höchstrichterlich noch nicht entschieden ist und in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beurteil wird.

 

BGH, Beschluss vom 12.10.2022 - XII ZB 555/21 -

Dienstag, 24. August 2021

Kostenfestsetzung: Bei Kostenregelung im Vergleich ist Wortlaut entscheidend („außergerichtliche Kosten“)

Die Parteien hatten einen gerichtlichen Vergleich geschlossen, in dem es u.a. heißt: „a) Die Parteien … sind sich einig, dass jede Partei ihre eigenen außergerichtlichen Kosten trägt. b)  Die gerichtlichen Kosten trägt die Beklagte…“. Mit dem angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 05.10.2020 setzet das Landgericht die von der Klägerin zur Festsetzung angemeldeten Kosten einschließlich der im gerichtlichen Verfahren entstandenen Anwaltskosten der Klägerin gegen die Beklagte fest und verwies darauf, dass sich die Regelung zu den außergerichtlichen Kosten auf die vorgerichtlichen Anwaltskosten beziehe, für die im verfahren entstandenen Anwaltsgebühren die Regelung zu den Gerichtskosten entsprechend gelten würde. Die Beklagte legte gegen Beschluss Beschwerde ein, soweit Anwaltsgebühren der Klägerin mit festgesetzt wurden. Der Beschwerde wurde vom OLG stattgegeben.

Das OLG verwies darauf, dass es für eine Auslegung des Vergleichs zu den Kosten, wie vom Landgericht vorgenommen, keinen Raum gäbe. Im Kostenfestsetzungsverfahren sei die Kostenvereinbarung eines gerichtlichen Vergleichs an Han des Wortlauts umzusetzen. Unstatthaft sei es, andere Umstände als den Text des Kostentitels heranzuziehen und zu würdigen (OLG Koblenz, Beschluss vom 21.09.2015 - 14 W 585/15 -).  Zwar sei eine Auslegung nach der allgemeinen Regelung des § 133 BGB möglich, doch habe sich diese stets am Wortlaut der Kostengrundentscheidung zu orientieren und sich damit an das zu halten, was in der Kostenentscheidung erkennbar zum Ausdruck gebracht würde (OLG Hamm, Beschluss vom 28.04.1989 - 23 W 152/89 -). Nicht im Kostentitel angedeutete Umstände dürften damit nicht zur Würdigung herangezogen werden.

Vorliegend gäbe der Vergleichstext, „dass jede Partei ihre eigenen außergerichtlichen Kosten trägt“, nichts dafür her, dass die Parteien damit lediglich die Verteilung außergerichtlicher Kosten regeln wollten und in Bezug auf die im gerichtlichen Verfahren entstandenen Anwaltskosten eine Verteilung unter der Regelung „Die gerichtlichen Kosten trägt die Beklagte“ fallen sollte.

Nach dem allgemeinen Verständnis des verwandten Adjektivs seien gerichtliche  Kosten nur die Gerichtskosten, die Teil der Kosten des Rechtstreits seinen und bei denen es sich ausschließlich um gerichtliche Gebühren und Auslagen iSv. § 1 Abs. 1 GKG handele. Als außergerichtliche Kosten würden gemeinhin die Kosten des Rechtstreits bezeichnet, die nicht zu den Gerichtskosten gehören würden. Anwaltsgebühren seien damit insoweit Prozesskosten und würden zu den außergerichtlichen Kosten zählen, als mit ihnen eine Tätigkeit des Rechtsanwalts im gerichtlichen Verfahren vergütet würde (BGH, Beschluss vom 22.12.2004 - XII ZB 94/04 -); die Kosten vorgerichtlicher anwaltlicher Tätigkeit seinen davon nicht umfasst.

Ergänzend verwies das OLG darauf, dass vorgerichtliche Kosten anwaltlicher Tätigkeiten auch nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen seien, und damit kein Reglungsbedarf bestanden habe. Anzumerken ist dazu allerdings, dass es den Parteien obliegt, ob sie über den Streitgegenstand des Rechtsstreits hinaus einen Vergleich schließen, dass vorgerichtliche außergerichtliche Anwaltsgebühren vergleichsweise mit reguliert werden sollen (gebührenrechtlicher Mehrwert des Vergleichs). Da aber außergerichtliche Anwaltskosten einer Partei nicht Gegenstand einer Kostenfestsetzung sein können, sich hier für einen Mehrvergleich auch aus dem Kostentitel des Vergleichs nichts ergibt, zudem jedenfalls auch die namentlich benannten Gerichtskosten nicht die im Verfahren entstandenen Anwaltsgebühren mitumfasst, die Kostenregelung zu den außergerichtlichen Anwaltskosten dem üblichen Sprachgebrauch für die Kosten der durch das Gerichtsverfahren entstandenen anwaltlichen Vergütung entspricht, ist die Entscheidung zutreffend. Darüber hinaus würde es, wenn man unter den außergerichtlichen Kosten der Klägerin in Bezug auf eine Regelung zu vorgerichtlichen Kosten folgen wollte, an einer Kostenregelung zu den im Gerichtsverfahren entstandenen Anwaltsgebühren ermangeln und dann diesbezüglich auch bezüglich dieser bei einer Kostenaufhebung verbleiben, da dies mangels einer abweichenden Vereinbarung in § 98 ZPO entsprechend geregelt ist. Von daher kann der Hilfserwägung des OLG nicht gefolgt werden, wenn auch im übrigen die Entscheidung zutreffend ist.

OLG Nürnberg, Beschluss vom 16.03.2021 - 2 W 473/21 -

Donnerstag, 28. Juni 2018

Kostenaufhebung oder –teilung, wenn nur eine Partei anwaltlich vertreten ist ?


Vor dem Amtsgericht können sich Parteien auch ohne anwaltlichen Beistand selbst vertreten.  Davon wird häufig Gebrauch gemacht, sei es, dass die Kosten eines Anwalts gespart werden sollen, sei es aus anderen Gründen (z.B. eigene Rechtskenntnisse). Ist eine Partei anwaltlich vertreten, die andere Partei nicht und wird dem Kläger nur die Hälfte von dem zugesprochen, was er mit seiner Klage begehrt, stellt sich die Frage, ob hier die Kosten gegeneinander aufgehoben werden sollen (jeder trägt seine eigenen außergerichtlichen Kosten, die anwaltlich vertretene Partei also die eigenen Anwaltskosten) oder die Kosten zu je 50% gequotelt werden sollen (was dazu führt, dass sich die nicht anwaltlich vertretene Partei an den Anwaltskosten der anwaltlich vertretenen Partei zu 50% zu beteiligen hätte). In beiden Fällen werden die Gerichtskosten zu je 50% geteilt.  

Das LG Köln hat nun in einem Beschwerdeverfahren entschieden, dass in diesen Fällen keine Kostenaufhebung auszusprechen ist, sondern eine Quotelung. Damit weicht das LG von teilweise in der Literatur und Rechtsprechung vertretener Ansicht ab, nach der eine Kostenaufhebung auszusprechen sei, da die nicht anwaltlich vertretene Partei letztlich dafür bestraft würde, dass sie keinen Anwalt beauftragt habe.

Ausgangspunkt der Überlegung des LG ist § 92 ZPO. Danach sind die Kosten des Verfahrens entweder gegeneinander aufzuheben oder nach der Gewinn- und Verlustquote zu teilen. Die Kostenquotelung, so das LG, stelle aber keine Bestrafung der „sparsamen“, auf einen Anwalt verzichtenden Partei dar, da sie auch der nicht anwaltlich obsiegenden Partei insoweit zum Vorteil gereiche, als sie von den insgesamt niedrigeren Prozesskosten profitiere.  Ein solches Ergebnis entspräche dem Ziel des § 92 ZPO. Die gegenteilige Ansicht würde systemwidrig die unabhängigen Aspekte der Kosten einerseits und der Kostentragungspflicht andererseits vermischen. Die Möglichkeit der Kostenaufhebung dürfte nach Ansicht des LG nur bezwecken, in signifikanten Fällen das Kostenfestsetzungsverfahren zu erleichtern indem Rechtsfrieden ohne mögliche Streitpunkte über einzelne Kostenpositionen schneller eintritt.

Bei der Kostenaufhebung in diesen Fällen, in denen nur eine Partei anwaltlich vertreten würde, würde diese letztlich für ihre Anwaltsbeauftragung bestraft werden, obwohl jedre Partei eine anwaltliche Vertretung zustehen würde. Es könne nicht dme Zufall überlassen werden, ob die gegnerische Partei ebenfalls anwaltlich vertreten sei, zumal einer juristisch unbewanderten Person dadurch der Weg zu einem Anwalt verbaut werden könnte und dies der verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsschutzgleichheit zuwiderlaufen würde (LG Oldenburg, Urteil vom 29.09.2011 - 1 S 189/11 -).

Im übrigen könnte die Lösung der Kostenaufhebung zu widersprüchlichen Ergebnissen führen, insoweit die anwaltlich vertretene Partei bei einem Obsiegen zu nur 40% wirtschaftlich besser stehen könnte als bei einem Obsiegen mit 50%. Derartige unbillige Ergebnisse könnten ohne Verstoß gegen den Wortlaut des § 92 ZPO oder Systembrüche durch die Lösung einer Kostenaufhebung nicht verhindert werden.  

LG Köln, Beschluss vom 01.02.2018 - 11 T 97/17 -

Samstag, 18. November 2017

Auslegung der Kostenregelung in einem gerichtlichen Vergleich

Der Kläger begehrte Maklergebühren wegen Vermittlung von Kaufverträgen über Eigentumswohnungen aus einem Bauvorhaben des Beklagten  und erhob eine Teilstufenklage. Nach Erörterung im Termin vor dem Landgericht schlossen die Parteien einen Vergleich, nach dem der Beklagte € 107.100,00 zur Abgeltung aller wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus dem Bauvorhaben und einer dazu getroffenen Vereinbarung. Die Kosten des Rechtsstreits, mit Ausnahme der Kosten des Vergleichs, die gegeneinander aufgehoben wurden, sollte der Beklagte tragen. Der Kläger legte seinem Kostenfestsetzungsantrag für die termingebühr einen Wert von € 107.200,00 zugrunde, die Rechtspflegerin setzte sie allerdings nur aus einem Wert von € 10.000,00 fest. Die Beschwerde des Klägers und die zugelassene Rechtsbeschwerde blieben erfolglos.

Der BGH wies darauf hin, dass die Terminsgebühr nicht unter Einbeziehung der vom Vergleich umfassten, bis dahin jedoch nicht rechtshängigen Ansprüchen festzusetzen sei. Richtig sei zwar, dass durch die Erörterung nicht rechtshängiger Ansprüche mit dem Ziel einer Einigung die Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV RVG aus einem Streitwert von € 107.100,00 entstanden sei. Daraus ergäbe sich aber nicht, in welchem Umfang die eine oder andere Partei nach einem Vergleichsschluss diese Kosten zu tragen habe. Entscheidend sei die im Vergleich getroffene Kostenregelung und ihre Auslegung, wobei ein Rückgriff auf § 98 ZPO wegen der Kostenvereinbarung ausscheide.

Vorliegend hätten die Parteien vereinbart, dass die Kosten des Vergleichs gegeneinander aufgehoben werden sollten, also eine wechselseitige Erstattung nicht stattfinden sollte. Zwar werde die Auffassung vertreten, dass die Terminsgebühr insgesamt zu den Kosten des Rechtsstreits zähle und unabhängig vom Vergleichsabschluss anfalle;  aber es werde auch die Ansicht vertreten, dass die nur durch die Einbeziehung nicht rechtshängiger Ansprüche in den Vergleich entstehenden Teile der Verfahrens- und Terminsgebühr nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Wert regelmäßig zu den Kosten des Vergleichs gehöre würden.

Der letzteren Ansicht folgt der BGH. Es sei zwischen der Entstehung der Terminsgebühr und ihrer Erstattung aufgrund der Kostenregelung im Vergleich zu unterscheiden. Die Terminsgebühr würde unabhängig vom Vergleichsschluss nur in Höhe der bis zum Beginn der Erörterungen über den Vergleichsabschluss bereits rechtshängigen Ansprüche anfallen. Ohne den Willen der Parteien, eine umfassende vergleichsweise Regelung zu finden, käme es nicht zu einer Erörterung dieser weiteren Ansprüche und würde deswegen auch keine erhöhte Terminsgebühr anfallen.


BGH, Beschluss vom 14.06.2017 - I ZB 1/17 -