Die Klägerin war Eigentümerin einer mit notariellen Vertrag vom 29.66.2012 erworbenen und selbst bewohnten Eigentumswohnung, und veräußerte diese mit notariellen Vertrag vom 11.07.2017. Unstreitig war, dass im Hinblick auf die Haltedauer an sich der Veräußerungsgewinn nicht steuerpflichtig war. Allerdings unterhielt die Klägerin in der Wohnung ein (steuerlich von der Finanzverwaltung in den Vorjahren auch mit dem Höchstbetrag von € 1.250,00 anerkanntes) Arbeitszimmer, welches ca. 10% der Grundfläche der Wohnung ausmachte. Im Hinblick hierauf berechnete das Finanzamt einen von der Klägerin aus dem Veräußerungsgeschäft zu versteuernden Gewinn. Nachdem der dagegen durch die Klägerin eingelegte Einspruch vom Finanzamt (FA) zurückgewiesen wurde, erhob die Klägerin Klage, dem das Finanzgericht stattgab. Die Revision des FA wurde vom Bundesfinanzhof (BFH) zurückgewiesen.
Die Streitfrage betraf § 22 Nr. 2 iVm. § 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EstG, ob ein Gewinn aus der Veräußerung der Eigentumswohnung in Bezug auf den Bereich des Arbeitszimmers steuerlich zu berücksichtigen ist. Das FA berief sich auf das BMF-Schreiben vom 05.10.2000 (BStBl. I 2000, 1382 Rn. 21). Dass sich dem Rechtsstreit auf Seiten des FA anschließende Bundesministerium der Finanzen (BMF) verwies darauf, dass der als häusliches Arbeitszimmer genutzte Teil der Wohnung bei Veräußerung der selbst bewohnten Eigentumswohnung nicht den eigenen Wohnzwecken nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EstG zuzuordnen sei und damit hier auch nicht von der Besteuerung des darauf entfallenden Veräußerungsgewinns ausgenommen sei.
Zu den Einkünften nach § 22 Nr. 2 EStG zählen auch private Veräußerungsgeschäfte iSv. § 23 EstG. Eine Rückausnahme bilden Veräußerungsgeschäfte über Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte wie z.B. Erbbaurechte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung mehr als zehn Jahre beträgt oder (i) die im Zeitraum zwischen Anschaffung bzw. Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder (ii) im Jahr der Veräußerung und den beiden vorangegangenen Kalenderjahren zu eigenen Wohnzwecken geeignet war und genutzt wurde (§ 23 Abs. 1 S.1 1 Nr. 1 S. 3 EstG).
Vom BFH wurde darauf hingewiesen, dass seien Rechtsprechung zum Begriff der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken in einer dem Dualismus der Einkunftsarten wieder Geltung verschaffenden Ausnahmeregelung des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG wieder Geltung verschaffenden Ausnahmeregelung (BT-Drucks. 14/265, S. 181) sehr weit gefasst werde. Danach sei ausreichend, wenn der Steuerpflichtige das Gebäude zumindest auch selbst nutze, weshalb eine gemeinsame Nutzung mit Familienangehörigen oder einem Dritten nutze. Eine Nutzung zu „eigenen Wohnzwecken“ liege aber dann nicht vor, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich an einen Dritten überlasse, ohne sie zugleich selbst zu bewohnen. Aber auch ein zeitweiliges Bewohnen würde zu „eigenen Wohnzwecken“ erfolgen, wenn zwar der Steuerpflichtige die Wohnung nur zeitweise bewohne, sie ihm aber in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfügung stünde (z.B. Zweitwohnungen, nicht zur Vermietung bestimmte Ferienwohnungen und Wohnungen, die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt würden); sei deren Nutzung auf Dauer angelegt, käme es darauf an, on der Steuerpflichtige noch eine oder mehrere Wohnung(en) habe und wie oft er sich darin aufhalte (BFH, Urteil vom 27.06.2017 - IX R 37/16 -).
Nach diesen Grundsätzen läge eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auch dann vor, wenn sich in der im Übrigen selbst bewohnten Eigentumswohnung ein häusliches Arbeitszimmer befände (anders als im BMF-Schreiben aaO. ausgeführt). Weder der Wortlaut des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG noch die Gesetzesbegründung gäben Anhaltspunkte dafür, bei Vorliegen eines häuslichen Arbeitszimmers dieses von der Begünstigung ausnehmen zu wollen.
„Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ sei eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit und die Eigengestaltung der Haushaltsführung und es häuslichen Wirkungskreises gekennzeichneter Lebenssachverhalt, die in gewisser Weise auch mit der Betätigung in einem häuslichen Arbeitszimmer verknüpft seien. Eine private Mitbenutzung des Arbeitszimmers sei zudem nicht überprüfbar und deshalb nicht vollständig auszuschließen, weshalb ein häusliches Arbeitszimmer bereits angenommen würde, wenn dieses nahezu ausschließlich für betriebliche/berufliche Zwecke (und unter 10% für Wohnzwecke) genutzt würde.
Der Gesetzgeber habe ausweislich der Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 14/23, S. 180 und BT-Drucks. 12/265, S. 181 „soweit“) auch berücksichtigt, dass sich die Befreiung nicht auf die gesamte Wohnung beziehen müsse, wenn z.B. eine Fremdvermietung eines Zimmers in der Wohnung erfolge. Hätte er auch das häusliche Arbeitszimmer von der Befreiung ausnehmen wollen, hätte es nahegelegen, dies auch mit aufzunehmen. Zudem habe der Gesetzgeber die Besteuerung im Falle der Aufgabe des Wohnsitzes (z.B. wegen Arbeitsplatzwechsels) für nicht gerechtfertigt angesehen (BT-Drucks. 14/23, S. 180), was dann auch für das häusliche Arbeitszimmer gelten müsse, was im Falle des Wohnsitzwechsels in dieser Wohnung wegfalle.
BFH, Urteil vom 01.03.2021 -
IX R 27/19 -
Aus den Gründen:
Tenor
Die Revision
des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom
23.07.2019 - 5 K 338/19 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des
Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
I.
Streitig ist,
ob ein Gewinn aus der Veräußerung einer Eigentumswohnung als sonstige Einkünfte
i.S. des § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr (2017) geltenden
Fassung (EStG) zu berücksichtigen ist, soweit er auf den Bereich des häuslichen
Arbeitszimmers entfällt.
Die Klägerin
und Revisionsbeklagte (Klägerin) erzielte im Streitjahr als Lehrerin Einkünfte
aus nichtselbständiger Arbeit; bei der Ermittlung dieser Einkünfte machte sie
--wie auch in früheren Veranlagungszeiträumen-- Aufwendungen für ein in ihrer
Eigentumswohnung liegendes häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten geltend,
die von dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) jeweils mit dem
Höchstbetrag in Höhe von 1.250 € anerkannt worden sind. Die Klägerin hatte
die Eigentumswohnung mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 29.06.2012
erworben und sodann mit Vertrag vom 11.07.2017 veräußert.
In ihrer
Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte die Klägerin einen aus
dieser Veräußerung resultierenden, anteilig auf die Grundfläche des häuslichen
Arbeitszimmers entfallenden Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe
von 10.918 €. Das FA folgte der Berechnung im Wesentlichen und
berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für 2017 vom 15.10.2018 Einkünfte
aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 10.941 €.
Der Einspruch
der Klägerin wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Der Klage gab
das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2020, 46
veröffentlichten Urteil statt und setzte die Einkünfte aus der Veräußerung der
Eigentumswohnung mit 0 € an. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus,
der Veräußerungsgewinn sei zwar grundsätzlich gemäß § 23 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG steuerpflichtig, da die Klägerin das
Objekt innerhalb des Zehnjahreszeitraums veräußert habe. Der Veräußerungsgewinn
sei aber nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG von
der Besteuerung ausgenommen, auch soweit er auf das häusliche Arbeitszimmer
innerhalb der selbst genutzten Wohnung entfalle. Für die Ausnahme von der
Besteuerung sei es nicht schädlich, wenn die Klägerin ihre Eigentumswohnung vor
der Veräußerung mit einem unwesentlichen Teil (ca. 10 % der Wohnfläche) zu
ausschließlich beruflichen Zwecken als häusliches Arbeitszimmer genutzt habe.
Die Veräußerungsgewinnbesteuerung nach § 23 Abs. 1 EStG stelle darauf
ab, dass ein einzeln veräußerbares "Wirtschaftsgut" veräußert werde.
Nur die Eigentumswohnung als solche, nicht hingegen das häusliche Arbeitszimmer
erfülle den Begriff des Wirtschaftsguts, da das Arbeitszimmer nicht losgelöst
von der Eigentumswohnung veräußerbar sei.
Mit seiner
Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 22 Nr. 2
i.V.m. § 23 Abs. 1 EStG). Es trägt zur Begründung im Wesentlichen
vor, der Besteuerungstatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 EStG sei erfüllt, da die Veräußerung der Eigentumswohnung auch das
häusliche Arbeitszimmer umfasst habe. Das häusliche Arbeitszimmer sei nahezu
ausschließlich beruflich und nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzt worden. Die
vom FG angeführte Voraussetzung, dass es sich bei dem häuslichen Arbeitszimmer
um ein eigenständiges Wirtschaftsgut handeln oder man ein solches durch eine
Teilung herstellen können müsse, um eine Besteuerung nach § 23 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 EStG vorzunehmen, sei weder aus dem Gesetzeswortlaut
noch aus dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung erkennbar. Folge man dem
FG, wäre bei dem veräußerten Gesamtwirtschaftsgut "Wohnung", das
nicht in selbständige Wirtschaftsgüter aufteilbar sei, die Veräußerung
insgesamt deshalb zu versteuern, weil das in Rede stehende Gesamtwirtschaftsgut
"Wohnung" nicht im Ganzen zu Wohnzwecken genutzt werde.
Das FA
beantragt,
das Urteil des
FG aufzuheben und die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß
§ 23 EStG aus der Veräußerung des Objekts Y-Straße in Z mit 10.941 €
anzusetzen.
Die Klägerin
beantragt,
die Revision
zurückzuweisen.
Sie schließt
sich der Auffassung des FG an.
Das dem
Rechtsstreit beigetretene Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat keinen Antrag
gestellt. Es unterstützt das Begehren des FA und führt im Wesentlichen aus, ein
für die Arbeitnehmertätigkeit als häusliches Arbeitszimmer genutzter
Gebäudeteil sei --unabhängig von der Qualifizierung als einzeln veräußerbares
Wirtschaftsgut-- bei der Veräußerung der selbst bewohnten Eigentumswohnung
nicht den eigenen Wohnzwecken nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Satz 3 EStG zuzuordnen und damit auch nicht von der Besteuerung
ausgenommen. Die Veräußerung des Gebäudeteils "häusliches
Arbeitszimmer" erfülle daher den Veräußerungstatbestand des § 23
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision
des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden,
dass das --für die Erzielung von Überschusseinkünften genutzte-- häusliche
Arbeitszimmer der Klägerin nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Satz 3 EStG von der Besteuerung ausgenommen ist.
1. Nach
§ 22 Nr. 2 EStG zählen zu den sonstigen Einkünften (§ 2
Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG) auch Einkünfte aus privaten
Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG. Dazu gehören gemäß § 23
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken
und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke
unterliegen (z.B. Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht), bei denen der Zeitraum
zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt.
Ausgenommen sind Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder
Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken
(1. Alternative) oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen
Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden (§ 23
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Die Freistellung bewirkt
eine Rückausnahme von der ausnahmsweisen, den Grundsatz der im Dualismus der
Einkunftsarten verankerten Nichtsteuerbarkeit von Wertveränderungen privater
Wirtschaftsgüter durchbrechenden Steuerbarkeit privater Veräußerungsgeschäfte
(vgl. dazu Blümich/Ratschow, § 23 EStG Rz 10; BeckOK EStG/Trossen,
9. Ed. [01.01.2021], EStG § 23 Rz 6).
a) Das
Tatbestandsmerkmal "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" setzt in beiden
Alternativen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG
voraus, dass eine Immobilie zum Bewohnen geeignet ist und vom Steuerpflichtigen
bewohnt wird.
aa) Die
Senatsrechtsprechung hat den Begriff der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken in der
dem Dualismus der Einkunftsarten wieder Geltung verschaffenden Ausnahmeregelung
des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG
--entsprechend deren Zweck, die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns bei
Aufgabe eines Wohnsitzes zu vermeiden (BTDrucks 14/265, S. 181)-- stets
sehr weit gefasst (Senatsurteil vom 18.01.2006 - IX R 18/03,
BFH/NV 2006, 936, unter II.1.b, Rz 11) und eigenständig ausgelegt.
Ausreichend ist, dass der Steuerpflichtige das Gebäude zumindest auch selbst
nutzt; unschädlich ist, wenn er es gemeinsam mit seinen Familienangehörigen
oder einem Dritten bewohnt (vgl. Senatsurteile in BFH/NV 2006, 936, unter
II.1.a, Rz 10; vom 25.05.2011 - IX R 48/10, BFHE 234, 72,
BStBl II 2011, 868, unter II.1.a, Rz 12; vom 27.06.2017 -
IX R 37/16, BFHE 258, 490, BStBl II 2017, 1192, unter II.1.a,
Rz 12; vom 21.05.2019 - IX R 6/18, BFH/NV 2019, 1227,
unter II.1.a, Rz 16; vom 03.09.2019 - IX R 8/18, BFHE 266,
173, BStBl II 2020, 122, unter II.3.a, Rz 22; vom 03.09.2019 -
IX R 10/19, BFHE 266, 507, BStBl II 2020, 310, unter II.1.a,
Rz 10; vgl. auch BMF-Schreiben vom 05.10.2000, BStBl I 2000, 1383,
Rz 22). Eine Nutzung zu "eigenen Wohnzwecken" liegt hingegen
nicht vor, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich
an einen Dritten überlässt, ohne sie zugleich selbst zu bewohnen (Senatsurteil
in BFHE 258, 490, BStBl II 2017, 1192, unter II.1.a, Rz 12, m.w.N.).
bb) Ein
Gebäude wird auch dann zu eigenen Wohnzwecken i.S. des § 23 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG genutzt, wenn es der Steuerpflichtige
nur zeitweilig bewohnt, sofern es ihm in der übrigen Zeit als Wohnung zur
Verfügung steht. Erfasst sind daher auch Zweitwohnungen, nicht zur Vermietung
bestimmte Ferienwohnungen und Wohnungen, die im Rahmen einer doppelten
Haushaltsführung genutzt werden (Senatsurteil in BFHE 266, 173, BStBl II 2020,
122, unter II.3.a, Rz 22, m.w.N.). Ist deren Nutzung auf Dauer angelegt,
kommt es nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige noch eine (oder mehrere)
weitere Wohnung(en) hat und wie oft er sich darin aufhält (Senatsurteil in BFHE
258, 490, BStBl II 2017, 1192, unter II.1.b, Rz 13).
b) Nach
diesen Grundsätzen liegt eine "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" i.S.
des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG auch
hinsichtlich eines in der --im Übrigen selbst bewohnten-- Eigentumswohnung
befindlichen häuslichen Arbeitszimmers vor (a.A. BMF-Schreiben in BStBl I 2000,
1383, Rz 21; Musil in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 23 EStG
Rz 130 "Häusliches Arbeitszimmer"; Schmidt/Weber-Grellet, 39. Aufl.,
§ 23 Rz 18).
Weder der
Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG noch
die Gesetzesbegründung und der Gesetzeszweck bieten einen Anhaltspunkt dafür,
dass der Gesetzgeber ein häusliches Arbeitszimmer von der Begünstigung
ausnehmen wollte.
aa) Das
Tatbestandsmerkmal "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" umschreibt --nach
seinem Grundverständnis-- einen durch eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit,
die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises
gekennzeichneten Lebenssachverhalt (vgl. Senatsbeschluss vom 28.05.2002 -
IX B 208/01, BFH/NV 2002, 1284, unter II.2.a, Rz 13). Diese
Eigenschaften sind in gewisser Weise auch mit der Betätigung in einem
häuslichen Arbeitszimmer verknüpft und sprechen deshalb dafür, dass dieses
--zumindest zeitweise-- zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Eine private
Mitbenutzung des Arbeitszimmers ist nicht überprüfbar und daher nicht
vollständig auszuschließen. Entsprechend versteht die Rechtsprechung den
Typusbegriff des häuslichen Arbeitszimmers dahin, dass ein solches bereits dann
vorliegt, wenn der jeweilige Raum nahezu ausschließlich für betriebliche oder
berufliche Zwecke genutzt wird (Beschluss des Großen Senats des
Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27.07.2015 - GrS 1/14, BFHE 251, 408,
BStBl II 2016, 265). Für ein in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen
eingebundenes Arbeitszimmer verbleibt somit schon nach dem Typusbegriff des
häuslichen Arbeitszimmers regelmäßig eine jedenfalls geringfügige Nutzung zu
eigenen Wohnzwecken. Auch bei einer nahezu ausschließlichen Nutzung des in die
häusliche Sphäre eingebundenen Arbeitszimmers für betriebliche/berufliche
Tätigkeiten kann daher unterstellt werden, dass es im Übrigen --also zu weniger
als 10 %-- zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Der Umfang der Nutzung des
Arbeitszimmers zu eigenen Wohnzwecken ist in diesem Zusammenhang nicht
erheblich; denn § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG
enthält in Bezug auf dieses Merkmal keine Bagatellgrenze. Dem entsprechend
genügt bereits eine geringe Nutzung zu eigenen Wohnzwecken, um (typisierend)
davon auszugehen, dass ein häusliches Arbeitszimmer stets auch zu eigenen
Wohnzwecken im Sinne der Norm genutzt wird.
Aus dem in
§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 1. Alternative
EStG normierten Kriterium der Ausschließlichkeit folgt nichts anderes; denn
dieses Merkmal bezieht sich nur auf die zeitliche, nicht auf die räumliche
Nutzung des Wirtschaftsguts --hier Wohnung einschließlich Arbeitszimmer--
(ebenso Blümich/Ratschow, § 23 EStG Rz 55; Wernsmann in
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 23 Rz B 53). Aus dem
systematischen Vergleich von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Satz 3 1. Alternative EStG mit der 2. Alternative des
Satzes 3, die eine Ausschließlichkeit gerade nicht vorsieht, folgt, dass
die Ausschließlichkeit einen Gesamtnutzungszeitraum abdecken soll, der kürzer
oder länger als in der 2. Alternative sein kann. In der
2. Alternative ist der Zeitraum hingegen genau bestimmt, so dass das Wort
"ausschließlich" entbehrlich war.
bb) In der Gesetzesbegründung wird lediglich auf die Selbstnutzung und deren Aufgabe (z.B. wegen Arbeitsplatzwechsels) Bezug genommen (BTDrucks 14/23, S. 180 und 14/265, S. 181). Den Gesetzesmaterialien (BTDrucks 14/23, S. 180 und 14/265, S. 181: "soweit") lässt sich zudem entnehmen, dass sich --etwa im Falle der Fremdvermietung eines Zimmers in der Wohnung-- die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken für die Gewährung der anteiligen Steuerbefreiung nicht auf das gesamte Objekt erstrecken muss. Wenn der Gesetzgeber ein häusliches Arbeitszimmer unter diesen Prämissen von der Begünstigung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG hätte ausnehmen wollen, hätte es nahegelegen, dies ausdrücklich zu regeln.
cc)
Bestätigung findet diese Auslegung im bereits angeführten Gesetzeszweck des
§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG. Wenn der
Gesetzgeber die Besteuerung im Fall einer Aufgabe des Wohnsitzes (z.B. wegen
eines Arbeitsplatzwechsels) für nicht gerechtfertigt hält (BTDrucks 14/23,
S. 180), trifft diese Erwägung auf das häusliche Arbeitszimmer als Teil
des im Zuge des Wohnsitzwechsels veräußerten Wohneigentums gleichermaßen zu.
Auch insofern liegen eigene Wohnzwecke vor, die allein von fremden Wohnzwecken
(wie der Fremdvermietung eines Zimmers in der Wohnung) abzugrenzen sind.
dd) Kein
anderes Ergebnis folgt aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
(dortiger Beschluss vom 06.07.2010 - 2 BvL 13/09, BVerfGE 126,
268, BStBl II 2011, 318) und des Großen Senats des BFH zum häuslichen
Arbeitszimmer (mit seinem Beschluss in BFHE 251, 408, BStBl II 2016, 265).
Diese ist zu dem im Streitfall nicht gegenständlichen Werbungskosten- und
Betriebsausgabenabzug (§ 9 Abs. 5 Satz 1 EStG, § 4
Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG) ergangen und trifft daher keine
Aussagen zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken
" auf der Ebene der Steuerbarkeit von Objekten im Rahmen des § 23
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG.
2. Nach
diesen Maßstäben hat die Klägerin die in Rede stehende Eigentumswohnung
insgesamt --einschließlich des häuslichen Arbeitszimmers-- zu eigenen
Wohnzwecken i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3
EStG genutzt.
a) Das
FG hat zunächst zu Recht entschieden, dass im Streitfall die
Tatbestandsmerkmale eines privaten Veräußerungsgeschäfts i.S. des § 23
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG erfüllt sind, da die
Klägerin ihre Eigentumswohnung innerhalb des Zehnjahreszeitraums angeschafft
und wieder veräußert hat. Dabei kann offenbleiben, ob das getätigte
Veräußerungsgeschäft bei Eigentumswohnungen (§§ 1 ff. des
Wohnungseigentumsgesetzes) unter Alternative 1 (Grundstücke; in diese
Richtung Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom
14.01.1988 - Breg 2 Z 160/87, Neue Juristische
Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 1988, 592, betreffend das
bayerische Unschädlichkeitszeugnisgesetz: "unterliegt ... grundsätzlich den
auf Grundstücke anzuwendenden Vorschriften") oder Alternative 2
(grundstücksgleiches Recht; so HHR/Musil, § 23 EStG Rz 89
"Wohnungseigentum und Teileigentum") des § 23 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG fällt, da die Rechtsfolge in beiden
Fällen identisch ist.
b) Im
Ergebnis zutreffend hat das FG auch die Nichtsteuerbarkeit des
Veräußerungsgeschäfts gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Satz 3 EStG bejaht. Denn die Klägerin hat die Eigentumswohnung
einschließlich des Arbeitszimmers im Zeitraum zwischen Anschaffung und
Veräußerung nach den dargestellten Grundsätzen ausschließlich zu eigenen
Wohnzwecken genutzt. Damit gelangt die Freistellungsregelung zur Anwendung.
Anders als das FG meint, bedarf es vor diesem Hintergrund keiner Entscheidung,
ob das häusliche Arbeitszimmer ein Wirtschaftsgut i.S. des § 23
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ist.
3. Die
Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
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