Die Frage, ob bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs Grabpflegekosten berücksichtigt werden können oder nicht lässt sich mit „Ja“ als auch „Nein“ beantworten – es kommt nämlich darauf an. Dies verdeutlicht ein Urteil des BGH. In dem diesem Urteil zugrundeliegenden Verfahren machte der Kläger gegen die Beklagten einen Zusatzpflichtteil geltend. Nach der testamentarischen Verfügung der Erblasserin sollten einige Erben 10%, andere 5% aus dem Erlös erhalten; der Rest sei für die Beerdigung und 20-jährige Grabpflege. Der Kläger vertrat die Ansicht, ihm stünde im Hinblick auf diese nach dem Testament bei der Verteilung der Erbmasse nicht berücksichtigten Grabpflegekosten ein Zusatzpflichtteil gem. § 2305 BGB zu.
1. Der BGH verwies in seiner Entscheidung darauf, dass Grabpflegekosten bereits deshalb keine Nachlassverbindlichkeiten darstellen würden, da es sich bei ihnen nicht um Beerdigungskosten nach § 1968 BGB handeln würde, für deren Kosten der Erbe aufkommen müsse. Beerdigungskosten nach § 1968 BGB seien nur die Kosten des Bestattungsaktes selbst, der mit der Errichtung einer zur Dauereinrichtung bestimmten und geeigneten Grabstätte seinen Abschluss fände. Damit würden die Instandhaltung und Pflege der Grabstätte oder auch das Grabmal allenfalls eine sittliche Verpflichtung der Erben darstellen, nicht aber zu den Beerdigungskosten iSv. § 1968 zählen. Der Umstand, dass Grabpflegekosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG erbschaftssteuerlich von dem ererbten Vermögen bei der Steuerberechnung in Abzug zu bringen sei, würde dies daran nichts ändern, da der Gesetzgeber in Ansehung des ErbStG keine Veranlassung gesehen habe, § 1968 BGB zu ändern (Hinweis: § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG benennt auch ausdrücklich Bestattungskosten, Grabdenkmal und Kosten üblicher Grabpflege, nicht pauschal Beerdigungskosten wie in § 1968 BGB).
Außerdem treffe die Instandhaltungspflicht für Grabstätten nach den Friedhofssatzungen den Grabnutzungsberechtigten, der nicht notwendig personenidentisch mit dem Erben sein müsse. Die ist m.E. ein nicht überzeugendes Argument, da bei fehlender Personenidentität auf die Erben entweder keine Kosten zukämen, mithin solche den Erbschaftserwerb nicht mindern würden. Eine Minderung würde nur eintreten, wenn die Erben zur Nutzung der Grabstätte an den Nutzungsberechtigten ein Entgelt entrichten bzw. dessen Zahlungspflicht ganz oder teilweise übernehmen müssten, was dann allerdings der Argumentation des BGH zur Nichtbeachtung entgegenstünde, da in diesem Fall nicht die Friedhofssatzung entgegenstünde.
Im Ergebnis ist aber dem BGH zuzustimmen, da in § 10 Abs. 3 Nr. 5 EstG nicht der Terminus des § 1968 übernommen wurde und der Gesetzgeber auch keine Angleichung der Tatbestände in § 1968 vornahm (woraus auch der BGH verwies).
2. Die testamentarische Regelung, einen näher dargelegten Vermögenswert für eine 20-jährige Pflege zu nutzen, könne hier auch keine dem Pflichtteilsberechtigten entgegenzuhaltende Nachlassverbindlichkeit begründen. Zu berücksichtigende Nachlassverbindlichkeiten seien in § 1967 Abs. 2 BGB aufgelistet; hierbei handele es sich um vom Erblasser herrührende Schulden als auch Verbindlichkeiten, die den Erben treffen (wie Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen; BGH, Beschluss vom 27.08.2014 - XII ZB 133/12 -).
Die Regelung zur Grabpflege stelle sich auch nicht als berücksichtigungsfähige Auflage iSv. § 1967 Abs. 2 BGB dar. Eine Auflage sei eine Verfügung von Todes wegen, durch die einem Erben oder Vermächtnisnehmer eine Verpflichtung auferlegt würde, ohne dass eine begünstigte Person ein Recht auf Leistung habe. Da hier allen Erben aufgegeben worden sei, nach dem Verkauf und der prozentualen Aufteilung den Rest für die Beerdigung und die Grabpflege auszugeben, führe dies zu einer Nachlassverbindlichkeit in Form einer Erbfallschuld. Auflagen und Vermächtnisse seien aber gegenüber Pflichtteilsansprüchen nachrangig. Der Vorrang des Pflichtteilsanspruchs ergäbe sich aus § 1991 Abs. 4 BGB, in dem für die Berichtigung von solchen durch die Erben für Pflichtteilsansprüche, Auflagen und Vermächtnisse auf eine Berichtigung in einem Insolvenzverfahren abgestellt werde. Nach § 327 Abs. 1 InsO seien Pflichtteilsansprüche vor Verbindlichkeiten des Erblassers aus von diesem angeordneten Auflagen und Vermächtnissen zu befriedigen; damit solle verhindert werden, dass der Erblasser durch freigiebige Vermächtnisanordnungen und Auflagen den Pflichtteilsanspruch aushöhlt oder schmälert.
Als Nachlassverbindlichkeiten könnten die Grabpflegekosten nur angesehen werden, wenn der Erblasser bereits zu Lebzeiten einen Grabpflegevertrag abgeschlossen hätte, der gemäß § 1922 BGB (Gesamtrechtsnachfolge) bindet. Ein solcher Vertrag sei aber nicht geschlossen worden. Der Unterschied eines vom Erblasser abgeschlossenen Grabpflegevertrages zu dem hier vorliegenden Fall bestünde darin, dass der Grabpflegevertrag keine Auflage im Testament darstelle, sondern eine Nachlassverbindlichkeit nach § 1967 Abs. 1 BGB.
BGH, Urteil vom 26.05.2021 -
IV ZR 174/20 -
Aus den Gründen:
Tenor
Auf die Revision
des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Mannheim - 10. Zivilkammer - vom
2. Juli 2020 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht
zurückverwiesen.
Der Streitwert
für das Revisionsverfahren wird auf 3.209,04 € festgesetzt.
Von Rechts
wegen
Tatbestand
Der Kläger
macht gegen die Beklagten einen Anspruch auf einen Zusatzpflichtteil geltend.
Die am 5. März 2017 verstorbene Helga Margot T.
(im Folgenden:
Erblasserin) war ledig und hatte keine leiblichen Kinder. Den Kläger hatte sie
1981 als ehelichen Abkömmling durch Adoption angenommen. Die Erblasserin
hinterließ ein eigenhändiges Testament ohne Datum, welches am 10. April 2017
durch das Nachlassgericht eröffnet wurde, mit folgendem Inhalt:
"Ich Margot T.
geb. am 25.7.1931
Mein letzter Wille!
Christine Th.
möchte ich als Verwalter meiner
Persönlichen Sachen Übergeben.
Wenn alles Verkauft ist, bekommen alle 10
% + 5 % die ich jetzt Namentlich schreibe. Der Rest ist für die Beerdigung und,
20 Jahre Pflege des Grabes. Eure Margot."
Dieser Text befindet sich rechtsseitig
auf dem Testament. Auf der linken Seite heißt es:
"Eberhardt G.
10 %
Denise G.
Dieter G.
10 %
Carolien M.
10 % B.
Heike G.
5 %
Marie-Christin 5 %
Christine 10 %
Jenal Ö.
H.
Rottmann 5 % und die Wohnung
Der Brilli geht nach B.
an Heidi R.
."
Die Beklagte zu 6 wurde durch Beschluss des Nachlassgerichts vom 6. September 2017 zur Testamentsvollstreckerin ernannt und ihr ein Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt. Sie erstellte am 23. April 2018 ein Nachlassverzeichnis und holte Angebote für die Kosten einer zwanzigjährigen Grabpflege ein. Nach einem Angebot belaufen sich die Kosten auf 11.682,83 €, nach einem weiteren auf 7.329,57 €. Der Aktivnachlass betrug nach dem Vorbringen des Klägers in der Revisionsinstanz 16.102,74 €. Nachlassverbindlichkeiten bestanden ohne die Grabpflegekosten in Höhe von 6.337,55 €. Der Kläger forderte die Beklagte zu 6 mit Schreiben vom 29. Juni 2018 unter Fristsetzung zum 15. Juli 2018 zur Zahlung von 3.559,77 € auf, was diese mit Schreiben vom 28. August 2018 ablehnte und dem Kläger lediglich 809,44 € überwies.
Der Kläger hat
sich erstinstanzlich darauf berufen, ihm stehe ein Zusatzpflichtteil in Höhe
von 3.559,77 € zu, woraus sich abzüglich der gezahlten 809,44 € ein Betrag in
Höhe von 2.750,33 € ergebe. Er hat die Auffassung vertreten, die
Grabpflegekosten seien bei dem Zusatzpflichtteil nicht zu berücksichtigen. Das
Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat der Kläger
seine Klage erweitert und zuletzt in der Hauptsache einen Betrag von 6.335,56 €
geltend gemacht. Das Landgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit seiner
vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger, ausgehend von
einem Bruttonachlass von 16.102,74 €, sein Begehren teilweise weiter, nämlich
auf Zahlung eines Betrages von 3.209,04 € nebst Zinsen gegen die Beklagten zu 1
- 6, darüber hinaus auf Duldung der Zwangsvollstreckung gegen die Beklagte zu 6
sowie auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
Entscheidungsgründe
Die Revision
hat Erfolg.
I. Das
Berufungsgericht, dessen Urteil in ZErb 2020, 369 veröffentlicht ist, hat -
soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ausgeführt, dem Kläger stehe
kein Anspruch aus § 2305 BGB gegen die Beklagten zu. Zwar finde
§ 2305 BGB auf den Kläger Anwendung. Er sei pflichtteilsberechtigt und
sein Pflichtteil betrage als einziger Abkömmling die Hälfte des Nachlasses. Aus
dem Testament ergebe sich für ihn eine Erbquote von 9,09 %. Der Anspruch des
Klägers sei durch die vorgerichtliche Zahlung vollumfänglich erfüllt. Die
Kosten für die Grabpflege seien als Nachlassverbindlichkeit anzusehen. Es
handele sich zwar um keine Beerdigungskosten im Sinne des § 1968 BGB, da
die Beerdigung mit der erstmaligen Herrichtung der Grabstätte abgeschlossen
sei. Hier sei jedoch die Anordnung im Testament, dass der "Rest" des
Vermögens für eine zwanzigjährige Grabpflege zu verwenden sei, so auszulegen,
dass den Erben testamentarisch die Pflicht auferlegt worden sei, für eine
solche Grabpflege zu sorgen. Dem Erblasserwillen könne nur zur Geltung
verholfen werden, wenn die Kosten der Grabpflege vom Nachlass als
Verbindlichkeit abgezogen würden. Sie stellten sich als eine Erbfallschuld dar.
Die Kosten der Grabpflege schätze das Gericht auf 9.506,20 €, den Mittelwert
der von der Beklagten zu 6 eingeholten Angebote. Hieraus ergebe sich kein
weiterer Anspruch des Klägers.
II. Das
hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1.
Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist die Klage nicht deshalb
unzulässig, weil der Kläger nicht alle Miterben verklagt hat. Ein
Nachlassgläubiger hat bis zur Teilung des Nachlasses die Wahl, ob er die
Miterben als Gesamtschuldner (§ 2058 BGB) in Anspruch nimmt, oder ob er
von ihnen (lediglich) die Befriedigung aus dem ungeteilten Nachlass in Form der
Gesamthandsklage (§ 2059 Abs. 2 BGB) verlangt (Senatsurteil vom 10.
Februar 1988 - IVa ZR 227/86, NJW-RR 1988, 710 [juris Rn. 8]). Hier hat der
Kläger keine Gesamthandsklage erhoben, bei der er sämtliche Miterben hätte in
Anspruch nehmen müssen (vgl. BeckOK BGB/Lohmann, [Stand: 1. Februar 2021]
§ 2059 Rn. 6), sondern er begehrt ausweislich der eindeutigen Formulierung
im Antrag eine gesamtschuldnerische Verurteilung der Beklagten gemäß
§ 2058 BGB. In diesem Fall ist es nicht erforderlich, dass sämtliche
Miterben verklagt werden (vgl. MünchKomm-BGB/Ann, 8. Aufl. § 2058 Rn. 23;
Palandt/Weidlich, BGB 80. Aufl. § 2059 Rn. 4, 11). Vielmehr kann sich die
Klage - wie hier - auch nur gegen einzelne Miterben als Gesamtschuldner richten
(vgl. § 421 BGB).
Gemäß
§ 2213 Abs. 1 Satz 3 BGB kann ein Pflichtteilsanspruch ferner,
auch wenn dem Testamentsvollstrecker - wie hier der Beklagten zu 6 - die
Verwaltung des Nachlasses zusteht, nur gegen die Erben geltend gemacht werden.
Diese Klage kann indessen - wie hier durch den Antrag zu 2 geschehen - mit
einem Anspruch gegen den Testamentsvollstrecker auf Duldung der
Zwangsvollstreckung verbunden werden, um gemäß § 748 Abs. 3 ZPO eine
Vollstreckung in den der Testamentsvollstreckung unterliegenden Nachlass zu
ermöglichen (MünchKomm-BGB/Zimmermann, 8. Aufl. § 2213 Rn. 13; vgl. auch
BGH, Urteile vom 11. Mai 2006 - IX ZR 42/05, BGHZ 167, 352 Rn. 25; vom 3.
Dezember 1968 - III ZR 2/68, BGHZ 51, 125 [juris Rn. 20]; RGZ 109, 166 f.).
Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung kann von einer willkürlichen
Verknüpfung der beiden Ansprüche nicht gesprochen werden. Der Antrag zu 2 ist
hierbei dahin auszulegen, dass er sich hinsichtlich der Duldung der
Zwangsvollstreckung auf denselben Betrag bezieht wie der Zahlungsantrag zu 1
gegen die Miterben.
2. Dem
Kläger steht gegen die Beklagten - auf der Grundlage des Revisionsvorbringens
und vorbehaltlich der von den Beklagten erklärten Hilfsaufrechnung (dazu unter
III.) - ein Anspruch auf einen Zusatzpflichtteil gemäß § 2305 Satz 1
BGB in Höhe von 3.209,04 € zu. Der Kläger ist als Abkömmling der Erblasserin
gemäß § 2303 Abs. 1 BGB pflichtteilsberechtigt. Sein Pflichtteil als
einziger Abkömmling beträgt die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils
(§ 1924 Abs. 1, § 2303 Abs. 1 BGB).
Ausweislich der
revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts
sollten die von der Erblasserin in ihrem Testament eingesetzten Personen ihre
alleinigen Erben sein, auch wenn sich deren Erbeinsetzung rechnerisch zusammen
nur auf eine Quote von 55 % bezog. Hierbei kann offenbleiben, ob sich dies
bereits aus einer entsprechenden Auslegung des Testaments mit einer Erhöhung
der Quoten ergibt (so die Fallgestaltung BayObLG ZEV 2003, 241 [juris Rn. 24
f.] bei Erbeinsetzung von zwei Personen zu je 40 % und Verwendung weiterer 20 %
für die Grabpflege) oder - wie das Berufungsgericht angenommen hat - aus einer
quotalen Erhöhung der Bruchteile gemäß § 2089 BGB. Jedenfalls bestehen
keine Anhaltspunkte dafür, dass nach dem Willen der Erblasserin eine
Erbeinsetzung durch letztwillige Verfügung nur zu 55 % und im Übrigen
gesetzliche Erbfolge hätten eintreten sollen. Ausgehend hiervon ergibt sich für
den Kläger, der im Testament mit 5 % des Erbes bedacht wurde, eine Erbquote von
9,09 % und damit ein Zusatzpflichtteil gemäß § 2305 Satz 1 BGB von
40,91 %. Der Geltendmachung des Zusatzpflichtteils gemäß § 2305 BGB steht
nicht entgegen, dass der Kläger die Erbschaft nicht ausgeschlagen hat. Dies ist
bei § 2305 BGB im Gegensatz zu § 2306 BGB nicht erforderlich (vgl.
Staudinger/Otte, BGB (2015) § 2305 Rn. 14; Damrau/Tanck/Riedel,
Praxiskommentar Erbrecht 4. Aufl. § 2305 Rn. 10).
3. Zu
Unrecht nimmt das Berufungsgericht jedoch an, der Anspruch des Klägers auf den
Zusatzpflichtteil sei durch die außergerichtliche Zahlung der Beklagten zu 6 in
Höhe von 809,44 € erfüllt worden.
a) Die
Kosten für die Grabpflege sind im Rahmen der Berechnung des
Pflichtteilsanspruchs gemäß § 2311 BGB nicht als Nachlassverbindlichkeiten
abzuziehen. Zwar trägt gemäß § 1968 BGB der Erbe die Kosten der Beerdigung
des Erblassers. Hiervon erfasst werden aber nur die eigentlichen Kosten der
Beerdigung, also des Bestattungsaktes selbst, der seinen Abschluss mit der
Errichtung einer zur Dauereinrichtung bestimmten und geeigneten Grabstätte
findet. Kosten der Instandhaltung und Pflege der Grabstätte und des Grabmals
zählen nicht mehr zu den Kosten der Beerdigung, sondern entspringen allenfalls einer
sittlichen Verpflichtung des Erben (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 1973 -
III ZR 148/71, BGHZ 61, 238, 239; RGZ 160, 255, 256; OLG Düsseldorf ZErb 2018,
104 [juris Rn. 28]; OLG Köln ZEV 2015, 355 Rn. 4; OLG Schleswig ZEV 2010, 196
[juris Rn. 32-35]; OLG München ErbR 2010, 59 [juris Rn. 70]; OLG Oldenburg
FamRZ 1992, 987 [juris Rn. 25 f.]; LG Rottweil BeckRS 2004, 10336;
Staudinger/Herzog, BGB (2015) § 2311 Rn. 55; Staudinger/Kunz, BGB (2020)
§ 1968 Rn. 15; MünchKomm-BGB/Küpper, 8. Aufl. § 1968 Rn. 4;
Erman/Horn, BGB 16. Aufl. § 1968 Rn. 7; Palandt/Weidlich, BGB 80. Aufl.
§ 1968 Rn. 4; BeckOK BGB/Lohmann, [Stand: 1. Februar 2021] § 1968 Rn.
5; Damrau/Tanck/Gottwald, Praxiskommentar Erbrecht 4. Aufl. § 1968 Rn. 14;
jurisPK-BGB/Ehm, 9. Aufl. § 1968 Rn. 14; Märker, MDR 1992, 217; a.A. LG
Heidelberg ZEV 2011, 583 [juris Rn. 61]; AG Neuruppin ZEV 2007, 597 [juris Rn.
35]; Damrau, ZEV 2004, 456).
Auch die
Möglichkeit, erbschaftsteuerlich Grabpflegekosten abzusetzen (§ 10
Abs. 5 Nr. 3 ErbStG), vermag an dieser fehlenden rechtlichen
Verpflichtung des Erben zur Grabpflege nichts zu ändern, da die steuerliche
Berücksichtigungsfähigkeit von Aufwendungen nichts über die zivilrechtliche
Verpflichtung des Erben zur Kostentragung besagt (OLG Köln ZEV 2015, 355 Rn. 4;
OLG Schleswig ZEV 2010, 196 [juris Rn. 34 f.]; MünchKomm-BGB/Küpper, 8. Aufl.
§ 1968 Rn. 4; anders LG Heidelberg, AG Neuruppin, je aaO). Diese
steuerrechtliche Regelung hat dem Gesetzgeber auch keine Veranlassung zu einer
Änderung des § 1968 BGB gegeben.
Ferner ist eine
möglicherweise bestehende öffentlich-rechtliche Pflicht von Erben oder
Angehörigen zur Grabpflege unabhängig von der rein zivilrechtlichen Frage des
Bestehens einer Nachlassverbindlichkeit zu beurteilen (OLG Köln ZEV 2015, 355
Rn. 4; MünchKomm-BGB/Küpper, 8. Aufl. § 1968 Rn. 4; Märker, MDR 1992, 217;
a.A. LG Heidelberg aaO). Die Instandhaltungspflicht für eine Grabstätte trifft
nach den einschlägigen Friedhofssatzungen den Grabnutzungsberechtigten oder den
Totenfürsorgeberechtigten, der nicht zwingend personenidentisch mit dem Erben
sein muss.
b)
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts vermag auch die Anordnung im
Testament der Erblasserin, den Rest ihres Vermögens für die Beerdigung sowie
zwanzig Jahre Grabpflege zu verwenden, keine dem Kläger als
Pflichtteilsberechtigten entgegenzuhaltende Nachlassverbindlichkeit zu
begründen. Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören gemäß § 1967
Abs. 2 BGB außer den vom Erblasser herrührenden Schulden die den Erben als
solchen treffenden Verbindlichkeiten, insbesondere die Verbindlichkeiten aus
Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen (vgl. BGH, Beschluss vom 27.
August 2014 - XII ZB 133/12, FamRZ 2014, 1775 Rn. 14).
aa) Eine
Nachlassverbindlichkeit kann zwar durch eine Erwähnung der Grabpflege in der
letztwilligen Verfügung begründet werden, wenn bereits der Erblasser zu
Lebzeiten einen Grabpflegevertrag geschlossen hatte, der sodann die Erben als
dessen Rechtsnachfolger gemäß § 1922 BGB bindet (vgl. OLG Schleswig ZEV
2010, 196 [juris Rn. 37]; LG Rottweil BeckRS 2004, 10336; LG München I NJW-RR
1989, 197; Staudinger/Herzog, BGB (2015) § 2311 Rn. 55; Erman/Horn, BGB
16. Aufl. § 1968 Rn. 7; BeckOK BGB/Lohmann [Stand: 1. Februar 2021],
§ 1968 Rn. 6; MünchKomm-BGB/Küpper, 8. Aufl. § 1968 Rn. 4; Märker,
MDR 1992, 217). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor, da die Erblasserin
zu ihren Lebzeiten keinen derartigen Vertrag geschlossen hatte.
bb) Zu
Unrecht nimmt das Berufungsgericht demgegenüber an, die testamentarische
Anordnung, dass der Rest des Vermögens für eine zwanzigjährige Grabpflege zu
verwenden sei, begründe bereits eine Nachlassverbindlichkeit in Form einer
Erbfallschuld, die im Rahmen der Berechnung des Zusatzpflichtteils gemäß
§ 2305 BGB zu berücksichtigen sei. Die Bestimmung eines Erblassers in
einer letztwilligen Verfügung hinsichtlich Art und Umfang der nach seinem Tod
durchzuführenden Grabpflege ist als Auflage gemäß §§ 1940, 2192 BGB (vgl.
BayObLG ZEV 2003, 241 [juris Rn. 24 f.]) oder - je nach Ausgestaltung - als
Zweckvermächtnis gemäß §§ 1939, 2156 BGB anzusehen. Eine Auflage ist eine
Verfügung von Todes wegen, durch die einem Erben oder einem Vermächtnisnehmer
eine Verpflichtung auferlegt wird, ohne dass eine begünstigte Person ein Recht
auf die Leistung erhält (vgl. MünchKomm-BGB/Leipold, 8. Aufl. § 1940 Rn.
2). Hier liegt - entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung - eine
derartige Auflage vor, da die Erblasserin den Erben insgesamt aufgegeben hat,
dass nach dem Verkauf ihrer Sachen sowie Auszahlung der prozentual vorgesehenen
Beträge an die Erben der Rest für die Beerdigung und die Grabpflege auszugeben
ist. Im Verhältnis der Erben untereinander sowie zu außenstehenden Dritten
stellt eine Auflage, wie sich auch aus § 1967 Abs. 2 BGB ergibt, eine
Nachlassverbindlichkeit in Form einer Erbfallschuld dar (vgl. Staudinger/Kunz,
BGB (2020) § 1968 Rn. 15; MünchKomm-BGB/Küpper, 8. Aufl. § 1968 Rn.
4; Palandt/Weidlich, BGB 80. Aufl. § 1968 Rn. 4; Erman/Horn, BGB 16. Aufl.
§ 1968 Rn. 7; Damrau/Tanck/Gottwald, Praxiskommentar Erbrecht 4. Aufl.
§ 1968 Rn. 14 Fn. 52; jurisPK-BGB/Ehm, 9. Aufl. § 1968 Rn. 14;
Märker, MDR 1992, 217).
Demgegenüber
führt eine auf einer Auflage beruhende Nachlassverbindlichkeit entgegen der
Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu einer Kürzung eines Pflichtteils-
oder Zusatzpflichtteilsanspruchs. Nach einhelliger Auffassung ist der
Pflichtteilsanspruch gegenüber den Ansprüchen aus Auflagen und Vermächtnissen
vorrangig (Senatsurteil vom 16. September 1987 - IVa ZR 97/86, NJW 1988, 136
[juris Rn. 12]; BGH, Beschluss vom 27. August 2014 - XII ZB 133/12, FamRZ 2014,
1775 Rn. 20; OLG Koblenz ErbR 2020, 797 [juris Rn. 12, 15]; OLG Düsseldorf ZErb
2018, 104 [juris Rn. 30]; Palandt/Weidlich, BGB 80. Aufl. § 1991 Rn. 5;
MünchKomm-BGB/Lange, 8. Aufl. § 2311 Rn. 22; Burandt/Rojahn/Horn, Erbrecht
3. Aufl. § 2311 Rn. 37). Dieser Vorrang ergibt sich auch aus der
gesetzlichen Regelung des § 1991 Abs. 4 BGB. Hiernach sind
Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen durch
den Erben so zu berichtigen, wie sie im Falle des Insolvenzverfahrens zur
Berichtigung kommen würden. Nach § 327 Abs. 1 InsO werden
Verbindlichkeiten gegenüber Pflichtteilsberechtigten vor Verbindlichkeiten aus
den vom Erblasser angeordneten Vermächtnissen und Auflagen erfüllt. Dem Erblasser
soll es verwehrt sein, den Pflichtteilsanspruch durch freigiebige
Vermächtnisanordnungen oder Auflagen zu schmälern oder sogar auszuhöhlen.
Dieser Vorrang
des Pflichtteilsanspruchs gilt auch dann, wenn der Erblasser - wie hier -
Grabpflege in Form einer Auflage angeordnet hat. Auch in einem solchen Fall
können die Grabpflegekosten bei der Berechnung des Nachlasswertes für den
Pflichtteilsanspruch nicht in Abzug gebracht werden (so zu Recht OLG Düsseldorf
ZErb 2018, 104 [juris Rn. 28-30]; Palandt/Weidlich, BGB 80. Aufl. § 1968
Rn. 4; Schuhmacher, ZErb 2020, 373; Ruby/Schindler, ZEV 2010, 545, 546; anders
in einem obiter dictum OLG Schleswig ZEV 2010, 196 [juris Rn. 37]; hierzu
Maibach, jurisPR-FamR 5/2010 Anm. 4; Hartmann, ErbStB 2010, 333). Der Unterschied
zu einem noch vom Erblasser geschlossenen Grabpflegevertrag liegt darin, dass
es sich in diesem Fall noch um eine vom Erblasser herrührende
Nachlassverbindlichkeit in Form einer Erblasserschuld gemäß § 1967
Abs. 1 BGB handelt, die bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs
wertmindernd zu berücksichtigen ist.
4. Für
die Berechnung des Anspruchs gilt auf dieser Grundlage:
Der Kläger ist
als Miterbe zu 9,09 % durch die Anordnung der Grabpflege mit einer Auflage
beschwert. Bei der Berechnung des Wertes des Zusatzpflichtteils bleiben
Beschränkungen und Beschwerungen der in § 2306 BGB bezeichneten Art außer
Betracht (§ 2305 Satz 2 BGB). Der Berechtigte muss also die seinen
Erbteil betreffenden Beschränkungen und Beschwerungen stets voll tragen, wenn
er nicht ausschlägt. Lediglich für den Zusatzpflichtteil gemäß § 2305 BGB
bleiben die Beschränkungen und Beschwerungen außer Betracht (vgl. BT-Drucks.
16/8954 S. 19 f.; MünchKomm-BGB/Lange, 8. Aufl. § 2305 Rn. 8; BeckOK
BGB/Müller-Engels, [Stand: 1. Februar 2021] BGB § 2305 Rn. 7-7.2; Mayer,
Handbuch Pflichtteilsrecht 3. Aufl. S. 107 f.). Der Pflichtteilsrestanspruch
bemisst sich mithin aus der Differenz zwischen der Hälfte des gesetzlichen
Erbteils und dem hinterlassenen Erbteil ohne Abzug der Belastungen und
Beschränkungen. Hieraus ergibt sich auf der Grundlage des Revisionsvorbringens
folgende Berechnung:
Bruttonachlass
16.102,74 €
abzüglich Nachlassverbindlichkeiten
(6.337,55 € + 9.506,20 €
Grabpflegekosten)
15.843,75 €
Differenz
258,99 €
davon 9,09 % Erbteil des Klägers
23,54 €
Zusatzpflichtteil ohne Auflage
(40,91 % aus 16.102,74 € - 6.337,55 € =
9.765,19 €)
3.994,94 €
Gesamt
4.018,48 €
abzüglich erhaltener
809,44 €
verbleiben
3.209,04 €.
III. Eine eigene Entscheidung ist dem Senat gleichwohl verwehrt, da der Rechtsstreit noch nicht entscheidungsreif ist. Die Beklagten haben hilfsweise mit einem Schadensersatzanspruch die Aufrechnung erklärt und hierzu behauptet, der Kläger habe einen ihm zur Aufbewahrung übergebenen Nerzmantel der Erblasserin mit einem Wert von 700 € bis 1.000 € nicht zurückgegeben. Der Kläger behauptet demgegenüber, er habe nie einen Nerzmantel zur Verwahrung gehabt. Dieser sei vielmehr von der damaligen Betreuerin im Rahmen der Haushaltsauflösung für wertlos erachtet und entsorgt worden. Insoweit ist der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, welches über die Hilfsaufrechnung, gegebenenfalls nach Beweisaufnahme, zu entscheiden haben wird.
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