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Freitag, 6. August 2021

Wegerecht: Anspruch des Eigentümers auf Verschluss eines neu errichteten Tores ?

Das Grundstück des Klägers ist mit einer Grunddienstbarkeit in Form eines Geh- und Fahrrechts (Wegerechts) zugunsten des im Eigentum der Beklagten stehenden Hintergrundstücks belastet. Der Kläger errichte ein Tor an der Grenze zur Straße (vorderes Tor) und eines an der Grenze zum Grundstück der Beklagten (hinteres Tor). Der Kläger wollte mit seiner Klage erreichen, dass die Beklagten die Tore schließen; auf die Widerklage wurde der Kläger verurteilt es zu unterlassen, die Tore zu schließen.  Im Berufungsverfahren wurden die Beklagten unter Abweisung der Widerklage insoweit verurteilt, dass hintere Tor stets zu schließen, während die Berufung zum vorderen Tor zurückgewiesen wurde.

Auf die zugelassene Revision, mit der die Beklagten die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils zum hinteren Tor begehren, wurde das Berufungsurteil aufgehoben und der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Grundsätzlich könne der Eigentümer eines mit einem Wegerecht versehenen Grundstücks einen Anspruch darauf haben, dass der Berechtigte ein auf dem Weg befindliches Tor schließe (§ 1004 Abs. 1 S. 2 iVm. § 1020 BGB). § 1020 S. 1 BGB sehe vor, dass der Berechtigte bei der Ausübung der Grunddienstbarkeit das Interesse des Eigentümers des belasteten Grundstücks möglichst schone. Ein Verstoß dagegen stelle sich als Eigentumsbeeinträchtigung nach § 1004 Abs. 1 BGB dar.

Allerdings könne der Anspruch auf ein Schließen entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht damit begründet werden, da ein berechtigtes Interesse an einer Einfriedung des Grundstücks bestünde und die Nutzung des Tores den Beklagten nicht unzumutbar sei. Abzuwägen seien die wechselseitigen Interessen: Zum Einen des Grundstückseigentümers an der ungehinderten Nutzung seines Grundstücks, zum Anderen das Interesse des berechtigten an der sachgemäßen Ausübung seines Rechts. Die Abwägung sei Gegenstrand der tatrichterlichen Würdigung, die revisionsrechtlich nur dahingehen geprüft werden könne, ob der Tatrichter wesentliche  Umstände übersehen oder nicht vollständig gewürdigt habe, Denkgesetze oder Erfahrungsfehler verletzt habe oder (gerügte) Verfahrensfehler vorliegen würden. Vorliegend habe das Berufungsgericht wesentliche Abwägungsgesichtspunkte nicht berücksichtigt.

Ein allgemeines und von einem konkreten Sicherungsbedürfnis losgelöstes Interesse des Klägers, sein Grundstück auch im Bereich des Weges an der Grenze zu dem Grundstück der Beklagten einzufrieden, wiege nicht von vorherein schwerer als das Interesse der Beklagten an einer ungehinderten Zufahrt, soweit die Behinderung keine Unzumutbarkeit darstelle. Es könne nicht dem Interesse des Eigentümers unabhängig von den Umständen des Einzelfalls ein Vorrang eingeräumt werden.

Das Berufungsgericht müsse daher konkret feststellen, welches Gewicht dem Interesse des Klägers an der Einfriedung ihres Grundstücks an der Grenze zum Grundstück der Beklagten im Bereich des Weges zukomme. Hier käme es darauf an, ob die Einfriedung gerade auch an dieser Stelle berechtigten Sicherungsinteressen diene, denen auch nicht mittels einer Einfriedung an anderer Stelle genügt werden könne. Das Sicherungsinteresse des Grundstückseigentümers sei höher zu bewerten, wenn es auf dem Grundstück oder im räumlichen Umfeld schon zu Einbrüchen o.ä.  gekommen sei und es sich nicht um eine allgemeine Gefahr handele; der BGH wies darauf hin, dass das Sicherungsinteresse auch tageszeitlich begrenzt sein könne (Abschließen zwischen 22 und 7 Uhr, BGH, Urteil vom 23.01.2015 - V ZR 184/14 -).

Zu berücksichtigen sei hier auf der anderen Seite, dass das Grundstück der Beklagten vollständig eingefriedet sei und nach den Feststellungen des Landgerichts (vom Berufungsgericht übernommen) nach den örtlichen Gegebenheiten keinen Schutz des Grundstücks des Klägers durch das zum Grundstück der Beklagten belegen Tor erfordere. Wenn danach ein Interesse des Klägers an dem Schließen dieses Tores nicht zu erkennen sei, müssten die Beklagten auch die durch das Schließen bedingten Erschwernisse nicht hinnehmen (OLG Saarbrücken, Urteil vom 02.10.2019 - 5 U 15/19 -).

Gegebenenfalls sei auch festzustellen, ob ein berechtigtes Sicherungsinteresse des Klägers anderweitig als durch Einfriedung mit einem Tor (etwa durch Abzäunung des Restgrundstücks gegenüber dem Weg) erfolgen könne.

BGH, Urteil vom 16.04.2021 - V ZR 17/20 -

Donnerstag, 18. Oktober 2018

Ist die einmalige Entschädigung für eine Stromüberleitung einkommensteuerpflichtig ?


Der Kläger schloss 2008 mit dem Energieversorger eine Vereinbarung, wonach der Energieversorger berechtigt war, das Grundstück des Klägers „zum Zwecke von Bau, Betrieb und Unterhaltung elektrischer Leitungen nebst Zubehör einschließlich Steuer- und Telekommunikationskabel und aller dazu erforderlichen Vorkehrungen“ in Anspruch zu nehmen.  Diesbezüglich wurde eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragen, wofür der Kläger vom Energieversorger eine einmalig zu zahlende Gesamtentschädigung von € 17.904,00 erhielt. Zur Ermittlung des Betrages diente u.a. der Verkehrswert des Grundstücks. Ein Mast wurde auf dem Grundstück nicht errichtet; es wurde lediglich überspannt.

In seiner Einkommensteuererklärung für 2008 ließ der Kläger die Einnahme unberücksichtigt. Der Einkommensteuerbescheid für 2008 erging in 2009.Auf Grund einer Kontrollmitteilung (anlässlich der Prüfung des Energieversorgers) nahm das Finanzamt (FA) eine Änderung des Einkommensteuerbescheides mit Änderungsbescheid in 2012 unter Verweis auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO vor, in dem es die Einnahme aus der Zahlung des Energieversorgers berücksichtigte. Einspruch und Klage gegen den Bescheid blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) hatte zwar die Einnahmen nicht nach § 22 Nr. 3 EStG, aber nach § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG als steuerpflichtige Einkünfte bewertet.  § 22 Nr. 3 EStG scheide aus, da die Überspannung als auch die Dienstbarkeit notfalls mittels Enteignung hätten durchgesetzt werden können. Es lägen aber Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gem. § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG vor.

Auf die Revision wurde der Änderungsbescheid aufgehoben. Der BFH negierte, dass es sich vorliegend um Einkünfte gem. § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG handele. Zwar würde das Entgelt für eine Dienstbarkeit dem nicht grundsätzlich entgegenstehen, da der Eigentümer die Nutzungsbefugnis einräume, und, da kein endgültiger Rechtsverlust (Eigentumsverlust) vorliege, könne sich das dafür gezahlte Entgelt als Gegenleistung für die Nutzung darstellen. Dabei sei unerheblich, ob die Einräumung freiwillig erfolge oder ein Besitzeinweisungsbeschluss einer Behörde zugrunde läge. Maßgeblich sei auf den wirtschaftlichen Gehalt der Vereinbarung abzustellen, wie er sich nach dem Gesamtbild der gestalteten Verhältnisse des Einzelfalls unter Berücksichtigung des wirklichen Willens der Vertragsparteien ergäbe.

Das FG habe nicht berücksichtigt, on und inwieweit eine zeitlich begrenzte, unter § 21 Abs. 1 S. 1 EStG fallende entgeltliche Nutzungsüberlassung eines (Teil-) Grundstücks oder von Rechten oder eine entgeltliche, aber nicht steuerbare Übertragung eines Wirtschaftsguts gegeben sei. Vorliegend sei es weder schuldrechtlich noch dinglich zur Einräumung eines zeitlich beschränkten Rechts gekommen.

Auch habe das FG nicht berücksichtigt, dass lediglich dem Energieversorger ein einseitiges, auf fünf Jahre beschränktes Recht zum Rücktritt eingeräumt wurde, wie auch dem Kläger kein Recht eingeräumt wurde, unter bestimmten Umständen eine Rückübertragung zu verlangen. Damit sei der Kläger dauerhaft mit der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit belastet worden.

Auch wenn eine notfalls zwangsweise Durchsetzung des Rechts nicht die Anwendung des § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG hindere, sei dies doch bei der wirtschaftlichen Betrachtung zu berücksichtigen. Hier sei dem Kläger für die dingliche Eigentumsbeschränkung und den damit verbundenen wirtschaftlichen Verlust  ein Ausgleich gezahlt worden, was vom FG auch nicht berücksichtigt worden sei. Im Vordergrund stünde mithin, wie sich aus der Art und Weise der Berechnung ergäbe, der Ausgleich für die Eigentumsbeschränkung. Es käme nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige (evtl. teilweise) enteignet würde, oder ob er zur Abwendung einer Enteignung auf der Grundlage einer einvernehmlichen Einigung die Dienstbarkeit bestellt. Stünde wie hier die (nicht zeitlich beschränkte) Nutzungsüberlassung im Vordergrund, sondern die Aufgabe eines Vermögenswertes, sei der Vorgang wie eine nicht steuerbare Vermögensvernichtung zu behandeln.

Richtig sei vom FG gesehen worden, dass kein Fall des § 22 Nr. 3 EStG vorliege. Nicht erfasst würden Veräußerungsvorgänge oder veräußerungsähnliche Vorgänge im privaten Bereich. Würde das Entgelt erbracht, da der Vermögensgegenstand in seiner Substanz endgültig aufgegeben werde, gehöre der Erlös nicht zu den Einkünften nach § 22 Nr. 3 EStG.

BFH, Urteil vom 02.07.2018 - IX R 31/16 -

Freitag, 21. August 2015

Dienstbarkeit für im Handelsregister gelöschte juristische Person

Häufig belasten Dienstbarkeiten Grundbücher. Sie werden eingetragen, um Dritten  - aus welchen Gründen auch immer -  bestimmte Rechte einzuräumen. Ihre Löschung bedarf grundsätzlich der Bewilligung des Berechtigten. Was aber ist, wenn dieser Berechtigte nicht mehr existiert, wie bei einer im Handelsregister gelöschten Gesellschaft ? In dem vom OLG München zu beurteilenden Fall war für die A-AG eine Grunddienstbarkeit eingetragen. Außerhalb des Grundbuchs trat die B-AG die Gesamtrechtsnachfolge der A-AG an und wollte, nachdem die A-AG bereits im Jahr 2010 im Handelsregister gelöscht war, eine Berichtigung auch im Grundbuch bewirken. Demgegenüber wollte der Eigentümer die Löschung mit der Begründung, die A-AG sei nicht mehr existent.

Die Eintragung wurde auf die B-AG umgeschrieben. Der Eigentümer unterlag. Das OLG München wies darauf hin, dass mit Löschung des Berechtigten das Recht nicht untergegangen sei. Es stelle sich unabhängig von der Frage eines Vermögenswertes als eine formale Rechtsposition dar, weshalb es zur Löschung einer solchen in Ansehung der Bewilligung des Berechtigten insoweit einer Nachtragsliquidation bedürfe. Die nachgewiesene Löschung stelle mithin nicht den Nachweis dar, dass die Gesellschaft nicht mehr existiere  und das Recht deshalb untergegangen sei.

Die Dienstbarkeit kann auch (noch) auf den jetzigen Berechtigten (infolge der Gesamtrechtsnachfolge) umgeschrieben werden. Der (hier vom Eigentümer eingewandten) Verjährung unterlägen nur Ansprüche, § 194 BGB. Dabei handelt es sich um das Recht (die Befugnis) von einem anderen ein bestimmtes Tun oder Unterlassen zu verlangen. Die Dienstbarkeit als absolutes dingliches Recht (hier Nutzung des Grundstücks für eine Transformatorenstation) verlangt aber kein Tun oder Unterlassen eines Dritten, sondern sichert nur eine bestehende Rechtsposition, die übertragbar ist und nicht der Verjährung unterliegt. 

OLG München, Beschluss vom 10.03.2015 - 34 Wx 467/14 -