Posts mit dem Label stimmrecht werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label stimmrecht werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Mittwoch, 24. März 2021

Stimmrecht des „werdenden Wohnungseigentümers“ nach alten und neuen Recht

Der Entscheidung des Landgerichts (LG) lagen Beschlüsse einer Eigentümerversammlung von 28.11.2018 zugrunde, die von der Klägerin angefochten wurden. Zu dieser Eigentümerversammlung wurden statt der Klägerin (der Bauträgerin, die das Wohnungseigentum gem. § 8 WEG a.F. geteilt hatte) deren Käufer einer bestimmten Wohnungseinheit eingeladen, denen die Bauträgerin die Wohnung auch bereits übergeben hatte und für die eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen war. Eine im Kaufvertrag enthaltene Stimmrechtsvollmacht zugunsten der Käufer war von der Bauträgerin widerrufen worden. Das Amtsgericht wies die Klage ab. Dem half das LG im Rahmen der von der Bauträgerin eingelegten Berufung nicht ab.

Das Landgericht verwies darauf, dass die Käufer sogen. „werdende Eigentümer“ gewesen seien. Damit käme es nicht darauf an, weshalb hier ggfls. die Bauträgerin nicht geladen worden sei und wer für einen eventuellen Ladungsmangel die Darlegungs- und Beweislast trage, da den Käufern und nicht der Bauträgerin das Stimmrecht zugestanden habe. Bereits mit Urteil vom 11.05.2012 - V ZR 196/11 - habe der BGH entschieden, dass alleine dem werdenden Wohnungseigentümer das Stimm- und Anfechtungsrecht zustünde. Der BGH stellte darauf ab, dass sich die werdende Wohnungseigentümergemeinschaft als Vorstufe der Wohnungseigentümergemeinschaft konstuituiere, wenn der erste Käufer sowohl mit einer Auflassungsvormerkung im Grundbuch gewahrt sei und ihm die Wohnung vom Teiler (in der Regel Bauträger) übergeben worden sei und auf werdende Wohnungseigentümergemeinschaft und die werdenden Wohnungseigentümer die Bestimmungen über die Wohnungseigentümergemeinschaft des WEG anzuwenden sei. Mit dem Zeitpunkt, zu dem bei dem ersten Käufer das Eigentum auf diesen umgeschrieben würde, würde die Wohnungseigentümergemeinschaft endgültig entstehen und auch die (noch) werdenden Eigentümer würden darin aufgehen. Damit bleibt der Bauträger nur insoweit stimmberechtigt, als für Käufer noch keine Auflassungsvormerkung im Grundbuch gewahrt wurde und (kumulativ) die Wohnung übergeben wurde.

Der Widerruf der im Kaufvertrag erteilten Vollmacht würde sich hier nicht auswirken können, da der Bauträger (Teiler nach WEG) dem werdenden Eigentümer nicht dem vorgezogenen Schutz des Wohnungseigentumsgesetzes entziehen könne.

Das LG verwies zusätzlich auf das seit dem 01.12.2020 geltende Wohnungseigentumsgesetz. Der Gesetzgeber habe die Rechtsprechung in § 8 Abs. 3 BGB n.F. umgesetzt. Danach sei nach §§ 8 Abs. 3, 10 WEG n.F. der werdende Wohnungseigentümer (also jener, der vom Teiler erwirbt, mit einer Auflassungsvormerkung im Grundbuch gesichert ist und dem die Wohnung übergeben wurde) zwingend zur Eigentümerversammlung zu laden und er habe auch dort das Stimmrecht, nicht der Teilende (Bauträger) in Bezug auf dieses Sonder-/Teileigentum.

Allerdings unterscheidet sich das neue WEG-Recht vom bisherigen dadurch, dass nach § 9a WEG n.F. die Wohnungseigentümergemeinschaft bereits mit Anlegung der Wohnungsgrundbücher entsteht, § 9a Abs. 1 S. 2 WEG n.F., nicht erst zu dem Zeitpunkt, zu dem der erste Käufer nach Eigentumsumschreibung auf ihn im Wohnungsgrundbuch als Eigentümer gewahrt wurde. Damit wird der Teiler (anders als nach bisherigen Recht) zum ersten Wohnungseigentümer. Eine werdende Wohnungseigentümergemeinschaft gibt es damit nicht mehr. Allerdings noch die werdenden Wohnungseigentümer, wie § 8 Abs. 3 WEG n.F. verdeutlicht.

 LG Frankfurt am Main, Urteil vom 14.01.2021 - 2-13 S 18/20 -

Montag, 11. November 2019

WEG: Wer darf die GmbH als Sondereigentümerin auf einer Eigentümerversammlung vertreten ?


Die Klägerin, eine GmbH,  war Eigentümerin von 22 Wohnungen, die Beklagten Eigentümer der restlichen 21 Wohnungen der Wohnungseigentümergemeinschaft. Nach § 9 der Teilungserklärung (TE) war bestimmt, dass sich ein Wohnungseigentümer „nur durch seinen Ehegatten, einen anderen Wohnungseigentümer aus der Gemeinschaft oder den Verwalter in der Versammlung vertraten lassen“ könne. Die Klägerin selbst war die nahezu 100%-ige Tochtergesellschaft einer Holdinggesellschaft, zu deren Konzern auch deren Tochterunternehmen TA GmbH gehörte, welche die Funktion der konzernweiten einheitlichen Verwaltungsgesellschaft des Konzern inne hatte. Alle Gesellschaften des Konzerns, so auch die Klägerin, hatten der TA GmbH eine Vollmacht für die Verwaltung ihrer Sondereigentumseinheiten erteilt, die auch den gesamten Schriftverkehr der Klägerin mit der Verwalterin abwickelte. Für die Eigentümerversammlung vom 12.12.2016, bei der u.a. die Wiederbestellung der Verwalterin auf der Tagesordnung stand, hatte die die TA GmbH einer ihrer Mitarbeiterinnen eine schriftliche Stimmrechtsvollmacht erteilt mit der Berechtigung, Untervollmachten zu erteilen. Der Versammlungsleiter wies zu Beginn der Versammlung  die Vollmacht der Mitarbeiterin zurück. Er wies auch (unter Hinweis auf einen Interessenskonflikt) eine Untervollmacht auf sich zurück. Die Wiederbestellung der Verwalterin wurde mit 14 Stimmen (ohne Berücksichtigung der Stimmen der Klägerin) wiederbestellt. Die dagegen von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage wies das Amtsgericht zurück. Auf die Berufung der Klägerin änderte das Landgericht das Urteil ab und erklärte den Beschluss über die Wiederbestellung der Verwalterin für unwirksam. Die vom Landgericht zugelassene Revision der Beklagten wurde vom BGH zurückgewiesen.


Entscheidend war, ob der Ausschluss der Klägerin zur Stimmabgabe rechtmäßig war. Dabei hatte das Amtsgericht noch auf die Regelung in der TE verwiesen, nach der nicht geregelt war, dass eine GmbH nicht durch ihr Organ sondern auch durch einen Mitarbeiter, gar einem Mitarbeiter eines konzernzugehörigen Unternehmens vertreten werden könnte. Dies sah das Landgericht anders, dessen Rechtsansicht sich der BGH anschloss.

Der BGH stellte auf den Grundsatz ab, dass sich ein Wohnungseigentümer durch eine beliebig andere Person vertreten lassen könne. Dieser Grundsatz habe in § 9 TE eine Einschränkung gefunden. Gegen diese Einschränkung hatte der BGH keine Bedenken (vgl. auch BGH, Beschluss vom 11.11.1986 - V ZB 1/86 -). Allerdings sei die Vertretungsbeschränkung in § 9 TE ergänzend auszulegen. Sie sei nach dem Wortlaut auf natürliche Personen zugeschnitten, nicht auf eine juristische Person, bei der eine Vertretung durch einen Ehegatten bereits begrifflich nicht in Betracht kommen könne. Damit weise die TE eine unbeabsichtigte Regelungslücke auf, da offenbar nicht n den Fall einer Beteiligung einer juristischen Person gedacht worden sei.  Zweck der Vertretungsklauseln der vorliegenden Art sei, die Gemeinschaft von  gemeinschaftsfremden Einwirkungen freizuhalten, weshalb sich die Wohnungseigentümer nur durch Personen vertreten lassen sollen, die dem eigenen Kreis nahestehen würden (BGH, Beschluss vom 29.01.1993 - V ZB 24/92 -).  Der Zweck bestünde auch gegenüber Wohnungseigentümern in der Form juristischer Personen, da kein Grund für eine Privilegierung dieser Wohnungseigentümer ersichtlich sei. Es wäre daher eine ergänzende Vertragsauslegung dahingehend vorzunehmen, soweit eine Vertretung der juristischen Person (außer durch ihr Organ) völlig ausgeschlossen werde, weshalb eine Vertretung durch Mitarbeiter der juristischen Person zulässig sei.

Durch die Teilnahme eines aufgrund seiner Zugehörigkeit des Vertreters zu dem Unternehmen der juristischen Person mit den  Angelegenheiten der Wohnungseigentümergemeinschaft vertrauten Mitarbeiters würde Zweck der Vertretungsklausel Rechnung getragen, Einflüsse Dritter weitgehend auszuschließen.  Es sei vor diesem Hintergrund nicht gerechtfertigt, dass nur das Organ der Gesellschaft teilnehmen dürfe, wenn diese ihre Interessensvertretung nicht in die Hand eines anderen Wohnungseigentümers oder des Verwalters legen wolle (OLG Frankfurt OLGZ 1979, 134, 136; LG München I ZMR 2015, 152). .

Auch soweit sich die Klägerin nicht durch einen eigenen Mitarbeiter vertreten ließ konnte dies nach Ansicht des BGH nicht zum Stimmrechtsausschluss führen. Auch hier sei die Vertretungsklausel dahingehend ergänzend auszulegen, dass die Vertretung nicht notwendig durch einen unternehmenseigenen Mitarbeiter erfolgen müsse. Bei der Ermittlung des hypothetischen Willens des teilenden Eigentümers sei drauf abzustellen, welche Regelung er bei einer angemessenen Abwägung der berührten Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise getroffen hätte, wenn er den von ihm nicht geregelten Fall bedacht hätte. Da die Vertretungsregelung in der TE als eine Einschränkung des Rechts darstelle, eine beliebige Person zu bevollmächtigen, dürfe bei der ergänzenden Auslegung der Klausel kein zu enger Maßstab angesetzt werden. Zu berücksichtigen seien das berechtigte Interesse zur Abwehr fremder Einflüsse auf der einen Seite und die Bedeutung des Stimmrechts als Kernbereich elementarer Mitgliedschaftsrechte auf der anderen Seite (BGH, Urteil vom 18.01.2019 – V ZR 72/18 -). Daher sei eine Vertretungsklausel regelmäßig, so auch hier, dahingehend auszulegen, dass sich eine juristische Person in der Eigentümerversammlung auch von einem Mitarbeiter eines konzernzugehörigen Unternehmens vertreten lassen könne, wenn diese für die Verwaltung des Sondereigentums zuständig sei (entgegen LG München I ZMR 2015, 152 für den Fall der Beschränkung auf die Vertretung durch Verwandte in gerader Linie).

Die Vertretungsklausel beschränke zwar den berechtigten Kreis von Vertretern auf den eigenen Kreis nahestehender Personen, damit diese Meinungsverschiedenheiten möglichst unter sich austragen können (BGH, Beschluss vom 29.01.1993 - V ZB 24/92 -). Damit könne insbesondere auch nicht ein Sondereigentumsverwalter, der von einem Sondereigentümer mit der Verwaltung seines gesamten Sondereigentums beauftragt sei, Bevollmächtigter sein. Dies gelte auch für juristische Personen. Wenn es sich aber um einen Mitarbeiter eines Unternehmens handele, das ebenso wie die Wohnungseigentümerin selbst als Tochterunternehmen mit derselben Muttergesellschaft verbunden sei (§ 290 Abs. 1 HGB), und dieses Tochterunternehmen nach der konzerninternen Aufgabenteilung für die Verwaltung der Wohnungseinheiten zuständig sei, handele es sich bei deren Mitarbeiter nicht um einen außenstehenden Dritten. Es käme nach Sinn und Zweck der Vertretungsregelung nicht darauf an, ob die mit der Verwaltung betraute Person bei der Wohnungseigentümerin selbst beschäftigt sei oder bei einem konzernverbundenen Unternehmen, welches die Verwaltung übernommen habe. In beiden Fällen würde die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht gemeinschaftsfremden Einflüssen ausgesetzt. Sei dies aber auszuschließen, käme es auf das formale Kriterium des Bestehens eines unmittelbaren Arbeitsverhältnisses nicht an, da in beiden Fällen eine Selbststeuerung der Eigentümergemeinschaft gewährleistet sei.

BGH, Urteil vom 28.06.2019 - V ZR 250/18 -

Donnerstag, 15. Januar 2015

Wohnungseigentum: Stimmrecht und daraus resultierend eine Schadensersatzpflicht

Der vom BGH mit seinem Urteil vom 17.10.2014 behandelte Fall betrifft einen Vorgang, wie er in Wohnungseigentümergemeinschaften immer wieder anzutreffen ist.  Ein Eigentümer verlangte, da im konkreten Fall sein Sondereigentum durch Feuchtigkeit tangiert war, Maßnahmen  zur Sanierung. Einige Eigentümer stimmten weder Sanierung noch einer dafür erforderlichen Sonderumlage zu, weshalb der Antrag des beeinträchtigten Eigentümers nicht angenommen wurde und dieser auf Zustimmung klagte. Der BGH gab schließlich der Klage statt (wobei sich das Gericht mit der Frage der sogen. Opfergrenze auseinandersetzen musste).

Weiterhin aber hatte der beeinträchtigte Kläger auch Schadensersatzansprüche aufgrund verzögerter Sanierung nach §§ 280 Abs. 1 und Abs. 2 BGB  iVm. 286 BGB, 21 Abs. 4 WEG geltend gemacht. Der BGH gab der Klage auch insoweit statt. Dabei musste er nunmehr klären, ob der Schadensersatzanspruch den rechtsfähigen Verband der Wohnungseigentümergemeinschaft oder die Wohnungseigentümer selbst trifft. Er sieht eine Schadensersatzpflicht der Wohnungseigentümer selbst, und zwar derjenigen Wohnungseigentümer, die schuldhaft untätig geblieben sind bzw. gegen die erforderliche Maßnahme stimmten oder sich enthielten. Dies, so der BGH, folgt aus § 21 Abs. 4 WEG. Zwar handelt es sich hier um eine gemeinschaftsbezogene Pflicht nach § 10 Abs. 6 WEG; doch behandelt diese Norm nur das Außenverhältnis und nicht die innere Willensbildung des Verbandes. Diese wiederum obliegt nach §§ 20 Abs. 1, 21 Abs. 1 WEG den einzelnen Wohnungseigentümern. Diese sind zur ordnungsgemäßen Verwaltung berufen. Unterlassen sie eine notwendige Mitwirkung, richtet sich der daraus resultierende Schadensersatzanspruch gegen sie.

Wenn in der Vergangenheit häufig aus Kostengründen gegen (notwendige) Maßnahmen gestimmt wurde oder aber (eventuell aus optischen Gründen) Stimmenthaltung geübt wurde, dürfte sich dies künftighin ändern (müssen), da die latente Gefahr droht, sich mit der Gegenstimme bzw. Stimmenthaltung schadensersatzpflichtig zu machen. 

BGH, Urteil vom 17.10.2014 - V ZR 9/14 -