Montag, 11. Mai 2020

Sondernutzungserlaubnis versus Anspruch auf freie Sicht auf das Schaufenster


Die Beschwerdeführerin (BF) betreibt ein Ladengeschäft. Vor diesem wurde ein Stand aufgestellt, an dem Eis verkauft wird. An diesem sollen zwei Sonnenschirme so platziert sein, dass dadurch die Sicht auf das Schaufenster des Ladengeschäfts von der Straße (einer Fußgängerzone) aus teilweise behindert ist. Das Verwaltungsgericht hatte einen Antrag auf einstweilige Anordnung, mit dem die BF die Beseitigung der Schirme geltend machte, als unzulässig abgewiesen. Ihre Beschwerde wurde vom OVG Lüneburg zurückgewiesen.

Zutreffend habe das VG einen Anspruch der BF auf ein Einschreiten der Antragsgegner nach § 22 NStrG verneint. § 22 NStG lautet:

„Wird eine Straße ohne die erforderliche Erlaubnis benutzt oder kommt der Erlaubnisnehmer seinen Verpflichtungen nicht nach, so kann die für die Erteilung der Erlaubnis zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Benutzung oder zur Erfüllung der Auflagen anordnen. Sind solche Anordnungen nicht oder nur unter unverhältnismäßigem Aufwand möglich oder nicht erfolgversprechend, so kann sie den rechtswidrigen Zustand auf Kosten des Pflichtigen beseitigen oder beseitigen lassen.“

Danach kann bei Nutzung der Straße ohne die erforderliche Erlaubnis oder entgegen einer Erlaubnis die zuständige Behörde (hier die Antragsgegnerin) die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Benutzung bzw. Erfüllung der Auflagen anordnen.

Das OVG schließt sich aus, dass tatsächlich die Art der Nutzung in Form der Anbringung der Sonnenschirme mit zwei Seitenplanen nicht der erteilten Sondernutzungserlaubnis der Antragsgegnerin entspräche. Darauf kam es allerdings nach Auffassung des OVG nicht an. Die Entscheidung über das Ob eines Einschreitens und des Wie stünde im Ermessen der Behörde. Eine Pflicht zum Einschreiten setze eine Ermessensreduzierung auf Null voraus und weiterhin, wenn das Einschreiten wie hier von einem Dritten begehrt würde, dessen Anspruch auf ein behördliches Einschreiten. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor.

Zwar könne die BF eine angemessene Anbindung an die Straße verlangen und, als Nutzerin eines gewerblich genutzten Grundstücks, auch einen „Kontakt nach außen“. Der „Kontakt nach außen“ bedeute aber nicht eine optimale Nutzungsmöglichkeit oder die Beibehaltung eines Lagevorteils. Daher könne nicht verlangt werden, dass die Schaufensterfront uneingeschränkt betrachtet werden könne. Nachteile in Bezug auf die Sichtbarkeit müssten in Kauf genommen werden, wenn nicht der „Kontakt nach außen“ vollkommen unterbunden würde. Die BF könne auch im Bereich der Fußgängerzone nicht fordern, dass die Straße im Bereich ihres Grundstücks frei von Nutzungen bleibe, die die Sicht auf die Schaufensterfront ihres im Erdgeschoß befindlichen Schuhgeschäfts beeinträchtigen könnten. Hier sei die Sicht nur teilweise behindert. Die Seitenplanen der Sonnenschirme würden sich für Fußgänger, die sich aus nördlicher Richtung nähern, würden nicht sichtbehindernd auswirken. Damit sei nicht zu erkennen, dass der „Kontakt nach außen“ unzumutbar beeinträchtigt sei. Auch liege keine Verletzung des in Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vor, da dieses keinen Anspruch auf diejenigen Nutzungsmöglichkeiten gewähre, die dem Gewerbetreibenden den größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil verspreche (BVerfG, Beschluss vom 15.07.1981 - 1 BvL 77/78 -).

Die BF könne sich auch nicht auf die nachbarschützenden Granzabstandsvorschriften berufen. Unabhängig davon, dass hier nach Ansicht des OVG der Grenzabstand eingehalten sein, könne dies von der BF auch hier nicht geltend gemacht werden. Zu berücksichtigen sei, dass für ein Einschreiten der Behörde grundsätzlich straßenbezogene Belange zu berücksichtigen seien, zu denen die Grenzabstandsbestimmungen der Niedersächsischen Bauordnung (NBauO) nicht gehören würden (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.08.2006 - 11 A 2642/04 - zur nordrhein-westfälischen Bauordnung).

OVG Lüneburg, Beschluss vom 04.05.2020  - 7 ME 37/20 -

Aus den Gründen:

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Göttingen - 1. Kammer - vom 18. Februar 2020 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO, mit dem die Antragstellerin begehrt hat, der Antragsgegnerin einstweilen aufzugeben, den Beigeladenen unter Androhung der Ersatzvornahme zur Entfernung des vor dem Grundstück C-Straße aufgestellten Pavillons zu verpflichten, im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Auf der Grundlage der Beschwerdebegründung, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO - hinsichtlich der gegen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung sprechenden Gründe (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.11.2004 - 8 S 1870/04 -, NVwZ-RR 2006, 75) - beschränkt ist, ist eine Änderung der angefochtenen Entscheidung nicht geboten.Das Beschwerdegericht hat dabei - über die Beschwerdebegründung hinaus - zu Lasten des Beschwerdeführers auch solche Gründe zu berücksichtigen, auf welche sich das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung nicht gestützt hat, die diese aber zu rechtfertigen in der Lage wären (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.03.2002 - 7 B 315/02 -, NVwZ 2002, 1390; Bayerischer VGH, Beschluss vom 21.05.2003 - 1 CS 03.60 -, NVwZ 2004, 251). Es besteht keine Beschränkung der Sachprüfung des Beschwerdegerichts in Bezug auf die Gründe, die für die Ergebnisrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung sprechen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.11.2004, a. a. O.).
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bereits für unzulässig erachtet. Die Antragstellerin sei im vorliegenden Verfahren nicht antragsbefugt, weil der vom Beigeladenen geschaffene Zustand möglicherweise das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Mieterin der Antragstellerin beeinträchtige, für die Antragstellerin selbst jedoch nur eine mittelbare, nicht wehrfähige Folge habe. Die dem Beigeladenen erteilte Sondernutzungserlaubnis vermittele der Antragstellerin ebenso wenig ein Abwehrrecht gegen die Gestaltung der Außengastronomie wie die Vorgaben des Niedersächsischen Straßengesetzes im Allgemeinen. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht aus § 6 Ziff. 2 der Sondernutzungssatzung der Antragsgegnerin, wonach sich Abgrenzungen der aufgestellten Tische und Sitzgelegenheiten bei Cafés, Gaststätten, Eissalons u. ä. städtebaulich und stadtgestalterisch verträglich einfügen müssten. Die Regelung habe keine nachbarschützende Wirkung. Die dagegen vorgebrachten Einwände der Beschwerde bedürfen hier keiner weiteren Vertiefung. Der Senat lässt es dahingestellt, ob die Antragstellerin in dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bereits nicht antragsbefugt ist gemäß § 42 Abs. 2 VwGO (analog, vgl. dazu Puttler in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., § 123 Rn. 69, Happ in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl., § 123 Rn. 41) oder es für die Antragsbefugnis ausreicht, dass die Antragstellerin geltend macht, dass das Aufstellen der von ihr beanstandeten Sonnenschirmkonstruktion vor dem Grundstück C-Straße bzw. die im Beschwerdeverfahren nur noch beanstandete Ausstattung des Sonnenschirms mit Seitenplanen zu Nachteilen in der Vermarktung des in ihrem Eigentum stehenden Geschäftshauses in der D. Straße 43 führe und sie durch diesen Zustand in ihrem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb - der gewerblichen Vermietung des Objekts - beeinträchtigt werde. Der Senat sieht auch keinen Anlass, den Sachverhalt weiter aufzuklären und der Frage nachzugehen, ob der von der Antragstellerin beanstandete Zustand derzeit noch andauert. Dies - und damit das für die Gewährung vorläufigen Rechtschutzes erforderliche Rechtsschutzbedürfnis - dürfte wohl eher zweifelhaft sein, weil unter den Bedingungen der derzeitigen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie der Verzehr von (Eis-)Speisen und Getränken in einem Umkreis von 50 m zu dem Betrieb des Beigeladenen ohnehin untersagt ist (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 3 Satz 1 der Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 17.04.2020, Nds. GVBl. S. 74, in der Fassung der Änderungsverordnung vom 24.04.2020, Nds. GVBl. S. 84) und eine Außenbewirtschaftung, für deren Zwecke der Beigeladene den Sonnenschirm mit den vorliegend (noch) streitigen Seitenplanen aufgestellt hat, in diesem Bereich gegenwärtig wohl nicht mehr stattfinden dürfte. Der Senat kann dies dahingestellt sein lassen, weil das Verwaltungsgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung jedenfalls in der Sache zutreffend abgelehnt hat.
Das Verwaltungsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass der Antragstellerin ein für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlicher Anordnungsanspruch, d. h. ein im Hauptsacheverfahren bestehender materieller Anspruch (vgl. Puttler in: Sodan/Ziekow, a. a. O., § 123 Rn. 77) auf ein Einschreiten der Antragsgegnerin gegen den Beigeladenen nach Maßgabe des § 22 NStrG nicht zusteht.
Nach § 22 Satz 1 NStrG kann, wenn eine Straße ohne die erforderliche Erlaubnis benutzt wird oder der Erlaubnisinhaber seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, die für die Erteilung der Erlaubnis zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Benutzung oder zur Erfüllung der Auflagen anordnen.
Der Tatbestand einer unerlaubten Straßenbenutzung ist aller Voraussicht nach erfüllt. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur gebotenen summarischen Prüfung spricht Erhebliches dafür, dass die von der Antragstellerin beanstandete Sonnenschirmkonstruktion mit zwei Seitenplanen nicht durch die dem Beigeladenen erteilte Sondernutzungserlaubnis für die Außenbewirtschaftung vor dem Grundstück C-Straße gedeckt ist, welche die Antragsgegnerin dem Beigeladenen - soweit ersichtlich - kettenmäßig monatlich neu erteilt hat (vgl. Bescheid vom 05.03.2020, Gerichtsakte Bl. 93). Gegenstand der Sondernutzungserlaubnis ist das Aufstellen von Tischen und Stühlen als Straßencafé auf einer Fläche von 5 m x 4 m (Breite x Tiefe) gemäß einem beigefügten Lageplan. Nach den Bedingungen und Auflagen zur Sondernutzungserlaubnis (dort unter 6. „Beschaffenheit des Straßencafés“) dürfen die in Anspruch genommenen Flächen nicht überdacht oder mit Planen überspannt werden. Sonnenschirme bis max. 4 m Durchmesser sind erlaubt, wobei sie die genehmigte Grundfläche nicht überragen dürfen. Diesbezüglich ist zunächst anzumerken, dass vor dem Eiscafé des Beigeladenen in der Vergangenheit vorübergehend wohl zwei Sonnenschirme platziert wurden (vgl. Beiakte 001 Bl. 16, 54), die möglicherweise den geschilderten Anforderungen der Sondernutzungserlaubnis entsprochen haben. Nunmehr geht es jedoch um das Aufstellen eines einzelnen - größeren - Sonnenschirms. Nach dem Vorbringen der Antragstellerin überdeckt dieser die gesamte Außenbewirtschaftungsfläche von 5 m x 4 m und geht somit über das zulässige Maß von max. 4 m im Durchmesser hinaus. Die Antragsgegnerin ist dieser Angabe nicht entgegengetreten, für ihre Richtigkeit sprechen im Übrigen die im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren eingereichten Ablichtungen der Örtlichkeiten (vgl. Beiakte 001 Bl. 128, Gerichtsakte Bl. 9 ff.). Auch die an dem Sonnenschirm angebrachten Seitenplanen, um deren Entfernung die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren (nur noch) streitet, stehen aller Voraussicht nach nicht in Einklang mit der Sondernutzungserlaubnis. Sie sind nicht Bestandteil des Sonnenschirms, sondern an dessen seitlichen Enden - quer zum Straßenverlauf - fixiert und verleihen der Konstruktion, soweit die Planen bis auf Bodennähe herunterreichen, einen pavillonähnlichen Charakter. Die Sondernutzungserlaubnis gibt für eine Genehmigung dieser Konstruktion nichts her.
Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, vermittelt § 22 NStrG aber grundsätzlich keinen Anspruch auf behördliches Einschreiten (vgl. Sauthoff, Öffentliche Straßen, 2. Aufl., § 9 Rn. 445). Die Entscheidung, ob und in welcher Weise gegen eine unerlaubte Sondernutzung der Straße eingeschritten wird, steht im Ermessen der zuständigen Behörde. Eine Verpflichtung zu einem behördlichen Einschreiten setzt eine Ermessensreduzierung auf Null voraus, und sofern das Einschreiten von einem Dritten begehrt wird, einen entsprechenden Anspruch auf das behördliche Tätigwerden. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
Soweit es die von der Antragstellerin beanstandeten Sichtbehinderungen betrifft, hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, dass die Antragstellerin als Eigentümerin des an der D. Straße anliegenden Grundstücks (mit der Hausnummer 43) im Rahmen des sogenannten Anliegergebrauchs eine angemessene Anbindung an die Straße beanspruchen kann. Darüber hinaus kann sie zur gewerblichen Nutzung ihres Grundstücks einen „Kontakt nach außen“ beanspruchen. Die Gewährleistung des „Kontakts nach außen“ umfasst aber nicht eine optimale Ausnutzung des Grundstücks oder die Beibehaltung schlichter Lagevorteile. Vielmehr muss sich der Straßenanlieger auf den Zustand der Straße, ihre Nutzung und auch Nutzungsänderungen einstellen. Zum geschützten Kern des Anliegergebrauchs gehört nicht die Attraktivität einer bestimmten Straßensituation (vgl. Sauthoff, a. a. O., § 7 Rn. 354 ff.; Stahlhut in: Kodal, Straßenrecht, 7. Aufl., Kap. 26 Rn. 20; Wendrich, NStrG, 4. Aufl., § 14 Rn. 10 f.). Der Eigentümer eines gewerblich genutzten Grundstücks - wie hier - kann deshalb nicht beanspruchen, dass eine zur Straße hin vorhandene Schaufensterfront seines Geschäftshauses uneingeschränkt betrachtet werden kann. Vielmehr muss er, sofern der „Kontakt nach außen“ nicht grundlegend in Frage gestellt wird, Nachteile in Bezug auf die Sichtbarkeit seines Anliegergrundstücks und dessen Nutzung in Kauf nehmen und sich gegebenenfalls auf gegenläufige Interessen Dritter einstellen. Die Antragstellerin kann danach nicht verlangen, dass die als Fußgängerzone eingerichtete D. Straße im benachbarten Bereich ihres Grundstücks frei von Nutzungen bleibt, welche die Sicht auf das im Erdgeschoss ihres Grundstücks betriebene Schuhgeschäft beeinträchtigen können. Wie die Antragsgegnerin und das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt haben, wird die Sicht auf das Schuhgeschäft durch die streitigen Seitenplanen des Sonnenschirms des Beigeladenen nur teilweise behindert. Auf die Sicht von Passanten, die sich dem Grundstück D. Straße 43 aus nördlicher Richtung nähern, wirken sich die Seitenplanen nicht aus. Dasselbe gilt, soweit es die Frontalansicht betrifft. Passanten, die vor dem Grundstück D. Straße 43 stehen, können auf das Schuhgeschäft schauen, ohne durch die Seitenplanen daran gehindert zu werden. Lediglich auf Passanten aus südlicher Richtung wirken sich die Seitenplanen als Sichtbehinderung aus, welche aber - wie dargelegt - in Höhe des Grundstücks D. Straße 43 nicht mehr besteht. Unter diesen Umständen ist nicht zu erkennen, dass der „Kontakt nach außen“ in unzumutbarer Weise beeinträchtigt wird. Auch das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb führt in dieser Hinsicht nicht weiter. Es vermittelt der Antragstellerin (in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG) keine weiteren Befugnisse in Bezug auf eine Nutzung der Straße bzw. Abwehrrechte hinsichtlich der Straßennutzung durch Dritte. Art. 14 Abs. 1 GG räumt dem Grundstückseigentümer keinen Anspruch auf gerade diejenigen Nutzungsmöglichkeiten ein, die ihm den größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil versprechen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.07.1981 - 1 BVL 77/78 -, BVerfGE 58, 345; Antoni in: Hömig/Wolff, GG, 12. Aufl., Art. 14 Rn. 4; Papier/Shirvani in: Maunz/Dürig, GG, 89. EL Okt. 2019, Art. 14 Rn. 200 ff.)
Ohne Erfolg beruft sich die Beschwerde auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 28.01.1957 - III ZR 141/55 -, BGHZ 23, 157). Der Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem die Errichtung von drei Verkaufsbaracken dazu geführt hatte, dass ein dahinter gelegener Gaststättenbetrieb unsichtbar wurde. Mit einer solchen Konstellation ist der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar.
Mit ihrem Einwand, die Sonnenschirmkonstruktion des Beigeladenen verletze Grenzabstandsvorschriften, wogegen die Antragsgegnerin vorgehen müsse, dringt die Antragstellerin ebenfalls nicht durch. Durch die Sonnenschirmkonstruktion des Beigeladenen wird die Grenzabstandsvorschrift des § 5 Abs. 2 Satz 1 NBauO aller Voraussicht nach nicht verletzt. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 NBauO beträgt der Abstand 0,5 H, mindestens jedoch 3 m. Abweichend davon sind nach § 5 Abs. 8 Satz 2 Nr.1 NBauO ohne Abstand oder mit einem bis auf 1 m verringerten Abstand von der Grenze zulässig Garagen und Gebäude ohne Aufenthaltsräume und Feuerstätten mit einer Höhe bis zu 3 m. Der Privilegierungstatbestand dürfte hier greifen, weil die Sonnenschirmkonstruktion, in bzw. unter der der Beigeladene die Tische und Stühle seiner Außenbewirtschaftung untergebracht hat, selbst wenn man ihr einen Gebäudecharakter beimisst, nicht als Aufenthaltsraum angesehen werden kann. Aufenthaltsraum ist nach § 2 Abs. 8 NBauO ein Raum, der zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet ist. Bei der hier streitigen Sonnenschirmkonstruktion dürfte es sich mit Blick auf ihren Verwendungszweck als einfacher Witterungsschutz während eines nur kurzfristigen Aufenthalts von Kunden des Cafébetriebs auf der Außenbewirtschaftungsfläche um eine lediglich für einen vorübergehenden Aufenthalt bestimmte und geeignete Anlage handeln. Entgegen der Beschwerde ist sie nicht mit einer Feuerstätte ausgestattet. Eine Feuerstätte ist gemäß § 2 Abs. 11 NBauO eine ortsfeste oder ortsfest benutzte Anlage oder Einrichtung in oder an einem Gebäude, die dazu bestimmt ist, durch Verbrennung Wärme zu erzeugen. Soweit der Beigeladene im Rahmen seiner Außenbewirtschaftung ein Heizstrahlgerät verwendet, handelt es sich - soweit ersichtlich - um ein mobiles Gerät, welches je nach Bedarf zwischen den einzelnen Tischen der Außenbewirtschaftung aufgestellt werden kann und dem es an dem Merkmal der Ortsfestigkeit bzw. ortsfesten Nutzung fehlt. Dass die Sonnenschirmkonstruktion höher als 3 m sein könnte, ist nicht ersichtlich. Nach den in den Akten befindlichen Fotografien drängt sich dies nicht auf und wird auch von der Antragstellerin nicht behauptet.
Selbst wenn abweichend von dem Vorstehenden eine Verletzung des Grenzabstands zu dem Grundstück der Antragstellerin angenommen werden sollte, wäre damit ein Anordnungsanspruch der Antragstellerin auf ein Einschreiten gegen den Beigeladenen nicht dargetan. Auf der Grundlage der Beschwerdebegründung erschließt sich nicht und ist auch sonst nicht ersichtlich, dass sich das Ermessen für ein Einschreiten nach § 22 Satz 1 NStrG auf Null reduziert haben könnte. Insoweit ist zu berücksichtigen, worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat, dass bei der Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis oder wie hier bei einem Einschreiten wegen einer unerlaubten Sondernutzung grundsätzlich straßenbezogene Belange zu berücksichtigen sind, zu denen die Grenzabstandsvorschriften nach der Niedersächsischen Bauordnung nicht gehören (vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.08.2006 - 11 A 2642/04 -, juris; Sauthoff, a. a. O., § 8 Rn. 361, 372).
Ergänzend zu den Ausführungen des Verwaltungsgerichts weist der Senat darauf hin, dass die Antragstellerin auch den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsgrund, d. h. die besondere Dringlichkeit der Sache (vgl. dazu Puttler in: Sodan/Ziekow, a. a. O., § 123 Rn. 80 ff.; Happ in: Eyermann, a. a. O., § 123 Rn. 53), nicht dargetan hat. Soweit die Antragstellerin im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemacht hat, wegen der fehlenden vollständigen Sichtbarkeit der Schaufenster des von ihr vermieteten Geschäftslokals müsse sie demnächst mit einem Mietminderungsverlangen ihrer Mieterin rechnen, hat sie dies lediglich unsubstantiiert in den Raum gestellt und entgegen § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO nicht glaubhaft gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, der sich im Beschwerdeverfahren nicht weiter geäußert hat, beruht die Entscheidung auf § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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