Die Frage, ob bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs Grabpflegekosten berücksichtigt werden können oder nicht lässt sich mit „Ja“ als auch „Nein“ beantworten – es kommt nämlich darauf an. Dies verdeutlicht ein Urteil des BGH. In dem diesem Urteil zugrundeliegenden Verfahren machte der Kläger gegen die Beklagten einen Zusatzpflichtteil geltend. Nach der testamentarischen Verfügung der Erblasserin sollten einige Erben 10%, andere 5% aus dem Erlös erhalten; der Rest sei für die Beerdigung und 20-jährige Grabpflege. Der Kläger vertrat die Ansicht, ihm stünde im Hinblick auf diese nach dem Testament bei der Verteilung der Erbmasse nicht berücksichtigten Grabpflegekosten ein Zusatzpflichtteil gem. § 2305 BGB zu.
1. Der BGH verwies in seiner Entscheidung darauf, dass Grabpflegekosten bereits deshalb keine Nachlassverbindlichkeiten darstellen würden, da es sich bei ihnen nicht um Beerdigungskosten nach § 1968 BGB handeln würde, für deren Kosten der Erbe aufkommen müsse. Beerdigungskosten nach § 1968 BGB seien nur die Kosten des Bestattungsaktes selbst, der mit der Errichtung einer zur Dauereinrichtung bestimmten und geeigneten Grabstätte seinen Abschluss fände. Damit würden die Instandhaltung und Pflege der Grabstätte oder auch das Grabmal allenfalls eine sittliche Verpflichtung der Erben darstellen, nicht aber zu den Beerdigungskosten iSv. § 1968 zählen. Der Umstand, dass Grabpflegekosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG erbschaftssteuerlich von dem ererbten Vermögen bei der Steuerberechnung in Abzug zu bringen sei, würde dies daran nichts ändern, da der Gesetzgeber in Ansehung des ErbStG keine Veranlassung gesehen habe, § 1968 BGB zu ändern (Hinweis: § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG benennt auch ausdrücklich Bestattungskosten, Grabdenkmal und Kosten üblicher Grabpflege, nicht pauschal Beerdigungskosten wie in § 1968 BGB).
Außerdem treffe die Instandhaltungspflicht für Grabstätten nach den Friedhofssatzungen den Grabnutzungsberechtigten, der nicht notwendig personenidentisch mit dem Erben sein müsse. Die ist m.E. ein nicht überzeugendes Argument, da bei fehlender Personenidentität auf die Erben entweder keine Kosten zukämen, mithin solche den Erbschaftserwerb nicht mindern würden. Eine Minderung würde nur eintreten, wenn die Erben zur Nutzung der Grabstätte an den Nutzungsberechtigten ein Entgelt entrichten bzw. dessen Zahlungspflicht ganz oder teilweise übernehmen müssten, was dann allerdings der Argumentation des BGH zur Nichtbeachtung entgegenstünde, da in diesem Fall nicht die Friedhofssatzung entgegenstünde.
Im Ergebnis ist aber dem BGH zuzustimmen, da in § 10 Abs. 3 Nr. 5 EstG nicht der Terminus des § 1968 übernommen wurde und der Gesetzgeber auch keine Angleichung der Tatbestände in § 1968 vornahm (woraus auch der BGH verwies).
2. Die testamentarische Regelung, einen näher dargelegten Vermögenswert für eine 20-jährige Pflege zu nutzen, könne hier auch keine dem Pflichtteilsberechtigten entgegenzuhaltende Nachlassverbindlichkeit begründen. Zu berücksichtigende Nachlassverbindlichkeiten seien in § 1967 Abs. 2 BGB aufgelistet; hierbei handele es sich um vom Erblasser herrührende Schulden als auch Verbindlichkeiten, die den Erben treffen (wie Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen; BGH, Beschluss vom 27.08.2014 - XII ZB 133/12 -).
Die Regelung zur Grabpflege stelle sich auch nicht als berücksichtigungsfähige Auflage iSv. § 1967 Abs. 2 BGB dar. Eine Auflage sei eine Verfügung von Todes wegen, durch die einem Erben oder Vermächtnisnehmer eine Verpflichtung auferlegt würde, ohne dass eine begünstigte Person ein Recht auf Leistung habe. Da hier allen Erben aufgegeben worden sei, nach dem Verkauf und der prozentualen Aufteilung den Rest für die Beerdigung und die Grabpflege auszugeben, führe dies zu einer Nachlassverbindlichkeit in Form einer Erbfallschuld. Auflagen und Vermächtnisse seien aber gegenüber Pflichtteilsansprüchen nachrangig. Der Vorrang des Pflichtteilsanspruchs ergäbe sich aus § 1991 Abs. 4 BGB, in dem für die Berichtigung von solchen durch die Erben für Pflichtteilsansprüche, Auflagen und Vermächtnisse auf eine Berichtigung in einem Insolvenzverfahren abgestellt werde. Nach § 327 Abs. 1 InsO seien Pflichtteilsansprüche vor Verbindlichkeiten des Erblassers aus von diesem angeordneten Auflagen und Vermächtnissen zu befriedigen; damit solle verhindert werden, dass der Erblasser durch freigiebige Vermächtnisanordnungen und Auflagen den Pflichtteilsanspruch aushöhlt oder schmälert.
Als Nachlassverbindlichkeiten könnten die Grabpflegekosten nur angesehen werden, wenn der Erblasser bereits zu Lebzeiten einen Grabpflegevertrag abgeschlossen hätte, der gemäß § 1922 BGB (Gesamtrechtsnachfolge) bindet. Ein solcher Vertrag sei aber nicht geschlossen worden. Der Unterschied eines vom Erblasser abgeschlossenen Grabpflegevertrages zu dem hier vorliegenden Fall bestünde darin, dass der Grabpflegevertrag keine Auflage im Testament darstelle, sondern eine Nachlassverbindlichkeit nach § 1967 Abs. 1 BGB.
BGH, Urteil vom 26.05.2021 -
IV ZR 174/20 -