Die Klägerin machte nach einem Verkehrsunfall gegen die beklagte Haftpflichtversicherung nur noch die von dieser nicht gezahlten, ihr aber von der Reparaturwerkstatt in Rechnung gestellten Kosten für „Schutzmaßnahmen COVID 19“ mit € 67,00 geltend. Die Klage wurde abgewiesen.
Das Amtsgericht (AG) verwies darauf, dass nach § 249 Abs. 1 BGB der Schädiger den geschädigten so zu stellen habe, als hätte das schädigende Ereignis nicht stattgefunden. Damit seien aber nur die notwendigen Reparaturkosten zu erstatten, die für die Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen (BGHZ 115, 364, 369). Die Schadensberechnung habe sich aber nicht nur an objektiven Gesichtspunkten zu orientieren, sondern sei auch subjektbezogen. Mithin sei auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auch auf seine individuelle Erkenntnis- und Einflussmöglichkeit und evtl. gerade für ihn bestehende Schwierigkeiten zu nehmen (BGHZ 115, 364, 368).
Dies sei auch bei Reparaturkosten nach einem Verkehrsunfall zu berücksichtigen. Insbesondere wenn der Geschädigte ein Gutachten einhole und darauf basierend einen Auftrag erteile, würde es Sinn und Zweck des § 249 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte deshalb mit Mehraufwendungen belastet bliebe, da die Kosten höher ausfallen, da sich dies der Einflussspähre des Geschädigten. Das Prognose- wie auch Werkstattrisiko gehe zu Lastend es Schädigers. Dem Schädiger entstünde dadurch auch kein Nachteil, da er nach den Grundsätzen der Vorteilsanrechnung die Abtretung der Ansprüche des Geschädigten analog § 255 BGB gegen die Werkstatt verlangen könne (womit er ähnlich stünde, als hätte er die Reparatur selbst beauftragt).
Anderes würde aber dann geltend, wenn der Geschädigte selbst hinreichende Erkenntnisse habe, dass eine bestimmte Rechnungsposition aus der Reparaturrechnung nicht geschuldet würde, da diese z.B. nach dem Reparaturauftrag (tatsächlich oder rechtlich) nicht geschuldet war, oder da er Anlass gehabt habe, den Reparaturauftrag so zu erteilen, dass nicht notwendige Kosten anfallen. Es würde sich dabei um eine dem Geschädigten originär treffende Sorgfaltspflicht in eigener Angelegenheit handeln, seinen eigenen Reparaturaufwand so gering wie möglich zu halten, was auch dann gilt, wenn – wie hier – ein Dritter für die Kosten aufkommen müsse.
Die berechneten Kosten für Schutzmaßnahmen seien evident erkennbar für die Reparatur nicht erforderlich. Sie würden auch nicht dem Auftraggeber dienen und seien nicht vom Reparaturauftrag erfasst; dienen würden sie allenfalls der Werkstatt in Bezug auf ein Schutzbedürfnis für die eigenen Mitarbeiter. Auch wenn dies behördliche Auflagen gebieten sollten, würde es sich nur um Erschwernisse der vertraglich geschuldeten Leistung handeln, die aber nicht gesondert abrechnungsfähig seien (es handele sich um Gemeinkosten). Soweit Desinfektionsmaßnahmen auch dem Werkstattkunden dienen würden, so würde es sich zulasten des Werkunternehmers um eine vertragliche Nebenpflicht handeln, diesen vor Ansteckungsgefahren zu schützen, was auch die Überwälzung der Kosten dafür ausschließe. Vergleichbar sei dies damit, dass der Werkunternehmer vermeiden müsse, sonstige Schäden bei der Reparatur des Fahrzeugs an diesem zu verursachen.
Dies sei auch dem durchschnittlichen Geschädigten, von dem auszugehen sei, ersichtlich, da in allen Bereichen des täglichen Lebens (z.B. beim Einkaufen) in Lebensmittelgeschäften, bei anderen Handwerkerleistungen pp. Derartige Maßnahmen gerade nicht gesondert abgerechnet würden.
AG Kassel, Urteil vom
26.03.2021 - 435 C 4071/20 -
Aus den Gründen:
Tenor
Die Klage wird
abgewiesen.
Die Klägerin
hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist
vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Von der
Darstellung wird abgesehen gemäß § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Entscheidungsgründe
Die Klage führt
nicht zum Erfolg.
Die Klägerin
hat gegen die beklagte Haftpflichtversicherung keine weiteren Ansprüche mehr
aus dem Verkehrsunfallereignis vom 05.08.2020 auf der Autobahn A8 zwischen A
und B, da diese bereits vorgerichtlich hinsichtlich der erstattungsfähigen
Beträge vollständig reguliert sind. Insbesondere fehlt es an der
Erstattungsfähigkeit der von der Reparaturwerkstatt C in D abgerechneten Kosten
für „Schutzmaßnahmen COVID 19“ i.H.v. 67,00 € netto.
Hinsichtlich
der Erstattungsfähigkeit von Reparaturkosten usw. gilt nach der ständigen
Rechtsprechung des erkennenden Gerichts grundsätzlich folgendes:
Nach § 249
Abs. 1 BGB ist der Schädiger verpflichtet, den Geschädigten so zu stellen,
als hätte das schädigende Ereignis nicht stattgefunden. Im Falle der
Sachbeschädigung bedeute dies, dass die notwendigen Reparaturkosten zu
erstatten sind, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden
Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und
angemessen erscheinen (vgl. BGHZ 115, 364, 369; 160, 377; 162, 161. 165). Er ist
nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den
wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der
für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann (BGH,
Urteil vom 9. März 2010 - VI ZR 6/09, VersR 2010, 1053 f.). Die
Schadensbetrachtung hat sich nicht nur an objektiven Kriterien zu orientieren,
sondern ist auch subjektbezogen (BGHZ 54, 82, 85; BGH NJW 1992, 302, 303; BGH
NJW 1992, 1618, 1619). Dabei ist bei der Beurteilung, welcher
Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle
Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis-
und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn
bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (vgl. BGHZ 115, 364, 3681; 132, 373,
3761; 155, 1,41; 162, 161,164 f.; 163. 362, 365).
Hinsicht der
Schadensbeseitigung nach einem Verkehrsunfallereignis bedeutet dies, dass unter
Berücksichtigung der Kenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten der
Pflicht zur Schadensminderung im Sinne des § 254 BGB hinsichtlich der Höhe
einer Reparaturkostenrechnung regelmäßig Grenzen gesetzt sind. Dies gilt vor
allem dann, wenn - wie hier die Klägerin – der Geschädigte insbesondere nach
Einholung eines Schadensgutachtens den Reparaturauftrag erteilt und das
Fahrzeug in die Hände von Fachleuten gibt. Es würde dem Sinn und Zweck des
§ 249 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte bei der Wiederherstellung
des vorherigen Zustandes im Verhältnis zum ersatzpflichtigen Schädiger mit
Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung
seinem Einfluss entzogen und die ihren Grund darin haben, dass die
Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht mehr
kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss (BGHZ 63. 182, 185, OLG Hamm,
Urteil vom 31.01.1995. BeckRS 1995. 01930). Das Werkstattrisiko (wie auch das
Prognoserisiko) geht insofern zulasten des Schädigers (BGHZ 63, 182, 185; BGH
NJW 1992, 302, 303). Es macht dabei keinen Unterschied, ob die Werkstatt dem
Geschädigten unnötige Arbeiten in Rechnung stellt, überhöhte Preise oder
Arbeitszeiten in Ansatz bringt oder Arbeiten berechnet, die in dieser Weise
nicht ausgeführt worden sind (OLG Hamm, Urteil vom 31.01.1995, BeckRS 1995,
01930; OLG Karlsruhe, Urteil vom 19.10.2004, NJW-RR 2005, 248, 249). Es besteht
kein Grund dem Schädiger das Risiko für ein solches Verhalten abzunehmen. Denn
hätte der Schädiger selbst die Schadensbeseitigung übernommen, hätte er sich in
gleichem Maße mit einem entsprechenden Verhalten des Reparaturbetriebes
auseinandersetzen müssen. Folglich ist kein anerkennenswerter Grund
ersichtlich, der es ermöglichen kann, diese Auseinandersetzung, die der
Schädiger aufgrund seiner Verantwortung für das Schadensereignis zu führen hat,
auf den insoweit verursachungsbeitragslosen Geschädigten abzuwälzen.
Dadurch
entsteht dem Schädiger auch kein Nachteil, da er nach den Grundsätzen der
Vorteilsanrechnung die Abtretung der Ansprüche des Geschädigten gemäß
§ 255 BGB in analoger Anwendung gegen die Werkstatt verlangen kann, um der
Gefahr zu begegnen, dass im Zuge der Schadensregulierung eine den Wertungen des
Schadensrechts fremde ungerechtfertigte Bereicherung durch den
Schadensausgleich entsteht (BGHZ 63, 182, 187; OLG Düsseldorf, Urteil vom
16.06.2008 – 1 U 246/07 m.w.N., zit. n. juris; LG Saarbrücken, Urteil vom
19.10.2012 – 13 S 38/12, zit. n. juris). Insofern hat er die gleiche
Rechtstellung, als wenn er die Reparatur gemäß § 249 Abs. 1 BGB
selbst in Auftrag gegeben hätte (LG Hamburg Urt. v. 4.6.2013 – 302 O 92/11,
BeckRS 2014, 01082, beck-online).
Etwas anderes
kann sich allenfalls dann ergeben, wenn der Geschädigte aus anderen Gründen
hinreichende Erkenntnisse hat, dass Positionen auf der ihm gestellten
Reparaturrechnung von ihm nicht geschuldet sind, etwa weil diese nach dem
erteilten Reparaturauftrag von vornherein nicht geschuldet sind, unabhängig ob
aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen, oder weil er anderweitig
hinreichend Anlass dafür hatte, den Reparaturauftrag so zu erteilen, dass nicht
notwendige Kosten im Zusammenhang mit der Durchführung der Reparatur erst gar
nicht anfallen. Denn dies führt in einer Situation, in denen der Geschädigte
den Reparaturaufwand nicht ganz oder teilweise an einen Dritten etwa im Wege der
Geltendmachung von Haftpflichtansprüchen weiterreichen kann, zu einer den
Geschädigten originär treffende Sorgfaltspflicht in eigener Angelegenheit,
seinen eigenen Aufwand so gering wie möglich und rechtlich zulässig zu halten
(zum Ganzen AG Kassel, Urteil vom 08.02.2018 – 435 C 4137/18 = NJW-RR 2018,
730).
So verhält es
sich hier in Ansehung der von der Reparaturfirma abgerechneten Kosten für die
Schutzmaßnahmen. Denn diese Schutzmaßnahmen sind - evident erkennbar – nicht
erforderlich für die Reparatur eines Unfallschadens. Sie dienen auch nicht dem
Auftraggeber und sind vom Reparaturauftrag auch nicht erfasst. Sie haben mit
der Unfallreparatur schlicht nichts zu tun, sondern dienen allenfalls einem
Schutzbedürfnis der Reparaturwerkstatt in Bezug auf deren Mitarbeiter. Selbst
wenn behördliche Auflagen solches gebieten sollten, handelt es sich hierbei
allenfalls um Erschwernisse hinsichtlich der vertraglich geschuldeten
Leistungserbringung, die aber nicht gesondert abrechnungsfähig sind, sondern im
allgemeinen Aufwand letztlich untergehen. Soweit Desinfektionsmaßnahmen
gegebenenfalls dem Werkstattkunden dienen, so liegt dies daran, dass zulasten
des Werkunternehmers eine vertragliche Nebenpflicht gilt, diesen vor
Ansteckungsgefahren zu schützen, die seitens des beauftragten Unternehmens
entstanden sind, etwa wenn dort Mitarbeiter entsprechend erkrankt sind. Auch
insoweit ist eine Überwälzung von Kosten nicht möglich, weil es sich um von
vornherein als allgemeinen Aufwand geschuldete Maßnahmen handelt. Eine solche
Maßnahme ist vergleichbar mit der Pflicht des Reparaturunternehmens, im Zuge
der Reparatur sonstige Schäden am zu reparierenden Kfz zu vermeiden. Auch der
hierfür erforderliche Aufwand ist regelmäßig nicht gesondert abzurechnen oder
in sonstige erforderliche Leistungspositionen eingeschlossen, ohne dass
derartige Maßnahmen gesondert in Erscheinung träten. Mithin sind solche Kosten
bereits nicht abrechnungsfähig, damit erst recht nicht erstattungsfähig.
Dies vermag der
durchschnittliche Geschädigte auch ohne weiteres zu erkennen, weil in allen
anderen Bereichen des täglichen Lebens, etwa beim Einkauf in
Lebensmittelgeschäften oder anderen Geschäften oder im Rahmen anderer
Handwerkerdienstleistungen, derartige Maßnahmen gerade nicht abgerechnet werden.
Soweit die
Klägerin im Schriftsatz vom 24.02.2021 auf Hinweisbeschlüsse anderer Gerichte
Bezug genommen hat, so vermag sich das erkennende Gericht dem ausdrücklich
nicht anzuschließen.
Ohne dass es
darauf noch ankäme, ergibt sich aus dem Vorstehenden auch, dass derartige
Kosten weder ortsüblich noch angemessen sind. Schließlich begegnet auch die
Höhe dieser Position durchschlagenden Bedenken. Der erforderliche Aufwand für
Desinfektionsmaßnahmen in einem Kfz, etwa durch Besprühen und Abwischen von
Lenkrad, Schalthebel und Türgriff, erfordert lediglich einen nicht messbaren
Materialaufwand sowie einen kaum messbaren Zeitaufwand, der nach der
allgemeinen Lebenserfahrung so kurz ist, dass er eine Minute kaum übersteigen
kann. Die Abrechnung eines Netto-Betrages i.H.v. 67,00 € ist schlechterdings
nicht nachzuvollziehen.
Fehlt es
solchermaßen an einem Hauptanspruch, kann die Klägerin auch keine Verzugszinsen
geltend machen.
Die
Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711,
713 ZPO.
Beschluss
Der Streitwert
wird auf 67,00 € festgesetzt.
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