Der Erblasser war der Ehemann der
Beteiligten zu 1. (seiner 2. Ehefrau) und der Beteiligten zu 2. und 3. (seiner
Töchter aus 1. Ehe). In gemeinsamer notarieller Urkunde beantragten die Beteiligten
einen gemeinschaftlichen Erbschein als gesetzliche Erben und verzichteten
ausdrücklich auf die Aufführung der Erbteile im Testament gem. „§ 325a Abs. 2
S. 2 FamFG“. Am 29.09.2016 wurde der Erbschein erlassen. Gegen diesen wandte
sich die Beteiligte zu 1. Mit Schreiben vom 21.11.2016 und erklärte den Erbschein
„zurückzurufen“. Das Nachlassgericht hatte den Antrag zurückgewiesen. Einer
eingelegten Beschwerde half es nicht ab; das Beschwerdegericht wies die
Beschwerde zurück.
Wenn die Erklärung, den „Erbschein
zurückzurufen“ als Rücknahme des Antrags zu verstehen sei, könne dem nicht
gefolgt werden. Der Antrag sei sowohl von der Beschwerdeführerin als auch den
Beteiligten zu 2. und 3. am 09.09.2016 wirksam beantragt worden. Die Beteiligte
zu 1. könne diesen nicht wirksam zurücknehmen.
Auch könne die Beteiligte zu 1. nicht
eine Unrichtigkeit des Erbscheins deshalb geltend machen, da in ihm keine
Erbquoten angegeben wurden. Dies sei gem. § 352a Abs. 2 S. 2 FamFG nicht erforderlich,
wenn - wie hier - alle Antragsteller in dem Antrag darauf
verzichten würden. Auch soweit in der Urkunde auf eine nicht existente Norm des
§ 325a Abs. 2 S. 2 FamFG verwiesen worden sei, sei dies unschädlich; das
Notariat habe hier glaubhaft ein Schreibversehen dargelegt.
Wollte man überhaupt von der
Möglichkeit eines Widerrufs des Verzichts auf Aufnahme einer Erbquote ausgehen,
so sei dies im Übrigen allenfalls bis zum Erlass des Erbscheins möglich.
OLG München, Beschluss vom 10.04.2020 - 321 Wx 354/17 -
Aus den Gründen:
Tenor
- I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck vom 30. August 2017 wird zurückgewiesen.
- II. Die Beteiligte zu 1 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und hat die den Beteiligten zu 2 und 3 im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten zu erstatten.
- III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 21.700 € festgesetzt.
Gründe
- I.
- Der Erblasser ist am 22.3.2016 im Alter von 66 Jahren verstorben. Der Erblasser war deutscher Staatsangehöriger, die Beteiligte zu 1, seine zweite Ehefrau, ist russische Staatsangehörige. Die Beteiligten zu 2 und 3 sind seine Töchter aus erster Ehe.
- Am 9.9.2016 versicherten die Beteiligten zu 1 bis 3 in notarieller Urkunde an Eides statt, dass der Erblasser weder einen Erbvertrag abgeschlossen noch eine Verfügung von Todes wegen hinterlassen hat und daher von den Beteiligten zu 1 bis 3 beerbt wurde, die die Erbschaft angenommen hätten.
- Weiter heißt es in der Urkunde:
- Wir, die Erschienenen, beantragen die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins dahingehend, dass wir, die vorgenannten Personen, gesetzliche Erben des Erblassers geworden sind. Wir, die Erschienenen, verzichten auf die Aufführung der Erbteile im Erbschein gemäß § 325 a Abs. 2 Satz 2 FamFG.
- Mit Beschluss vom 29.9.2016 stellte die Rechtspflegerin am Amtsgericht – Nachlassgericht – fest, dass die Tatsachen, die zur Erteilung eines Erbscheins für die Beteiligten zu 1 bis 3 erforderlich sind, für festgestellt zu erachten sind. Der Erbschein wurde am gleichen Tag von der Rechtspflegerin erteilt.
- Gegen die Erteilung des Erbscheins wandte sich die Beteiligte zu 1 mit Schreiben vom 21.11.2016. Darin erklärt sie, den Erbschein „zurückzurufen“, da er aufgrund einer gefälschten notariellen Urkunde erteilt worden sei. Tatsächlich sei am 9.9.2016 ein dem ihr zuvor übersandten Entwurf entsprechender Text vorgelesen und unterschrieben worden, in dem die Erbteile bezeichnet gewesen seien. In dem Entwurf sei noch gestanden, dass sie Erbin zu ½ sei.
- Das angehörte Notariat erklärte am 9.12.2016, dass die von der Beteiligten zu 1 erhobenen Vorwürfe nicht zuträfen. Im Rahmen der Protokollierung des Antrags habe sich herausgestellt, dass die Ehegatten möglicherweise in einem ausländischen Güterstand verheiratet gewesen seien, was Auswirkungen auf die Erbquote hätte. Da der korrekte Erbteil kurzfristig nicht zu ermitteln gewesen sei, hätten die Erben von der Möglichkeit des § 352a Abs. 2 Satz 2 FamFG Gebrauch gemacht und auf die Aufführung der Erbquoten verzichtet.
- Das Amtsgericht – Nachlassgericht – hat den Antrag mit Beschluss vom 30.8.2017 zurückgewiesen.
- Dagegen wendet sich die Beteiligte zu 1 mit der am 27.9.2017 eingelegten Beschwerde. Sie habe die Ehe mit dem Erblasser in Deutschland geschlossen, so dass sie im deutschen gesetzlichen Güterstand gelebt hätten. Eine Änderung der Urkunde sei daher ohne ihre Mitwirkung und ohne ihr Einverständnis erfolgt. Sie habe den Text unterzeichnet, der dem ihr vorab zugesandten Entwurf entsprochen habe. Die Urkunde sei bei Unterzeichnung nicht gemäß § 44 BeurkG mit Schnur und Prägesiegel verbunden gewesen. Es sei nur ein Absatz zur Schreibweise ihres Namens ergänzt worden, weiteres sei bei der Beurkundung weder besprochen noch geändert worden.
- Die Beteiligten zu 2 und 3 wenden sich gegen die Einziehung des Erbscheins. Der Antrag beim Notar sei daher im allgemeinen Einvernehmen geändert worden, da sich die Beteiligte zu 1 überwiegend in Moskau aufgehalten habe, so dass nicht klar gewesen sei, welches Güterrecht gelte. Der Notartermin sei auch kurzfristig unterbrochen worden, um die besprochenen Änderungen in den Vertrag einzuarbeiten.
- Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
- Der Senat hat nach Erholung der Erklärungen der Beteiligten zur Entbindung der Notarin von der Schweigepflicht eine schriftliche Aussage derselben vom 23.12.2019 erholt.
- II.
- Die nach § 58 FamFG statthafte Beschwerde ist im Übrigen zulässig (§§ 63, 64 FamFG).
- Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg. Eine Einziehung des Erbscheins vom 29.9.2016 ist nicht veranlasst, weil dieser dem gestellten Antrag und der Erbrechtslage entspricht.
- 1. Ein erteilter Erbschein ist nach § 2361 BGB einzuziehen, wenn er unrichtig ist. Eine Unrichtigkeit des Erbscheins liegt vor, wenn die Voraussetzungen für seine Erteilung entweder schon ursprünglich nicht gegeben waren oder nachträglich nicht mehr vorhanden sind (Palandt/Weidlich BGB 79. Aufl. § 2361 Rn. 2).
- a) Verfahrensfehler können unter Umständen die Einziehung des Erbscheins begründen, insbesondere wenn das erteilende Gericht nicht für das Nachlassverfahren zuständig war (Palandt/Weidlich § 2361 Rn. 3). Wird ein Erbschein erteilt, ohne dass ein wirksamer Antrag vorlag, zwingt dies nur dann nicht zur Einziehung, wenn der Antragsberechtigte die Erteilung nachträglich genehmigt hat (BGH NJW 1989, 984; BayObLG NJW-RR 2001, 950).
- aa) Vorliegend lag dem erteilten Erbschein allerdings ein wirksamer Antrag vom 9.9.2016 zugrunde. Die notarielle Urkunde wurde nämlich wirksam errichtet und enthält den entsprechenden Antrag auf Erteilung eines Erbscheins.
- Soweit die Beteiligte zu 1 vorträgt, die von ihr am 9.9.2016 unterzeichnete Urkunde habe nicht den vorliegenden Antrag enthalten, sondern dem Entwurf entsprochen, der die Quoten ausgewiesen hätte, ist dies durch die schriftliche Aussage der Notarin widerlegt. Diese hat nach allseitiger Entbindung von der Schweigepflicht in einem Schreiben vom 23.12.2019 folgendes angegeben: Es sei für den Beurkundungstermin ein Entwurf vorbereitet gewesen, der die Erbteile der an der Urkunde Beteiligten enthalten habe. Im Beurkundungstermin habe sich jedoch herausgestellt, dass die Frage, in welchem Güterstand die Ehegatten verheiratet gewesen seien, bei der Entwurfserstellung nicht bedacht worden sei. Da dies erst im Rahmen der Beurkundung festgestellt worden sei und auch in der Kürze der Zeit nicht zu ermitteln gewesen sei, habe sie eruiert, zu welchem Zweck der Erbschein benötigt würde. Da es im Wesentlichen um die Auflösung eines Kontos gegangen sei, habe sie vorgeschlagen, einen Erbschein ohne Angabe der Erbquoten zu beantragen, da dies ohne zeitliche Verzögerung möglich wäre. Sie erinnere sich deswegen so gut daran, da sie erst kurz vor dem Beurkundungstermin von dieser Möglichkeit, die Erbanteile wegzulassen, gelesen habe. Alle Beteiligte hätten dem zugestimmt. Es habe dann auch noch ein Vermerk zur Schreibweise des Namens der Beteiligten zu 1 zu einer Änderung des Entwurfs geführt. Der Antrag sei dann mit den entsprechenden Änderungen im allgemeinen Einverständnis beurkundet worden. Nach der Beurkundung habe es keine Veränderung der Urkunde gegeben.
- Der Senat folgt diesen Angaben, da sie plausibel und schlüssig sind. Die Einlassung der Notarin ist auch erkennbar erinnerungsfundiert. So verweist sie darauf, dass sie erst kurz vor der Beurkundung über die Möglichkeit der Antragstellung gelesen habe und dies daher vorgeschlagen habe. Auch die Ergänzung der Urkunde im Vergleich zum Entwurf in Bezug auf den Namen der Beteiligten zu 1 wird durch die vorliegenden Unterlagen bestätigt. Zudem ist die Beteiligte zu 1 nach eigenem Vortrag russische Staatsangehörige mit Wohnsitz in Moskau, auch bestand ein Ehevertrag nicht, so dass die Unsicherheit über den Güterstand im Beurkundungstermin plausibel ist. Diese Diskussion über den Güterstand haben auch durch die Beteiligten zu 2 und 3 bestätigt. Ausweislich einer Kurznachricht, die die Beteiligte zu 2 als Ausdruck des gegenseitigen Schriftverkehrs vorgelegt hat, haben die Beteiligten zu 2 und 3 dies schon von Anfang an gegenüber der Beteiligten zu 1 thematisiert.
- bb) Hingegen ist der Vortrag der Beteiligten zu 1 nicht glaubhaft, sie habe eine andere Version der Urkunde unterschrieben. Die Notarin hat bestätigt, dass es nach Unterzeichnung der Urkunde keine Änderungen mehr gegeben habe.
- Soweit die Beteiligte zu 1 dies damit belegen will, dass die Urkunde bei Leistung der Unterschriften nicht nach § 44 BeurkG geheftet gewesen sei, ist dies nach Kenntnis des Senats die allgemeine und zulässige Praxis von Notariaten. Nach allgemeiner Ansicht sind nämlich mehrere Blätter einer Urkunde erst unmittelbar nach dem Abschluss der Niederschrift zu heften und zu siegeln (Huhn/Stuckmann BeurkG 3. Aufl. § 44 Rn. 16). Eine Heftung schon vor Unterschriftsleistung würde nämlich nötige Änderungen im Beurkundungstermin verhindern. Dass solche noch notwendig waren, zeigt im Übrigen die Tatsache, dass in dem hier vorgelegten Entwurf der Familienstand der Beteiligten zu 1 noch offen war. Auch wer die Kosten der Beurkundung tragen sollte, war im Entwurf offen gelassen. Auch dies zeigt, dass der Vortrag der Beteiligten zu 1, es sei in dem Termin allein um die Schreibweise ihres Namen gegangen und nichts anderes besprochen worden, nicht den Tatsachen entspricht.
- cc) Soweit die Erklärung der Beteiligten, dass sie den „Erbschein zurückzurufe“ als Rücknahme des Antrags zu verstehen sein sollte, ist dies unbehelflich. Der Erbscheinsantrag wurde auch von den Beteiligten zu 2 und 3 mit Urkunde vom 9.9.2016 wirksam beantragt. Deren Anträge kann die Beteiligte zu 1 nicht zurücknehmen.
- b) Auch eine materielle Unrichtigkeit des Erbscheins liegt nicht vor.
- Eine solche macht die Beteiligte zu 1 zwar insofern geltend, als nach ihrer Ansicht zu Unrecht keine Erbquoten angegeben sind. Die Erbteilsangabe im Erbschein ist jedoch nicht erforderlich, wenn nach § 352a Abs. 2 Satz 2 FamFG alle Antragsteller in dem Antrag auf die Aufnahme der Erbteile verzichten (Keidel/Zimmermann FamFG 19. Aufl. § 352e Rn. 80 und § 352 a Rn. 11 ff).
- aa) Ein allseitiger Verzicht ergibt sich aus der notariellen Urkunde vom 9.9.2016. Dass ein solcher entgegen dem Vortrag der Beteiligten zu 1 auch wirksam erklärt wurde, ergibt sich aus der auch insofern glaubhaften schriftlichen Aussage der Notarin.
- Die Tatsache, dass in der Urkunde auf „§ 325a Abs. 2 Satz 2 FamFG“ Bezug genommen ist, ist unbehelflich. Eine solche Vorschrift ist nicht existent. Tatsächlich gibt aber § 352a Abs. 2 Satz 2 FamFG die Möglichkeit des Verzichts auf die Aufnahme der Erbquoten. Der Vortrag des Notariats, dass es sich bei dem Zitat um ein Schreibversehen gehandelt habe, ist daher plausibel.
- bb) Selbst wenn von einem Widerruf des Verzichts auf Erbquoten durch die Beteiligte zu 1 ausgegangen würde, erfolgte ein solcher erst nach Erteilung des Erbscheins. Ein Widerruf ist jedoch nur bis zur Erteilung des Erbscheins möglich (Keidel/Zimmermann § 352a Rn. 15).
- III.
- 1. Die Entscheidung über die Tragung der außergerichtlichen Kosten beruht auf § 84 FamFG. Danach soll das Gericht die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat. Im vorliegenden Fall besteht kein Anlass, von diesem Grundsatz abzuweichen.
- 2. Für den Geschäftswert ist das wirtschaftliche Interesse des Beschwerdeführers maßgebend (§ 131 Abs. 4, § 30 Abs. 1 KostO). Dieses entspricht im Wesentlichen der Höhe des Vermögens des Erblassers abzüglich der Nachlaßverbindlichkeiten. Der Senat setzt den Geschäftswert daher auf 21.700 € fest.
- 3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor (§ 70 FamFG)
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