Dienstag, 24. August 2021

Kostenfestsetzung: Bei Kostenregelung im Vergleich ist Wortlaut entscheidend („außergerichtliche Kosten“)

Die Parteien hatten einen gerichtlichen Vergleich geschlossen, in dem es u.a. heißt: „a) Die Parteien … sind sich einig, dass jede Partei ihre eigenen außergerichtlichen Kosten trägt. b)  Die gerichtlichen Kosten trägt die Beklagte…“. Mit dem angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 05.10.2020 setzet das Landgericht die von der Klägerin zur Festsetzung angemeldeten Kosten einschließlich der im gerichtlichen Verfahren entstandenen Anwaltskosten der Klägerin gegen die Beklagte fest und verwies darauf, dass sich die Regelung zu den außergerichtlichen Kosten auf die vorgerichtlichen Anwaltskosten beziehe, für die im verfahren entstandenen Anwaltsgebühren die Regelung zu den Gerichtskosten entsprechend gelten würde. Die Beklagte legte gegen Beschluss Beschwerde ein, soweit Anwaltsgebühren der Klägerin mit festgesetzt wurden. Der Beschwerde wurde vom OLG stattgegeben.

Das OLG verwies darauf, dass es für eine Auslegung des Vergleichs zu den Kosten, wie vom Landgericht vorgenommen, keinen Raum gäbe. Im Kostenfestsetzungsverfahren sei die Kostenvereinbarung eines gerichtlichen Vergleichs an Han des Wortlauts umzusetzen. Unstatthaft sei es, andere Umstände als den Text des Kostentitels heranzuziehen und zu würdigen (OLG Koblenz, Beschluss vom 21.09.2015 - 14 W 585/15 -).  Zwar sei eine Auslegung nach der allgemeinen Regelung des § 133 BGB möglich, doch habe sich diese stets am Wortlaut der Kostengrundentscheidung zu orientieren und sich damit an das zu halten, was in der Kostenentscheidung erkennbar zum Ausdruck gebracht würde (OLG Hamm, Beschluss vom 28.04.1989 - 23 W 152/89 -). Nicht im Kostentitel angedeutete Umstände dürften damit nicht zur Würdigung herangezogen werden.

Vorliegend gäbe der Vergleichstext, „dass jede Partei ihre eigenen außergerichtlichen Kosten trägt“, nichts dafür her, dass die Parteien damit lediglich die Verteilung außergerichtlicher Kosten regeln wollten und in Bezug auf die im gerichtlichen Verfahren entstandenen Anwaltskosten eine Verteilung unter der Regelung „Die gerichtlichen Kosten trägt die Beklagte“ fallen sollte.

Nach dem allgemeinen Verständnis des verwandten Adjektivs seien gerichtliche  Kosten nur die Gerichtskosten, die Teil der Kosten des Rechtstreits seinen und bei denen es sich ausschließlich um gerichtliche Gebühren und Auslagen iSv. § 1 Abs. 1 GKG handele. Als außergerichtliche Kosten würden gemeinhin die Kosten des Rechtstreits bezeichnet, die nicht zu den Gerichtskosten gehören würden. Anwaltsgebühren seien damit insoweit Prozesskosten und würden zu den außergerichtlichen Kosten zählen, als mit ihnen eine Tätigkeit des Rechtsanwalts im gerichtlichen Verfahren vergütet würde (BGH, Beschluss vom 22.12.2004 - XII ZB 94/04 -); die Kosten vorgerichtlicher anwaltlicher Tätigkeit seinen davon nicht umfasst.

Ergänzend verwies das OLG darauf, dass vorgerichtliche Kosten anwaltlicher Tätigkeiten auch nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen seien, und damit kein Reglungsbedarf bestanden habe. Anzumerken ist dazu allerdings, dass es den Parteien obliegt, ob sie über den Streitgegenstand des Rechtsstreits hinaus einen Vergleich schließen, dass vorgerichtliche außergerichtliche Anwaltsgebühren vergleichsweise mit reguliert werden sollen (gebührenrechtlicher Mehrwert des Vergleichs). Da aber außergerichtliche Anwaltskosten einer Partei nicht Gegenstand einer Kostenfestsetzung sein können, sich hier für einen Mehrvergleich auch aus dem Kostentitel des Vergleichs nichts ergibt, zudem jedenfalls auch die namentlich benannten Gerichtskosten nicht die im Verfahren entstandenen Anwaltsgebühren mitumfasst, die Kostenregelung zu den außergerichtlichen Anwaltskosten dem üblichen Sprachgebrauch für die Kosten der durch das Gerichtsverfahren entstandenen anwaltlichen Vergütung entspricht, ist die Entscheidung zutreffend. Darüber hinaus würde es, wenn man unter den außergerichtlichen Kosten der Klägerin in Bezug auf eine Regelung zu vorgerichtlichen Kosten folgen wollte, an einer Kostenregelung zu den im Gerichtsverfahren entstandenen Anwaltsgebühren ermangeln und dann diesbezüglich auch bezüglich dieser bei einer Kostenaufhebung verbleiben, da dies mangels einer abweichenden Vereinbarung in § 98 ZPO entsprechend geregelt ist. Von daher kann der Hilfserwägung des OLG nicht gefolgt werden, wenn auch im übrigen die Entscheidung zutreffend ist.

OLG Nürnberg, Beschluss vom 16.03.2021 - 2 W 473/21 -


Aus den Gründen:

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 1 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss zugunsten der Klägerin des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 05.10.2020, Az. 12 O 3043/19, aufgehoben.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 02.03.2020 (Bl. 149 ff. d. A.) stellte das Landgericht fest, dass zwischen den Parteien ein Vergleich zustande gekommen ist. Dieser enthält unter dem Punkt 8. folgende Kostenregelung:

a) Die Parteien des Verfahrens, mithin die Klägerin, der Beklagte zu 1 und die Beklagte zu 2, sind sich einig, dass jede Partei ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst trägt.

b) Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte zu 1.

Mit Beschluss vom 05.10.2020 (Bl. 253 ff. d. A.) setzte das Landgericht gemäß einem entsprechenden Antrag vom 20.04.2020 (Bl. 172 f. d. A.) „[d]ie von dem Beklagten zu 1 an die Klägerin gem. § 104 ZPO nach dem Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 02.03.2020 gem. § 278 Abs. 6 ZPO zu erstattenden Kosten (…) auf 7.321,70 € (…) nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB hieraus seit 22.04.02020“ fest. Aus dem Schriftverkehr der Parteien vor Abschluss des Vergleichs ergebe sich – so das Landgericht im Ergebnis –, dass sich die Regelung zu den außergerichtlichen Kosten lediglich auf die vorgerichtlichen Kosten beziehe und im Übrigen auf die Regelung zu den gerichtlichen Kosten abzustellen sei.

Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss, welcher am 12.10.2020 zugestellt worden war, wandte sich der Beklagte zu 1 mit Schriftsatz vom 26.10.2020 (Bl. 260 d. A.), der am selben Tag einging. Aus dem Vergleich ergebe sich – so der Beklagte zu 1 –, dass jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen habe. Entsprechendes sei im Rahmen der gerichtlichen Vergleichsverhandlungen angestrebt worden. Angesichts des klaren Wortlauts bestehe für eine Auslegung kein Raum. Soweit das Landgericht auf die außergerichtliche Korrespondenz abstelle, sei zu berücksichtigen, dass bis zum Vergleichsabschluss nahezu sechs Monate vergangen seien. Der Vergleichstext basiere nicht mehr auf den ursprünglichen Verhandlungen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf die Beschwerdebegründung vom 30.11.2020 (Bl. 266 ff. d. A.) sowie auf den Schriftsatz vom 08.02.2021 (Bl. 285 d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin verteidigt den angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss. Aus den vorgelegten Schreiben ergebe sich, dass die Übernahme der ihr durch den Prozess entstandenen Rechtsanwaltskosten durch die Beklagte zu 1 Grundlage für den Abschluss des Vergleichs gewesen sei. Dies habe der Vertreter des Beklagten zu 1 sogar ausdrücklich bestätigt. Die Parteien hätten sich lediglich darauf geeinigt, dass jeder seine vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten selbst trage. Die Formulierung „außergerichtliche Kosten“ beruhe auf einem Versehen. Das Vorbringen, der finale Vergleichstext basiere nicht mehr auf den ursprünglichen Vergleichsverhandlungen, sei haltlos. Die Verzögerung sei allein der Verhandlung des Beklagten zu 1 mit der Streithelferin geschuldet gewesen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 15.01.2021 (Bl. 281 f. d. A.) Bezug genommen.

Am 15.02.2021 entschied das Landgericht, der Beschwerde nicht abzuhelfen (Bl. 286 ff. d. A.).

II.

Die gemäß § 104 Abs. 3 Satz 1, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht (§ 569 Abs. 1, Abs. 2 ZPO) eingelegte sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 05.10.2020 hat auch in der Sache Erfolg. Eine Regelung, nach welcher der Beklagte zu 1 der Klägerin gegenüber zur Erstattung außergerichtlicher Kosten der Rechtsverfolgung verpflichtet wäre, ist dem Vergleich nicht zu entnehmen. Für eine dahingehende Auslegung besteht kein Raum.

1. Im vereinfachten Kostenfestsetzungsverfahren ist die Kostenvereinbarung eines gerichtlichen Vergleichs der Parteien anhand des Wortlauts umzusetzen. Die Heranziehung und Würdigung anderer Umstände als des Textes des Kostentitels ist nicht statthaft (OLG Koblenz, Beschluss vom 21.09.2015 – 14 W 585/15 –, juris Rn. 3; Herget in: Zöller, ZPO, 33. Aufl., § 104 Rn. 21.16). Die gemäß § 133 BGB (gegebenenfalls) vorzunehmende Auslegung hat sich stets am Wortlaut der Kostengrundentscheidung zu orientieren (Schulz in: Münchener Kommentar, BGB, 6. Aufl., § 104 Rn. 62; Gierl in: Saenger, ZPO, 8. Aufl., § 104 Rn. 6; Flockenhaus in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl., § 104 Rn. 3); sie hat sich an das zu halten, was in der Kostenentscheidung erkennbar zum Ausdruck gebracht worden ist (OLG Hamm, Beschluss vom 28.04.1989 – 23 W 152/89 –, juris Rn. 3). Eine vom Wortlaut abweichende Auslegung ist nicht möglich (Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 12.07.1982 – 9 W 134/82 –, JurBüro 1983, 602, 603). Demgemäß ist die Heranziehung und Würdigung von im Wortlaut des Kostentitels nicht angedeuteten Umständen unzulässig.

2. Dass die Parteien übereinstimmend mit der Bestimmung, „dass jede Partei ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst trägt“, lediglich die Verteilung vorgerichtlicher Kosten regeln wollten und die Kosten des Rechtsstreits im Sinne des § 91 Abs. 1 ZPO bzw. die Prozesskosten im Sinne des § 103 Abs. 1 ZPO (zur inhaltlichen Übereinstimmung: Jaspersen in: BeckOK, ZPO, 39. Edition, § 103 Rn. 16) insgesamt unter die Regelung betreffend „[d]ie gerichtlichen Kosten des Verfahrens“ fallen sollten, dafür gibt es im Vergleichstext keinerlei Anhaltspunkte. Soweit sich aus der dem Vergleichsabschluss vorangehenden Korrespondenz eine Verpflichtung des Beklagten zu 1 zur vollumfänglichen Kostentragung entnehmen lassen sollte, hat sich dies im Vergleichstext jedenfalls nicht erkennbar niedergeschlagen.

a. Nach der Bedeutung des von den Parteien verwendeten Adjektivs sind gerichtliche Kosten nichts anderes als die Gerichtskosten, die Teil der Kosten des Rechtsstreits sind und sich nach allgemeinem Verständnis ausschließlich aus den gerichtlichen Gebühren und Auslagen (§ 1 Abs. 1 GKG) zusammensetzen.

b. Als „außergerichtliche Kosten“ werden gemeinhin zusammenfassend diejenigen Kosten eines Rechtsstreits bezeichnet, die nicht zu den Gerichtskosten gehören (Groh in: Creifelds, Rechtswörterbuch, 25. Edition, Stichwort „Außergerichtliche Kosten“ und Stichwort „Prozesskosten“). Anwaltsgebühren sind dabei nur insoweit Prozesskosten und zählen als solche zu den außergerichtlichen Kosten, als sie eine Tätigkeit des Rechtsanwalts im gerichtlichen Verfahren vergüten (BGH, Beschluss vom 22.12.2004 – XII ZB 94/04 –, juris Rn. 11). Kosten einer vorgerichtlichen anwaltlichen Tätigkeit sind von ihnen nicht umfasst.

Dagegen spricht bezogen auf den vorliegenden Fall im Übrigen auch die Erläuterung, dass mit „Parteien des Verfahrens“ „die Klägerin, der Beklagte zu 1 und die Beklagte zu 2“ gemeint sind, die ihre eigenen außergerichtlichen Kosten jeweils selbst tragen sollen. Denn Kosten der beiden Beklagten für eine vorgerichtliche anwaltliche Tätigkeit waren schon nicht Streitgegenstand. Insofern bestand kein Regelungsbedarf.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.


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