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Sonntag, 17. Mai 2020

Datenschutz: Auswertung von Krankendaten durch Übermittlung an Forschungszentrum


Der Antrag des Versicherten einer gesetzlichen Krankenkasse war auf eine einstweilige Anordnung durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gerichtet, den Vollzug der durch Art. 1 des Gesetzes für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation vom 09.12.2019 in das SGB V eingefügten §§ 68a Abs. 5 und 303a bis 303f außer Kraft zu setzen, hilfsweise § 68a nur mit einem Einwilligungserfordernis und § 303b Abs. 1 nur mit einer Widerspruchsmöglichkeit des gesetzlich Versicherten anzuwenden. Er leide an einer Erbkrankheit und befürchte, trotz Pseudo- und Anonymisierung reidentifiziert werden zu können, sieht auch die Möglichkeit eines Datenmissbrauchs durch Dritte und Unberechtigte. Haupt- und Hilfsantrag wurden zurückgewiesen.

§ 68a Abs. 5 SGB V würde die Krankenkassen ermächtigen, versichertenbezogene Daten ihrer Versicherten pseudonymisiert oder, wenn möglich, auch anonymisiert auszuwerten, um den Versorgungsbedarf im Hinblick auf digitale Innovationen und deren Einfluss auf der Versorgung der gesetzlich Versicherten zu ermitteln und deren möglichen Einfluss auf etwaige positive Versorgungseffekte digitaler Anwendungen zu evaluieren.  Die §§ 303a ff SGB V würden ein Datentransparenzverfahren etablieren, in dem die Daten wie Alter, Geschlecht, Wohnort und bestimmte Gesundheitsdaten an den Spitzenverband Bund der Krankenkassen übermittelt und anschließend an ein noch zu etablierendes Forschungszentrum weitergegeben würden. Dabei solle gewährleistet sein, dass die Pseudonyme eindeutig einem bestimmten Versicherten zugeordnet werden können, um darauf basierend beispielsweise medizinische Langzeitstudien oder Längsschnittanalysen durchführen zu können.

Da das Ergebnis der Verfassungsbeschwerde nicht feststehen würde, der Antrag nicht von vornherein unbegründet erscheine, sei eine Folgenabwägung vorzunehmen. Dabei sei ein besonders strenger Maßstab anzulegen, da ein Aussetzen eines in Kraft getretenen Gesetzes stets ein erheblicher Eingriff in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bedeute. Entscheidend sei daher, ob die Nachteile für den Antragsteller irreversibel oder nur schwer revidierbar wären. Danach scheide hier eine Aussetzung aus.

Die vorgesehene Datenverarbeitung und –übermittlung sei vor allem wegen der teils sensiblen und in hohem Maße persönlichkeitsrelevanten Charakters der genutzten Daten ein erheblicher Grundrechtseingriff, der durch die Menge der Daten , die erhoben, übermittelt, ausgewertet und anderweitig verarbeitet werden dürften, verstärkt werde. Dieser Nachteil trete aber nicht durch den Vollzug der Normen ein, sondern erst dann, wenn entgegen der gesetzlichen Regelung ein Personenbezug zu bestimmten Versicherten hergestellt würde. Das aber versuche das Gesetz durch Vorkehrungen und prozedurale Sicherungen zu verhindern. Auch die Missbrauchsanfälligkeit größerer Datensammlungen für den unberechtigten Zugriff Dritter bedeute einen, vom Gesetz nicht gebilligten Zwischenschritt, dessen Eintritt  nicht mit hinreichender Sicherheit als unmittelbar bevorstehend angenommen werden könne. Wegen zu Unrecht erhobener und gespeicherter Daten, die sich hierzu bei den berechtigten Stellen befänden, könne auch ein Löschungsantrag gestellt werden, so dass der eingetretene Nachteil nicht irreversibel wäre.

Würde dem Eilantrag stattgegeben, wäre eine Übermittlung der sich ohnehin bei den Krankenkassen befindlichen Daten und deren Auswertung nicht möglich. Zwar könnte, würde die Verfassungsbeschwerde abgewiesen werden, die Übermittlung und Auswertung nachgeholt werden. Aber das Ziel des Gesetzgebers, den Bedarf und die Effekte von digitalen Anwendungen mittels empirischer Datengrundlagen zuverlässig einschätzen zu können, würde erheblich zeitlich aufgeschoben und damit erheblich erschwert.

Damit würden die dem Antragsteller bei Nichtergehen einer einstweiligen Anordnung drohenden Nachteile nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit die Nachteile überwiegen, die bei einem Erlass der Anordnung trotz späterer Erfolglosigkeit einer noch zu erhebenden Verfassungsbeschwerde einzutreten drohen würden. Angesichts dessen könne auch dem Hilfsantrag nicht stattgegeben werden.

BVerfG, Beschluss vom 19.03.2020 - 1 BvQ 1/20 -